PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2007
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Vernetztes Denken im Projektmanagement
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2007
Renate Raschke
Projektaufträge mögen in der Praxis noch so vielfältig sein, Projektspezifika noch so unterschiedlich, eine Gemeinsamkeit zeichnet alle Projektleiter aus: Ihre Hauptaufgabe besteht im Identifizieren, Analysieren und Lösen von Problemen. Dass sie dabei nicht immer wie im Lehrbuch vorgehen, ist gelebte Praxis. Alleine auf Intuition basierende Entscheidungen oder Problemlösungen werden in einem immer komplexer werdenden Umfeld jedoch kaum die angemessene Strategie darstellen. Die systematischen Problemlösungstechniken, die in den vergangenen Jahrzehnten ihren Weg ins Projektmanagement gefunden haben, sind nur eingeschränkt geeignet, die Vielzahl von Abhängigkeiten und Verknüpfungen in komplexen Projektumfeldern ausreichend zu berücksichtigen. Insbesondere in international ausgerichteten Projekten mit einem globalen, interkulturellen Umfeld wird dies immer wieder deutlich. Im folgenden Artikel wird eine seit langem bekannte, aber nicht sehr beachtete Methode vorgestellt, die nach Meinung der Verfasserin besonders geeignet ist, komplexe Zusammenhänge, Interdependenzen und deren Dynamik abzubilden und damit nachhaltig wirksame Lösungen zu erarbeiten.
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36 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 07 B ereits 1987 haben Prof. Dr. Peter Gomez und PD Dr. Gilbert J. B. Probst von der Hochschule St. Gallen eine Methodik zur ganzheitlichen Lösung von Problemen veröffentlicht. Sie zielten damals auf vernetztes Denken im generellen Management. Einen Vorgänger hat dieser Ansatz in der an der Rand Corporation in USA entwickelten Cross-Impact-Analyse. Im Projektmanagement hat dieser Ansatz bisher noch kaum Fuß gefasst. Im Folgenden wird gezeigt, was das vernetzte Denken im Allgemeinen und die sieben Schritte im Speziellen als zusätzliche Problemlösungsmethode im Projektmanagement leisten können. Vernetztes Denken im Projektmanagement Bei der Methode des ganzheitlichen Problemlösens liegt der Schwerpunkt nicht so sehr auf der Lösung selbst, sondern vielmehr auf der sorgfältigen Problemerkennung. Das bedeutet, dass die Problemsituation in ihrer Verknüpfung mit einer Vielzahl von Einflussfaktoren zu erfassen ist. Die Methodik des ganzheitlichen Problemlösens vollzieht sich in folgenden sieben Schritten: 1. Abgrenzung des Problems 2. Ermittlung der Vernetzung 3. Erfassung der Dynamik 4. Interpretation der Entwicklungsmöglichkeiten 5. Bestimmung der Lenkungsmöglichkeiten 6. Gestaltung der Lenkungseingriffe 7. Realisierung und Weiterentwicklung der Problemlösung Dieses schrittweise Vorgehen ist nicht gleichzusetzen mit dem mechanischen Durchlaufen einer Prozedur, ähnlich dem Abhaken einer Checkliste. Dieser Prozess ist zirkulär angelegt. Neue Erkenntnisse beim Bearbeiten eines Schrittes können die Resultate der vorangegangenen Schritte modifizieren. Es ist auch nicht immer zwingend notwendig, alle Schritte in gleicher Intensität zu bearbeiten. Je nach Schwierigkeitsgrad und Spezifika der Problemsituation kann der eine oder andere Schritt bereits zur Lösung verhelfen. Um die Methodik erläutern zu können, wird der Prozess jedoch an dieser Stelle sequenziell aufbereitet. Abgrenzung des Problems Stellen wir uns vor, Sie sind verantwortlich für ein Projekt, dessen Ziel es ist, eine Niederlassung in China zu gründen, um den asiatischen Markt zu erschließen. Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass das Vorhaben genauso funktioniert wie bei den übrigen Niederlassungen in Europa und Südamerika - immerhin hat man Auslandserfahrung. Der Aufbau der Infrastruktur, die Gestaltung der Abläufe zur Integration in das Unternehmen und die örtlichen Kontakte werden als erfolgsentscheidend angesehen. Aufgrund von Erfahrungsberichten aus dem asiatischen Raum kommen Ihnen Zweifel, ob das Prozedere so ohne Weiteres übertragbar ist. Die unterschiedlichen Wertesysteme und Kulturen machen es Ihnen schwer, Zusammenhänge zu erkennen, Auswirkungen vorherzusehen und Interventionen zu planen. Sie suchen Ansatzpunkte, die Ihnen trotz der Unterschiedlichkeit der Mentalitäten und Kulturen einen problemlosen Projektablauf sicherstellen. Zur Abgrenzung der Problemsituation müssen Sie sich zunächst Gedanken über die relevanten Dimensionen des Projektes machen: Vernetztes Denken im Projektmanagement Sieben Schritte zur effizienten Problemlösung Renate Raschke Projektaufträge mögen in der Praxis noch so vielfältig sein, Projektspezifika noch so unterschiedlich, eine Gemeinsamkeit zeichnet alle Projektleiter aus: Ihre Hauptaufgabe besteht im Identifizieren, Analysieren und Lösen von Problemen. Dass sie dabei nicht immer wie im Lehrbuch vorgehen, ist gelebte Praxis. Alleine auf Intuition basierende Entscheidungen oder Problemlösungen werden in einem immer komplexer werdenden Umfeld jedoch kaum die angemessene Strategie darstellen. Die systematischen Problemlösungstechniken, die in den vergangenen Jahrzehnten ihren Weg ins Projektmanagement gefunden haben, sind nur eingeschränkt geeignet, die Vielzahl von Abhängigkeiten und Verknüpfungen in komplexen Projektumfeldern ausreichend zu berücksichtigen. Insbesondere in international ausgerichteten Projekten mit einem globalen, interkulturellen Umfeld wird dies immer wieder deutlich. Im folgenden Artikel wird eine seit langem bekannte, aber nicht sehr beachtete Methode vorgestellt, die nach Meinung der Verfasserin besonders geeignet ist, komplexe Zusammenhänge, Interdependenzen und deren Dynamik abzubilden und damit nachhaltig wirksame Lösungen zu erarbeiten. PM_3_07.indd 36 23.06.2007 18: 44: 22 Uhr 37 projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 07 aktuell o Ökonomisch: Kosten, Investitionen, Marktanteil, Umsatz, Ergebnis … o Technologisch: Qualität, Marktreife, Produktneuheit, Kopierfähigkeit … o Strukturell: Räumlichkeiten, Mitarbeiter, Fuhrpark, IT-Netze … o Sozial: Arbeitsverhalten, Eigenständigkeit, Ausbildungsstand, Geschäftsgebaren, Gesprächsführung … o Ethisch: Tradition, Senioritätsprinzip, Gesichtsverlust, Belastbarkeit … o Legal: Gesetze, Genehmigungen, Zölle … o International: Sprache, Kommunikation, Verständnis … o Organisatorisch: Abläufe, Entscheidungskompetenzen, Kontrolle … Diese Auflistung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll aber zeigen, wie durch die unterschiedlichen Dimensionen die Einflussfaktoren ermittelt werden, durch die eine umfassende Betrachtung oder Erfassung der Situation erreicht wird. Eine solche Auflistung der Dimensionen lässt sich am besten im Projektteam mittels Brainstorming und Moderationskarten erstellen. Dadurch ist eine möglichst umfassende Aufzählung leicht möglich. An dieser Stelle kann es auch hilfreich sein, Informationen aus der Stakeholderanalyse mit einfließen zu lassen, um alle Dimensionen benennen zu können: o Deutsche Unternehmensleitung: starkes Interesse am Projekt, Existenzsicherung o Mitarbeiter vor Ort: eine Möglichkeit, den persönlichen Status durch den Job zu verbessern o Partner vor Ort: skeptisch, aufgrund der unterschiedlichen Wertekultur, sehr großes Interesse an Knowhow, um durch Kopieren selbst den Nutzen aus den Produkten zu ziehen o Kunden: interessiert an Markenartikel, höherer Qualitätsanspruch im Verhältnis zum Preis als in Deutschland o Behörden: mit entsprechenden Kontakten pragmatisch o Außenhandelskammer: gute Unterstützung und Kontaktvermittlung Jede Gruppierung hat eine unterschiedliche Sichtweise auf das Projekt und bestimmt somit den Handlungsspielraum auf ihre Weise. Ermittlung der Vernetzung Als Resultat der Abgrenzung liegen unterschiedliche Einflussfaktoren vor, die miteinander zu verknüpfen sind, um die Projektsituation visuell darstellen zu können. Gomez/ Probst haben eine Vorgehensweise verwendet, die durch ihre grafische Gestaltung unmittelbar anspricht, und die es auch erlaubt, in relativ kurzer Zeit recht komplexe Modelle zu entwickeln. Außerdem unterstützt sie das Denken in Kreisläufen. Bleiben wir bei unserem Beispiel der chinesischen Niederlassung. Wir nehmen zunächst nur zwei Einflussfaktoren aus der Dimensionenliste und setzen sie in Beziehung zueinander (Abb. 1). Die Einflussnahme von Investitionen auf Kosten ist positiv, da sich beide Elemente in die gleiche Richtung entwickeln (je mehr ich investiere, desto höhere Kosten habe ich). Der Einfluss der Kosten auf die Investitionen ist negativ, da eine Steigerung der Kosten eine Abnahme der Investitionsneigung mit sich bringt (je mehr/ desto weniger oder je weniger/ desto mehr). Diese Darstellung mit zwei Elementen wird durch immer mehr Einflussfaktoren ergänzt, bis sich ein vollständiges Bild der Vernetzung abzeichnet (Abb. 2). Während das Bild entsteht, Anzeige Investitionen Kosten + - Abb. 1: Beispiel einer stabilisierenden Beziehung zweier Einflussfaktoren PM_3_07.indd 37 23.06.2007 18: 44: 22 Uhr 38 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 07 werden sicherlich noch zusätzliche Einflussfaktoren entdeckt, die im vorhergehenden Schritt noch nicht identifiziert wurden. Somit hilft die Vernetzung auch, allmählich ein vollständiges Bild der Einflussfaktoren zu erhalten. Nutzen Sie die Flexibiliät durch Moderationskärtchen an der Pinnwand, um Ihr Projektnetzwerk nach und nach aufzubauen. Erfassung der Dynamik Die Vernetzung allein ist noch nicht aussagekräftig genug. Interessant ist noch der zeitliche Aspekt der Einflussnahme, der durch unterschiedliche Pfeilarten ausgedrückt werden kann. Eine Unterscheidung in drei Kategorien ist dabei meist ausreichend: kurzfristig, mittelfristig und langfristig. Eine kurzfristige Einflussnahme ist direkt zu spüren, während eine langfristige Einflussnahme oft kaum noch als eine solche zu erkennen ist. Es können Monate dazwischen liegen. Es ergibt sich für unser Beispiel das in Abb. 2 dargestellte Bild. Auch diese Darstellung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Je nach Bedarf und Nutzen kann das Netzwerk beliebig ausgeweitet und ergänzt werden. Gut zu erkennen ist die gegenseitige Einflussnahme der Faktoren: Um die Kosten, die entscheidend für den Projekterfolg sind, gering zu halten, sind reibungslose Abläufe eine notwendige Voraussetzung, die ihrerseits durch Kommunikation, Kontakte und Kontrolle gewährleistet werden. Die Eigenständigkeit der chinesischen Mitarbeiter verringert zwar den Kontrollbedarf, ist aber nicht kurzfristig zu erwarten, usw. Mit der Einbeziehung der zeitlichen Wirkung ist erst ein Teil der Dynamik der Problemsituation abgedeckt. Von größerer Bedeutung ist die Intensität der gegenwärtigen Einflussnahme der beteiligten Größen. Diese Intensität lässt sich mithilfe einer Einflussmatrix ermitteln, deren Auswertung zu wichtigen Erkenntnissen über die Bedeutung der einzelnen Einflussfaktoren im Netzwerk führt. Die Einflussmatrix setzt jeden Einflussfaktor des Projektes mit jedem anderen in Beziehung und stellt die Frage, wie stark die Beeinflussung auf einer Skala 0 (kein Einfluss) bis 3 (starker Einfluss) ist. Nach der Ermittlung der Quersummen (AS und PS) lässt sich das Produkt P (AS x PS) und der Quotient Q (AS : PS x 100) berechnen. Deren Werte geben entscheidende Hinweise darauf, an welcher Stelle ein Lenkungseingriff sinnvoll wäre. o Die größte Hebelwirkung haben die aktiven Größen (höchste Q): Sie beeinflussen die anderen am stärksten, werden selber aber am schwächsten beeinflusst. In unserer kleinen Übersicht ist das vor allem die Tradition (Q = 2.150). Aber auch das Senioritätsprinzip (Q = 925) und die Gesetze (Q = 633) haben hohe Werte. Veränderungen an diesen Stellen hätten - laut Tabelle - entscheidende Auswirkungen auf den Projektverlauf. o Etwas problematisch ist ein Lenkungseingriff, der an den kritischen Größen (größte P) ansetzt. Sie beinflussen zwar stark, werden aber auch selber stark beeinflusst. Das bedeutet, dass eine Kettenreaktion in Gang gesetzt werden kann. Eine Intervention beim Geschäftsgebaren der deutschen Repräsentanten (P = 1.472), Abb. 2: Netzwerk der Einflussfaktoren PM_3_07.indd 38 23.06.2007 18: 44: 23 Uhr 39 projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 07 aktuell dem Arbeitsverhalten der chinesischen Mitarbeiter (P = 1.218), der Kommunikation (P = 1.107) und der Angst vor Gesichtsverlust (P = 1.036) hätte Wechselwirkungen auf unterschiedlichste Einflussfaktoren. o Lediglich als Indikator für den Erfolg sind die passiven Größen (tiefste Q) zu nutzen. Sie beeinflussen die anderen am schwächsten, werden selber jedoch am stärksten beeinflusst. Reibungslose Abläufe (Q = 28), Ertrag (Q = 44) und Kosten (Q = 45) sind in unserem Beispiel typische Indikatoren für den Projekterfolg. Es macht Sinn, nicht nur die Extremwerte zu berücksichtigen, sondern alle Einflussfaktoren, die näherungsweise Einfluss auf von Marktanteil Umsatz Ertrag Kosten Investitionen neue Produkte Kopierfähigkeit der Produkte Qualität der Produkte Arbeitsverhalten der chin. MA Eigenständigkeit der chin. MA Qualifikation der chihj. MA Geschäftsgebaren der Repräsentanten Gesprächsführung Kontakte vor Ort Kommunikation Tradition Senioritätsprinzip Angst vor Gesichtsverlust ….. chin. Gepflogenheiten Kontrolle der chin. MA AS Q = AS: PSx100 Marktanteil x 3 3 1 1 2 3 0 0 0 0 2 0 1 0 0 0 0 … 0 0 17 85 Umsatz 3 x 3 3 2 2 3 0 0 0 0 2 1 1 0 0 0 0 … 0 0 20 100 Ertrag 0 0 x 0 3 3 0 0 0 0 1 2 1 0 0 0 0 0 … 0 0 11 44 Kosten 0 0 3 x 3 3 3 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 … 0 0 13 45 Investitionen 3 2 3 3 x 3 2 2 1 0 3 0 0 0 0 0 0 0 … 0 0 24 100 neue Produkte 3 3 3 3 1 x 3 1 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 … 0 0 20 91 Kopierfähigkeit der Produkte 3 3 3 0 2 2 x 2 2 1 0 2 0 0 0 0 0 0 … 0 0 20 80 Qualität der Produkte 3 3 0 2 0 1 3 x 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 … 0 0 14 70 Arbeitsverhalten der chin. MA 0 1 2 2 1 0 0 3 x 3 1 3 3 0 3 0 0 0 … 0 0 29 69 Eigenständigkeit der chin. MA 0 0 0 1 0 0 0 1 3 x 2 3 3 0 3 0 0 0 … 0 3 27 82 Qualifikation der chin. MA 0 0 0 2 0 2 0 2 3 3 x 3 3 2 3 0 0 0 … 0 3 38 238 Geschäftsgebaren der Repräs. 2 2 1 1 0 0 0 0 2 1 1 x 3 3 3 0 0 3 … 0 0 32 70 Gesprächsführung 0 0 0 0 0 0 0 0 3 1 0 3 x 3 3 0 0 3 … 0 0 24 60 Kontakte vor Ort 0 0 0 2 2 0 0 0 0 0 0 3 3 x 3 0 0 0 … 0 0 23 66 Belastbarkeit der chin. MA 0 0 0 0 0 0 0 3 3 3 2 0 1 0 1 0 0 0 … 0 1 19 90 Tradition 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 3 3 3 3 3 x 3 3 … 3 0 43 2.150 Senioritätsprinzip 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 0 3 3 3 3 1 x 3 … 3 1 37 925 Angst vor Gesichtsverlust 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 1 3 3 3 3 1 1 x … 3 1 37 132 Gesetze 1 1 1 1 3 1 3 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 … 0 0 19 633 Genehmigungen 1 1 1 1 3 1 3 0 0 0 0 1 0 2 0 0 0 0 … 0 0 19 146 Zölle 1 1 2 2 2 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 … 0 0 13 217 Kommunikation 0 0 0 1 0 0 0 2 3 1 1 3 3 3 x 0 0 3 … 0 2 27 66 Sprache 0 0 0 0 0 0 0 0 3 2 0 3 3 3 3 0 0 3 … 0 3 26 84 reibungslose Abläufe 0 0 0 2 0 0 0 0 2 1 0 0 0 0 2 0 0 2 … 0 3 13 28 Entscheidungskompetenz 0 0 0 0 1 1 0 0 2 2 0 2 3 3 2 0 0 2 … 0 1 22 96 chin. Gepflogenheiten 0 0 0 1 0 0 0 0 3 3 1 2 3 2 3 0 0 3 … x 1 29 322 Kontrolle der chin. MA 0 0 0 1 0 0 0 3 3 3 0 1 1 0 3 0 0 3 … 0 x 27 142 PS 20 20 25 29 24 22 25 20 42 33 16 46 40 35 41 2 4 28 … 9 19 P = ASxPS 340 400 275 377 576 440 500 280 1.218 891 608 1.472 960 805 1.107 86 148 1.036 … 261 513 Abb. 3: Einflussmatrix Anzeige Nähere Infos und eine Demoversion finden Sie unter: www.computerworks.de/ fasttrack Projektmanagement - einfach anders Projekte, Mitarbeiter und Ressourcen einfach und ohne großen Lern- und Zeitaufwand verwalten. Budgets/ Kosten im Auge behalten. Verständliche und grafisch ansprechende Projektpräsentationen erstellen. In gemischten Netzwerken für Mac und Windows. Schnittstelle zu MindJet MindManager 6®. Kinderleichter Datenaustausch mit MS-Project®. 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Im Idealfall macht eine bestimmte Entwicklung Eingriffe überflüssig, worauf man aber nicht bauen darf. Aber zumindest kann der Projektleiter Entwicklungen zu seinen Gunsten nutzen oder aber schon heute Vorkehrungen treffen, um Gefahren zu begegnen. Es werden Szenarien über die künftige Entwicklung der Problemsituation erstellt. Szenarien sind keine Prognosen. Sie erfassen lediglich verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten, wie sie aufgrund der heute verfügbaren Informationen ermittelt werden können. Quellen der Szenarien sind die eigenen Erfahrungen und Vermutungen oder das Fachwissen von Experten. Neben einem wahrscheinlichen wird ein pessimistisches und ein optimistisches Szenario erstellt, die jeweils von einer entsprechenden Entwicklung der vorherrschenden Rahmenbedingungen ausgehen. Aufgrund der Ermittlung der unterschiedlichen Szenarien zeichnet sich bereits ein deutlicheres Bild der sinnvollen Einflussnahme ab. So ist zum Beispiel auf Mitarbeiterebene ein aktives Eingreifen zu überlegen, um die geforderte Qualifikation schnellstmöglich zu erreichen und den Mitarbeitern die notwendige Sicherheit zur Selbstentfaltung zu geben. Wir haben mit den Szenarien jetzt den Informationsstand erreicht, der es uns ermöglicht, an die konkrete Lösung des Problems zu gehen. Bestimmung der Lenkungsmöglichkeiten Sie als Projektleiter müssen die Problemsituation im Hinblick auf Ihre eigenen Lenkungsmöglichkeiten untersuchen. Manche gute Idee erweist sich als untauglich, weil der Projektleiter über viele Einflussfaktoren gar keine Kontrolle hat. Die möglichen Lenkungseingriffe werden in einem Lenkungsmodell durch drei Komponenten erfasst: o Lenkbare Größen: Welche Aspekte lassen sich durch Lenkungseingriffe zielgerichtet beeinflussen? o Nichtlenkbare Größen: Welche Aspekte sind außerhalb des Einflussbereiches des Projektleiters? o Indikatoren: Welche Aspekte der Problemsituation ermöglichen lediglich eine Beurteilung des Erfolges von Lenkungseingriffen? o Rückkopplung: Welche Problemlösungsstrategien sind bei bestimmten Entwicklungen der Indikatoren zu verfolgen? o Vorkopplung: Wie kann die Entwicklung außerhalb des Einflussbereiches des Projektleiters so antizipiert werden, dass vorbeugene Maßnahmen möglich sind? Bei unserem Projekt haben sich folgende Ansatzpunkte zur Sicherstellung des Projekterfolges herausgestellt: o Tradition, Senioritätsprinzip und chinesische Gepflogenheiten sind als aktive Größen in der Einflussmatrix ermittelt worden. Gleichzeitig wurden sie aber im Lenkungsmodell als nichtlenkbare Größen eingestuft. Durch die Vorkopplung sollte jedoch sichergestellt werden, dass alle Entscheidungen, die bezüglich einer Intervention getroffen werden, diese Einflussgrößen respektieren. o Gesetze und Zölle bieten trotz ihrer aktiven Wertung als nichtlenkbare Größen keinen Handlungsspielraum. Ihnen ist Genüge zu tun. o Dagegen bieten die Qualifikation und die Kontrolle der Mitarbeiter ein geeignetes Spektrum an Handlungsalternativen, da sie zu den lenkbaren Größen Parameter Optimistisches Szenario Pessimistisches Szenario Wahrscheinliches Szenario Qualifikation der chin. Mitarbeiter Erreicht sehr schnell Westniveau Nimmt ab aufgrund von Erreichung des Zufriedenheitspegels Aktive Förderung notwendig Arbeitsverhalten der chin. Mitarbeiter Übernahme der westlichen Arbeitsweise Keine Annäherung an westliche Vorgehensweise Angst vor Gesichtsverlust - langsame Annäherung Eigeninitiative der chin. Mitarbeiter Übernahme von Verantwortung Dienst nach Vorschrift Nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich Konkurrenzsituation Alleinstellungsmerkmal Überlaufen des Marktes durch westliche Firmen Zunehmende Konkurrenz Technologische Entwicklung Westliche Firmen Know-how-Träger Chinesische Firmen übernehmen Führung Rapide Annäherung chinesischer Firmen an West-Knowhow durch Kopieren Büroräume Raummieten weiter auf niedrigem Niveau Keine geeigneten Räume verfügbar In Ballungszentren Annäherung an Westniveau Infrastruktur An allen Standorten vorhanden Nur in der Nähe von Ballungszentren Sehr schneller Aufbau Tabelle 1: Entwicklungsszenario PM_3_07.indd 40 23.06.2007 18: 44: 24 Uhr 41 projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 07 aktuell zählen und durch ihre hohen Q-Werte noch als aktive Größen eingestuft werden können. o Als kritische Größen sind das Geschäftsgebaren der westlichen Unternehmensvertreter, das Arbeitsverhalten der chinesischen Mitarbeiter und die Kommunikation aus der Einflussmatrix hervorgegangen. Sie gelten außerdem als lenkbare Größen. Veränderungen dieser Einflussgrößen haben eine starke Wechselwirkung mit anderen Einflussgrößen, weswegen eine Kettenreaktion zu erwarten ist. Wohingegen die Angst vor Gesichtsverlust zwar eine kritische Größe darstellt, aber nicht unserem Einfluss unterliegt. Sie ist die Folge der traditionellen Werte und damit in der Vorkopplung zu berücksichtigen. Gestaltung der Lenkungseingriffe In diesem Schritt des vernetzten Denkens geht es um die Ableitung der Maßnahmen aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen, die zur Erreichung der Problemlösung oder des Projekterfolges beschlossen und umgesetzt werden. Die Entscheidungen in unserem Beispiel fielen folgendermaßen aus: 1. Wir hatten die chinesische Tradition als die aktivste, aber nicht lenkbare Größe ermittelt. Diesem Tatbestand musste unbedingt Rechnung getragen werden. Als Maßnahmen wurde daraufhin entschieden, dass alle deutschen Mitarbeiter, die Kontakt mit chinesischen Partnern oder Mitarbeitern haben, ein spezielles Seminar durchlaufen sollten. Gegenstand des Trainings war die Vermittlung der wesentlichen Elemente der chinesischen Tradition und Geschichte sowie die interkulturelle Zusammenarbeit. Damit konnten die Einflussfaktoren Senioritätsprinzip, Angst vor Gesichtsverlust und allgemeine chinesische Gepflogenheiten gleich mitbearbeitet werden. Die Erkenntnisse aus diesem Training fanden ihre praktische Anwendung im Kommunikationsverhalten der deutschen Repräsentanten. 2. Es wurde ein Leitfaden erarbeitet, der Orientierung gab, wie Kontakte geknüpft, Gespräche geführt und Geschäfte angebahnt werden sollten. Die deutsche Einstellung: „Mit Freunden macht man keine Geschäfte“ musste durch die chinesische: „Werde mein Freund und dann mache ich mit dir Geschäfte“ ersetzt werden. Auf diese Weise versuchte man, das westliche Geschäftsgebaren dem chinesischen anzugleichen. 3. Außerdem ist klar geworden, dass ein Chinese als Kopf der Niederlassung eingesetzt werden sollte. Nur er hatte das Verständnis und die Akzeptanz der dortigen Mitarbeiter. Viele deutsche Vorgesetzte hatten schon Arbeitsanweisungen gegeben, die zwar zunächst angenommen, dann aber doch nicht befolgt wurden. Kein Chinese verneint eine Frage oder lehnt eine Bitte ab, da es Gesichtsverlust bedeuten würde. Es war sicherlich hilfreich, einer einheimischen Person mittleren Alters die Steuerung und Kontrolle der Niederlassung zu überlassen. Alleine die Anwesenheit einer solchen Person flößt Respekt bei den Mitarbeitern ein. Die Kontrolle als aktive Größe der Einflussmatrix hat den Impuls zu dieser Maßnahme gegeben. 4. Eine weitere Maßnahme betraf die Qualifikation der Mitarbeiter - ebenfalls noch als aktive Größe zu bezeichnen. Selbst auf die Gefahr hin, dass die chinesischen Mitarbeiter von Konkurrenzunternehmen abgeworben werden könnten, sollten kaufmännische Grundkenntnisse und Arbeitsmethodiken den Mitarbeitern nach und nach vermittelt werden. Man versprach sich unter anderem davon eine Europäisierung des Arbeitsverhaltens. Kostenbewusstsein und unter- Nichtlenkbare Größen Gesetze, Zölle, Tradition, chin. Gepflogenheiten, Senioritätsprinzip … Lenkbare Größen Qualifikation, Kontrolle, Kommunikation, Sprache, Arbeitsverhalten, Abläufe, Geschäftsgebaren, Eigenständigkeit … Indikatoren Reibungslose Abläufe, Qualität, Ertrag, Kosten, Umsatz, Marktanteil … Projekterfolg Entscheidung Vorkopplung Rückkopplung Abb. 4: Lenkungsmodell PM_3_07.indd 41 23.06.2007 18: 44: 24 Uhr 42 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 07 nehmerisches Denken sind bisher noch Fremdwörter für die chinesischen Mitarbeiter. Realisierung und Weiterentwicklung der Problemlösung Bei der praktischen Realisierung einer Problemlösung geht es in erster Linie darum, die im Projekt aufgetretenen Schwierigkeiten zu bewältigen. Problemlösungen sollen aber nicht nur die heutigen Schwierigkeiten ausräumen, sondern auch dazu beitragen, dass nicht bald wieder neue Schwierigkeiten auftreten. Deshalb ist bei der praktischen Umsetzung von Problemlösungen darauf zu achten, dass diese einerseits eine möglichst frühzeitige Reaktion auf neu auftretende Schwierigkeiten ermöglichen und anderseits über die Fähigkeiten zur eigenen Weiterentwicklung verfügen. Problemlösungen sollten sich an ändernde Rahmenbedingungen selbstständig anpassen können, das bedeutet: o Reparaturfähigkeit: Ist die Problemlösung so konzipiert, dass sie im normalen Rahmen auftretende Schwierigkeiten selbsttätig meistern kann? Das Übernehmen der chinesischen Denk- und Handlungsweise durch das deutschen Unternehmen ist die Basis, die ein eigenständiges Umgehen mit Schwierigkeiten vor Ort erst möglich macht. o Entwicklungsfähigkeit: Hat die Problemlösung das Potenzial, sich im Sinne eines evolutionären Prozesses neuen Rahmenbedingungen anzupassen? Die Entwicklungsfähigkeit in unserem Projekt baut auf den chinesischen Mitarbeitern auf. Ihre Weiterqualifizierung garantiert eine automatische Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen. o Frühwarnung: Sind jene Größen bekannt, die neue Probleme bereits in ihrer Entstehungsphase erfassen? Sobald der reibungslose Ablauf der Geschäfte gefährdet ist, sollte die Situation erneut unter die Lupe genommen werden. Wir haben die Abläufe in der Einflussmatrix eindeutig als Indikatoren ermittelt, also nicht geeignet für Lenkungseingriffe. Diese Erkenntnis hat die Teammitgleider ziemlich überrascht, denn gerade hier wird in der Praxis fälschlicherweise häufig angesetzt. Man glaubt, durch klar definierte Abläufe alles im Griff zu halten. Mittels der sieben Schritte des vernetzten Denkens ist es dem Projektleiter gelungen, die Besonderheit des asiatischen Marktes und seine Interdependenzen sichtbar zu machen. Es wurde deutlich, dass China kaum mit den bisherigen Niederlassungsländern vergleichbar ist, und daher ein anderes Vorgehen erforderlich war. Das Netzwerk der Einflussfaktoren, die Einflussmatrix, die Entwicklungsszenarien sowie das Lenkungsmodell lieferten Argumente, um die - nach Erkenntnis des Projektleiters - notwendigen Maßnahmen durchsetzen zu können. Die Leitung der Niederlassung in nichtdeutsche Hände zu legen, kam einem revolutionären Beschluss gleich. Fazit Diese Methode des ganzheitlichen Problemlösens lässt sich selbstverständlich bei allen möglichen Problemstellungen anwenden - auch bei technischen. Es ist eine Methode, die vielleicht zu Beginn ein bisschen Überwindung kostet, da sie aufwendig erscheint. Mit Sicherheit kommen Sie aber auf ganz andere Ideen und Gedanken bei Ihrer Lösungssuche. Alleine die Diskussion mit Ihrem Team über die Vernetzung setzt zusätzliche Kreativität frei. Die erzwungene unterschiedliche Sichtweise auf das Problem ist schon der halbe Lösungsweg. Das vernetzte Denken ermöglicht Ihnen, die Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen von vorneherein zu beurteilen. Wie eingangs bereits erwähnt, ist diese Methodik kein Selbstzweck. Sie können sich gerne Schritte herauspicken, die Ihnen zunächst hilfreich erscheinen, und nur diese nachvollziehen (z. B. die Einflussmatrix). Im Laufe der Zeit werden Sie erkennen, dass auch die übrigen Schritte durchaus sinnvoll sind, und Sie werden diese ebenfalls durchlaufen - manchmal etwas oberflächlich, manchmal ausführlich. Viel Erfolg dabei! n Literatur [1] Alarcón, L. F./ Ashley, D. B.: Project Management decision making using cross impact analysis. In: International Journal of Project Management, Vol. 16, No. 3, 1998, pp. 142-152 [2] Forrester, J. W.: Industrial Dynamics. Waltham (MA) 1999 [3] Gomez, P./ Probst, G. J. B.: Die Orientierung Nr. 89: Vernetztes Denken im Management - Eine Methodik des ganzheitlichen Problemlösens. Schweizer Volksbank, 1987 [4] Gomez, P./ Probst, G. J. B.: Praxis des ganzheitlichen Problemlösens. 3. Auflage, Bern 1999 [5] Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken - Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität. 5. Auflage, München 2005 Schlagwörter Cross-Impact-Analyse, Einflussmatrix, Lenkungseingriffe, Problemanalyse, Problemvisualisierung, Projektkomplexität, Vernetztes Denken Autorin Dipl.-Betriebswirt (BA) Renate Raschke ist seit über zehn Jahren als Beraterin und Trainerin tätig. Durch die Zertifizierung als Systemische Organisationsberaterin hat sie ihrem Tätigkeitsschwerpunkt Projektmanagement eine breitere Basis gegeben. Ihr Fokus liegt somit auf Organisationsentwicklungs- und Changemanagementprojekten unterschiedlicher Branchen. Als Inhouse-Consultant und als Vorstandsreferentin eines amerikanischen Elektrokonzerns hatte sie vor ihrer Selbstständigkeit reichhaltige Erfahrungen in der Industrie erworben. Sie ist in der Fachgruppe „Kooperative Konfliktlösungen in Projekten“ aktiv und außerdem Gründungsmitgleid der GPM-Regionalgruppe Aachen. Anschrift RASCHKE - CTC Consulting Training Coaching Kranichweg 8 D-52223 Stolberg Tel.: 0 24 02/ 3 71 08 E-Mail: info@raschke-ctc.de www.raschke-ctc.de PM_3_07.indd 42 23.06.2007 18: 44: 24 Uhr