eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 18/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2007
184 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Intelligentes Projektmanagement

121
2007
Heinz Schelle
Aichele, Ch.: Intelligentes Projektmanagement. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2006, ISBN-10: 3-17-019094-6, 299 S., EUR 30,00
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45 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 07 aktuell Es gibt Projektmanagementbücher, die besser nicht geschrieben worden wären. Das Buch des Kollegen Aichele gehört dazu. Man hat an vielen Stellen den Eindruck, dass die Publikation durch Kopieren und Einfügen von Textpassagen aus unterschiedlichen Vorlesungsmanuskripten und im Literaturverzeichnis aufgeführten Referaten entstanden ist. Anders kann ich mir nicht erklären, wie eine ganze Reihe von Kapiteln in das Manuskript gekommen ist, die mit dem Titel des Buches wenig zu tun haben. Dass der Lektor diesem Unfug nicht Einhalt geboten hat, ist mir unverständlich. Hier einige Beispiele: Das Kapitel über Entscheidungstheorie (z. B. Minimax-. Maximax- und Savage-Niehans- Regel) hat in einem Projektmanagement-Lehrbuch absolut nichts zu suchen. Mit derartigem Stoff kann man Erstsemester traktieren, aber nicht Leute, die Rat für ihre tägliche Projektarbeit suchen. Es sei denn, der Autor kann einen konkreten Anwendungsfall anführen. Das kann er natürlich nicht. Die „Beispiele“, die er bringt, sind dann auch so blutleer und abstrakt, wie man das aus Lehrbüchern der Entscheidungstheorie gewohnt ist. Geholfen ist damit niemandem, weder den Studenten, die laut Klappentext „ihre akademischen Kenntnisse um Methoden der Praxis erweitern wollen“, noch „Praktikern aus Wirtschaft und Verwaltung, die ihren Projekterfolg sichern wollen.“ Leider ist das Beispiel aus der Entscheidungstheorie nicht das einzige. In diesem Stil geht es weiter. Dass die Vorgangspfeilnetztechnik sehr ausführlich behandelt wird, kann man ja gerade noch verstehen, warum aber für Praktiker und für Studenten, die für die Praxis vorbereitet werden sollen, die Anwendung der Petrinetz- Technik auf Termin- und Einsatzmittelplanung diskutiert wird, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Wer sich je mit den enormen Schwierigkeiten einer vorgangsbezogenen Einsatzmittelplanung auseinandergesetzt hat, kann hier nur noch sagen: intellektuell anregend, aber praktisch völlig irrelevant. Oder kennt jemand einen einzigen Fall der Anwendung der Petrinetz-Technik im Projektmanagement? Das würde mich sehr interessieren. Ich selbst habe nämlich in den frühen 80er-Jahren zusammen mit einem Mitarbeiter einen Versuch mit dieser Technik unternommen, aber schon sehr bald resigniert. Weitere irrelevante große Kapitel folgen. So wäre es natürlich sehr verdienstvoll, sich mit dem Thema „Kennzahlensysteme zur Steuerung von Projekten“ gründlich auseinanderzusetzen. Dem Leser ist aber wenig damit geholfen, wenn er sich auch mit Kennzahlensystemen befassen muss, die mit Leistungserstellung mit Projektcharakter absolut nichts zu tun haben. Warum zum Beispiel die Systematik der Bilanzkennzahlen von Coenenberg, das ehrwürdige Kennzahlenschema von DuPont und das ZVEI-Kennzahlensystem so ausführlich dargestellt werden, ohne dass ein erkennbarer Zusammenhang zu Projektkennzahlen hergestellt wird, ist nicht zu ergründen. Das ist ja gerade das Problem, dass sich die Bilanz und die G&V-Rechnung auf eine Rechnungsperiode, in der Regel ein Jahr, beziehen und nicht projektbezogen sind. Lachnit hat vor vielen Jahren in seinem bemerkenswerten, viel zu wenig beachteten Ansatz die Verknüpfung mit den Rechnungsgrößen von Projekten hergestellt. Davon ist freilich bei Aichele nichts zu lesen. Probleme hatte ich auch bei dem Kapitel „Modellierung“. Viele Ausführungen konnte ich schlicht nicht mit dem Thema „Projektmanagement“ in Verbindung bringen. Die zahlreichen Abbildungen, die zum Teil äußerst filigran sind, verwirren manchmal eher, als dass sie helfen. Dabei soll keineswegs geleugnet werden, dass der Verfasser über ein enormes Wissen verfügt, das er für unsere Disziplin sinnvoll hätte einsetzen können. Er hätte aber beim Schreiben des Buches sieben und immer nahe beim Thema bleiben müssen. Hätte er Ballast abgeworfen, hätten sich wichtige neue Themen wie zum Beispiel Projektbenchmarking und Karrieremodelle aufnehmen lassen. Diese Chance wurde leider vertan. Projektmanagementlehrbücher sollten keine Nebenprodukte von Vorlesungsmanuskripten sein. Heinz Schelle n Buchbesprechung Intelligentes Projektmanagement Aichele, Ch.: Intelligentes Projektmanagement. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2006, ISBN-10: 3-17-019094-6, 299 S., EUR 30,00 überflüssig auch die weiteren Essays, in denen der Begriff des Projekts zur Beliebigkeit verkommt. Der Gesamteindruck des Buches bleibt zwiespältig. Einige Aufsätze sind durchaus lesenswerte Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Projektemachens von der frühen Neuzeit bis zum Kapitalismus des 20. Jahrhunderts. Man kann auch Lehren für die heutige Forschungspolitik unserer Hochschulen ziehen, die vom Evaluierungswahn befallen sind und in denen, wie Münch in einem soeben erschienenen Β uch 1 kritisch bemerkt, durch Drittmittel häufig nur noch Routinewissenschaft gefördert wird. Bei anderen Essays steht allerdings das Bemühen im Vordergrund, den Leser durch einen „elaborierten Code“ zu beeindrucken. Heinz Schelle n P. S. Noch etwas zum Gemälde auf dem Umschlagbild. Es ist von Spitzweg und heißt tatsächlich „Projektemacher“. Wie im richtigen Leben befinden sich die beiden Projektleiter in einer wenig komfortablen Situation. Fortsetzung von Seite 48 1 Münch, R.: Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz. Frankfurt/ M. 2007 PM_4_07.indd 45 04.10.2007 13: 14: 41 Uhr