PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2006
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.ICB-Version 3.0
121
2006
Hans Knöpfel
Die Zertifizierung nach dem universalen Vier-Ebenen-System der IPMA (International Project Management Association) hat mit seiner Anwendung in 30 bis 40 Ländern im letzten Jahrzehnt eine weltweite Anerkennung und mit zurzeit 10.000 bis 15.000 Zertifikaten pro Jahr eine hohe Verbreitung gefunden. Entsprechend hoch ist die Verantwortung für die ICB (IPMA Competence Baseline) als inhaltliche Grundlage für diese Zertifizierungen.
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70 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 o Darstellung der Strukturen von Organisationen, die prozess- und projektorientiert sind; damit sind einerseits spezifische Rollen wie etwa Prozesseigentümer und Projektmanager gemeint, andererseits aber auch Organigramme und Kommunikationsformen wie regelmäßige Sitzungen des Projektteams; o Anleitungen, wie man durch Prozess- und Projektorientierung Synergien schaffen und die Risiken des Scheiterns beider Konzepte gering halten kann. Das Credo der Autoren lautet: „Erst ein integrierter Ansatz der Prozess- und Projektorientierung ermöglicht deren effiziente Umsetzung im Unternehmen.“ Mit diesem Programm greifen die beiden Verfasser eine Themenstellung auf, die bisher zumindest nicht in einem umfassenden Buch behandelt wurde. In der Literatur werden die Zusammenhänge zwischen Prozessmanagement und Projekt-, Programm- und Projektportfoliomanagement ja in aller Regel nicht beachtet. Als Prozess wird im Werk „ein klar abgrenzbarer, relativ umfangreicher organisatorischer Ablauf“ betrachtet, „der die Mitwirkung mehrerer Rollen einer oder mehrerer Organisationen bedingt“. Elemente von Prozessen sind „Aufgaben, Entscheidungen und deren Beziehungen zueinander sowie organisatorische Zuständigkeiten“. Betrachtungsobjekte des Prozessmanagements sind - so Gareis und Stummer - repetitive Prozesse. Projekte werden hingegen zur Durchführung relativ einmaliger Prozesse initiiert. Diese Unterscheidung ist akzeptabel, freilich halten sich die Verfasser daran nicht immer ganz streng und verwirren dadurch den Leser ein wenig, so z. B. wenn sie von „Routineprojekten“ sprechen. Auch andere Formulierungen tragen nicht immer zur Klarheit bei, so z. B. die etwas seltsame Empfehlung „Projekte sollten nicht länger als zwölf Monate dauern“ (S. 59) oder der Ratschlag: „Umfangreiche Prozesse, deren Erfüllung mehrere oder viele Organisationseinheiten involviert, bedürfen der Organisation als Projekt oder als Programm.“ Es schließt sich hier unmittelbar die Frage an, ob das auch für repetitive Prozesse gelten soll. An anderer Stelle (S. 191) heißt es dann allerdings eindeutig: „Der Umfang von Hauptprozessen und deren relative Einmaligkeit können den Einsatz von Projekten zu deren Erfüllung notwendig machen.“ Als Beispiel wird ein Projekt im industriellen Anlagenbau genannt. Der Erfolg von Projekten hängt u. a. von der professionellen Erfüllung von Prozessen wie etwa dem Beschaffungsprozess ab. Die Grundlage dafür schafft das Prozessmanagement. Wie schon eingangs kurz erwähnt, plädieren Gareis und Stummer deshalb auch für eine integrierte Betrachtung und stellen Modelle der Integration von Methoden, Rollen und Kommunikationsstrukturen vor. Dabei unterscheiden sie beim Prozessmanagement zwischen Makro- und Mikroprozessmanagement. Von einer Verschmelzung von Prozessmanagement-Office und Projektmanagment-Office versprechen sie sich z. B. eine Steigerung von Effizienz und Effektivität. Als konkretes Beispiel wird das Corporate Project and Process Management Office der AUA genannt. Weiterhin wird vorgeschlagen, eine Project Scorecard um die Dimension „Prozesse“ zu ergänzen. Schließlich stellen Gareis und Stummer ein Reifegradmodell für das Management von prozess- und projektorientierten Unternehmen vor, das mir allerdings mit sehr heißer Nadel gestrickt erscheint. Das Buch wird abgeschlossen durch eine Reihe von informativen Fallstudien projekt- und prozessorientierter Unternehmen. Bewertung Das sorgfältig gemachte Buch ist schon wegen der zahlreichen, neuen Fragestellungen und wegen der erwähnten Integrationsvorschläge, aber auch wegen der Fallstudien zur Lektüre zu empfehlen. Bemängeln muss ich allerdings, genauso wie Dr. Angermeier in seiner Rezension im Projektmagazin, dass auf den PMBoK, PRINCE2, die Überarbeitung der Normenreihe DIN 69 900 ff. und die wichtigsten, stark prozessorientierten Reifegradmodelle überhaupt nicht eingegangen und kein Bezug hergestellt wird. Heinz Schelle n Buchbesprechung Prozesse und Projekte Gareis, R.; Stummer, M.: Prozesse und Projekte. Manz-Verlag. Wien 2006, 330 S., ISBN-10: 3-214-08267-1, ISBN-13: 978-3-214- 08267-3, EUR 40,85 Die Arbeit von Roland Gareis und Michael Stummer hat folgende Ziele: o Analyse der Zusammenhänge zwischen Prozessmanagement und Projekt-, Programmbzw. Projektportfoliomanagement; Projektportfolien werden dabei zutreffend als zeitlich unbegrenzt bezeichnet. Sie erstrecken sich über die gesamte Lebensdauer einer Organisation; PM_4_06.indd 70 26.09.2006 16: 09: 21 Uhr 7 KARRIERE projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 aktuell D ie erste offizielle Version 2.0 der ICB baute auf den in den neunziger Jahren entwickelten englischen, schweizerischen, französischen und deutschen Zertifizierungsgrundlagen und deren Verarbeitung durch Olaf Pannenbäcker auf. Sie wurde nach einem breiten Konsultationsverfahren und Abstimmungen im Council of Delegates im Jahr 1999 in Kraft gesetzt. Fünf Jahre später beschloss die IPMA, eine grundsätzliche Überarbeitung vorzunehmen. Nun liegt die ICB-Version 3.0 vor. Die Mitgliederländer der IPMA arbeiteten daran intensiv mit und stimmten der neuen Grundlage im Council of Delegates im März 2006 zu. Folgende Änderungen charakterisieren die ICB-Version 3.0: 1. Die Verhaltenskompetenz (Behavioural Competences) ist nicht mehr durch acht Aspekte beschrieben, sondern mittels 15 regulärer Kompetenzelemente weiter gehend definiert. 2. Die Wechselwirkung zwischen Stammorganisationen und Projektumfeld und den Projekten (Contextual Competences) wurde stärker als bisher berücksichtigt; Programme und Portfolios erhielten eine höhere Bedeutung. 3. Die Managementtechnik für Projekte (Technical Competences) bleibt der wichtigste Kompetenzbereich der ICB. 4. Die Struktur der Elemente wurde vereinfacht: Insgesamt 46 Elemente treten an die Stelle von 60 Elementen und Aspekten, drei verbindliche an Stelle von fünf unverbindlichen Kompetenzbereichen. Die Unterscheidung zwischen Kern- und Zusatzelementen wurde weggelassen. 5. Die Kompetenzelemente sind einheitlicher auf Prozesse, Themen und Ergebnisse ausgerichtet und zudem vernetzt. 6. Genauere Aussagen zu den Anforderungen für jede IPMA-Ebene werden gemacht. 7. Die sprachliche und grafische Qualität der ICB wurde erhöht. Das Kompetenzauge (Abb. 1) vereinigt alle Elemente des Projektmanagements, die die Fachleute sehen und überprüfen, wenn sie eine spezifische Situation in einem Projekt, Programm oder Portfolio betrachten, analysieren und beurteilen. Das Kompetenzauge steht für Klarheit und Vision. Mit diesen Änderungen wurden die höheren Ansprüche der Kunden, die Entwicklungen der Fachgebiete für das Management der Projekte und das Management by Projects sowie die Erfahrungen aus der Zertifizierung und Validierung berücksichtigt. Fachleute im Projektmanagement weisen nun ihr Wissen und ihre Erfahrung in 20 Technischen Kompetenzelementen, 15 Verhaltenskompetenzelementen und 11 Kontextualen Kompetenzelementen im Zusammenhang und an Hand praktischer Situationen nach (Abb. 2). Die Assessoren beurteilen die Kompetenz nach den Grundsätzen der ISO/ IEC-Norm 17 024. Die Zertifizierungsstellen stellen die Unparteilichkeit, Objektivität und Unabhängigkeit insbesondere über inhaltliche und organisatorische Maßnahmen sicher: o Die Projektmanagementkompetenz wird für die Kompetenzelemente auf einer einheitlichen Skala mit Werten zwischen 0 (keine Kompetenz) und 10 (absolutes Maximum) und den drei Hauptspannen 1-3, 4-6 und 7-9 beurteilt (Abb. 3). o Eine genügende Menge von Fragen und Situationen wird unabhängig voneinander beantwortet; die Ant- Das aktuelle Stichwort: ICB-Version 3.0 Der neue Maßstab für die Kompetenz im Projektmanagement Hans Knöpfel Die Zertifizierung nach dem universalen Vier-Ebenen-System der IPMA (International Project Management Association) hat mit seiner Anwendung in 30 bis 40 Ländern im letzten Jahrzehnt eine weltweite Anerkennung und mit zurzeit 10.000 bis 15.000 Zertifikaten pro Jahr eine hohe Verbreitung gefunden. Entsprechend hoch ist die Verantwortung für die ICB (IPMA Competence Baseline) als inhaltliche Grundlage für diese Zertifizierungen. Abb. 1: Das Kompetenzauge PM_4_06.indd 71 26.09.2006 16: 09: 23 Uhr