eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 19/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2008
193 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Claimmanagement und Partnering im internationalen Projektgeschäft

31
2008
Gerrit Horstmeier
Eva-Maria Kaßner
Der Beitrag behandelt Probleme des Claimmanagement im internationalen Projektgeschäft. Er macht die wirtschaftliche Bedeutung dieses Instruments deutlich. Für ein wirksames Claimmanagement gibt der Aufsatz Hinweise für funktionierende Claimstrategien. Wegen der Anfälligkeit internationaler Projekte kann das Claimmanagement im Einzelfall nicht hinreichend sein. Hier wird auf das neue Instrument des „Partnering“ hingewiesen. Darunter sind Lösungsstrategien für Konflikte zu verstehen, die Projektbeteiligte bereits vor deren Entstehen zu Projektbeginn vereinbaren und die weit über die übliche Streitschlichtung hinausgehen. Interessant ist das „Partnering“-Modell insbesondere vor dem interkulturellen Hintergrund internationaler Projekte.
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1 Probleme: Besondere Anfälligkeiten des internationalen Projektgeschäfts für Claims 1.1 Komplexität und Rahmencharakter Charakteristisches Merkmal des internationalen Projektgeschäfts ist zunächst der vom Auftragnehmer zu erbringende komplexe Leistungsumfang. Bei Großprojekten handelt es sich nicht um eine standardisierte Gattungsschuld, sondern vielmehr um eine explizit auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Auftraggebers zugeschnittene und detailliert geplante Stückschuld. Angesichts des umfangreichen und variablen Leistungsspektrums ist es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses meist noch nicht möglich, alle Einzelheiten der zu erbringenden Leistung im Detail zu spezifizieren [2, S. 46; 3, S. 17, 18; 4, S. 77] und sämtliche eventuell den Projektablauf beeinflussenden Umwelteinflüsse vorauszusehen und ex ante vertraglich zu regeln. Deshalb bergen internationale Großprojekte ein großes Abweichungspotenzial vom Vertragsinhalt in sich und weisen daher eine besondere Anfälligkeit für Claims auf. 1.2 Langfristigkeit Ein weiterer Grund für Abweichungen vom Vertragsinhalt liegt in der Langfristigkeit der Projekte. Bei Großprojekten kann die Dauer vom Zeitpunkt der Ausschreibung bis zur Abnahme mehrere Jahre betragen, wobei der Zeitraum der Gewährleistung bzw. der Garantieleistungen noch nicht mit eingerechnet ist. Im Laufe dieser Zeit treten in der Regel Änderungen im wirtschaftlichen, technischen, rechtlichen und politischen Umfeld auf (z. B. Veränderung der Wechselkurse, der wirtschaftlichen Situation des Kunden, der politischen Verhältnisse im Kundenland, Lohnsteigerungen, Gesetzesänderungen, Änderungen des Standes der Technik, Preisänderungen für Rohstoffe und Materialien etc. [2, S. 45]), die weitere Auslöser für Claims darstellen. 1.3 Kooperationscharakter - Vielzahl der Projektbeteiligten - Schnittstellenproblematik Die Claimanfälligkeit von Großprojekten wird außerdem verstärkt, wenn eine Vielzahl von Projektbeteiligten existiert und daraus zusätzliche Schnittstellenproblematiken resultieren. Dabei können solche Kooperationsverhältnisse in dreierlei Hinsicht bestehen: 1. zwischen den Partnern, die gemeinsam als Auftragnehmer auftreten (Partner in einem Konsortium, ARGE [5, S. 617 ff.] etc.), 2. zwischen dem Auftragnehmer und den nachgeschalteten Beteiligten (Lieferanten, Subunternehmer etc.), projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 l 31 Gerrit Horstmeier, Eva-Maria Kaßner Claimmanagement und Partnering im internationalen Projektgeschäft Kein Projekt läuft nach Plan. Ein gut durchorganisiertes, effektives und professionell betriebenes Claimmanagement sichert die Marge trotz Planänderungen und -abweichungen, ermöglicht die Abwehr unberechtigter Mehrforderungen sowie die erfolgreiche Durchsetzung eigener Claims. Konflikte zwischen Projektpartnern können so sachlich beigelegt werden. Das Resultat sind erhebliche Kosten- und Zeitersparnisse für die Vertragspartner. Die Claimmanagementmethode, die aus der angelsächsischen Bauindustrie entwickelt wurde [1, S. 739 m. w. N] , ist gerade im Hinblick auf den sich zunehmend verschärfenden internationalen Wettbewerb für alle internationalen Projektgeschäfte anwendbar. Sie ist von essenzieller Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg sowie für die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Projektunternehmen. Ziel des Aufsatzes ist es deshalb, einen umfassenden praxisbezogenen Überblick zum Claimmanagement zu bieten und den Leser für die zahlreichen Anwendungsgebiete und Umsetzungsmöglichkeiten, aber auch für die wirtschaftliche Bedeutung des Claimmanagement zu sensibilisieren. Außerdem wird ein über das Claimmanagement hinausgehender Ansatz, nämlich das „Partnering“, vorgestellt. Der Beitrag behandelt Probleme des Claimmanagement im internationalen Projektgeschäft. Er macht die wirtschaftliche Bedeutung dieses Instruments deutlich. Für ein wirksames Claimmanagement gibt der Aufsatz Hinweise für funktionierende Claimstrategien. Wegen der Anfälligkeit internationaler Projekte kann das Claimmanagement im Einzelfall nicht hinreichend sein. Hier wird auf das neue Instrument des „Partnering“ hingewiesen. Darunter sind Lösungsstrategien für Konflikte zu verstehen, die Projektbeteiligte bereits vor deren Entstehen zu Projektbeginn vereinbaren und die weit über die übliche Streitschlichtung hinausgehen. Interessant ist das „Partnering“-Modell insbesondere vor dem interkulturellen Hintergrund internationaler Projekte. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 31 3. zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Vergleiche zu den Kooperationsverhältnissen [2, S. 48, 49]). Dazu kommt eine Vielzahl von Projektbeteiligten (z. B. Banken, Versicherungen, lokale Behörden etc.) sowohl aufseiten des Auftraggebers als auch aufseiten des Auftragnehmers. Das ohnehin schon komplexe Beziehungsgeflecht wird noch weiter verstärkt, wenn es sich auf der Anbieterseite um ein Konsortium handelt, bei dem wiederum jeder Partner für sich jeweils in einem Beziehungsverhältnis zu seinen Lieferanten, Subunternehmern, Banken, Versicherungen etc. steht. 1.4 Internationaler Wettbewerb, Marktdynamik, steigende Kundenerwartungen Aufgrund der Intensivierung des internationalen Wettbewerbs sind weitere Mitbewerber auf dem Markt erschienen, die für verstärkten Kosten- und Zeitdruck sorgen. Großanlagenbau ist kein Vorrecht der Industrienationen mehr. Daher sind die Auftragnehmer gezwungen, Großprojekte von zunehmender Komplexität unter Verzicht auf sonst einkalkulierte Sicherheitszuschläge in immer kürzeren Zeiträumen zu deutlich niedrigeren Preisen als ihre Wettbewerber abzuwickeln. Der Kunde des 21. Jahrhunderts verlangt ein Komplettangebot für Planung und Umsetzung des Projekts sowie Service-, Garantie- und Wartungsleistungen, wobei der Auftragnehmer das Projekt unter Verwendung der neuesten Technologien dynamisch, flexibel und preisgünstig abzuwickeln hat. 1.5 Interkulturelle Besonderheiten An internationalen Großprojekten ist in der Regel eine Vielzahl von Projektparteien und Mitarbeitern beteiligt, die unterschiedlichen Kulturen angehören. Das gegenseitige Verstehen der kulturellen, sozialen und auch religiösen Besonderheiten der Projektbeteiligten ist für den Projekterfolg unerlässlich. Es gibt nicht nur unterschiedliche Vertragsverständnisse etwa zwischen europäischen und chinesischen Vertragspartnern. (Auf die Bedeutung des chinesischen Marktes weist zu Recht der Lagebericht des VDMA [6, S. 13] hin.) Bereits die Sprache ist bei internationalen Projekten unter anderem wegen der Übersetzungsrisiken insbesondere zu Vertragsfragen Quelle ständiger Auslegungs- und Interpretationsfragen (vergleiche Hök [7], S. 332 ff., mit dem Beispiel der Unterscheidung des „Take-over Certificate“ im Verhältnis zu „Acceptance“, S. 335), die zu Streitigkeiten und Claims führen. 1.6 Geografische, infrastrukturelle und klimatische Besonderheiten Weitere claimauslösende Störungen des Projektablaufs ergeben sich aus geografischen, infrastrukturellen und klimatischen Besonderheiten des Landes, in dem das Großprojekt abgewickelt wird. Force Majeure (höhere Gewalt), insbesondere in Form von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Feuer oder Dürreperioden, aber auch strenger Frost sind in der Praxis häufige Gründe für Verzögerungen des Projektablaufs. 2 Wirtschaftliche Bedeutung des Claimmanagement und historische Entwicklung Änderungen und Störungen der Projektabwicklung, Verzug und hieraus entstehende Kosten für Beschleunigungsmaßnahmen zur Einhaltung des vertraglich fixierten Herstellungstermins sind die wesentlichen Ursachen für Produktivitätsverluste eines Unternehmens. Mehrkosten können entstehen durch die Vorhaltung von Material (Lagerung, Versicherung), durch zwischenzeitlich erhöhte Preisindizes für Lohn-, Material- und Gerätekosten, durch Mehrarbeitsstunden, durch zusätzliche, nicht einkalkulierte Transportleistungen und Lieferungen sowie durch die laufenden Kosten der Baustelle (Instandhaltungs- und Betriebsstoffkosten, Unterbringung des Personals etc.). Im internationalen Industrieanlagenbau können diese Mehrkosten bis zu 30 bis 50 Prozent der Plankosten ausmachen [2, S. 20]. Ein effektives und effizientes Claimmanagement schafft als Frühwarnsystem bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über Abwicklungsprobleme sowie deren technische, terminliche und finanzielle Konsequenzen. Hierdurch können Gegenmaßnahmen rechtzeitig ergriffen, höhere verzugsund/ oder störungsbedingte Mehrkosten vermieden und sogar ein Mehrgewinn von 10 Prozent bis zu 25 Prozent erwirtschaftet werden. (Im Anlagenbau kann der Mehrgewinn bei kleineren Anlagen 10 bis 15 Prozent, bei größeren Anlagen 20 bis 15 Prozent betragen [4, S. 2].) Die Claimmanagementmethode, die vor ca. 20 Jahren von der angelsächsischen Bauindustrie entwickelt wurde, findet ihren Ursprung in dem sogenannten „Quantity Surveyor“, der als technischer Sachverständiger die Architektenzeichnungen in Leistungen- und Mengenbeschreibungen umdeutete [4, S. 3; 8, S. 19-20; 9, S. 2; 10, S. 4]. Das Berufsbild des Claimmanagers ist durch die Weiterentwicklung des Tätigkeitsbereichs des Quantitiy Surveyors entstanden. Neben Mengenänderungen ist der Claimmanager auch für technische Modifikationen sowie die Regelung von Auswirkungen veränderter vertragsexogener Rahmenbedingungen auf das Projekt zuständig. Der Claimmanager von heute sollte neben technischen sowie betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen im Projektmanagement, juristisches Wissen mit dem Schwerpunkt internationales Vertragsrecht, Verhandlungsgeschick sowie rhetorische Fertigkeiten aufweisen [9, S. 12]. Im Gegensatz zu den USA und England, wo eine professionelle Ausbildung zum Quantity Surveyor angeboten wird, fehlt dieser Ausbildungszweig in Deutschland bisher noch [8, S. 21; 9, S. 2]. 3 Claimstrategien Die Komplexität und Vielzahl denkbarer Claims im Laufe eines Großprojekts macht es erforderlich, sich früh genug, das heißt seit der Angebotserstellung, Gedanken über mögliche Claimstrategien zu machen. Jeder Projektbeteiligte ist dabei für die Formulierung und Umsetzung seiner Claimstrategie selbst verantwortlich. 3.1 Was sind Claims? Der Begriff „Claim“ ist gesetzlich nicht konturiert. (Statt „Claim“ werden stattdessen auch Begriffe wie Nach- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 32 WISSEN PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 32 trags-, Änderungs-, Change Order oder Entitlemanagement benutzt, ohne dass wesentlich anderes damit gemeint ist [11, S. 685, 692, Fn. 11].) In der Praxis haben sich jedoch einige verschiedene Unterscheidungen durchgesetzt, die über das enge Verständnis von Gewährleistungsansprüchen hinausgehen. Denn als Claims können alle Arten von Änderungen und Behinderungen während eines langfristigen Projektverlaufs geltend gemacht werden, die zu rechtlichen Forderungen führen [9, S. 3]. Dementsprechend unterscheidet man unter einer weiten Auslegung des Begriffs ❑ terminliche Claims, also eine Anpassung des Fristen- und Terminplans zur Beschleunigung bzw. Verlangsamung des Projekts, ❑ sachliche Claims, bei denen es um die Erbringung bestimmter Leistungen geht, sowie ❑ finanzielle Claims, unter denen man die Nachforderung bzw. Verhinderung von Geldleistungen versteht [3, S. 17 f.; 1, S. 339, 740]. Die offensive Claimmanagementstrategie besteht in der umfassenden Abwehr aller Fremdclaims und der Durchsetzung aller Eigenclaims bei maximaler Ausschöpfung der Schadenshöhe (Gewinnclaims) [3, S. 32; 10, S. 328; 12, S. 2-22; 9, S. 9]. Demgegenüber hat die defensive Claimmanagementstrategie zum Ziel, alle Fremd- und Eigenclaims der jeweils anderen Projektbeteiligten zu vermeiden bzw. zumindest abzumildern [3, S. 32; 10, S. 329; 9, S. 9]. Eigene Forderungen werden nur bei gravierenden vertraglichen Abweichungen oder Vertragsverletzungen geltend gemacht (Schadensbegrenzungsclaims), berechtigte Forderungen des Vertragspartners werden akzeptiert [12, S. 2-22]. 3.2 Wer ist für die Claims zuständig? Ein Erfolgsfaktor des Claimmanagement ist die Lösung der Schnittstellenproblematik zwischen Technik, BWL und Recht [9, S. 2 f.]. Es kommt darauf an, vertragliche oder gesetzliche Ansprüche nicht nur zu formulieren, sondern diese vorher durch eine geeignete Dokumentation technisch und wirtschaftlich zu erfassen. Abweichungen vom „Vertragsprogramm“ können jedoch in der Regel nur von den an der Projektrealisierung beteiligten technischen Kräften erkannt werden. Um diese Abweichungen zu erfassen und nachzuvollziehen, zu „controllen“, bedarf es entsprechender Instrumente des Controllings und Managements. Es ist daher erforderlich, im Projektmanagement für die Bündelung dieser Aufgaben jemanden zu haben, der in allen Bereichen zumindest über das nötige Querschnittswissen verfügt. Umso wichtiger ist die Fort- und Weiterbildung geeigneter Mitarbeiter in dem o. a. Sinne. 3.3 Wie sind Claims zu begründen? Im deutschen Werkvertragsrecht kann eine Nach- oder Ausgleichsforderung durchaus auch im Gesetz seine Grundlage finden, etwa als Mehraufwand für Verzögerungen gem. § 2 Nr. 5 S. 1 Alt. 1 VOB/ B [13, S. 469 ff.] oder der Vergütung nach § 642 BGB. In internationalen Verträgen ist es jedoch üblich, trotz eines Verweises auf eine subsidiär geltende Rechtsordnung, so weit wie möglich alle denkbaren Risiken und Projektereignisse vorweg zu regeln. Nicht selten erlangt ein derartiger Vertrag je nach Komplexität des Gegenstands ein beachtliches Ausmaß. In diesen Konstellationen werden Claims selten auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Man beruft sich vielmehr auf entsprechende vertragliche Regelungen und Ansprüche. Hier wird nun deutlich, dass bereits von der Vorbereitung der Vertragsverhandlung an über die Formulierung des eigenen Vertragsentwurfs bis hin zur Endfassung des Vertrags das Claimmanagement schon begonnen hat. Denn bereits in diesem Stadium werden die Grundlagen für erfolgreiche Nachforderungen bzw. die erfolgreiche Abwehr von Nachforderungen gelegt. Wem es also gelingt, im Vertrag den Projektgegenstand einzugrenzen und eng zu fassen, der hat eher Gelegenheit, über diesen eng gefassten Projektgegenstand hinausgehende Zusatzleistungen als Nachforderungen geltend zu machen. Wenn der Vertragsgegenstand umgekehrt sehr weit gefasst ist und alle erdenklichen Zusatzfunktionen und -arbeiten mit einschließt, werden wenig Chancen auf ein erfolgreiches Nachforderungsmanagement bestehen. Daraus folgt, dass dieses wichtige Management von technischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Schnittstellen von Anfang an bereits bei der Angebotserstellung funktionieren muss. Anzeige PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 33 3.4 Instrumente des CM - Dokumentation Wesentliche Probleme des Claimmanagement bestehen darin, (negative) Abweichungen vom „Vertragsprogramm“ zu belegen. Diese Beweispflicht erfordert eine genaue Transformation der Vertragspflichten in die Ausführungsplanung, die ihrerseits auch mit der Angebotsplanung noch einmal abzugleichen ist. Daneben bedarf es weiterer, aus der Ausführungsplanung abzuleitender Teilpläne wie die Terminplanung, Liefer-, Bau- und Montageplanung, Materialplanung etc. Diese Planungen sind mithilfe des Dokumentenmanagements in ihrer Ausführung zu überprüfen anhand von Projekttagesberichten, Fotobzw. Videodokumentationen, Projektbesprechungsprotokollen sowie Behinderungs- und Mängelanzeigen [14, Rz. 404 ff.]. Denn im harten Wettbewerb ist sicher, dass nur ein nachvollziehbarer, belegbarer Claim Chancen hat, von der Gegenseite akzeptiert zu werden („Ist der Claim nicht gut genug für den Richter, ist er auch nicht gut genug für den Kunden“, eine alte Regel für das Claimmanagement nach Pinnels [15, S. 35]). Eine durchgängige Dokumentation ist auch deshalb ein unabdingbares Erfordernis, weil nur auf diese Weise schleichende Ereignisse, die zu einem höheren Einsatz von Finanz- oder Sachmitteln führen, aufgedeckt werden können (hierauf weist Huck [9, S. 9] zu Recht hin). Erst mit dieser Dokumentation werden sonst unerkannt bleibende oder zu spät entdeckte Kostentreiber transparent und können korrigiert werden. Bei finanziellen Nachträgen bedarf es außerdem für deren Begründung nicht nur der Dokumentation, was die Vertragsabweichung im Einzelnen ist, sondern auch der Kalkulation der dafür erforderlichen Mehrbeträge. Hierfür sind ganz wesentlich die in den Aufmaßen, Angeboten und Abrechnungen verwendeten Kalkulationsansätze und -grundlagen (hierzu im Einzelnen [14, Rz. 639 ff.]. 4 Neuer strategischer Lösungsansatz: Das Partnering Letztendlich ist festzuhalten, dass alle traditionellen wie auch neueren Wege der Konfliktlösungen (staatliche oder Schiedsgerichte, Mediation oder auch nur die direkte Verhandlung von Claims mit den Partnern [9, S. 7; zur Mediation 11, S. 685 ff.]) auf gegenseitigen Positionen und Forderungen beruhen. In der Praxis lehnen viele deutsche Unternehmen daher die offensive Claimmanagementstrategie ab [12, S. 1-5], da sie an der Bildung und Erhaltung einer positiven Geschäftsbeziehung zwischen den Vertragsparteien ein höheres Interesse haben. Diskussionen über Claims führen häufig zu einer nicht zu verneinenden Konfliktträchtigkeit, die dem Interesse an einer harmonischen Geschäftsbeziehung zuwiderläuft. Häufig befürchten Auftragnehmer bei einer Geltendmachung von allen Claims um jeden Preis den Verlust von Folgeaufträgen sowie eine negative Unternehmensreputation. Verfolgt der Auftragnehmer dagegen nur die defensive Claimmanagementstrategie, besteht für ihn das Problem, dass er es unterlässt, nicht unerhebliche Mehrforderungen gegenüber seinem Vertragspartner geltend zu machen. Das kann in Anbetracht des verschärften internationalen Wettbewerbs zu Einbußen seiner Wettbewerbsfähigkeit führen. Es muss deshalb ein neuer strategischer Ansatzpunkt entwickelt werden, der es dem Auftragnehmer ermöglicht, Projekte einerseits profitabel abzuwickeln, ohne andererseits seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren oder Kundenstamm- und Imageeinbußen hinnehmen zu müssen. Als neuer Lösungsansatz ist hier eine Anwendung des aus der amerikanischen und englischen Bauindustrie stammenden und dort bereits seit vielen Jahren erfolgreich praktizierten Partnerings zu nennen. Viele Claims resultieren aus einer unzureichenden Kommunikation, mangelndem Verständnis sowie fehlender gegenseitiger Rücksichtnahme unter den Projektbeteiligten. Je mehr Projektbeteiligte und damit Schnittstellen vorhanden sind, desto claimanfälliger ist das Gesamtprojekt. Großprojekte weisen wegen ihrer Komplexität und Langfristigkeit oft Vertragslücken auf. Vertragslücken bergen das Risiko in sich, dass sie von den Vertragsparteien opportunistisch, also durch „das Verfolgen eigener Interessen unter Zuhilfenahme von List“ ausgenutzt werden ([16, S. 290, 17, S. 26]. Umgekehrt werden Claims teilweise auch als „Kampfansage“ verstanden [9, S. 7]). Der Schnittstellenproblematik und der opportunistischen Ausnutzung von Vertragslücken kann nur durch eine effektive Kommunikation und Kooperation zwischen den Projektbeteiligten vorgebeugt werden. Genau an diesem Punkt setzt das Partnering an. Wesensmerkmale des Partnerings sind ein gemeinsam zu verfolgendes Projektziel, Kommunikation, Teambildung, Kooperation, Vertrauen, Respekt, ein gegenseitiges Kultur- und Werteverständnis, gemeinsame Problemlösungen sowie eine kontinuierliche Verbesserung der Leistungen [18, S. 66, 72, 77; 19, S. 12; 10, S. 491]. Zum Verständnis ist es hier wichtig, darauf hinzuweisen, dass der alte Konflikt zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer als Antagonisten in dem Sinne aufgelöst werden soll, dass beide Seiten gemeinsam, gleichsam als Kooperationsgemeinschaft zur Zielerreichung agieren sollen [20, S. 2-3]. Vorteile des Partnerings [21, S. 18-23; 22, S. 4, 13; 23, S. 13-18; 24, S. 138; 25, S. vi, 11, 12, 44-47; 26, S. 57; 27, S. 62; 19, S. 12; 28, S. 1, 3] sind neben der Konfliktreduzierung und der Vermeidung von Claims insbesondere Kosten- und Zeitersparnisse. Gerichtskosten (durch ein vertragliches Streitverbot und einen Rechtsmittelverzicht [20, S. 4]) und administrative Kosten sowie der damit verbundene Zeitaufwand entfallen. Kosten- und Zeitersparnisse ergeben sich außerdem durch eine gemeinschaftliche Kostenkalkulation, durch langfristige Planungsüberlegungen aller Projektpartner, der Anwendung von innovativen Kommunikationstechnologien und einer daraus resultierenden Reduzierung des administrativen Schriftverkehrs. Hinzu kommen Planungsoptimierungen, Termin- und Budgetsicherheit, eine beschleunigte Entscheidungsfindung aufgrund des verbesserten Informationsflusses, Transparenz, Qualitätsverbesserungen, Kundenzufriedenheit, die Zunahme von Folgeaufträgen, eine Verbesserung der Unternehmensreputation sowie die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Studien des britischen Reading Construction Forums belegen, dass durch das Projektpartnering (bei dieser Form des Partnerings wird die Partnering-Vereinbarung nur für ein einzelnes Projekt geschlossen) Einsparungen in Höhe von 2 bis 10 Prozent und durch das strategische 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 34 WISSEN PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 34 Partnering (strategische Allianz, bei der die Partnering- Vereinbarung langfristig für mehrere Jahre und für die Abwicklung mehrerer Projekte geschlossen wird) Einsparungen in Höhe von 10 bis 30 Prozent des ursprünglich budgetierten Betrags möglich sind [29, S. 3; 19, S. 12; 18, S. 117; 21, S. 18]. Das Partnering findet ebenfalls bei internationalen Institutionen wie der FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils) und dem ICE (Institute of Civil Engineers), die beide Standardverträge für den Bausektor veröffentlichen und damit einen erheblichen Einfluss auf die vertragliche Abwicklung von Projekten besitzen, positive Anerkennung und Unterstützung [22, S. 13]. So wurde beispielsweise von dem ICE die NEC Partnering Option (X 12) veröffentlicht, die neben dem NEC (New Engineering Contract) Formulierungen für eine Partnering-Vereinbarung sowie Richtlinien für die Implementierung der Partnering-Philosophie in den NEC enthält [22, S. 13]. 5 Der Weg zum erfolgreichen Partnering 5.1 Partnering-Statement (Missionstatement) Bereits in der Phase der Angebotserstellung legen beide Partner zur Vorbereitung der späteren Partnering-Charta ihren Willen zur gemeinschaftlichen Projektabwicklung schriftlich nieder [10, S. 498; 24, S. 127]. 5.2 Initial Workshop, Partnering-Charta In dem so früh wie möglich zwischen den Projektbeteiligten abzuhaltenden Initialworkshop werden die wesentlichen Kernelemente der Partnerschaft (Gesamtziel, Einzelziele der Beteiligten, Problemlösungsmechanismen, Ablauf der Kommunikation und des Informationsflusses zwischen den Partnern sowie kontinuierliche Verbesserungsmöglichkeiten) erörtert [18, S. 5, 123; 30, S. 60; 21, S. 9; 26, S. 115-125]. Ferner werden claimanfällige Punkte angesprochen, wozu eine genaue Festlegung der Leistungspflichten und Zuständigkeiten eines jeden Projektbeteiligten sowie eine detaillierte Regelung der Schnittstellen gehört. Diese Kernelemente der Partnerschaft werden dann in einer Partnering-Charta schriftlich fixiert, die von den Parteien in Dokumentation ihres gegenseitigen Verpflichtungswillens unterschrieben wird. 5.3 Anreizsysteme/ Sanktionen In der Partnering-Charta werden Anreizsysteme in Form von Bonuszahlungen für überragende Leistungen, wie zum Beispiel Kosten-, Zeiteinsparungen, Qualitäts- und Sicherheitsverbesserungen, sowie umgekehrt Sanktionen für die Nichterreichung von Qualitäts- und Leistungsstandards festgelegt [24, S. 287]. Für den Auftragnehmer ist allerdings eine Mindestvergütung festgelegt, die seine direkten Kosten abdeckt. Seinen Gewinn realisiert er dann dadurch, dass zuvor vereinbarte Ziele im Projekt erreicht werden [20, S. 5]. Auf diese Weise hat ein Auftragnehmer kein Interesse an (kostensteigernden) Zusatzleistungen oder höheren Baukosten. 5.4 Change Management: Entwicklung einer kooperativen Kultur Bevor ein Unternehmen das externe Partnering mit anderen Unternehmen umsetzen kann, muss es zunächst das Konzept der integrierten Teambildung in seine Unternehmenskultur, also ein internes Partnering, implementiert haben. Hier ist die Unternehmensleitung gefordert. Sie muss ihren Mitarbeitern, die meist einer Veränderung der durch jahrelange Übung etablierten Werte und Firmenpraktiken skeptisch gegenüberstehen, verdeutlichen, dass ein Festhalten am Status quo in Anbetracht des verschärften internationalen Wettbewerbsdrucks nicht selten zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens führen wird. Die inteprojekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 l 35 EFFIZIENT, KOMFORTABEL, SICHER: KnownAt®Project steuert jedes Projekt zum Erfolg. — Weltweiter Zugriff auf Projekte und Daten über Internet — Einfache und revisionssichere Verwaltung von Terminen, Protokollen und Aufgaben — Benutzerfreundliche Navigation mit dem Dokumenten- Explorer — Dokumentation und Archivierung mit nur einem Klick — Unkompliziertes Erstellen individueller Vorlagen — Integrierte Controlling-Komponenten und Berichte Testen Sie KnownAt®Project jetzt mit Ihrem offenen Testaccount unter WWW.PI-INFORMATIK.DE PI Informatik GmbH Tel.: 030 / 91 77 44 10 Anzeige PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 35 grierte Teambildung, die Sensibilisierung der Mitarbeiter für Teamarbeit und die Schaffung von gegenseitigem Verständnis für die Werte einer jeden Abteilung im Unternehmen erfolgt durch Seminare und Workshops [26, S. 51; 18, S. 3]. Sobald sich ein Unternehmen auf ein partnerschaftliches Vertragsmuster festgelegt hat, wird den Mitarbeitern im Rahmen von Partnering-Trainingsseminaren das neue Vertragsmuster umfassend erklärt, Implikationen werden mit ihrem Tätigkeitsbereich veranschaulicht und Best-Practice-Verhaltensmodalitäten verdeutlicht. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Umsetzung werden in das Trainingsseminar auch Subunternehmer und Lieferanten miteinbezogen [30, S. 39]. 5.5 Delegation Um ein zügiges und effizientes Handeln zu gewährleisten, müssen Manager ihre am Ort des Projektgeschehens tätig werdenden Teammitglieder durch Delegation von Entscheidungsbefugnissen mit entsprechenden Kompetenzen ausstatten. 5.6 Benennung interner und externer Promotoren und Follow-up-Maßnahmen Interne Promotoren (Sponsors, Champions) werden von den Projektbeteiligten gestellt; sie koordinieren die Kommunikation und den Informationsfluss sowie Followup-Maßnahmen während der Projektabwicklung [26, S. 157]. Da das Projekt als Gemeinschaft zwischen Auftraggeber und -nehmer abgewickelt wird, werden hierzu auch so genannte „Alliance Boards“, ggf. unter Vorsitz eines neutralen Dritten, sowie für das operative Projektgeschäft sogenannte „Integrated Development Teams“ gebildet [20, S. 7]. Externe Promotoren werden als unabhängige externe Dritte von den Parteien beauftragt und fungieren als Berater für die Vertragsabwicklung (Advisors) bzw. als Teambilder durch das Abhalten von gruppendynamischen Meetings, Workshops und Trainings (Facilitators). Follow-up-Maßnahmen dienen einem kontinuierlichen Soll-Ist-Vergleich. In regelmäßig (je nach Projektgröße monatlich bis vierteljährlich [24, S. 259, 266]) anberaumten Meetings berichten die Stakeholder, ob die in der Partnering-Charta festgelegten Ziele tatsächlich erreicht und umgesetzt wurden. Probleme werden identifiziert, Lösungsmöglichkeiten werden erörtert und beschlossen. Die hiermit bei der Projektabwicklung durchlaufene Lernkurve ermöglicht dem Team eine erhebliche Verbesserung ihrer Wertschöpfung [18, S. 5, 136]. 6 Partnering mit verschiedenen Kulturen Für international operierende Unternehmen ist im Rahmen der Auswahl ihrer Partner die Beachtung von interkulturellen Besonderheiten von essenzieller Bedeutung für den Erfolg des Partnerings. Entscheidend ist, dass ein Unternehmen seinen Vertragspartner im Hinblick auf dessen Teambildungsfähigkeiten, Konfliktbereitschaft, Kommunikationsverhalten, politisches, rechtliches und soziales Werteverständnis richtig einschätzen kann, um Fehler bei der Verhandlungsführung zu vermeiden. Die neueste wissenschaftliche interkulturelle Studie, die 62 Kulturen im Hinblick auf Praktiken und Werte in Industrie, Organisationen und der Gesellschaft untersucht, wurde vom „GLOBE (Global Leadership and Organisational Behavior Effectiveness) Research Projekt“ veröffentlicht [31]. Von den in neun Dimensionen eingeteilten kulturellen Charakteristika werden im Folgenden die Kulturdimensionen der Unsicherheitsvermeidungstendenz (Uncertainty Avoidance), der Zukunftsorientierung (Future Orientation) und des Institutionellen Kollektivismus im Vergleich zum Individualismus (Institutional Collectivism vs. Individualism) erörtert. 6.1 Unsicherheitsvermeidungstendenz Kulturen mit einer hohen Unsicherheitsvermeidungstendenz streben nach Struktur, Ordentlichkeit, Formalismus und einer Kontrolle von Risiken durch Gesetze und Verhaltensnormen; demgegenüber sind in Kulturen mit einer geringen Unsicherheitsvermeidungstendenz mündliche Absprachen und Verträge per Handschlag nicht selten, das Wort zählt mehr als das schriftliche Dokument, Risiken werden nicht streng kalkuliert, im Hinblick auf Veränderungen herrscht mehr Flexibilität [31, S. 618, 603]. Da Unsicherheit den Verlust von Kontrolle bedeutet, beginnen Kulturen mit einer hohen Unsicherheitsvermeidungstendenz damit, einen potenziellen Gegner anzugreifen, anstatt abzuwarten, ob sich die situative Unsicherheit nicht von alleine löst [32, S. 148]. Der Grad der Unsicherheitsvermeidung des Vertragspartners bestimmt demnach dessen Angriffs- und Konflikthaltung sowie dessen Verhalten im Rahmen einer Kompromissfindung. Das Partnering sollte bevorzugt mit Kulturen getroffen werden, die eine mittlere Unsicherheitsvermeidungstendenz aufweisen. Hierfür spricht, dass das Partnering bereits seit Jahrzehnten in den USA und England betrieben wird, die beide basierend auf den Ergebnissen der GLOBE-Studie eine mittlere Unsicherheitsvermeidungstendenz aufweisen. Der Erfolg des Partnerings in den USA und England beruht darauf, dass zwar beide Länder aufgrund ihrer universalistischen Kultur der Befolgung der in der Partnering-Charta niedergelegten Verhaltensregeln eine besondere Bedeutung beimessen, sie jedoch im Gegensatz zu Kulturen mit einer hohen Unsicherheitsvermeidungstendenz bei Veränderungen nicht starr am Vertrag festhalten, sondern flexibel nach einer für beide Parteien sachgerechten Lösung suchen. 6.2 Zukunftsorientierung Kulturen mit einer kurzfristigen Zukunftsorientierung setzen sich keine längerfristig geplanten Ziele in der fernen Zukunft, sondern leben jetzt und hier in der Gegenwart [31, S. 285, 302]. Demgegenüber planen Kulturen mit einer langfristigen Zukunftsorientierung ihr strategisches Vorgehen lange im Voraus [31, S. 285, 302]. Unternehmen, die dieser Kulturdimension angehören, streben nach dem Aufbau und Erhalt einer dauerhaften Geschäftsbeziehung. Deshalb ist davon auszugehen, dass das Partnering mit Beteiligten, die eine langfristige Zukunftsorientierung aufweisen, am erfolgreichsten sein wird. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 36 WISSEN PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 36 6.3 Institutioneller Individualismus im Vergleich zum Kollektivismus Individualismus/ Kollektivismus beantwortet die Frage, inwiefern Personen als autonome und unabhängige Individuen agieren oder in eine Gruppe eingegliedert sind und die Gruppe als Gesamtheit nach außen hin auftritt [31, S. 440]. Organisatorischer institutioneller Kollektivismus bezieht sich auf das Ausmaß, in dem Unternehmen Teamarbeit und Kooperation fördern und belohnen und Ressourcen kollektiv verteilen [31, S. 465]. In Unternehmen, die der Kulturdimension des Individualismus angehören, weisen Mitarbeiter einen hohen Grad von Unabhängigkeit sowie einen individuellen Arbeitsstil auf, bei dem Einzelinteressen und Selbstverwirklichung den Gruppeninteressen vorgehen [31, S. 446, 454]. Demgegenüber definieren sich Mitarbeiter in kollektivistischen Kulturen weniger über ihre individuellen Leistungen, sondern über die Erfolge ihres Teams, der Abteilungen und der gesamten Firma [31, S. 446]. Wegen der in den kollektivistischen Kulturen immanenten Gruppenidentität und Teamarbeit ist davon auszugehen, dass das Partnering erfolgreicher mit kollektivistischen als mit individualistischen Kulturen funktionieren wird. Im Ergebnis ist festzustellen, dass für ein erfolgreiches Partnering solche Kulturen in Betracht kommen, die eine mittlere Unsicherheitsvermeidungstendenz, eine langfristige Zukunftsorientierung und einen hohen institutionellen Kollektivismus aufweisen. Nach der GLOBE-Studie liegen alle drei Kulturdimensionen kumulativ in den angelsächsischen Ländern (USA, England, Australien, Irland, Kanada, Südafrika, Neuseeland) und im konfuzianischen Asien (Taiwan, Singapur, Hongkong, Südkorea, China, Japan) vor [31, S. 636, 322, 477, 478]. Es ist demnach davon auszugehen, dass eine partnerschaftliche Projektabwicklung am erfolgreichsten sein wird entweder mit Engländern oder Amerikanern, die das Partnering bereits seit vielen Jahren als festen Bestandteil der Projektabwicklung in der Bauindustrie betreiben, oder aber mit Chinesen, die in vielen Bereichen des internationalen Projektgeschäfts ihren Weltmarkteintritt bereits vollzogen haben und auch in Zukunft vollziehen werden und denen damit eine gewichtige Bedeutung im internationalen Wettbewerb zukommt. Für ein effektives und effizientes Claimmanagement sind die oben untersuchten Kulturdimensionen nicht nur im Rahmen der Auswahl des geeigneten Partners für ein erfolgreiches Partnering relevant, sie sind ebenfalls von wesentlicher Bedeutung für die richtige Koordinierung der kulturell unterschiedlichen Projektbeteiligten. Die Beachtung der verschiedenen Kulturdimensionen sowie die flexible Ausrichtung von Verhandlungsstrategien und Problemlösungsmechanismen für jede einzelne Kultur können dabei wesentlich zur Konfliktreduzierung beitragen. 7 Fazit Sinn des Beitrags war es, den Leser durch Aufzeigen der im internationalen Projektgeschäft häufig auftretenden Probleme und Risiken für die zahlreichen Anwendungsbereiche des Claimmanagement (Strategisches Management, Interkulturelles Management, Vertragsmanagement und Risikomanagement) und der besonderen Bedeutung des Claimmanagement für den wirtschaftlichen Erfolg von Projektunternehmen zu sensibilisieren. Zwar kann das Claimmanagement nicht als das „Wundermittel“ für eine Prozess- und Ergebnisoptimierung eines Unternehmens angesehen werden. Durch die Einrichtung des Claimmanagement als ein effektives und effizientes Frühwarnsystem können jedoch Risiken und Probleme bei der Projektabwicklung frühzeitig erkannt und durch rechtzeitiges Ergreifen von Gegenmaßnahmen kann ein wesentlicher Beitrag zum Projekterfolg geleistet werden. ■ Literatur [1] Schuhmann, R.: Anforderungen des Claimmanagements an die rechtliche Begleitung komplexer Projekte des Anlagenbaus. In: ZfBR 2002, S. 739 [2] Nicklisch, F.: Bau- und Anlagenverträge, Risiken, Haftung, Streitbeilegung. Heidelberg 1984 [3] Backhaus, K./ Köhl, Th.: Claim-Management im internationalen Anlagengeschäft. In: Festschrift für Bernhard Großfeld zum 65. Geburtstag, Heidelberg 1999 [4] Köhl, Th.: Claim-Management im internationalen Anlagengeschäft - Nachforderungspotentiale und deren Realisierung in unterschiedlichen Vertragsverhältnissen. 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Gerrit Horstmeier, seit 2001 Professor für Wirtschafts- und Arbeitsrecht an der Hochschule Furtwangen, Fakultät Internationale Betriebswirtschaft; zuvor 17 Jahre in der Wirtschaft zunächst als Unternehmensjurist, später als Geschäftsführer tätig, unter anderem im internationalen Projektgeschäft; Leiter des Steinbeis-Transferzentrums „Unternehmen & Führungskräfte“, Villingen-Schwenningen Autorin Rechtsanwältin Eva-Maria Kaßner MBA, geb. 1977; Studium der Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Rechtsreferendariat am OLG Hamm, Master of Business Administration an der Hochschule Furtwangen University, Masterthesis zum Thema „Claim Management im internationalen Industrieanlagenbau im Jahre 2006 - Neue Erkenntnisse und Lösungsmöglichkeiten unter Bezugnahme auf das interkulturelle Management“; zurzeit Tätigkeit bei der MARQUARDT GmbH im Bereich Recht und Vertragswesen (Contract- und Claimmanagement) Anschrift der Autoren c/ o Steinbeis-Transferzentrum „Unternehmen & Führungskräfte“ Klosterring 5 D-78050 Villingen-Schwenningen 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 38 WISSEN » Let you Proz Wer m Das Pro » Trainin » Analys » Prozes Wien | Salz Neu: PM-Checklisten ❚ Mit dieser Ausgabe startet in der projektMANA- GEMENT aktuell eine Folge von Checklisten zum Thema „Projektmanagement“. Zwischen den Seiten 16 und 17 finden Sie diesmal die Checkliste „Projektstrukturplan“ zum Herausnehmen und Abheften. Die Redaktion PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 25 Uhr Seite 38