PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2008
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Das Erdmännchen-Projekt
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2008
Heinz Schelle
Schallehn, W.: Das Erdmännchen-Projekt. Drei Fundamentblöcke für globale Weltverbesserer. Konsenskultur – Entwicklungspsychologie – Projektmanagement. Engelsdorfer Verlag Leipzig 2007, ISBN 3-86703-450-8, 150 S., EUR 12,–
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 52 WISSEN Wolfgang Schallehn ist vielen Mitgliedern der GPM bekannt. So engagiert er sich zum Beispiel schon seit Jahren bei der Entwicklung von PM Delta. Mit dem Buch „Erdmännchen-Projekt“ hat er eine ungewöhnliche Publikation vorgelegt, in der die drei Themenblöcke Konsenskultur, Entwicklungspsychologie und Projektmanagement zu einer originellen Verbindung zusammengefügt wurden. Zunächst warum Erdmännchen? Der Verfasser sagt es uns: Sie sind pfiffig, haben viel Gemeinsinn und Überlebenswillen. Und noch etwas: Sie sind wohl auch lernfähiger als der Homo sapiens. Im Jahre 2020 - so das Szenario von Schallehn - sind sie die „höchstentwickelte Lebensform“ auf der Erde. Die Menschen haben sich selbst vernichtet. In einer lebendigen Diskussion zwischen mehreren Vertretern der Familie der Mangusten werden die großen lebensbedrohenden Themen, die biologische und die kulturelle Selbstzerstörung der Menschheit, diskutiert. Bei der Diagnose bleibt es freilich nicht: Der Autor bietet auch eine dreigliedrige Therapie, die uns noch retten könnte. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer Konsenskultur, die übrigens auffällig an die positiven Strukturierungserfahrungen des Projektmanagements erinnert. Dabei sollen die Möglichkeiten der heutigen Kommunikationstechnik konsequent genutzt werden. Da der Vorschlag des Verfassers auch bei „kleineren Problemen“ nützlich sein kann, soll das Konzept hier kurz erläutert werden: ❑ Ein Thema, zum Beispiel das Programm einer Partei oder ein Reformpaket, etwa die Gesundheitsreform, wird in Einzelaussagen zerlegt. ❑ Die Beteiligten äußern zu jeder dieser Einzelaussagen Zustimmung oder Ablehnung auf einer Skala. ❑ Das Ergebnis wird ausgewertet, sodass Konsens und Dissens deutlich werden. Damit werden auch Voten von Minderheiten sichtbar gemacht. Mit dem qualifizierten Konsens, der damit erreicht werden soll, ist es nicht getan. Die Programme müssen realisiert werden. Hier kommt Projektmanagement ins Spiel. Der Autor spricht damit eine Anwendungsmöglichkeit dieses Führungskonzepts an, die bisher viel zu wenig diskutiert wurde: die Nutzung für politische und soziale Projekte und Programme, insbesondere für Reformen. Wenn man den Aussagen von Experten, die zumeist allerdings nur hinter vorgehaltener Hand gemacht werden, Glauben schenken darf, dann wurden und werden im parlamentarischen und ministeriellen Alltag hier haarsträubende Fehler gemacht. Wie könnte es sonst sein, dass oft nur wenige Tage, nachdem ein Gesetzgebungswerk in Kraft getreten ist, schon wieder erste Nachbesserungen angekündigt werden? Mangelt es an einer gründlichen Zielformulierung? Hat man an Fern- und Nebenwirkungen beispielsweise in Form von Ausweicheffekten nicht genügend gedacht? Wurden die Stakeholder nicht ausreichend analysiert? Fehlt es an konsequentem systemischem Denken? Man kann nur hoffen, dass die elementare Einführung in das Projektmanagement, die der Verfasser hier gibt, in die richtigen Hände kommt. Den Optimismus, den die Erdmännchen hier zeigen, kann ich aber leider nicht teilen. Zu groß sind bislang noch die Wissenslücken und Akzeptanzhürden in Politik und öffentlicher Verwaltung. Das bedeutet aber nicht, dass man resignieren müsste. Ich habe in diesem Teil des Buches allerdings eine Auseinandersetzung mit den Gedanken Sir Karl Poppers zum „Social Piecemeal Engineering“, nachzulesen in „Das Elend des Historizismus“, vermisst. Große Hoffnungen werden nicht nur in systematisches Projektmanagement gesetzt, sondern auch in die dritte Säule des „Weltverbesserungsprogramms“: die Stufenkonzepte des Sozialverhaltens aus der Entwicklungspsychologie. Schallehn will hier nichts weniger, als dass vor allem unser Nachwuchs mit ihrer Hilfe verinnerlicht, dass „Gemeinnutz die höchste Stufe von Eigennutz ist.“ Sein Credo: Ein hohes Niveau des Sozialverhaltens ist für den Fortbestand unserer Zivilisation unabdingbar. Da kann man wohl kaum widersprechen. Insgesamt ein sehr anregendes Buch, auch wenn man, wie schon betont, nicht so hoffnungsfroh wie der Autor ist. Uns alle, die wir ja in der Regel keine Entwicklungspsychologen sind, sollte es ermuntern, unseren Teil zur Verbesserung der Welt beizutragen. Das heißt konkret über eine Nutzung von Projektmanagement- und Programmmanagement für die großen Aufgaben unserer Gesellschaft nachzudenken und dafür zu kämpfen. Ich bin mit Schallehn der Meinung, dass hier ein großes Potenzial liegt. Allein durch einen „qualifizierten Konsens“ über Zielformulierung und Stakeholderanalyse könnte schon viel erreicht werden. Heinz Schelle ■ P.S. Bitte lesen Sie zum Thema „Non-Profit-Organisationen“ den Text auf S. 61 unten. Buchbesprechung Das Erdmännchen-Projekt Schallehn, W.: Das Erdmännchen-Projekt. Drei Fundamentblöcke für globale Weltverbesserer. Konsenskultur - Entwicklungspsychologie - Projektmanagement. Engelsdorfer Verlag Leipzig 2007, ISBN 3-86703-450-8, 150 S., EUR 12,- PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 26 Uhr Seite 52