eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 18/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2007
184 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„Wer ist die Puppe?“ – Gender und Diversity in Projekten

121
2007
Martina Berthold
Haben Sie schon mal überlegt, ob Ihre Projektkrise nicht dadurch begründet sein könnte, dass die personelle Vielfalt nicht beachtet worden ist? Werden alle ProjektmitarbeiterInnen ihren Fähigkeiten gemäß eingesetzt, oder ist die Aufgabenübergabe durch stereotype Zuschreibungen beeinflusst? Welche Wirkung hat die Projektleiterin eines Technikprojekts in einem reinen Männer-Projektteam?
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51 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 07 aktuell D ass in internationalen Projekten eine besondere soziale Dynamik wirkt und spezielle Spielregeln für eine krisenfreie Zusammenarbeit notwendig sind, ist bekannt. Noch wenig bis gar nicht diskutiert wird jedoch die Tatsache, dass zahlreiche zusätzliche Dimensionen personeller Vielfalt wirken: Geschlecht, Lebensalter, Behinderung, Religion, soziale Herkunft … Es zahlt sich jedoch aus, Diversity in Projekten wahrzunehmen, zu reflektieren und bewusst einzusetzen. Der zielgerichtete Einsatz und die Steuerung von Gender und Diversity in Projekten steigern die Effizienz der Zusammenarbeit, vermindern Projektrisiken, können Projektkrisen verhindern, erhöhen die MitarbeiterInnen-Motivation und optimieren das Management der Interessengruppen und das Projektmarketing. Diese Annahme stand im Mittelpunkt meiner Forschungsarbeit, innerhalb deren ich das Konzept des Diversity-Managements auf das Projektmanagement übertragen habe: eine reizvolle und neue Herausforderung, denn ich habe dabei keinen fertig gepackten Methodenkoffer bzw. keine Diversity-Rezepte in den Mittelpunkt gestellt. Vielmehr lag der Fokus auf einem situationsangepassten, zielgerichteten Umgang mit personeller Vielfalt und dessen Integration in die Projektmanagementpraxis. Die Diversity-Dimension Geschlecht (im Sinne von „Gender“) hatte ich besonders im Blick und verwende daher auch den Doppelbegriff „Gender und Diversity“. Die theoretische Aufbereitung des Themas ergänzte ich durch Interviews mit vier ProjektmanagerInnen. Unter den zwei Frauen und zwei Männern waren sowohl ProjektleiterInnen als auch AuftraggeberInnen aus internationalen Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung. Einige markante Gesprächspassagen fließen - als Zitate in Anführungszeichen gesetzt - in den Artikel ein. Die Praxisorientierung meiner Ausführungen mache ich auch in der Gliederung des Textes sichtbar. Ich lade Sie ein, sich auf die drei Schritte zu Gender und Diversity in Projekten einzulassen und sich mit mir in geistige Bewegung zu setzen … „Wer ist die Puppe? “ - Gender und Diversity in Projekten Martina Berthold Haben Sie schon mal überlegt, ob Ihre Projektkrise nicht dadurch begründet sein könnte, dass die personelle Vielfalt nicht beachtet worden ist? Werden alle ProjektmitarbeiterInnen ihren Fähigkeiten gemäß eingesetzt, oder ist die Aufgabenübergabe durch stereotype Zuschreibungen beeinflusst? Welche Wirkung hat die Projektleiterin eines Technikprojekts in einem reinen Männer-Projektteam? Nähere Infos und eine Demoversion finden Sie unter: www.computerworks.de/ fasttrack Projektmanagement - einfach anders Projekte und Ressourcen ohne großen Lern- und Zeitaufwand verwalten. 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Das merke ich erst jetzt.“ Damit ist auch die (selbst-)kritische Haltung zu den gesellschaftlichen Zuschreibungen und Stereotypen, die jede soziale Interaktion begleiten, gemeint. Oftmals orientieren wir uns in der Projektzusammenarbeit ausschließlich an Gemeinsamkeiten oder Mehrheiten. Viele „diverse“ Merkmale von ProjektkollegInnen oder Interessengruppen bleiben unbeachtet, obwohl sie für die Teamarbeit, beim Projektmarketing oder auch im Projektumweltmanagement eine wichtige Rolle spielen. „Diversity“ meint Heterogenität und Verschiedenartigkeit der MitarbeiterInnen und wird meist in leicht positiver Bedeutung mit dem Begriff der personellen Vielfalt übersetzt [1, S. 7]. In der sehr umfangreichen Literatur wird Diversity auch als Verschiedenartigkeit UND Gleichheit definiert [2, S. IV]. Vielfalt doppelt zu verstehen bietet einen besseren Schutz vor einem eindimensionalen Schubladendenken. Diesem Konzept nach ist eine Person immer Trägerin mehrerer Diversity-Merkmale: Zum Beispiel ist die Projektleiterin Managerin, Frau und Pakistani, ihr Projektmitarbeiter Berufseinsteiger, Mann und Engländer. Auch in scheinbar homogenen Projektteams können dann individuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgemacht werden. So kann man der Komplexität der Aufgabe gerechter werden. „Gender“ bezeichnet das soziale Geschlecht im Sinne der gesellschaftlichen Zuschreibungen, was eine „richtige“ Frau und ein „richtiger“ Mann ist. Der Begriff ist zu unterscheiden vom biologischen Geschlecht „Sex“. Vielfalt sichtbar machen Die Komplexität personeller Vielfalt wird sehr gut am Modell „Four Layers of Diversity“ der beiden Amerikanerinnen Lee Gardenswartz und Anita Rowe [3, S. 3] sichtbar. Gleichzeitig bietet diese Darstellung eine sehr wertvolle Anregung zur Praxisanwendung von Diversity. Ich habe - ausgehend von meinen Projekterfahrungen - das Modell ergänzt durch die Dimensionen soziale Herkunft, Weltanschauung und Parteizugehörigkeit (Abb. 1). Die inneren Dimensionen umfassen Merkmale, die angeboren, biologisch bedingt und unveränderbar sind, während die äußeren Dimensionen im Laufe des Lebens verändert werden können - oft durch bewusste und strategische Entscheidungen. Organisationale Dimensionen beziehen sich auf den (Erwerbs-)Arbeitsprozess einer Person. „Four Layers of Diversity“ ist ein Modell, das auf die spezifische Situation hin zu reflektieren und anzupassen ist - auf das eigene Unternehmen bzw. das eigene Projekt. Meine GesprächspartnerInnen haben folgende Diversity-Dimensionen als wichtig und entscheidend für ihre Projekte genannt: kulturellen/ ethnischen Hintergrund, Geschlecht, Sprache, Berufserfahrung/ Seniorität, Familienstand, Behinderung, Hierarchie und Parteizugehörigkeit. „Oft bringen die verschiedenen Betrachtungsweisen - Geschlecht, Alter, Erfahrung, Betriebszugehörigkeit - einfach entsprechende Ideen und Gedanken ein.“ Wichtig ist jedoch auch das Bewusstsein, dass das Modell - wie auch die Diversity-Dimensionen selbst - eine soziale Konstruktion ist, die uns einerseits bei der Bewältigung der Komplexität hilft, die aber gleichzeitig auch kritisch zu betrachten ist; denn damit verbunden ist eine Stereotypenbildung. Stereotypen: Orientierung durch Verallgemeinerung Unser Zusammenleben und -arbeiten in Organisationen, Projekten, Teams, kurz: in allen menschlichen Beziehungen, ist geprägt von Stereotypen, die uns als Orientierungsmuster dienen, um die Komplexität des (Projekt-)Alltags zu bewältigen. Diese „Überverallgemeinerungen tatsächlicher Merkmale“ [4] haben für Menschen sehr wichtige emotionale Funktionen, wie eine Interviewpartnerin bestätigt: „Stereotypen im Sinne von Muster finde ich wichtig, dass ich mir ein Bild machen kann über eine Person, damit ich sie gedanklich einordnen kann. Und ich finde das wichtig, damit ich auch weiß, wie gehe ich auf die Person zu und wie kann ich diese Person nehmen.“ Gleichzeitig schränken sie jedoch unsere Wahrnehmung und unser Handeln auch ein und erschweren einen reflektierten Umgang: „Nehmen wir ein Beispiel, ein Arbeitspakt im Marketing. Da stellst du als Projektauftraggeber zwei, drei Fragen: ‚Auf welche Frage ist das die Antwort? ‘ Und wenn es da vom Projektleiter keine Antwort gibt, dann wird er relativ schnell ins Stocken kommen: ‚Ja, wir wissen ja aus Erfahrung, dass die Amis halt immer so sind …‘ Es gibt einfach Phrasen, wo du dann nachhakst: ‚Okay, du weißt nichts. Das ist jetzt einfach eine totale Annahme, die du da getroffen hast, die überhaupt nicht fundiert und unterlegt ist. Und du hast sie schon gar nicht überprüft.‘“ Die Komplexität der Projekte und die Herausforderungen des Projektalltags drängen uns oftmals, auf bereits bestehende, scheinbar bewährte Orientierungsmuster zu- Äußere Dimensionen Organisationale Dimensionen Persönlichkeit Innere Dimensionen Geschlecht Alter Ethnische Herkunft Sexuelle Orientierung Psychische/ physische Fähigkeiten Familienstand Geografische Lage Elternschaft Berufserfahrung Ausbildung Bildungsstand Religion, Weltanschauung Freizeitverhalten Gewohnheiten Einkommen Soziale Herkunft Gewerkschaftszugehörigkeit Parteizugehörigkeit Arbeitsort Dauer der Zugehörigkeit Organisationseinheit, Abteilung … Funktion Management- Status Arbeitsinhalte -Feld Hautfarbe Abb. 1: Modell „Four Layers of Diversity“ PM_4_07.indd 52 04.10.2007 13: 14: 46 Uhr 53 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 07 aktuell rückzugreifen, ohne dass die tatsächlichen Anforderungen des Projekts überprüft werden, wie eine Aussage zum Projektmarketing zeigt: „In Amerika müssen wir eine Show abziehen, und in Asien gehen wir Sushi essen …“ Ein bewusster Umgang mit Diversity bedingt jedoch die kritische Reflexion der Stereotypen, der persönlichen, aber auch jener des eigenen Unternehmens bzw. Projekts. Vor allem für Frauen im Projektmanagement können durch die gesellschaftlich noch immer tief verankerten Geschlechter-Stereotypen „Dilemma“-Situationen entstehen; solange nämlich Frauen in Führungs- und Leitungspositionen unterrepräsentiert sind und ihre Managementkompetenz noch schwächer anerkannt wird als jene der Männer. Dazu ein persönlich reflektierter Fall am Beispiel der „Versorgung“: Wenn ich als Projektleiterin (ohne Projektassistenz) die Aufgabe und den Anspruch habe, eine gute und konstruktive Arbeitsatmosphäre im Team zu schaffen, dann gehört für mich dazu auch die Versorgung zum Beispiel mit Kaffee und eventuell kleinen Stärkungen. Wenn ich mich aber dann darum kümmere, dann bestätige ich das klassisch weibliche Klischee der (ver-)sorgenden Frau. Damit wird diese traditionell weibliche Rolle verstärkt und die fachliche und Managementkompetenz abgeschwächt. Es ist dann doppelt „schwer“, die Balance wiederherzustellen. Für Männer ist das anders: Wenn sie auch die Kümmererrolle übernehmen, dann erweitern sie das klassische Männerbild um einen für alle Projektteammitglieder positiven Aspekt. Damit wird ihre fachliche bzw. Managementkompetenz jedoch nicht weniger stark wahrgenommen. Schritt 2 - Aktivierung: Gender und Diversity gezielt einsetzen und nutzen Die Sensibilisierung für die personelle Vielfalt aller Projektbeteiligten ist Voraussetzung für den nächsten Schritt: für die differenziertere Auseinandersetzung mit Gender und Diversity, deren bewussten Einsatz und den reflektierten Umgang mit (Geschlechter-)Stereotypen. Die Wertschätzung der Unterschiede, aber auch die „Planung“, Steuerung und der gezielte Einsatz personeller Vielfalt werden Diversity-Management genannt. Im Gegensatz zu den gesetzlich verankerten Gleichstellungsge- und Diskriminierungsverboten ist Diversity-Management durch freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen gekennzeichnet - mit unterschiedlichen Motivationen: ökonomischem Interesse, sozialer Motivation, Konzernvorgaben oder Marketinganforderungen. Gender- und Diversity- Know-how können nach der neuen IPMA Competence Baseline 3.0 auch als konkrete Projektkompetenzen definiert werden. Vor allem einige Anforderungen im Bereich der Behavioural Competences weisen darauf hin: „Openness“, „Values Appreciation“ und „Ethics“ [5, S. 7]. Diversity-Management in Projekten ist jedoch nicht nur Aufgabe der Projektleitung, sondern bedeutet idealerweise eine Einstellungs- und Verhaltensänderung aller Projektbeteiligten - und trägt damit zur „Organisationsentwicklung“ in Projekten bei. Stereotypen „kreativ“ einsetzen Mit „Überverallgemeinerungen“ kann in Projekten auch gezielt gearbeitet werden: o Überzogenes, mit Stereotypen konformes oder widersprechendes Verhalten kann zu Reflexionen im Team anregen. Auch der bewusste Einsatz von vorhandenen gesellschaftlichen Mustern oder der Geschlechterdynamik zeigt eingefahrene Bahnen, klärt soziale Beziehungen im Projektteam oder in den Projektumwelten (zum Beispiel durch eine bewusste Provokation) oder regt zu neuen Problemlösungen an. o Einsatz einer Vertreterin oder eines Vertreters einer Minderheitengruppe bzw. einer bestimmten Diversity-Dimension (z. B. anderer Kulturraum, Geschlecht, Alter, Hierarchie) als ProjektleiterIn, nicht nur (oder vorrangig) um die Vielfalt des Zugangs zum Thema zu erhöhen, sondern um bewusst mit den Stereotypen im Projektteam zu arbeiten: „Ich habe in Projekten schon ganz spezifisch eine Frau eingesetzt; weil einfach klar war, dass es in einer so zerstrittenen Situation von Vorteil ist, eine Frau als Projektleiterin zu haben, und weil das als Katalysator wirkt; was mit der Auf- Anzeige PM_4_07.indd 53 04.10.2007 13: 14: 46 Uhr 54 KARRIERE aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 07 gabenstellung an sich nichts zu tun hatte bzw. mit der Projektaufgabenstellung gar nicht verbunden war, sondern vielleicht sogar im Gegenteil; wo ich gesagt habe, das versuchen wir jetzt genau mit einer Fokussierung auf Qualitäten, die gar nicht in den Anforderungen des Projekts liegen, sondern in der Kommunikation, im Umgang, im … Banal: etwas anderes probieren.“ Für den oder die ProjektleiterIn können solche „Zusatzaufträge“ Gratwanderungen bedeuten. Gerade der Einsatz von Frauen als soziale Katalysatoren ist dann kritisch zu sehen, wenn es dabei zu einer geschlechterbezogenen Fixierung der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung (Frauen = Soziales, Männer = Technik, Hard-Facts) und zu einer Abwertung der Fachkompetenz kommt. Personen aufgrund von Diversity-Merkmalen in bestimmten Funktionen einzusetzen, ohne den besonderen Auftrag zu klären, ist abzulehnen. o Das Transparentmachen stereotyper Bilder eignet sich zur Klärung der Zusammenarbeit vor allem dann, wenn unterschiedliche Organisationseinheiten oder Unternehmen kooperieren. Ein anschauliches Praxisbeispiel schilderte ein Interviewpartner: Er arbeitete bewusst mit der Annahme „Männer wissen sich in Anwesenheit einer Frau zu benehmen“. Durch die Nominierung einer Projektleiterin in einem geschlechterhomogenen Technikerteam hat er erreicht, dass sich Umgangsformen und Auftreten der Männer nachhaltig verbessert haben. Das „Spiel“ mit Homo- und Heterogenität in Projektteams Vielfalt und Gemeinsamkeiten lösen in Gesellschaften, Organisationen sowie Projekten unterschiedliche soziale Reaktionen aus und provozieren Muster der Anpassung oder aber Abgrenzung. Homo- und Heterogenität wirken auch in Projektteams sehr stark. „Ob bezogen auf Ethnien, Sprachen oder Gender: Durchmischte Teams haben immer die besseren Ergebnisse als homogene Teams. Aber jetzt nicht nur aufgrund des Geschlechts. Der Inder in einem Projekt ist genauso ein Katalysator, der da positiv Verstärkung gibt, wie jemand, der auch die Sprache des Landes spricht, in dem sich das Projekt abspielt, oder eben eine Frau in einem reinen Männerteam.“ Diese Dynamiken laufend zu beachten bzw. bei Konflikten zu thematisieren ist eine Herausforderung für die Projektleitung, die sich bezahlt macht. Ein reflektierter Umgang kann hier bedeuten, in der einen oder anderen Projektsituation im Team bewusst zur Homo- oder Heterogenität zu wechseln bzw. mit ihnen zu „spielen“, zum Beispiel: o in bestimmten Situationen homogene (Sub-)Teams bilden, die parallel an der gleichen oder an unterschiedlichen Fragestellungen arbeiten; eine - abhängig von den Projektspezifika - Teammischung aus berufserfahrenen MitarbeiterInnen und NeueinsteigerInnen oder ProjektmitarbeiterInnen nach ethnischem Hintergrund, TechnikerInnen und PersonalistInnen oder Frauen und Männern; o die Heterogenität erkennen und ihr entgegenwirken ist dann zielführend, wenn die Zusammensetzung des Teams zu „divers“ ist und der zielorientierten Projektarbeit entgegensteht. Zum Bespiel kann in einem (Sub-)Team, das sehr fokussiert an klar definierten Aufgaben arbeitet, die Vielfalt unterschiedlichster Professionen kontraproduktiv wirken und den Prozess verlangsamen; o paradoxe Interventionen zur Problemlösung von zu diversen Teams, indem die Heterogenität gezielt verstärkt anstatt abgeschwächt wird. Gerade mit Blick auf die ethnische Herkunft kann die Steigerung der Vielfalt im Team dazu führen, dass die Dominanz der Mehrheitskultur begrenzt wird und damit nicht mehr „automatisch“ ihre Spielregeln und Verhaltensweisen den Ton angeben. Somit steht das Team vor der Aufgabe, gemeinsam Vereinbarungen zu erarbeiten. Die Zusammenarbeit im Team wird dynamischer und mehr situations- und weniger mehrheitsangepasst. Schritt 3 - Umsetzung: Gender und Diversity ins Projektmanagement integrieren Im dritten Schritt werden Gender und Diversity gezielt ins Projektmanagement integriert. Dabei orientiere ich mich an den unterschiedlichen Projektprozessen und schlage vor, Gender-und-Diversity-Management in die bestehenden Methoden und Instrumente des Projektmanagements einfließen zu lassen und nur in Ausnahmefällen zusätzliche Tools anzuwenden (z. B. Sensibilisierungsworkshop, um die Wahrnehmung für die personelle Vielfalt zu schärfen). Diese Vorgehensweise wird auch von jenem Interviewpartner gewählt, dessen internationales Unternehmen Diversity-Richtlinien implementiert hat, die bis in die Projekte hineinwirken und umgesetzt werden. Auf die Frage, ob Diversity in den erfolgreich abgeschlossenen Projekten eine Rolle gespielt hat, antwortet er: „Ja, eigentlich in allen. Wobei nicht als Diversity, nicht als eigene Disziplin, sondern als Anforderungen, die zu Beginn des Projekts erhoben oder über den Verlauf des Projekts geklärt oder geschärft und dann entsprechend angepasst wurden.“ Projektstart Dieser Prozess ist zentral für den gezielten Einsatz von Diversity und Gender, denn durch das Einbeziehen personeller Vielfalt in die Planung können viele potenzielle Probleme vermieden werden. Oder in den Worten eines Gesprächspartners: „Wenn die Diversity-Komponente erst als Überraschung herauskommt, dann ist es für mich ganz klar der Fehler, dass es nicht als Anforderung für die Aufgabe an sich begriffen worden ist. 100 Prozent der Fehler sind genau das.“ Projektabgrenzung - sozial: Hier steht vor allem die soziale Abgrenzung im Mittelpunkt, da diese die Basis für die Detailplanung der Projektorganisation bildet. Es ist hilfreich bereits an dieser Stelle die Frage nach der notwendigen personellen Vielfalt zu stellen: Sind - mit Blick auf die Projektanforderungen (Ziele, Projekttyp …) - alle wesentlichen Diversity-Gesichtspunkte beachtet worden? Projektkontextanalyse - sozial: Bei der Identifizierung der sozialen Umwelten ist auf die notwendige Diversität der Interessengruppen zu achten, zum Beispiel indem die Projektumwelten mithilfe des Modells der Diversity- Merkmale reflektiert werden. Im Einsatz bei 80.000 Anwendern weltweit. Informieren Sie sich in unseren regelmäßigen Webinaren. Nächster Termin: 15. November 2007, "Projektmanagement mit dem neuen Release RPlan 9.2" Kooperatives Projektmanagement mit RPlan Informationen über RPlan und ACTANO: www.actano.de / rplan PM_4_07.indd 54 04.10.2007 13: 14: 46 Uhr 55 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 07 aktuell Projektleistungsplanung - Arbeitspaketspezifikation: Sind bei der Verteilung von Zuständigkeiten und Mitarbeit die Fähigkeiten und Stärken der ProjektmitarbeiterInnen beachtet worden oder wurden sie aus strategischen, politischen Gründen oder aufgrund von stereotypen Zuschreibungen verteilt? Projektressourcenplan: Wie wird mit Ressourcen von MitarbeiterInnen und mit Betreuungspflichten umgegangen? Werden gleichwertige Projektarbeiten und -leistungen gleich entlohnt? Projektumweltanalyse: Die Projektumweltanalyse ist sicherlich eine jener Methoden, in die Überlegungen zu Diversity und Gender auf alle Fälle integriert werden sollten, unter anderem bei der Bewertung der Potenziale oder Gefahren der Projektumwelten und bei der Planung und personellen Zuordnung der einzelnen Maßnahmen. Projektrollenbeschreibungen: Die - vor allem für die Projektleitung - geforderten Kompetenzen werden um das Know-how zu Gender und Diversity erweitert, zum Beispiel um Kommunikationsfähigkeit (projektbezogene Heterogenität von Projektteam und -umwelten beachten), Führungsfähigkeit (mit besonderer Berücksichtung der personellen Vielfalt); Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit; Selbstreflexionsfähigkeit. Darüber hinaus werden vor allem folgende Kompetenzbereiche der IPMA Competence Baseline (ICB 3.0) integriert: „Openness“, „Values Appreciation“ und „Ethics“. Projektorganigramm: Das Projektorganigramm ist das Ergebnis der „Personalpolitik“ in der Projektplanung. Wesentlich ist dabei, wie die Wahl der Projektteammitglieder und der -mitarbeiterInnen läuft: nach objektiven, fachlichen Anforderungen oder nach intransparenten „Zusatzaufträgen“, nach Stereotypen, zufällig … Projektfunktionendiagramm: Die Funktionen und Verantwortlichkeiten werden fähigkeitsbezogen vergeben. Strategische Verteilungen werden im Projektteam möglichst transparent gemacht. Projektregeln und -zusammenarbeit: Alle Teammitglieder können sich mit den Regeln identifizieren (auch VertreterInnen von Minderheitengruppen), zum Beispiel kann explizit als Regel vereinbart werden: offener und diskriminierungsfreier Umgang; keine negativen Stereotypen und Vorurteile; keine Witze auf Kosten anderer; keine Festschreibung von einengenden Geschlechterrollen; reflektierter Umgang mit Konformitäts- und Gruppendruck und mit Minderheiten bzw. Mehrheiten im Prozess der Entscheidungsfindung. Entwicklung der Projektkultur (Projektname/ -logo, Veranstaltungen): Können sich alle mit Namen und Logo identifizieren? Gibt es zum Beispiel politische, religiöse, kulturelle (bei internationalen Projekten nicht zu unterschätzen), genderspezifische Gründe dagegen? Projektrisikoanalyse: Stellen einzelne Diversity-Dimensionen Risiken dar? Könnte es sein, dass sich zum Beispiel der ethnische Hintergrund im Verlauf des Projektes dennoch als wichtiger als zuvor angenommen herausstellt? Projektcontrolling Das soziale Projektcontrolling, die Reflexion und Steuerung der Zusammenarbeit im Projekt sind zentral in diesem Prozess. Projektcontrollingsitzungen: Diversity und Gender sind im sozialen Controlling mit zu beachten, eventuelle Konflikte im Team oder in den Projektumweltbeziehungen auf Diversity-Aspekte hin zu analysieren: Gibt es Gruppenbildungen, bilden sich Hierarchien? Kommen alle gleichermaßen zu Wort? Können alle ihre Ideen, ihr Know-how einbringen? Fördert die Arbeitsatmosphäre die Leistungsfähigkeit aller oder nur Einzelner? Projektfortschrittsberichte: In Berichten über Risiken oder Schwierigkeiten werden Diversity-Probleme transparent gemacht und klar benannt. Projektmarketing Hier geht es darum, die Marketingmaßnahmen auf die unterschiedlichen Projektumwelten (ProjektauftraggeberIn, KundInnen, Betriebsrat, …) abzustimmen und dabei auch die personelle Vielfalt innerhalb dieser Zielgruppen zu beachten. Projektmarketingplan: Werden alle relevanten, heterogenen Umwelten mit zielgruppenorientierten Maßnahmen bedacht? Wird der Heterogenität jeder Projektumwelt mit geeigneten, differenzierten Maßnahmen begegnet? Im Einsatz bei 80.000 Anwendern weltweit. Informieren Sie sich in unseren regelmäßigen Webinaren. Nächster Termin: 15. November 2007, "Projektmanagement mit dem neuen Release RPlan 9.2" Kooperatives Projektmanagement mit RPlan Informationen über RPlan und ACTANO: www.actano.de / rplan Anzeige PM_4_07.indd 55 04.10.2007 13: 14: 46 Uhr 56 KARRIERE aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 07 Projektmarketinginstrumente (Zeitung, Newsletter, P-Folder, Roadshow, …): Sind die Marketingmaßnahmen aufgrund von Stereotypen oder sachlichen Anforderungen geplant worden? Stichwort: „In Amerika müssen wir eine Show abziehen und in Asien gehen wir Sushi essen …“ Risiko- und Krisenmanagement Diversity-Management greift als Instrument der Risikominimierung, wenn bereits in der Projektplanung Diversity-Aspekte mit einbezogen werden. Darüber hinaus ist personelle Vielfalt und vor allem die Frage nach der Wirkung von Stereotypen auch in den Methoden des Risiko-/ Krisenmanagementprozesses zu beachten. Abschluss Bei der Planung der Nachfolgemaßnahmen für die Projektumwelten, vor allem jedoch bei den Methoden zum Know-how-Transfer spielt Diversity eine große Rolle. Welche Erfahrungen im Umgang mit personeller Vielfalt sind für die Gesamtorganisation von Nutzen? Welche Best-Practice-Beispiele können identifiziert werden? Welche Fehler sollen beim nächsten Projekt nicht wiederholt werden? Projektabschlussbericht: In diesen Bericht werden Informationen bzw. ein Resümee über das Management der personellen Vielfalt (Projektteam, Umwelten, …) aufgenommen. Projektpräsentation (Newsletter-Beiträge, Homepage, …): Hier wird über den gezielten Einsatz von Diversity (Chancen, Grenzen) informiert. Erfahrungsaustausch-Workshop: In diesem Rahmen werden Diversity-und-Gender-Erfahrungen reflektiert, Lessons learned der Gesamtorganisation oder/ und anderer ProjektkollegInnen weitergegeben. Beurteilung des Projekterfolgs: Dabei müssen die Diversity-Aspekte mit bedacht werden. Beurteilung der Mitglieder der Projektorganisation: Hier ist darauf zu achten, dass es zu keiner Diskriminierung in der Leistungsbeurteilung kommt. Beurteilungsfehler aufgrund stereotyper Zuschreibungen (Teilzeitkräfte, Menschen mit Behinderungen, … leisten weniger, Männer sind generell bessere Konstrukteure, …) oder auch unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds sind zu vermeiden. Sozialer Abschlussevent: Bei der Gestaltung des Abschlussevents sollte die personelle Vielfalt beachtet werden, sodass es ein „Fest“ für alle wird: Sind (Gebärden-)DolmetscherInnen notwendig? Ist der Veranstaltungsraum barrierefrei erreichbar? Kommen Leistungen aller zur Sprache, bzw. werden sie sichtbar? Personelle Diversity ist so bunt und komplex wie unsere Gesellschaften und wie wir einzelnen Menschen sind. Die Herausforderung besteht darin, diese Komplexität zu bewältigen, zu integrieren und gewinnbringend - für die Projektaufgabe und die einzelnen Frauen und Männer - zu nutzen. Dabei geht es nicht darum, dass wir Projektmanagerinnen und -manager uns eine zusätzliche Arbeit aufhalsen, denn … „Auf der einen Seite ist die Vielfalt so und so da. Auf der anderen muss man versuchen, sie so weit zu nutzen - zum Beispiel in Form von Spielregeln, Methoden der Kommunikation und mit all diesen Dingen -, dass sie wiederum dem Ergebnis dienlich ist.“ n Literatur [1] Becker, M.: Wissenschaftstheoretische Grundlagen des Diversity Managements. In: Becker, M./ Seidl, A. (Hrsg.): Diversity Management - Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt. Stuttgart 2006, S. 5-48 [2] Wächter, H.: Personelle Vielfalt in Organisationen. Interdisziplinäre Zugänge zu den Chancen und Risiken von Diversität. In: Wächter, H./ Vedder, G./ Führing, M. (Hrsg.): Personelle Vielfalt in Organisationen. Trierer Beiträge zum Diversity Management, München/ Mehring 2003, S. III-VIII [3] Gardenswartz, L.: Implementing An Effective Diversity Initiative. Diversity Leadership Alliance Phoenix, Arizona 2005. www.diversityleadershipalliance.org/ Presentations/ Implementing%20A%20Diversity%20Initiative.pdf, Stand: 10. 6. 2007 [4] Wikipedia: Stereotyp. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Stereotyp, Stand: 14. 6. 2007 [5] Angermeier, G.: Die IPMA Competence Baseline 3.0. Projektmanagement auf dem Weg zur Volljährigkeit? In: Projekt Magazin, 23/ 2006, www.projektmagazin.de Literaturempfehlung Berthold, M.: Diversity als Managementkonzept. Gender und Diversity in Projekten. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, ISBN: 978-3-8364-2007-5, 2007 Schlagwörter Diversity Management, Four Layers of Diversity, Gender, Hetero-/ Homogenität, Projektmanagementmethoden, Projektteam, Stereotyp Autorin Martina Berthold studierte Pädagogik, Psychologie und Theologie, ist Absolventin der Führungsakademie Baden-Württemberg und der Salzburg Management Business School. Seit zehn Jahren leitet sie Projekte in der Salzburger Landesverwaltung (Organisationsentwicklung, Frauenarbeit, Gleichbehandlung, Schulverwaltung) und hat eine PM- Community mitbegründet. Sie arbeitet als Moderatorin und Trainerin. Anschrift Fadingerstraße 10 A-5020 Salzburg Tel.: ++43/ 6 64/ 82 84-1 21 E-Mail: martina.b@utanet.at PM_4_07.indd 56 04.10.2007 13: 14: 47 Uhr