eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 18/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2007
181 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Ganzheitliches Projektmanagement – „Buzzword“ oder betriebliche Realität?

31
2007
Sebastian Pfeifle
Marc Simon
Projektmanagement wird seit geraumer Zeit als ganzheitlicher Ansatz, branchenübergreifende Denkweise und eigenständige Disziplin der Wirtschaftswissenschaften verstanden. Das Projektmanagement hat sich dabei im zeitlichen Verlauf von einer Randerscheinung in einigen technischen Spezialgebieten im Großprojektbereich, insbesondere im Militär und in der Raumfahrtentwicklung, mittlerweile zu einer ganzheitlichen Disziplin und zu einer weitverbreiteten strategischen Option der organisatorischen Gestaltung von Unternehmen entwickelt. Doch wodurch ist diese viel zitierte Ganzheitlichkeit gekennzeichnet, die in der aktuellen Managementliteratur immer wieder als zentrales Charakteristikum des Projektmanagements genannt wird? Verbirgt sich dahinter lediglich die Tatsache, dass es sich bei Projektmanagement um einen interdisziplinären Ansatz handelt, der verschiedene Wissensgebiete integrativ verknüpft (Zeitmanagement, Kostenmanagement usw.), oder muss man sich schlicht damit abfinden, dass der Begriff Ganzheitlichkeit im heutigen Businessumfeld geradezu inflationär verwendet wird und kaum noch ein vielversprechender neuer Consultingansatz der Topmanagementberatungen ohne diese auskommt?
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3 WISSEN projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 aktuell I n diesem Beitrag soll anhand des aktuellen Projektmanagementansatzes der DaimlerChrysler Financial Services AG (DCFS) beschrieben werden, was dort unter einem ganzheitlich ausgerichteten Projektmanagement zu verstehen ist und wie dieses in der betrieblichen Praxis realisiert und konkret ausgestaltet werden konnte. Als Tochter des DaimlerChrysler-Konzerns ist die DaimlerChrysler Financial Services AG der weltweit drittgrößte herstellerverbundene Finanzdienstleister. Mit maßgeschneiderten Finanzdienstleistungen - von Finanzierung und Leasing über Versicherungen bis hin zum Flottenmanagement - unterstützt DCFS den Absatz der Automobilmarken des DaimlerChrysler-Konzerns. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin ist in 39 Ländern mit rund 11.000 Mitarbeitern tätig und betreut ein Vertragsvolumen von 113 Milliarden Euro. Die Darstellungen beziehen sich dabei auf eine im Jahre 2003 durch den Vorstand verabschiedete Initiative mit dem strategischen Ziel, das Projektmanagement bei DCFS zu professionalisieren. Angesichts unlängst veröffentlichter Studien, die attestieren, dass allein in Deutschland aufgrund schlecht vorbereiteter und durchgeführter Projekte jährlich über 150 Milliarden Euro vernichtet werden, erhält der Stellenwert des damaligen Vorstandsbeschlusses überaus aktuelle Relevanz. Tendenz zu grünen Ampeln Der Ausgangspunkt für den Entschluss, eine umfangreiche Initiative zur Professionalisierung des Projektmanagements anzustoßen, war eine konzernweite Standortbestimmung auf der Grundlage breit angelegter interner Expertenbefragungen. Dabei wurden zehn Kernthemen identifiziert, die wiederum drei Kategorien zugeordnet werden konnten. Diese zehn Kernthemen bildeten die Basis für die Ableitung der primären Handlungsfelder zur Professionalisierung des Projektmanagements und zur Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes. Die Vielzahl und Heterogenität der identifizierten Handlungsfelder zeigen deutlich, dass durch Einzelmaßnahmen nur schwer fundamentale Fortschritte bei der Professionalisierung des Projektmanagements realisierbar gewesen wären. Vielmehr erkannte man, dass nur durch Interventionen auf verschiedenen Ebenen die nachhaltige Optimierung des Projektmanagements bei DCFS umsetzbar war. Das Resultat ist daher ein Projektmanagementansatz, der insgesamt vier verschiedene Dimensionen berücksichtigt: Projektmanagementmethode, Projektmanagementqualifizierung, Projektmanagementorganisation und Projektmanagementsoftware. Erst die Verzahnung dieser vier Projektmanagementebenen gewährleistet einen ganzheitlich ausgerichteten Ansatz. HOUSTON - Wir haben ein Problem Da es sich bei Projektmanagement in erster Linie um eine Arbeitsform bzw. eine Arbeitstechnik handelt, bedurfte es in einem ersten Schritt einer methodischen Grundlage. Daher galt es zunächst, ein methodisches Rahmenwerk als Bezugsgröße festzulegen. Das Ergebnis hieß HOUSTON. Assoziieren die meisten Menschen mit HOUSTON ent- Ganzheitliches Projektmanagement - „Buzzword“ oder betriebliche Realität? Projektmanagement bei der DaimlerChrysler Financial Services AG Sebastian Pfeifle, Marc Simon Projektmanagement wird seit geraumer Zeit als ganzheitlicher Ansatz, branchenübergreifende Denkweise und eigenständige Disziplin der Wirtschaftswissenschaften verstanden. Das Projektmanagement hat sich dabei im zeitlichen Verlauf von einer Randerscheinung in einigen technischen Spezialgebieten im Großprojektbereich, insbesondere im Militär und in der Raumfahrtentwicklung, mittlerweile zu einer ganzheitlichen Disziplin und zu einer weitverbreiteten strategischen Option der organisatorischen Gestaltung von Unternehmen entwickelt. Doch wodurch ist diese viel zitierte Ganzheitlichkeit gekennzeichnet, die in der aktuellen Managementliteratur immer wieder als zentrales Charakteristikum des Projektmanagements genannt wird? Verbirgt sich dahinter lediglich die Tatsache, dass es sich bei Projektmanagement um einen interdisziplinären Ansatz handelt, der verschiedene Wissensgebiete integrativ verknüpft (Zeitmanagement, Kostenmanagement usw.), oder muss man sich schlicht damit abfinden, dass der Begriff Ganzheitlichkeit im heutigen Businessumfeld geradezu inflationär verwendet wird und kaum noch ein vielversprechender neuer Consultingansatz der Topmanagementberatungen ohne diese auskommt? 4 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 weder eine Stadt in Texas oder die glücklich ausgegangene Raumfahrtmission der Apollo 13 aus dem Jahre 1970, verbinden Projektmanager bei DaimlerChrysler mit diesem Begriff nun einen „Body of Knowledge“ für das Projektmanagement. Dieser „DaimlerChrysler Projectmanagement Body of Knowledge“ basiert in seiner Struktur auf den Grundlagen des Standards des Project Management Institute (PMI). Dabei wurde jedoch die Entwicklung und insbesondere die spezifische Ausgestaltung von HOUS- TON auf die kennzeichnenden Projektmanagementanforderungen des DaimlerChrysler-Konzerns ausgerichtet und entsprechend methodisch verfeinert und weiterentwickelt. HOUSTON ist somit ein handlungsanweisendes Modell für die Durchführung von Projekten. Danach wird ein Projekt in fünf verschiedene Prozessgruppen aufgespannt: Initiation (Projektinitiierung), Planning (Projektplanung), Execution (Projektdurchführung), Controlling (Projektsteuerung) und Closure (Projektabschluss). Zusätzlich müssen innerhalb der Projektabwicklung neun Wissensgebiete (Knowledge Areas) des Projektmanagements beachtet werden. Während sich die Prozessgruppen auf den sequenziellen Ablauf der Phasen eines Projektes beziehen, werden durch die Knowledge Areas die verschiedenen interdisziplinären inhaltlichen Aspekte im Projektmanagement berücksichtigt. Da nicht jede der neun Knowledge Areas in jeder der fünf Prozessgruppen Anwendung findet, ergeben sich insgesamt 26 Prozesse innerhalb des HOUSTON-Konzeptes. Damit dieses theoretische Rahmenwerk nach aktuellem wissenschaftlichem Stand auch praxisorientiert in den Projektmanagementalltag transferiert und für Projektmanager anwendbar wird, gibt HOUSTON abschließend für alle der 26 Prozesse konkrete Handlungsempfehlungen, Guidelines, Vorlagen, Checklisten usw. vor, die auf die spezifischen Projektmanagementanforderungen des DaimlerChrysler-Konzerns ausgerichtet sind. Das ist das wesentliche Differenzierungskriterium zwischen HOUSTON und den gängigen PM-Standards von PMI und IPMA (International Project Management Association). Alle Mitarbeiter von DCFS können auf den „Daimler- Chrysler Projectmanagement Body of Knowledge“ durch Kultur & Organisation Prozesse, Methoden & Tools Qualifikation 1. Projektarbeit wird nicht ausreichend honoriert 9. Unzureichendes PM-Qualifikationsangebot 4. Konflikte zwischen Projekt und Linie bei der Zuordnung von Ressourcen 7. Keine Gesamtübersicht über laufende und geplante Projekte 2. „Tendenz zu grünen Ampeln“ 10. PM-Kompetenz optimierbar 5. Abhängigkeiten zwischen Projekten sind schwer erkennbar 8. Keine standardisierten Methoden und Tools 3. Kein zentraler Kompetenzbereich für das PM-Thema 6. Kein standardisiertes Projektreporting Abb. 1: Identifizierte Handlungsfelder zur Professionalisierung des Projektmanagements Erfolgreiche Projektdurchführung PM- Methode PM- Qualifizierung PM- Software PM- Organisation Abb. 2: Dimensionen des DCFS-PM-Ansatzes pl Planning in Initiation cl Closure ex Execution co Controlling Abb. 3: Prozessgruppen nach HOUSTON 5 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 aktuell Integration Management Scope Management Time Management Cost Management Quality Management Risk Management Human Resource Management Communication Management Procurement Management eine einfache Intranet-Anwendung jederzeit und weltweit zugreifen. DCFS hat mit der Entwicklung und konzernweiten Implementierung des HOUSTON-Ansatzes somit einen allgemeingültigen Projektmanagementstandard etabliert. Dieser bildet die erste wesentliche Säule, wenn nicht sogar das Fundament eines ganzheitlich ausgerichteten Projektmanagementansatzes. Kennen heißt nicht Können Befragt man heute Mitarbeiter nach ihren Aufgaben und Tätigkeiten im betrieblichen Arbeitsalltag, findet sich kaum noch jemand, der laut Selbstauskunft nicht mindestens an einem, wenn nicht gar an mehreren Projekten „irgendwie beteiligt ist“. Dabei kann man den Eindruck gewinnen, dass unter den Begriff Projekt oftmals sämtliche Aktivitäten, Initiativen, Energien, Einsätze oder Taten subsumiert werden, die nicht Bestandteil einer routinemäßigen Beschäftigung sind. Und gerade weil für die meisten das Projekt aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken ist, wird die Befähigung der Mitarbeiter in der Materie Projektmanagement zwangsläufig und unumgänglich zum erfolgskritischen Faktor. Um einen professionellen und konsistenten Projektmanagementansatz in diesem Kontext sicherzustellen, bezieht sich daher die zweite Säule des ganzheitlich ausgerichteten PM- Ansatzes der DCFS auf das Thema Qualifizierung. Die Entwicklung eines DCFS-Projektmanagement-Training- Curriculums, bestehend aus mehreren Modulen, gewährleistet hierbei die zielgerichtete Qualifizierung der Mitarbeiter. Dieses Curriculum besteht aus einem Grundlagenseminar (Basic Training) und drei weiterführenden Aufbaustufen (Advanced Training), die die zentralen PM- Themen vertiefen. Zuvor kann der Mitarbeiter über ein Online-Tool per Selbsteinschätzung einen sogenannten Skill Check durchführen, um zu erkennen, in welchen PM-Themen bereits Wissen vorliegt bzw. noch optimiert pl Scope Planning ex Scope Verification co Scope Control pl Time Planning co Schedule Control pl Cost Planning co Cost Control pl Quality Planning ex Quality Assurance co Quality Control pl Risk Planning co Risk Monitoring and Control pl Human Resource Planning ex Team Building and Development co Team Performance Control pl Communication Planning ex Performance Reporting co Communication Control pl Procurement Planning ex Contract Administration co Procurement Control pl Project Plan Development ex Project Plan Execution co Integrated Change Control in Initiation cl Closure Initiation Planning Execution Controlling Closure Abb. 5: Prozessgruppen und Knowledge Areas Abb. 4: Knowledge Areas nach HOUSTON 6 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 werden kann. Nach Durchlaufen aller vier Trainingsmodule besteht zudem die Möglichkeit zur Teilnahme am Seniortraining bzw. zur individuellen Vorbereitung und Durchführung der Zertifizierung zum „PMI Projektmanagement Professional“ (PMP), die von den Fachbereichen gesponsert wird. Alle vier Module sind gezielt praxisrelevant ausgerichtet. Als Vergleich bietet sich das Bild vom Erwerb eines KFZ-Führerscheins, da auch hierbei zunächst an erster Stelle das Erlernen von theoretischen Grundlagen steht, bevor man in den praktischen Fahrstunden das Steuern, Lenken und Ausweichen in kritischen Situationen einübt. Dabei sind aber beide Komponenten unerlässlich, um letztendlich ein guter Autofahrer zu werden. Obwohl heutzutage zweifellos die Qualifikation und das Potenzial von Mitarbeitern zu entscheidenden wettbewerbsrelevanten Faktoren geworden sind, liegt das Anliegen des Ansatzes bei DCFS in einer anforderungs- und zielgruppenorientierten Qualifikation, anstatt nach dem „Gießkannenprinzip“ vorzugehen. Aufgabe und Rolle im Projekt sind dabei wesentliche Faktoren, die vorgeben, wer welche Trainingsmodule durchlaufen sollte. Bezogen auf das Führerscheinbeispiel muss nicht jeder eine Rennfahrerlizenz erwerben, der seinen PKW primär für den Weg zur Arbeit und ggf. noch zum Wochenendausflug nutzt. Es ist nachvollziehbar, dass der Projektleiter eines Großprojektes mit einer Budgetverantwortung von mehreren Millionen Euro tendenziell eine tiefer gehende PM-Kompetenz und Erfahrung benötigt als ein Arbeitspaketverantwortlicher, der mit einer klar abgrenzbaren Aufgabe in einem eher kleineren Projekt beauftragt ist. Ein wesentliches Ziel des Ansatzes ist, dass alle Mitarbeiter, die aktiv in Projekte involviert sind, mindestens über eine entsprechende methodische Grundlagenqualifikation verfügen sollen. Project Management Offices - Administrator oder Business Partner? Als Projektmanager ist man in der Regel mit den verschiedenen Implikationen von unterschiedlichen Organisationsformen in ein Projekt und dessen Management hinlänglich - und leider vielfach auch leidgeplagt - vertraut. Jede Organisationsform, von der Linienorganisation bis zur reinen Projektorganisation, bietet Chancen, aber auch Risiken hinsichtlich einer erfolgreichen Projektdurchführung. Mit der dritten Säule des ganzheitlichen PM-Ansatzes der DCFS wurde daher ein Konzept entwickelt, das versucht, so viel wie nötig, aber gleichzeitig auch so wenig wie möglich formale organisatorische Rahmenbedingungen zu setzen, um die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Projektabschlusses zu maximieren. Da bei DCFS als internationales Unternehmen mit über 11.000 Mitarbeitern in 39 Ländern und einem überaus heterogenen Projektportfolio die Frage nach einer einheitlichen Organisationsform zur Durchführung von Projekten zwangsläufig nur durch eine Matrixorganisation zu realisieren ist, bezieht sich das dabei entwickelte Organisationskonzept vor allem auf die Implementierung und Etablierung von übergeordneten organisatorischen „Projektmanagementinstanzen“. Hierbei wurden vier wesentliche organisatorische Projektinstanzen identifiziert bzw. neu geschaffen: Project Plan Development Initiation Scope Planning Project Plan Development Risk Monitoring and Control Risk Planning pl pl pl co pl Risk Planning Identifies which risks may affect the project and defines the applicable risk actions to prevent and/ or reduce the impact of risks 1 2 3 4 5 6 7 8 Abb. 6: Auszug aus dem HOUSTON-Intranet zum Beispielprozess Risikoplanung Training Curriculum PM Function Possible Add ons. e.g. Senior Project Manager Project Manager PM Forum Prep Course Certification according to PMI Project Coaching Senior Training Advanced Training Basic Training Skill Check Project Team Member Abb. 7: DCFS-Training-Curriculum PM Communication, Commitments Approve monitor projects Major decision body Support PB & PM Teams (Center of Expertise) PM Offices PM Teams Project Boards Execute Projects Board of Mgmt. PM Processes Methods & Tools PM Organization PM Qualification Abb. 8: Projektmanagement-Organisationskonzept 7 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 aktuell Kern eines jeden Projektes ist das Projektteam mit dem verantwortlichen Projektleiter (erste PM-Organisationsinstanz), das für die operative Ausführung des Projektes verantwortlich ist. Erwartet man an zweiter Stelle meist das Steering Committee, sei erklärt, dass das Steering Committee in der Regel zwar eine wichtige Rolle innerhalb eines Projektes einnimmt, jedoch immer nur für ein spezifisches Projekt. Dabei wird es durch das Projektteam bzw. den Projektleiter informiert und gegebenenfalls zur Unterstützung in bestimmten Handlungsbedarfssituationen hinzugezogen. Zum Abschluss eines Projektes nimmt es meist den Liefergegenstand des Projektes ab, entlastet den Projektleiter und löst sich dann wieder auf. Dies soll jedoch nicht im Betrachtungsfokus des DCFS-Organisationsansatzes stehen, da hier die Implementierung und Etablierung einer konstanten und permanenten PM-Organisation angestrebt werden. Somit folgt an zweiter Stelle das sogenannte Project Board (zweite PM-Organisationsinstanz), was nicht mit einem Steering Committee zu verwechseln ist. Project Boards sind Ausschüsse bzw. Gremien, die aus einem fest definierten Kreis von meist höheren und höchsten Führungskräften bestehen, die für das Projektportfolio eines Funktionalbereiches (z. B. IT) oder einer Region (z. B. Europa) verantwortlich sind. Die Projekte eines Bereiches oder einer Region berichten in regelmäßigen Abständen an die entsprechenden Project Boards, die dann Entscheidungen treffen. Als oberste Entscheidungsinstanz eines Unternehmens werden beim Board of Management (dritte PM-Organisationsinstanz) die erfolgskritischen und entscheidungsrelevanten Informationen der verschiedenen Project Boards kanalisiert, um strategisch finale und lenkungsfähige Beschlüsse herbeiführen zu können. Erscheinen die drei bis dahin beschriebenen PM-Organisationsinstanzen in ihrer formalen Rolle nachvollziehbar, soll im Rahmen des ganzheitlichen PM-Ansatzes von DCFS vor allem die Installation und neu geschaffene Instanz der Project Management Offices hervorgehoben werden. Die Project Management Offices (PMO) bilden dabei die Schnittstelle zwischen dem Projekt und Project Board. Das heißt, sie sind direkter Ansprechpartner für das Projekt oder den Projektleiter in allen Belangen des Projektes und dessen Management. Sie sind als Coachingpartner zu verstehen und werden überwiegend mit erfahrenen Projektmanagementexperten besetzt. Zudem sind die PMOs für administrative Aufgaben hinsichtlich Vorbereitung von Project-Board-Sitzungen, Erstellung von entsprechenden Präsentationen und Protokollen etc. verantwortlich. Durch regelmäßige Telefon- oder Videokonferenzen, an denen alle weltweit installierten PMOs teilnehmen, wird ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch gewährleistet. Zudem gibt es in dem damit geschaffenen globalen PMO-Netzwerk verschiedene virtuelle Arbeitsgruppen, die im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses permanent den bestehenden ganzheitlichen PM-Ansatz etwa im Hinblick auf interkulturelle Besonderheiten oder auf einzelne Fachthemen bezogen durch neue und innovative Konzepte optimieren. Aus dieser Projektorganisation und der damit verbundenen Projekttransparenz ergeben sich vielfache Potenziale zur Professionalisierung des Projektmanagements. Beispielsweise können im Zuge der Projektportfoliosteuerung über diese neue Organisations- und Projektberichtsstruktur relativ einfach Fragen geklärt werden zur Anzahl von gerade laufenden, bereits abgeschlossenen oder aber in Planung befindlichen Projekten - und das konzernweit. Eine Frage, die große Unternehmen oftmals vor ungeahnte Schwierigkeiten stellt. Weitere Synergieeffekte ergeben sich etwa im Hinblick auf Strategieentwicklungsprozesse, da die Strategie in der Regel gerade durch Projekte operationalisiert und umgesetzt wird, sodass sie meist eng mit dem Projektbzw. Programmportfolio verknüpft ist. Spätestens an dieser Stelle ergibt sich die Überleitung zur vierten und letzten Säule des DCFS-Projektmanagement-Ansatzes: die Frage nach unterstützender Software. Projektmanagementsoftware - Integrationsplattform statt Einzelkomponenten Führt man eine Produktanalyse im Marktsegment von Projektmanagementsoftware durch, kann man rasch den Überblick verlieren. Es gibt zahlreiche Tools für die unterschiedlichsten Anforderungen des Projektmanagements. Neben den klassischen Anwendungen zum Zeitmanagement, die den meisten etwa durch MS Project geläufig sein dürften, findet man verschiedenste Applikationen, die auf spezifische Themenfelder wie Budgetplanung und -controlling, Ressourcenverwaltung, Risikomanagement bis hin zur Portfoliosteuerung ausgerichtet sind. Ein Umstand, der auch im Hause DCFS, wie wahrscheinlich in vielen Großkonzernen, dazu geführt hatte, dass zahlreiche Tools und Applikationen weltweit im Einsatz waren. Letztes und anspruchsvollstes Guided PM process Project Project Project Project Project PM Council/ PMO MS Project MS Office Active Dir. Mail Server Time* Master SAP* … Abb. 9: TPM-Konzept 8 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 Ziel der PM-Professionalisierungsinitiative war daher die Entwicklung einer einheitlichen und möglichst alle Anforderungen abdeckenden Projektmanagement-Softwarelösung. Um dem obersten Leitgedanken gerecht zu werden, also einen tatsächlich ganzheitlichen Projektmanagementansatz zu implementieren, wurden zunächst sowohl der methodische HOUSTON-Ansatz als auch das im vorausgehenden Kapitel erläuterte Organisationskonzept in die Erstellung des Fachkonzeptes zur Softwareentwicklung mit einbezogen. Dazu wurde ein Standardprozess zur Abwicklung von Projekten entwickelt, der sich im Ablauf einerseits auf die Prozessgruppen innerhalb des HOUSTON-Ansatzes stützt (Initiation, Planning, Execution, Controlling und Closure), andererseits aber ebenfalls den vorhandenen Organisationsansatz mit dem damit verbundenen Rollen- und Rechtekonzept berücksichtigt (welche Instanzen haben welche Aufgaben und Pflichten im Projekt? ). Als weitere Anforderung sollten Schnittstellen zu Standardsoftwareprodukten wie MS Office (Word, Excel, PowerPoint, MS Project) oder Lotus Notes vorhanden sein, da diese im betrieblichen Alltag eine zentrale Rolle spielen. Zudem sollte das Tool weltweit verfügbar und auch für Projekte im internationalen Kontext geeignet sein. Intuitive und anwenderfreundliche Handhabung wurde ebenfalls vorausgesetzt. Obwohl diese Anforderungen eher an das Bild der sprichwörtlichen „Eier legenden Wollmilchsau“ erinnern, ist es im Zuge einer beinahe zweijährigen Entwicklungsphase gelungen, ein Projektmanagementtool zu entwickeln, das alle genannten Ansprüche erfüllt: Das Ergebnis ist das DCFS Tool for Project Management - konzernintern kurz TPM genannt. TPM ist als intranetbasierte Integrationsplattform zu begreifen, die den Anwender entsprechend seiner Rolle und den damit definierten Rechten im Projekt im Zuge der verschiedenen Projektphasen durch das Projekt begleitet. Sämtliche Projektmanagementschritte werden über TPM rollenbasiert gesteuert, angefangen bei der Entwicklung des Projektstrukturplans über Ressourcenzuordnungen, Budgetplanung, Risikomanagement bis hin zum regelmäßigen Statusreporting und Projektabschluss. Selbst im Anschluss an ein Projekt beinhaltet TPM Funktionalitäten zum Projektmonitoring. Das heißt, es können anhand zu Projektbeginn festgelegter Erfolgskriterien nach Abschluss eines Projektes Aussagen über den kurzfristigen oder aber auch langfristigen Projekterfolg getroffen und entsprechend archiviert werden. Somit ist TPM ebenfalls als Lessons Learned und Project-Knowledge-Datenbank zu verstehen. Aufgrund der in TPM realisierten Schnittstellen zu den etablierten MS-Office-Produkten ergeben sich für den Anwender vielfache Arbeitserleichterungen. Zum Beispiel können regelmäßige Statusberichte oder Projektübersichtspräsentationen einfach „per Knopfdruck“ automatisch aus dem System im jeweiligen Format generiert werden. Neben einer Arbeitserleichterung für den Projektleiter bzw. das Projektteam, die TPM im täglichen Projektalltag primär nutzen, profitieren alle Projektinstanzen (Project Board, Board of Management und Project Management Office) gleichsam von dieser Funktionalität. Durch standardisierte Formate kann einer Inflation von verschiedenen Word-, Excel- oder Power- Point-Dokumenten Einhalt geboten werden, sodass weder jeder Fachbereich, jede Abteilung oder jede Landesgesellschaft ihre eigenen Standards entwickeln muss noch die entsprechenden Gremien sich im Rahmen ihrer Ausschusssitzungen auf verschiedenste Präsentationsformate einstellen müssen - ein wesentlicher Aspekt, der zu Beginn der PM-Professionalisierungsinitiative als eines der zehn zentralen Handlungsfelder identifiziert wurde. Da es sich bei TPM um eine intranetbasierte und damit konzernweit bzw. global verfügbare Online-Applikation handelt, können alle Projekte innerhalb dieses einen Tools betrachtet und ausgewertet werden, sofern es das Rechtekonzept zulässt. Dies unterstützt maßgeblich sowohl die Entwicklung als auch die Steuerung eines Multiprojektbzw. Portfoliomanagements. An dieser Stelle wird nochmals der ganzheitliche Charakter des vorliegenden PM-Ansatzes deutlich, in dem Methode, Organisationskonzept und Tool in einem Gesamtkonzept zusammenlaufen. Fazit und Ausblick Während der Begriff Ganzheitlichkeit zunehmend zum inhaltslosen Modewort zu verkommen scheint - und auch innerhalb der Disziplin Projektmanagement vielfach verwendet wird -, hat DCFS in den letzten zweieinhalb Jahren ein Projektmanagementkonzept entwickelt, das den Begriff „Ganzheitlichkeit“ ernst nimmt. Der Ansatz integriert theoretische Methodik, Mitarbeiterqualifizierung, Organisationskonzept und Softwareunterstützung und ist somit zu Recht „ganzheitlich“ zu nennen. Im Zuge der Implementierung hat sich deutlich gezeigt, dass es sich nicht nur um die Einführung einer neuen Projektmanagementsoftware, sondern um einen massiven Wandel von Technik, Organisation und Kultur handelt. Obwohl das die Mitarbeiter vor erhebliche Veränderungen stellt, sind die mit diesem ganzheitlichen Projektmanagementansatz verbundenen Verbesserungen PM- Tool DCFS-PM-Ansatz HOUSTON (basierend auf PMI) DCFS Tool for Project Management DCFS-PM-Curriculum (based on HOUSTON) DCFS-PM-Organisationskonzept (inkl. PMO-Ansatz) PM- Methode PM- Qualifikation PM- Organisation Abb. 10: Der DCFS-Projektmanagementansatz 9 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 07 aktuell Anzeige an vielen Stellen bereits deutlich spürbar. Viele Mitarbeiter, die schon seit Jahren in der Projektarbeit tätig sind, fangen plötzlich an, ihr bisheriges Vorgehen methodisch zu überdenken und auf die neuen Standards hin anzupassen. Die Project Management Offices nehmen zusehends Fahrt auf und etablieren sich als Kompetenzzentren, die man gerne um Rat fragt. Die Nutzung des „Tool for Project Management (TPM)“ sorgt dafür, dass einheitliche Dokumentenstandards für Projektreporting und Präsentationen verwendet werden, anstatt das Rad für jedes Projekt immer wieder neu zu erfinden. Die Professionalisierung der Qualifizierung führt nicht nur dazu, dass immer mehr Mitarbeiter eine Projektmanagementzertifizierung anstreben, sondern insbesondere auch die Projektmanagement-Grundlagenseminare verstärkt nachgefragt werden. Dadurch nimmt nicht nur die Zahl der fortgeschrittenen PM-Experten zu, sondern auch immer mehr Mitarbeiter verfügen über Grundlagenkenntnisse im Projektmanagement. Ein konkretes Projektbeispiel, bei dem dieser Projektmanagementansatz erstmals überaus erfolgreich angewendet wurde, ist der Aufbau der DCFS Gesellschaft in China - DaimlerChrysler Auto Finance (China) Ltd. Trotz vielfacher Herausforderungen, die sich durch den Eintritt in den derzeit stark umworbenen Markt ergaben, konnte das Projekt unter Anwendung der neuen Methoden und Tools in allen Bereichen entsprechend den Planvorgaben abgeschlossen werden. Zweifellos hilft ein solch aktuelles „Best-Practice“-Beispiel bei der Akzeptanz des neuen Projektmanagementansatzes. Dennoch sei abschließend gesagt, dass der gesamte Wandlungsprozess sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, bis für alle 11.000 Mitarbeiter in 39 Ländern das neue PM-Konzept zur Selbstverständlichkeit im Arbeitsalltag geworden ist. n Schlagwörter Curriculum für Projektmanagementtraining, Ganzheitlicher Projektmanagementansatz, Instanzen des Projektmanagements, Professionalisierung, Project Management Body of Knowledge Autor Sebastian Pfeifle, Dipl.-Volkswirt, Director des Geschäftsbereiches Business Process Management (BPM) bei DaimlerChrysler Financial Services, hat den Inhouse-Consulting- Bereich BPM am Firmensitz in Berlin aufgebaut. Unter anderem war BPM maßgeblich an der Entwicklung des neuen DCFS-Projektmanagementansatzes, initiiert durch den Vorstand, beteiligt. Kernkompetenz von BPM ist neben fachlichen Themen insbesondere das Gebiet Geschäftsprozessmanagement. Anschrift DaimlerChrysler Financial Services AG Eichhornstraße 3 D-10875 Berlin Autor Marc Simon, Dipl.-Psychologe, MBA, ist Mitarbeiter im Geschäftsbereich Global Projects und als Inhouse Consultant zuständig für die Beratung und Qualifizierung von Fach- und Führungskräften im Bereich Projektmanagement. Zudem ist er neben der operativen Unterstützung in Projekten für die konzeptionelle Gestaltung und Weiterentwicklung von Methoden und Tools im Projektmanagement verantwortlich. Anschrift DaimlerChrysler Financial Services AG HPC Y822 - Global Projects Eichhornstraße 3 D-10875 Berlin E-Mail: marc.simon@daimlerchrysler.com PM Tools Ihre Anforderungen 2 PRO TEIN Professionelle Projektmanagement-Tool Evaluierung und Integration ProjectPlant ProjectPlant GmbH  Ettlinger Str. 59  D-76137 Karlsruhe  www.projectplant.de  info@projectplant.de  Fon 0721/ 2766300  Fax 0721/ 2766329 Haben Sie ihr PM Tool schon gefunden?  100% herstellerunabhängige Toolauswahl.  Qualifizierung Ihrer speziellen Anforderungen.  Auf Ihre Anforderungen abgestimmte Demoveranstaltungen mehrerer Anbieter.  Ergebnisorientierte Entscheidungsberatung.  Profitieren Sie vom Know-how erfahrener Toolspezialisten.