eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 19/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2008
193 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Agiles Projektmanagement

31
2008
Siegfried Seibert
Oestereich, B./Weiss, Ch., unter Mitarbeit von Lehmann, O. F., und Vigenschow, U.: APM – Agiles Projektmanagement: Erfolgreiches Timeboxing für IT-Projekte. Dpunkt Verlag, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-89864-386-3, 454 S., EUR 44,00
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Eines der bislang umfangreichsten Bücher zum agilen Projektmanagement wurde Anfang 2008 von Bernd Oestereich und Christian Weiss gemeinsam mit zwei weiteren Koautoren der oose Innovative Informatik GmbH veröffentlicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen zum Thema Agilität stellen die Autoren mit ihrem - als APM bezeichneten Ansatz - nicht die softwaretechnische Seite, sondern das Projektmanagement agiler Projekte in den Mittelpunkt. Damit zielen sie auf eine Lücke der bisherigen agilen Ansätze: APM verstehen die Autoren als eine skalierbare Projektmanagementmethode, die Agilität nicht nur für kleine und mittlere Projekte, sondern auch für Großprojekte mit 50, 100 oder 200 Teammitgliedern und zwei oder mehr Jahren Laufzeit ermöglichen soll. Kernelemente dazu sind einerseits ein iterativ-inkrementelles „Timeboxing“ mit relativ kurzen, meilenstein- und zeitgesteuerten Iterationen (anstelle längerer, ergebnisgesteuerter Projektphasen) sowie andererseits ein „featurebasiertes“ Planen als speziell auf IT-Großprojekte ausgerichtete Form der Projektstrukturplanung. Diese beiden methodischen Kernelemente werden im APM-Verfahren mit vielen bekannten und bewährten Methoden und Standards des Projektmanagements kombiniert. Im ersten Kapitel des Buches wird eine ausführliche Einführung in den Verfahrensablauf gegeben. APM verfolgt danach ähnliche Grundwerte wie die anderen agilen Ansätze, das heißt eine flexible, änderungsfreundliche, interaktive und kooperative Vorgehensweise, die sich auf die Bereitstellung funktionierender, kundenfreundlicher Systeme konzentriert. In der Art und Weise, wie diese Grundwerte umgesetzt werden, unterscheidet sich APM jedoch von den anderen agilen Ansätzen. Auf der Mikroprozessebene ist es am ehesten noch mit Scrum vergleichbar (vgl. dazu „Aktuelles Stichwort“ in projektMANAGEMENT aktuell 1/ 2007). Gegenüber Scrum hat APM allerdings den großen Vorzug, dass es im Projektmanagement bekannte Begriffe benutzt und auf eine proprietäre, Außenstehenden unverständliche Terminologie verzichtet. Die Autoren sehen APM dabei als eine Erweiterung und Ergänzung, die auf traditionellen Projektmanagementverfahren aufbaut und deren Kenntnis voraussetzt. APM ist demzufolge nicht für Anfänger als Einstieg in das Projektmanagement geeignet, sondern eine darauf aufbauende Zusatzqualifikation. Der Ablauf sowie die Strukturierungs- und Steuerungsinstrumente des APM-Verfahrens werden dann in mehreren Kapiteln vom Projektstart beginnend über Projekt-, Release- und Iterationsplanung bis zum Release- und Projektabschluss ausführlich beschrieben. Dabei wird neben einer systematischen Darstellung der Arbeitsschritte immer wieder auf ein IT-Großprojekt als Referenzbeispiel zurückgegriffen, was die Ausführungen sehr anschaulich und praxisnah macht. Man merkt den Autoren ihre langjährige Erfahrung mit Softwareprojekten an und sie geben sie im Buch freizügig weiter. In traditionellem Projektmanagement qualifizierte und erfahrene projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 l 53 Buchbesprechung Agiles Projektmanagement Oestereich, B./ Weiss, Ch., unter Mitarbeit von Lehmann, O. F., und Vigenschow, U.: APM - Agiles Projektmanagement: Erfolgreiches Timeboxing für IT-Projekte. Dpunkt Verlag, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-89864-386-3, 454 S., EUR 44,00 Die Projektmanagement-Software RPlan von ACTANO ist weltweit bei über 87.500 Anwendern im Einsatz. Kooperatives Projektmanagement Messbare Erfolge! mit RPlan Lernen Sie RPlan kennen in einem unserer kostenlosen Webinare. Weitere Info und Anmeldung unter www.actano.de/ webinare . Nächste Termine: 27. Mai und 10. Juni 2008 „Erfolgreiches Projektmanagement mit RPlan“ Anzeige PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 26 Uhr Seite 53 Leser werden in die Lage versetzt, die beschriebenen Vorgehensweisen direkt anzuwenden und damit eine höhere Agilität im Projektmanagement zu erreichen. Hierzu erhalten sie viele nützliche Praxistipps und werden immer wieder auf erfolgskritische Punkte, die zu beachten sind, aufmerksam gemacht. Die mit dem APM-Verfahren kombinierbaren Projektmanagementpraktiken werden in der zweiten Hälfte des Buches in Form eines Werkzeugkastens aus Techniken, Mustern, Modellen und Standards dargestellt. Dieser Teil orientiert sich fast vollständig an dem Project Management Body of Knowledge (PMBOK) des PMI. Lobenswert ist, dass die Autoren dabei eine Reihe eigener, über den PMBOK hinaus gehender Ansätze und Instrumente einbringen. Besonders interessant sind beispielsweise die agilen Festpreis-Vertragsformen, die von Oestereich entwickelt und erfolgreich eingesetzt wurden, und die Anwendung von Critical-Chain-Prinzipien in agilen Projekten. Allerdings sind in diesem Teil des Buches neben nützlichen Hinweisen auch Lücken und problematische Empfehlungen zu finden, beispielsweise: ❑ Gerade in größeren IT-Projekten spielen Teamführungs-, Konfliktmanagement- und Organisationsveränderungsfragen (Change Management) eine maßgebliche Rolle. Im Buch wird darauf aber nur am Rande eingegangen und damit eine Lücke übernommen, die auch das PMBOK aufweist (vgl. dazu projektMAN- AGEMENT aktuell Heft 1/ 2003, Seite 34-38). ❑ Auch der Qualitätsmanagementteil übernimmt das auf veralteten Versionen der internationalen Qualitätsnormen fußende Verständnis des PMBOK. Die Definitionen im Qualitätsmanagement haben sich jedoch bei zentralen Begriffen so substanziell geändert, dass hier eine Harmonisierung dringend angeraten gewesen wäre. So verwenden die Autoren den Begriff der „Qualitätssicherung“ nicht im seit 1994 geltenden Qualitätsnormenverständnis (ISO 8402 bzw. jetzt ISO 9000). Sie bemerken auch nicht, dass seither der Begriff „Qualitätssteuerung“ durch „Qualitätslenkung“ ersetzt wurde und sprechen beim Aufbau des Qualitätsmanagements den wichtigen Teilbereich der Qualitätsverbesserung überhaupt nicht an. ❑ Im Risikomanagementteil wird als Hauptmethode (auch auf dem Poster zum Buch) ein Risikobewertungsdiagramm empfohlen. Danach werden für Risiken der obersten Prioritätsstufe ausschließlich das Vermeiden (durch Verzicht auf entsprechend anspruchsvolle Ziele) oder das Verlagern der Risiken auf Dritte empfohlen. Unternehmen und Projektleiter, die einseitig so pauschal vorgehen, werden dadurch veranlasst, auf die gezielte Suche nach Risikobekämpfungsmaßnahmen (die erst für Risiken mittlerer Prioritätsstufe empfohlen werden) zu verzichten. Unter den heutigen Wettbewerbsbedingungen könnte dies schnell eine Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden Unternehmens zur Folge haben. ❑ Äußerst problematisch ist auch die Empfehlung der auf Putnam zurückgehenden sogenannten „Softwaregleichung“ als zentrale Aufwandsschätzgleichung, die ebenfalls prominent auf dem beigefügten Poster platziert wurde. Diese Gleichung wurde vor mehr als 20 Jahren entwickelt, als es agile Projekte noch gar nicht gab. Ihre Anwendung führt zu teilweise abenteuerlichen Ergebnissen: Nach dieser Gleichung müsste für das im Buch dargestellte Beispielprojekt bei einer Verkürzung der Projektlaufzeit von 24 auf 19 Monate die Anzahl der Mitarbeiter von 20 auf mehr als 60 erhöht werden. Diese Größenordnung ist vollkommen unrealistisch und ein Anwender der Formel würde sich im Betrieb der Lächerlichkeit preisgeben. Viele (aber nicht alle) der Probleme in diesem Teil des Buches sind auf die Anlehnung an die nicht mehr zeitgemäße Grundstruktur des PMBOK zurückzuführen. Die Autoren begründen diese Anlehnung damit, dass es sich beim PMBOK um einen De-fakto-Standard mit der größten internationalen Verbreitung im Projektmanagement handeln würde. Nicht berücksichtigt wird dabei allerdings, dass die große Verbreitung überwiegend die Vereinigten Staaten betrifft und weniger durch die mit dem PMBOK erreichbaren Projekterfolge als durch die Größenordnung des amerikanischen Wirtschaftsraums und den riesigen Umfang der dort vergebenen staatlichen Projekte ausgelöst ist. Die hohen Misserfolgsraten amerikanischer Softwareprojekte sollten eigentlich vorsichtig machen. Dem dazu von den Autoren zitierten Chaos- Report vergleichbare deutsche Untersuchungen weisen hierzulande auf geringere Fehlschlagsraten hin als in den Vereinigten Staaten, und deutsche Unternehmen, die den PMBOK eingeführt haben, sind bisher nur selten durch einen gesteigerten Unternehmenserfolg aufgefallen. Als Berater und Trainer machen die Autoren leider auch nur in geringem Umfang Angaben zu den zugrunde liegenden Quellen. Beispielsweise findet sich zum kompletten Wissenselement „Risikomanagement“, das auf immerhin 18 Seiten dargestellt ist, als einziger Hinweis auf „Weiterführendes“ der Verweis auf die Autobiografie von Helmut Kohl und dessen Praktik des „Aussitzens“. Ärgerlich ist auch, dass bei den spärlich zitierten Quellen keine Seitenangaben gemacht werden. Soll sich doch der interessierte Leser die betreffenden Textpassagen mühsam selbst heraussuchen, auch wenn es sich dabei um Bücher mit mehreren Hundert Seiten handelt. Eine stärkere Beachtung der bei Fachbüchern üblichen und sinnvollen Zitierregeln hätte dem Buch hier gutgetan. Als Fazit bleibt eine geteilte Empfehlung: Das Buch ist, obwohl äußerst informativ und sehr gut verständlich geschrieben, nichts für Anfänger oder Studenten, die die aufgeführten Schwachpunkte nicht erkennen und dadurch zu unbeabsichtigten Fehlern verleitet werden können. Qualifizierte und erfahrene Softwareprojektleiter, die das Buch ja in erster Linie ansprechen will, können (die wenigen) Schwachpunkte jedoch in der Regel leicht als solche erkennen und ausblenden. Sie können aus der größeren Zahl an interessanten und empfehlenswerten Ansätzen einen vielfältigen Nutzen ziehen, wenn sie ihren Projekten mehr Agilität verleihen wollen. Die Konzepte des Timeboxing und des featurebasierten Planens verdienen für diese Zielgruppe uneingeschränkte Aufmerksamkeit und sind den Kauf des Buches allemal wert. Siegfried Seibert ■ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 54 WISSEN PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 26 Uhr Seite 54