eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 19/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2008
193 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Bauchentscheidungen

31
2008
Helmut Strohmeier
Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. C. Bertelsmann Verlag, München 2007, ISBN 978-3-570-00937-6, 294 S., EUR 19,95
pm1930055
Projekte bringen schwierige Entscheidungssituationen mit sich. Sollen wir Alternative A wählen oder doch lieber B den Vorzug geben? Weil wir wissen, dass solche Situationen wiederkehrend vorkommen, haben wir gelernt, mit ihnen umzugehen. Wir sammeln Kriterien, möglichst alle, die nur irgendwie von Bedeutung sein könnten, gewichten und bewerten sie und vergleichen so die denkbaren Alternativen. Diejenige, welche die meisten Punkte auf sich vereint, hat gewonnen. Ganz fair und logisch - oder etwa nicht? Könnte es sein, dass wir Gewichtung und Punkte insgeheim so vergeben haben, wie uns das die längst vorher gefällte Bauchentscheidung für oder gegen eine Alternative heimlich eingeflüstert hat? Noch vor kurzer Zeit hätte ich ein solches Verhalten entrüstet von mir gewiesen. Nein, ich manipuliere doch nicht. Nun aber, nachdem ich das Buch von Gerd Gigerenzer „Bauchentscheidungen“ gelesen habe, habe ich den Mut, dieses „Fehlverhalten“ zuzugeben. Ich brauche es nicht mehr zu leugnen, denn Gigerenzer weist eindrucksvoll nach, warum Bauchentscheidungen so manchen Vernunftentscheidungen überlegen sind. „Je mehr Kriterien einer Entscheidung zugrunde liegen, umso mehr davon können falsch sein“, behauptet er. Sobald Kriterien vorwiegend auf Annahmen denn auf Fakten beruhen, wie das in Projekten ja oft genug der Fall ist, steigt seiner Meinung nach die Wahrscheinlichkeit einer falschen Entscheidung. Im Gegensatz dazu verdeutlicht Gigerenzer, dass viele unserer tagtäglichen und blitzschnell zu treffenden Entscheidungen auf Heuristiken, sehr simplen, aber höchst intelligenten Faustregeln beruhen, Faustregeln, die sich tief ins menschliche Gehirn eingebrannt haben und die wir gerade deshalb, wenn überhaupt, nur schwer erklären können. Im ersten Teil des Buches, mit „Unbewusste Intelligenz“ überschrieben, gewinnt der Leser einen tiefen Einblick, wie Intuition funktioniert, welch simpler, unterbewusst wirkender Faustregeln sich der Mensch bei seinen Entscheidungen bedient, wie sich Gehirne evolutionär anpassen und warum gute Intuitionen nicht logisch sein müssen (dieser letzte Teil hat mich besonders beeindruckt). Wer sich schon mit Daniel Golemans „Emotionale Intelligenz“, dessen neuem Werk „Soziale Intelligenz“ oder mit anderen Werken aus dem weiten Feld der Gehirnforschung beschäftigt hat, wird sich hier auf Anhieb heimisch fühlen. Im zweiten Teil des Buches geht es dann um „Bauchentscheidungen in Aktion“. Nun wird erklärt, warum sehr oft ein einziger Grund für eine Entscheidung ausreicht und ihr Herbeiführen meist baumartig geschieht (wenn das erste Kriterium noch nicht für eine Entscheidung ausreicht, dann nehme ich noch ein zweites, aber eben nur dann). Gigerenzer erklärt den Weg unserer Entscheidungsfindung exemplarisch an Beispielen aus dem Alltagsleben: Warum beispielsweise ein Arzt dem Rechtsanwalt unter seinen Patienten eine andere Therapie als jene, die er seinen engsten Familienangehörigen gegenüber vorgezogen hätte, verschreibt. Auf fundierter wissenschaftlicher Basis aufbauend ist das Buch „extrem unwissenschaftlich“ geschrieben - leicht lesbar und höchst einprägsam nämlich. Im amerikanischen Stil eben, denn Gigerenzer publiziert vorwiegend im anglikanischen Raum. „Es gelingt ihm, eine komplexe Thematik verständlich und kurzweilig zu vermitteln, indem er sie aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Psychologie, der Anthropologie, Biologie, Informatik und Ökonomie beleuchtet“ verspricht der Klappentext und übertreibt damit nicht. Klar, das Buch ist nicht aus Sicht typischer Projektentscheidungen und schon gar nicht ausschließlich für uns Projektmanager geschrieben. So sind Gigerenzers Erkenntnisse lediglich als wichtige Ergänzung zu unseren vernunftzentrierten Methoden wie Nutzwertanalyse und Entscheidungsnetztechnik zu sehen. Doch dass es in Projekten genügend Situationen gibt, in denen sie ihrem Bauchgefühl berechtigtes Vertrauen schenken dürfen und sollten, wussten gute, erfahrene Projektleiter seit jeher. Gigerenzer liefert ihnen jetzt die Begründung, warum emotionales Entscheiden oft genug nicht nur legitim, sondern sogar zwingend notwendig ist. Für mich ist „Bauchentscheidungen“ ein absolutes Highlight unter den 2007 erschienenen Fachbüchern. Helmut Strohmeier ■ projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2008 l 55 Buchbesprechung Bauchentscheidungen Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen - Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. C. Bertelsmann Verlag, München 2007, ISBN 978-3-570-00937-6, 294 S., EUR 19,95 PM_3-08_1-8_und_24-72: Inhalt 29.04.2008 12: 26 Uhr Seite 55