eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 18/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
61
2007
182 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Ein Essay über Projekte

61
2007
Heinz Schelle
Daniel Defoe: Ein Essay über Projekte. London 1697. Herausgegeben und kommentiert von Christian Reder*, Übersetzung von Hugo Fischer (1890), überarbeitet und erläutert von Werner Rappl (2005). Springer-Verlag Wien 2006, ISBN-10: 3-211-29564-X, 251 S., EUR 24,27
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54 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 07 Als ich vor einigen Monaten hörte, dass es ein Buch über Projekte gibt, das 1697 erstmals aufgelegt und von Daniel Defoe, dem Autor des Robinson Crusoe geschrieben wurde, da hielt ich das für eine Zeitungsente. Erst als ich den Band in Händen hatte, konnte ich es glauben. Nun darf man sich als Leser keine Informationen über frühe Planungstechniken erhoffen, das Werk enthält aber trotzdem sehr viele, außerordentlich wertvolle Einsichten. Man wundert sich, dass das alles so lange in Vergessenheit geraten ist und erst Jahrhunderte später neu entdeckt und formuliert wurde. Aber beginnen wir von vorne: Christian Reder, Professor an der Universität für angewandte Kunst in Wien, leitet das Buch mit einem glänzenden Essay „Daniel Defoe. Beginn des Projektzeitalters“ ein. Reder bietet nicht weniger als eine faszinierende Geschichte des Denkens in Projekten in der Moderne und in der Frühen Neuzeit. Das Gedankengebäude, das der Autor hier errichtet, kann in seinem Reichtum und der Originalität im Rahmen dieser Rezension nicht erschlossen werden. Deshalb sei dem Leser die gründliche Lektüre hier dringend empfohlen. Um Appetit zu machen, hier nur ein Zitat von Manfred Faßler, der vom schwindenden Vertrauen in Politik, Strukturen und Institutionen und von „nach-gesellschaftlichen Projekt-Welten“ spricht, „in denen sich im Kräftespiel von Markt-Marke-Macht-Medien projektähnliche Formationen … als eigentliche Bewegungsmomente“ darstellen. Neben solchen in die Zukunft weisenden, ganz unkonventionellen Gedanken, wie sie sich im Aufsatz sehr zahlreich finden, stellt uns Reder viele Berühmtheiten der Weltgeschichte, darunter vor allem Dichter und Schriftsteller, aber auch Mathematiker und Naturwissenschaftler, vor und zeigt uns, wie sie den Begriff „Projekt“ verstanden haben. Dabei kommen auch kühne Projektvorschläge zur Sprache, wie etwa der Plan von William Penn (1644-1718) eine „European League of Confederacy“ zu gründen (ganz nebenbei: Penn plädiert dafür, dass auch „the Turks and Moscovits“ aufgenommen werden). Bei dem ganz speziellen Ausflug durch die Geschichte kommen auch, wie sollte es anders sein, die zumeist unrühmlich bekannten Projektemacher zur Sprache. Köstlich das Zitat aus dem zweiten Teil des Faust: „Er lügt sich einso lange es geht -/ Ich weiß schon, was dahinter steckt-/ Und was dann weiter? - ein Projekt.“ Nach der Hinführung durch Reder ist man auf Defoe selbst bestens vorbereitet. Sein Anliegen ist es vor allem, für Projekte zu werben, deren Realisierung für ihn einen Fortschritt in der menschlichen Gesellschaft darstellt. Der Gedanke an die „Projektorientierte Gesellschaft“, ein Konzept, das von Roland Gareis formuliert wurde, drängt sich geradezu auf. Dabei erkennt Defoe sehr klar, den Erst-und-Einmal-Charakter von Projekten. Er propagiert dann u. a. Vorhaben, „die die Vervollkommnung des Handels, die Beschäftigung der Armen sowie die Zirkulation und Vermehrung des Staatsvermögens“ zum Ziel haben. Er schlägt eine Akademie für Frauen vor - die von ihm dabei geforderte strikte Trennung von Männern und Frauen weist ihn trotz aller Fortschrittlichkeit der Gedanken als Kind seiner Zeit aus - und schreibt über das weibliche Geschlecht: : „… denjenigen, die dank ihrer Begabung einem bestimmten Gebiet besonders zugeneigt sind, würde ich keinen Wissenszweig verschließen.“ Das wohlgemerkt rund 200 Jahre, bevor an deutschen Universitäten allmählich und gegen zahlreiche Widerstände die Immatrikulation der Frauen erlaubt wurde. Auch andere soziale Reformen, die durch Projekte realisiert werden sollen, sind aus damaliger Sicht revolutionär und weitschauend: so etwa der Plan, ein Versorgungsamt zu gründen, das sich durch regelmäßige Beiträge der Mitglieder finanzieren soll und das bei Krankheit, Unfall und dauernder Invalidität Unterstützungszahlungen leistet. Zieht man ein Resümee, so lässt sich sagen: Defoe hat hellsichtig erkannt, dass Projekte, die „nach den klaren und deutlichen Grundsätzen des gesunden Menschenverstands“ geplant und durchgeführt werden, das Vehikel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der menschlichen Gesellschaft sind. Das sollte uns 320 Jahre später anspornen, ihm nachzueifern und dem Projektdenken gerade bei sehr komplexen gesellschaftlichen Reformbestrebungen (z. B. der Gesundheitsreform) Geltung zu verschaffen. Ich glaube nicht, dass ich ungerecht bin, wenn ich sage: Hier gibt es einen enormen Nachholbedarf. Öffentliche Hand und Politik haben noch nicht begriffen, welches enorme Potenzial im Führungskonzept „Projektmanagement“ steckt. Die GPM hat durch die Gründung der Fachgruppe „PM-Healthcare“ erste Schritte in die richtige Richtung unternommen. Weitere sollten folgen. Heinz Schelle n Buchbesprechung Ein Essay über Projekte Daniel Defoe: Ein Essay über Projekte. London 1697. Herausgegeben und kommentiert von Christian Reder*, Übersetzung von Hugo Fischer (1890), überarbeitet und erläutert von Werner Rappl (2005). Springer-Verlag Wien 2006, ISBN-10: 3-211-29564-X, 251 S., EUR 24,27 * Von Reder wurde auch der Sammelband „Lesebuch Projekte. Vorgriffe, Ausbrüche in die Ferne“ herausgegeben. Er enthält unter anderem Beiträge von Alexander Kluge, Peter Sellars, Zaha Hadid und Christoph Schlingensief. Auch dieses Buch soll besprochen werden.