PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Ein kleines Nachtfenster für den Airport-Umzug ins „Goldene Land“
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Oliver Steeger
Den allerersten Fluggast mit Blumen am neuen Airport zu begrüßen, dafür blieb in Bangkok kaum Zeit. Thailands funkelnagelneuer Flughafen Suvarnabhumi (deutsch: „Goldenes Land“) wurde in den ersten 24 Stunden nach der Eröffnung von geschätzt 110.000 Fluggästen bevölkert. Rund 700 Flieger landeten und starteten an dem ersten Betriebstag, am 28. September 2006. Zwei Jahre lang hatte sich Thailand auf diesen Tag vorbereitet. Man wollte die Feuertaufe mit Bravour bestehen. Denn das asiatische Königreich schmiedet in puncto Luftfahrt ehrgeizige Zukunftspläne, von einem Luftverkehrs-Drehkreuz für die gesamte Region ist die Rede. Angesichts solcher Visionen durfte am ersten Betriebstag nichts schiefgehen. Der thailändische Flughafenbetreiber holte Hilfe vom Münchner Flughafen. Ein Team um Projektleiter Hans-Joachim Klohs bereitete die Inbetriebnahme und
den Airport-Umzug vor. Die Spezialisten vom Flughafen München machten – fast – eine Punktlandung.
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3 REPORT projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 aktuell Die Flughafenbetreiber in Bangkok schmieden kühne Zukunftspläne. In den nächsten zehn Jahren will man die Kapazität des neuen Airports verdoppeln, statt der 50 Millionen Fluggäste jährlich von heute sollen dann 100 Millionen am Airport Suvarnabhumi abgefertigt werden. Doch vor diesem zweiten Schritt mussten die Betreiber im vergangenen September den ersten Schritt tun - nämlich den Flugverkehr vom alten zum neuen Airport verlegen und den Betrieb aufnehmen. Über zwei Jahre haben sie den neuen Flughafen der Acht-Millionen-Metropole Bangkok auf den Umzug und die Inbetriebnahme vorbereitet. Rundheraus gefragt: Hat am Umzugstag alles geklappt? Hans-Joachim Klohs: Fast alles. Es gab Probleme bei der Gepäckausgabe. Es standen nicht genug Transporter für die Koffer zur Verfügung. Wir haben die Verant- Ein kleines Nachtfenster für den Airport-Umzug ins „Goldene Land“ Münchner Airport-Spezialisten unterstützen Großprojekt in Thailand Oliver Steeger Den allerersten Fluggast mit Blumen am neuen Airport zu begrüßen, dafür blieb in Bangkok kaum Zeit. Thailands funkelnagelneuer Flughafen Suvarnabhumi (deutsch: „Goldenes Land“) wurde in den ersten 24 Stunden nach der Eröffnung von geschätzt 110.000 Fluggästen bevölkert. Rund 700 Flieger landeten und starteten an dem ersten Betriebstag, am 28. September 2006. Zwei Jahre lang hatte sich Thailand auf diesen Tag vorbereitet. Man wollte die Feuertaufe mit Bravour bestehen. Denn das asiatische Königreich schmiedet in puncto Luftfahrt ehrgeizige Zukunftspläne, von einem Luftverkehrs-Drehkreuz für die gesamte Region ist die Rede. Angesichts solcher Visionen durfte am ersten Betriebstag nichts schiefgehen. Der thailändische Flughafenbetreiber holte Hilfe vom Münchner Flughafen. Ein Team um Projektleiter Hans-Joachim Klohs bereitete die Inbetriebnahme und den Airport-Umzug vor. Die Spezialisten vom Flughafen München machten - fast - eine Punktlandung. In einem ehemaligen Sumpfgebiet nahe Bangkok entstand der neue Flughafen. Doch nicht nur der Bau, sondern auch die Inbetriebnahme und der Umzug vom alten Airport stellten das Projektteam vor Herausforderungen. Fachleute vom Münchner Flughafen halfen ihren thailändischen Kollegen bei dem Großprojekt. Foto: AOT 4 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 wortlichen ein halbes Jahr vorher auf diese Planungslücke hingewiesen. Unsere Empfehlung wurde aber nicht umgesetzt. Ein Wermutstropfen für Sie? Aus Erfahrung wissen wir, dass die Inbetriebnahme eines neuen Flughafens fast nie störungsfrei gelingt. Mit einem zu 90 Prozent reibungslosen Anlauf ist schon viel erreicht. So unangenehm die verbleibenden Schwierigkeiten für die betroffenen Passagiere auch sein können. Was ist die größte Herausforderung bei der Inbetriebnahme eines neuen Flughafens? Es darf halt nicht viel schiefgehen, das ist das größte Problem. Dies gilt auch für andere Projekte … Lassen Sie es mich erklären. An einer Flughafeneröffnung sind eine Vielzahl unabhängiger Partner beteiligt, die Liste reicht von dem Flughafenbetreiber selbst über die Airlines, Catering-Unternehmen, Techniker bis hin zu Speditionen verschiedener Art. Passagiere landen, holen ihr Gepäck ab, passieren Zoll und Passkontrolle. Bei diesem Ablauf spielen viele Unternehmen und Organisationen zusammen. Dieses Zusammenspiel muss direkt am ersten Tag funktionieren. Andernfalls fällt schlechtes Licht auf den Flughafenbetreiber … … und auf dessen Partner … Eben nicht! Der Passagier nimmt nur den Flughafen wahr, nicht die Partner. Den Imageverlust durch Probleme bei der Inbetriebnahme muss allein der Betreiber schultern. Die thailändischen Betreiber sind ehrgeizig. Man will den neuen Airport zu einem asiatischen Drehkreuz für den Luftverkehr ausbauen und sich im Wettbewerb gegen die Flughäfen Singapur und Hongkong behaupten. Genau deshalb hatte der thailändische Betreiber ein großes Interesse an einem möglichst reibungslosen Start. Die Inbetriebnahme anderer Flughäfen hat gezeigt, was im ungünstigen Fall passieren kann. Hongkong lag bei- Hans-Joachim Klohs im Gespräch mit einer thailändischen Kollegin. „Entscheidend ist bei einem solchen Projekt, dass man nicht als Oberlehrer oder Besserwisser auftritt - gerade im internationalen Umfeld“, meint er. Suvarnabhumi, „Goldenes Land“, werde der neue Flughafen heißen. Dies verfügte vor sechs Jahren Seine Hoheit König Bhumibol dem Vernehmen nach persönlich. Heute zieren Bilder des in Thailand hochbeliebten Monarchen den Suvarnabhumi-Airport (Luftfahrt-Code: BKK). Es fügte sich glücklich, dass der Flughafen pünktlich zu dessen sechzigjährigem Thronjubiläum vollendet wurde. Seit den 60er-Jahren wurden in Bangkok immer wieder Pläne laut, einen neuen Flughafen in den dreißig Kilometer südöstlich der Acht-Millionen-Metropole gelegenen Sümpfen zu errichten. Der eigentliche Startschuss fiel aber erst zur Jahrtausendwende. Vier Milliarden Dollar ließ sich das asiatische Land die gewaltige Anlage kosten - und setzte mit dem Bau gleich mehrere Weltrekorde: Der einem gläsernen Bleistift gleichende Kontrollturm ist mit 132 Metern der höchste der Welt. Das Terminalgebäude, dessen Träger nachts in leuchtend blaue Farbe getaucht sind, steht mit 563.000 Quadratmetern Fläche ebenfalls an der Weltspitze. Der fränkische, heute in Chicago beheimatete Architekt Helmut Jahn entwarf die Gebäude; er gab auch dem Münchner Flughafen architektonische Gestalt, dem Frankfurter Messeturm sowie dem Bonner Post-Tower, der Verwaltungszentrale der „Deutschen Post AG“. Willkommen im „Goldenen Land“ Vier Milliarden Dollar kostete der neue Flughafen in Bangkok - und setzte sich mit gleich mehreren Weltrekorden an die internationale Spitze. Foto: Flughafen München Foto: AOT 6 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 spielsweise am ersten Tag bereits nach fünf Stunden lahm. „,Cutover’ nur in kleinem Zeitfenster“ Der Umzug eines Flughafens ist zweifellos ein großes Logistikprojekt, auch dann, wenn wie in Bangkok zwischen dem alten und neuen Flughafen eine Distanz von nur 25 bis 30 Kilometern liegt. Weshalb aber ist das Projekt so schwierig, dass man um Hilfe aus Deutschland bittet? Dies hat mehrere Gründe. Der Umzug musste in einer einzigen Nacht erfolgen. Dafür stand nur ein kleines Zeitfenster offen, nämlich die wenigen Stunden mit wenig Flugverkehr. Allein in diesem engen Zeitfenster konnte der Cutover … … also jener Zeitpunkt, an dem der Flugbetrieb offiziell auf dem alten Flughafen endet und auf dem neuen beginnt … … konnte dieser Cutover stattfinden. Binnen weniger Stunden musste das Material, das noch zur Abfertigung der letzten Flieger auf dem alten Airport gebraucht wurde, zum neuen Airport geschafft werden, um dort die Abfertigung der ersten Flieger zu ermöglichen. Das Problem in Bangkok war, dass dieses Zeitfenster extrem klein war. Es gibt kein Nachtflugverbot. Etwa um 2.00 Uhr wurde auf dem alten Flughafen Don Muang der letzte Flieger abgefertigt. Um 3.10 Uhr landete schon der erste Flieger am neuen Suvarnabhumi-Airport. Und bereits morgens um 5.00 Uhr lief der Airport auf Hochtouren. Wir mussten also zwischen 22.00 und 4.00 Uhr alles erforderliche Material transportieren und dort bereitstellen, wo es benötigt wurde. Wer so etwas plant, muss sich mit den Arbeitsprozessen, die am Flughafen stattfinden, sehr gut auskennen. Und es gibt noch einen weiteren, wesentlich wichtigeren Grund dafür, dass Airport-Know-how erforderlich ist. Welchen? Es handelte sich in Bangkok nicht nur um einen Umzug, sondern um die komplette Inbetriebnahme eines Flughafens. Es reicht nicht aus, das Equipment vom alten Flughafen den Mitarbeitern am neuen Flughafen bereitzustellen. „Airport-Umzug für Mitarbeiter große Umstellung“ Weshalb? Für die Mitarbeiter ändert sich die Arbeit doch nur geringfügig. Dies ist ein Irrtum! Die Mitarbeiter haben einen ganz neuen Arbeitsplatz. Und auch bei technischen Systemen gibt es Umstellungen. Am neuen Airport wird beispielsweise ein vollautomatisches Gepäckfördersystem verwendet, der alte hatte ein halbautomatisches. Mit diesen Anlagen müssen die Mitarbeiter arbeiten können. Sie müssen sie verstehen und wissen, was bei Störungen zu tun ist. Bei Pannen kann man verständlicherweise nicht erst in Handbüchern nachschlagen. Es ist also bei Weitem nicht damit getan, dass das erforderliche Equipment pünktlich von A nach B geschafft wird. Wir mussten die Mitarbeiter trainieren und vorbereiten. Notfall-Übung: Flieger mit Tafel und Kreide anzeigen Wie nehmen Sie ein solches Projekt in Angriff? In Bangkok haben wir unser Projekt zwei Jahre vor der Inbetriebnahme begonnen. Wir sind mit einer Bestandsaufnahme der Prozesse und Anlagen gestartet. Wie wird ein Flieger von der Landung bis zum Abflug abgefertigt? Welche Partner sind daran beteiligt? Welche Anlagen wie Gepäcksysteme oder Fluganzeigen werden eingesetzt? Diese erste Phase, die Start-up-Phase, dauerte rund sechs bis acht Monate. Wie ging es weiter? Nach der Bestandsaufnahme haben wir Pläne für die Schulung und das Training der Mitarbeiter erarbeitet. In den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung haben wir einen Probebetrieb am neuen Flughafen durchgeführt. Jeder einzelne Prozess wurde geprobt, auch mögliche Störungen bis hin zum Stromausfall und zum Ausfall der Datenleitungen wurden durchgespielt. Sie kappen beim Probebetrieb vor der Eröffnung also auch einmal die Datenleitungen? Ja, komplett. Und dann? Dann werden Flieger beispielsweise mit Tafel und Kreide angezeigt, wie es vor Jahrzehnten mal üblich war. Auf diesen Worst Case müssen wir uns vorbereiten. Der neue Airport in Bangkok verfügt zwar über ein gewaltiges Terminal, doch eben nur über dieses eine. Fällt das System aus, können die Mitarbeiter nicht auf ein zweites Terminal ausweichen. Sie müssen das Bestehende so schnell wie möglich wieder in Gang setzen - und die Zeit bis dahin mit anderen Mitteln überbrücken. Der Probebetrieb ist also eine Art Testphase? Nein, ein richtiger Probebetrieb. Die Anlagen mussten bis dahin technisch getestet sein und einwandfrei funktionieren. Es geht beim Probebetrieb allein darum, die einzelnen Prozesse mit den Mitarbeitern aller beteiligten Partner zu proben. Wir haben für den Airport Bangkok Szenarien in Drehbüchern beschrieben, nach denen wir Der Flughafen Bangkok zieht um: Binnen weniger Nachtstunden musste das benötigte Equipment vom alten zum neuen Airport gebracht werden. Foto: Flughafen München 7 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 aktuell jeweils dienstags und donnerstags fünf bis sechs Stunden lang geprobt haben. Welche Schwierigkeiten und Pannen treten beim Probebetrieb auf? Die Schwierigkeiten bilden nicht die einzelnen Prozesselemente wie die Gepäckaufgabe oder das Boarding. Probleme bilden sich beim Zusammenspiel der einzelnen Partner, also an den Schnittstellen. Zunächst proben wir die einzelnen, einfachen Prozesse, das nennt sich „Basic Trial“. Nach drei Monaten werden die einzelnen Prozesse immer mehr wie in einem Puzzle zusammengesetzt, dann werden ganze Abläufe geprüft. Im „Advanced Trial“ wird der Gesamtablauf geprobt. Unter dem Strich haben wir rund 50 Proben durchgeführt. „Wir mussten Airport-Partner für das Projekt gewinnen“ Sie haben die Vielzahl der Partner erwähnt. Wie haben sie die Partner dazu bewegt, vor der Eröffnung an den Proben teilzunehmen? Immerhin müssen dafür Mitarbeiter freigestellt werden, die möglicherweise im Tagesgeschäft am alten Flughafen benötigt werden. Dies ist in der Tat nicht ganz leicht. Der Probebetrieb kann nur gelingen, wenn möglichst viele Partner teilnehmen, beispielsweise Verantwortliche für die Gepäckabfertigung, die Flugzeugabfertigung, das Catering und den Check-in. Letztlich konnten die Partner frei entscheiden, ob sie teilnehmen. Wir mussten sie in teils langen Gesprächen von der Notwendigkeit des Probebetriebs überzeugen. Viele standen dieser Maßnahme anfangs sehr skeptisch gegenüber, sie haben nur wenig Personal für die Proben freigestellt. Nach etwa vier Wochen kamen die Beteiligten dann von ganz allein und haben die Proben sogar begrüßt. Schnittstellenprobleme sind ein Risiko bei der Inbetriebnahme eines Flughafens. Welche Risiken gibt es noch? Beispielsweise die Gefahr, dass die neuen Anlagen und Systeme nicht sicher funktionieren? Dies ist sicherlich ein Risiko. Doch man darf über die technischen Risiken nicht die anderen Risiken vergessen. Bei der Inbetriebnahme des Flughafens in Kuala Lumpur 1998 fehlten am ersten Tag rund 20 Prozent der Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Damit hatte man nicht gerechnet. „Man muss wissen, wo die ,Hot Potatoes‘ liegen“ Wie sind Sie methodisch beim Risikomanagement vorgegangen? Zunächst haben wir anhand der Gegebenheiten - also anhand der Systeme, Anlagen, Prozesse, Schnittstellen und des Personals - die Risiken analysiert und abgeschätzt. Wir haben die Risiken mit dem Flughafenbetreiber erörtert und dann mit ihm zusammen die erforderlichen Vorkehrungen eingeleitet. Anzeige 8 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 Aus dem Cockpitfenster der ersten anfliegenden Jets betrachtet, wirken die Zufahrtswege zu Bangkoks neuem Flughafen in dieser Septembernacht wie Ameisenstraßen. Unzählige Konvois von Sattelschleppern und Containerlastern sind unterwegs auf der 25 Kilometer langen Strecke zwischen dem alten Flughafen Don Muang und dem neuen Airport Suvarnabhumi. Ein gewaltiger Umzug in einer einzigen Nacht. Wie viel Tonnen oder Kubikmeter Gerät transportiert wird, kann der Münchner Airport-Experte Hans-Joachim Klohs nicht beziffern. Er steht unter Zeitdruck. Der letzte Flieger verlässt Don Muang gegen 2.00 Uhr, der erste landet bereits um 3.10 Uhr auf dem neuen Airport. Am 28. September 2006 Punkt 3.00 Uhr findet offiziell der „Cutover“ statt, die Umleitung aller Flüge auf den neuen Airport, der in Scheinwerferlicht getaucht zum Leben erwacht. In den Nachtstunden dieses Donnerstags zieht Bangkoks Flughafen um - eine der größten Umsiedlungen in der jüngeren Luftfahrtgeschichte. Rund 1.500 Fahrzeuge sind in dieser Nacht auf der Reise. Fahrbare Flugsteige verlassen das Vorfeld und biegen in die Zufahrtsstraßen ein. Tieflader nehmen tonnenschwere Flugzeugschlepper huckepack. Schleppfahrzeuge für den Gepäcktransport mit ihren Anhängern sowie Flugzeug-Abfertigungsgeräte werden auf Trucks verladen. Was von Motorenlärm und Dieselabgasen begleitet durch die schwülwarme Nacht transportiert wird, ist allerdings nur das nötigste Umzugsgut, jenes Equipment, das als Allererstes für eine reibungslose Inbetriebnahme des neuen Flughafens benötigt wird. Weniger dringendes Umzugsgut ist schon zuvor geliefert worden, oder es wird in den nächsten Tagen folgen. Hans-Joachim Klohs hat das Projekt mit seinem Team vorbereitet. Der thailändische Airport- Betreiber bat die Kollegen aus der bayerischen Landeshauptstadt um Kollegenhilfe. In München kennt man sich mit solchen Vorhaben aus. Im Mai 1992 hat Klohs an dem Umzug des Münchner Flughafens von Riem ins Erdinger Moos mitgewirkt. 1.200 Journalisten hatten damals das Projekt verfolgt - es blieb in guter Erinnerung - so gut, dass Klohs Team vierzehn Jahre später den Bangkoker Umzug dirigieren hilft. „Slots“ für das Umzugsgut Den Engpass dieses Umzugs bilden nicht die Straßen, auf denen sich die Trucks vorwärts bewegen. Schwieriger ist es, die Lastwagen mit Umzugsgut zu beladen - und sie am neuen Airport wieder zu entladen. Auf Landebahnen und Vorfeld werden Flieger abgefertigt; dazwischen bleibt nicht viel Platz, die Güter auf die Transporter zu verladen und am Ziel wieder zu entladen. Das Team um Hans-Joachim Klohs hat zentrale Umschlagplätze eingerichtet, abgezäunte Areale. Hier wird alles - vom Pappkarton bis zum 45-Tonnen-Flugzeugschlepper - aufgepackt. Die Projektmanager wenden in Thailand ein aus der Luftfahrt bereits bekanntes Prinzip an: Die Umzugsgüter wurden zuvor aufgelistet, dann erhielt jede Transporteinheit einen sogenannten „Slot“, also ein Zeitfenster, in dem sie auf einer festgelegten Route transportiert werden darf. Über die Slotvergabe entschieden Dringlichkeit und der Zeitpunkt, zu dem das Gerät im neuen Airport benötigt wurde. Dafür musste das Münchner Team das Umzugsgut minutiös inventarisieren. Die Planung ist detailliert: Sogar der Weg zwischen der Verladestation und dem endgültigen Bestimmungsort wird geregelt. Jede Transportroute hat das Team vorher ausgekundschaftet, die Höhe von Brücken und Überlandleitungen vermessen, die Belastbarkeit von Straßen ermittelt, Ausweichrouten geprüft. Bloß nichts dem Zufall überlassen - oder gar der Eigeninitiative der vielen am Flughafen vertretenen Luftfahrtgesellschaften und Dienstleister. Um 5.00 Uhr in der Frühe - Bangkok hat kein Nachtflugverbot - läuft der Flugverkehr am neuen Airport bereits auf vollen Touren. Noch immer rollen die Trucks, doch der Kernumzug ist erledigt. Dabei mussten auch einige Flugzeuge umziehen, nämlich jene, die noch am Abend in Don Mung gelandet waren und am nächsten Tag am neuen Airport wieder starten sollten. Die Überführung in 600 Meter Höhe dauerte 40 Minuten, davon 13 Flugminuten. Wer meint, die Freiheit am Himmel sei grenzenlos … - auch diese Kurzflüge hat das Team minutiös geplant. Der Airport „huckepack“ in .500 Umzugstouren Umzugstag: Zwischen 2.00 und 5.00 Uhr morgens rollt der Airport-Umzug. Das Team hat das Logistikprojekt mit einem ausgefeilten Slotmanagement gesteuert. Nur das am Eröffnungstag dringend benötigte Material bekam am Kernumzugstag „Starterlaubnis“ vom alten zum neuen Airport: Absperrbänder wurden bereits vorher angeliefert. Foto: Flughafen München Foto: Flughafen München 9 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 aktuell Konkret? Wir haben für solche Projekte auf Basis unserer Erfahrung Listen mit möglichen Risiken entwickelt. Diese Listen haben wir zu Beginn des Projekts, in der Startup-Phase, durchgearbeitet. Wir haben geprüft, welche Risiken aus diesem Katalog für den Flughafen Bangkok von Bedeutung sind, gegen welche Risiken bereits Vorkehrungen getroffen wurden, welche Punkte noch zu ergänzen waren. Dies geschah gemeinsam mit unserem Auftraggeber. Was macht das Risikomanagement bei einer Inbetriebnahme von Flughäfen so schwierig? Man braucht sehr viel Erfahrung, um die Risiken zu gewichten. Man muss wissen, wo die „Hot Potatoes“ liegen, also die Prozesse an einem Flughafen, die bei Inbetriebnahmen häufig zu Schwierigkeiten führen. Wie häufig haben Sie während Ihres Projekts die Risiken diskutiert und neu bewertet? Zunächst monatlich, dann - zum Projektende hin - häufiger. Risikomanagement rüttelt die Beteiligten wach Mit professionellem Risikomanagement können Sie sich als externe Berater absichern. Geht etwas schief, können Sie darauf verweisen, dass Sie auf das Risiko aufmerksam gemacht haben. Unsere eigene Absicherung, auf die Sie anspielen, steht für uns nicht im Vordergrund. Das Risikomanagement ist aber ein gutes Instrument, unsere Auftraggeber und Airport-Partner bei Bedarf wachzurütteln und sie zum Entwurf von Ausweichstrategien zu bewegen. Wir konnten ihnen klarmachen, dass von ihrem Zutun die Minimierung der Risiken abhängt. Niemand will doch im Extremfall eine Verschiebung der Eröffnung verantworten, nur weil er „sein“ Risiko falsch eingeschätzt hat. Flughäfen werden in großen Projekten errichtet, die sich über viele Jahre erstrecken. In den Bauprojektplänen ist allerdings so gut wie nie Zeit für einen Probetrieb vorgesehen, wie Sie ihn über sechs Monate in Bangkok durchgeführt haben. Im Bauprojekt geht man davon aus, dass fertiggestellte und technisch abgenommene Anlagen automatisch in Betrieb gehen können. Dies ist ein Irrtum, und glücklicherweise haben dies viele Airport-Betreiber heute erkannt. Die Schwierigkeit liegt heute aber woanders. Voraussetzung für den Probebetrieb ist, dass wir Gebäudeteile und Anlagen nutzen können, dass sie also fertiggestellt und funktionsfähig sind. Wir mussten unsere Projektplanung also mit der Bauplanung koordinieren, die Masterpläne der beiden Projekte gegenüberstellen. Verschiebungen im Bauplan bedeuteten automatisch auch Änderungen bei uns, über die wir mit den Projektleitern aus dem Bauwesen reden mussten. Technisch dürfte ein Abgleich von Projektplänen heute kaum Mühe machen, die gängigen IT-Planungstools für Projektmanager machen dies ja fast automatisch. Langsam! Was rein technisch machbar ist, kann nicht immer umgesetzt werden. In Thailand konnten wir keine IT-Schnittstelle nutzen. Wir mussten die Pläne quasi von Hand abgleichen, die Eckdaten des Bauplans aufnehmen und auf die Bauprojektleiter einwirken, dass sie auch unsere Eckdaten in ihren Plan aufnahmen. Marktübliche Planungssoftware Wie sind Sie bei der Planung vorgegangen? Der Masterplan für die Inbetriebnahme war gewissermaßen das Rückgrat unseres Projektes. Auf Grundlage dieses Masterplans haben wir dann gemeinsam mit unseren Partnern Detailpläne für den Probebetrieb entwickelt, beispielsweise für die Flugzeugabfertigung oder die Gepäckabfertigung. Etwas zeitversetzt zu diesem Inbetriebnahmeplan haben wir noch den Umzugsplan erarbeitet. Welche Hilfsmittel setzen Sie für die Planung ein? Uns geht es um eine einfache, doch robuste Vorgehensweise. Wir verwenden dafür marktübliche Planungssoftware. Nur für den Umzug haben wir eine spezielle Datenbank entwickelt, in die wir die zu befördernden Dinge aufgenommen haben. Sie sprechen von gemeinsamer Planung, in die Sie Ihre Partner einbezogen haben. Spielen Sie damit auf einen gewissen Teamgeist in Ihrem Projekt an, auf die Einbeziehung von Kunden und Interessengruppen? Auch. Bei uns steht allerdings eine andere Überlegung im Vordergrund. Wir sind externe Dienstleister. Es wäre fatal, wenn wir die Inbetriebnahme verantwortlich planen und durchführen - aber unsere Partner am ersten Betriebstag die Planungen nicht annehmen würden. Wir müssen sie in die Pflicht nehmen und fest an das Projekt binden. In den Tagen vor der Eröffnung des neuen thailändischen Flughafens Suvarnabhumi („Goldenes Land“) war es selten so ruhig wie an diesem Counter: In Probebetrieben wurden die Mitarbeiter auf den Eröffnungstag vorbereitet. Spezialisten vom Münchner Flughafen unter Leitung von Hans-Joachim Klohs unterstützten die Betreiber bei diesem Projekt. Foto: Thai Airways 0 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 Dies bedeutet in der Praxis? Es muss uns gelingen, gemeinsam mit dem Airport- Betreiber alle Partner ins Boot zu holen und sie von der Notwendigkeit gewisser Maßnahmen zu überzeugen. Die Gefahr besteht darin, dass dies nicht immer gelingt. Beispielsweise haben wir den Partner, der für die Gepäckabfertigung zuständig ist, nicht davon überzeugen können, mehr Schleppfahrzeuge für den Gepäcktransport einzukaufen. Man beharrte darauf, dass am neuen Airport nicht mehr Fahrzeuge als am alten benötigt würden. Unser Hinweis auf die anderen Wegebeziehungen am neuen Flughafen hat die Verantwortlichen nicht umgestimmt. So kam es dann auch zu den Problemen mit der Gepäckabfertigung am ersten Tag, von denen die Medien weltweit berichtet haben. Moderator mit Auftrag für kritische Begleitung Welche Rolle hatten Sie in dem Projekt? Wir haben die Inbetriebnahme im Auftrag des thailändischen Flughafenbetreibers AOT geplant und koordiniert. Die Thai Airways, die die Abfertigung von Passagieren und Flugzeugen als Handling Agent durchführt, haben wir bei der Umzugsplanung beraten. Wir konnten in dieser Rolle also nur Konzepte erarbeiten sowie auf Probleme und Lücken hinweisen. Wir haben die Partner zusammengebracht, ihnen Themen für den Diskurs vorgelegt, Informationen weitergegeben und die Partner mit ihren sehr unterschiedlichen Interessen zum gemeinsamen Nachdenken bewegt. Also eine Art Moderatorenrolle? Ja, aber zugleich mit dem Auftrag einer kritischen Begleitung. Wir haben unsere Sicht sehr nachdrücklich vertreten. Entscheidend dabei ist aber, dass man nicht als Oberlehrer oder Besserwisser auftritt - gerade im internationalen Umfeld. Macht man sich in dieser Rolle Freunde? Nicht immer. Wir verstehen uns als Dienstleister in verschiedene Richtungen, und nach anfänglichem Zögern wird diese Hilfe auch gerne angenommen. Es dauert eine Weile, bis wir als Partner erkannt werden, der das Projekt fördern will. Und als wir später, als der Eröffnungstermin näher rückte, auch einmal die Finger auf die Wunde gelegt haben, fand dies nicht immer ungeteilten Beifall. Standen Sie mit dieser Rolle nicht auf verlorenem Posten? Eine Art Mahner in der Wüste? Nein, so kann man dies nicht nennen. Als externe, unabhängige Berater hatten wir eine auch vorteilhafte Position. Wir konnten eine Plattform für die Kommunikation aufbauen, die beteiligten Partner an einen gemeinsamen Tisch holen und dort die Prozesse offenlegen. Hilfe in Kuala Lumpur, Athen und Barcelona Sie haben sich mit Ihrem Team weltweit einen Ruf als Spezialist für solche Inbetriebnahmen erworben. 1992 haben Sie nach einhelliger Meinung ein Meisterstück geliefert, als Sie den Über-Nacht-Umzug des Münchner Flughafens von Riem ins Erdinger Moos organisiert und den neuen Airport in Betrieb genommen haben. Heute wenden sich Flughafenbetreiber aus aller Welt an den Flughafen München, wenn sie vor solch einem Projekt stehen. Unser Team ist mit den Jahren in diese Beraterrolle hineingewachsen. In München wurden wir Anfang der Neunzigerjahre noch von Projektmanagement-Fachleuten unterstützt. Auch konnten wir damals von Erfahrungen aus vorangegangenen, ähnlichen Projekten lernen. Beispielsweise ging Anfang der Achtzigerjahre der auf grüner Wiese errichtete Flughafen in Singapur in Betrieb. Wir haben Erfahrungen aus diesem Projekt für unseren Flughafen herangezogen. Zwischenzeitlich haben wir für solche Vorhaben viel Know-how aufgebaut und konnten unseren Kollegen beispielsweise in Kuala Lumpur, in Athen, Brüssel, Madrid und Barcelona aushelfen. Aus dem Flughafenumzug ins Erdinger Moos hat sich in den letzten fünfzehn Jahren für Sie also ein veritables Geschäftsfeld entwickelt …? Das wäre zu viel gesagt. Wir leisten Kollegenhilfe innerhalb der weltweiten Luftverkehrsgemeinschaft und erwirtschaften damit auch Gewinn. Aber bei diesem Markt handelt es sich um einen Nischenmarkt. Welchen Nutzen ziehen Sie für den Münchner Flughafen aus dieser Kollegenhilfe? Ich sehe darin einen Beitrag, das Image des Münchner Flughafens in der Welt zu pflegen. Was ebenfalls für uns in Deutschland hilfreich ist: Wir können von anderen Flughäfen lernen. Wir setzen uns mit den dortigen Prozessen auseinander und gewinnen Anregungen, unsere eigenen Prozesse am Flughafen zu verbessern. Und nicht zuletzt: Die Tätigkeit ist für mein Team und mich eine willkommene Abwechslung. Welches nächste Projekt steht an? Wir beginnen noch im November 2006 mit unserem nächsten Projekt, dem neuen Flughafen Hyderabad in Indien. In Europa sind wir auch in London tätig, wo wir für die Umzugsplanung für das neue Terminal 5 am Flughafen Heathrow für den Flughafenbetreiber BAA und British Airways Workshops durchführen. Hat Ihr Team Wunschprojekte für die Zukunft? Wir haben viel in Asien gearbeitet. Mich würden jetzt auch die Arabischen Emirate interessieren. Dort stehen gewaltige Flughafenprojekte an. n Die Inhalte dieser Zeitschrift werden von Verlag, Herausgeber und Autoren nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet und zusammengestellt. Eine rechtliche Gewähr für die Richtigkeit der einzelnen Angaben kann jedoch nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für die Websites, auf die verwiesen wird. Es wird betont, dass wir keinerlei Einfluss auf die Inhalte und Formulierungen dieser Seiten haben und auch keine Verantwortung für sie übernehmen. Grundsätzlich gelten die Wortlaute der Gesetzestexte und Richtlinien sowie die einschlägige Rechtsprechung. Haftungsausschluss