eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 19/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2008
194 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Realistisches Projektdesign

101
2008
Heinz Schelle
Gärtner, Johannes: Realistisches Projektdesign. Projektarbeit in einer wenig berechenbaren Welt. Vdf Hochschulverlag AG, Zürich 2004, 183 S., ISBN 978-3-7281-2934-5, EUR 48,80
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2008 36 WISSEN Das sorgfältige Lesen von Fachbüchern erhöht die Kenntnisse im Projektmanagement. Diese Binsenweisheit hätte der Verfasser beherzigen sollen. Das wichtigste Anliegen des Buches ist auf den ersten Blick durchaus berechtigt und wird in manchen Publikationen vernachlässigt: Wie komme ich in einer turbulenten Umwelt und angesichts der Tatsache, dass die Projektinteressenten oft sehr unterschiedliche Vorstellungen von den Projektzielen haben, zu einer „guten, stabilen“ Projektdefinition? Um den Weg aus häufig sogenannten „Machen-Siemal-Projekten“ dahin zu vermitteln, braucht der Autor sehr viel Zeit, aber das sei ihm noch verziehen. Auch dass vieles in dem Band (z. B. Rollen im Projekt, Umgang mit Konflikten, Techniken der Gruppenarbeit) alles andere als neu ist, kann man noch akzeptieren. Das ist bei Büchern für Einsteiger eben so. Dann hört allerdings mein Verständnis auf. Gärtner ignoriert nämlich mehr oder weniger alles, was vor ihm in der Disziplin „Projektmanagement“ erarbeitet worden ist. Das kann man allenfalls dann tun, wenn man als Autor völlig neue Gedanken zum Projektmanagement bringen würde. Einem solchen Menschen, dem man das nachsieht, bin ich allerdings noch nicht begegnet. Es gelten die Sätze: Es gibt immer ein Genie weniger auf der Welt, als man glaubt, und Kreativität ist häufig ein Mangel an Literaturkenntnis. Wenn man, wie der Verfasser, konventionelle, längst bekannte Sachverhalte nur etwas anders verpackt anbietet, ist das gegenüber einem Neuling, der sich erste Kenntnisse aneignen will, nicht fair. Nachfolgend ein kleiner Auszug aus der Liste der Kritikpunkte: ❑ Dass es Begriffsnormen wie die DIN 69900 ff. und Festlegungen wie die ICB 2.0 bzw. 3.0 gibt, wird mit keinem Wort erwähnt. ❑ Obwohl ausführlich auf die Stakeholderanalyse eingegangen wird, findet sich dieser Terminus nirgendwo. Es wird der Eindruck vermittelt, als sei das alles ganz neu. Es verrät weitgehende Unkenntnis des Schrifttums, wenn man lesen muss: „Dem klassischen Projektverständnis ,stößt es auf ‘, dass Beteiligte verschiedene Sichtweisen des Problems haben.“ Hier werden einfach sehr weit offen stehende Türen mit großem Anlauf eingerannt. ❑ Dass Änderungen der Zielsetzung während des Projekts nach konventionellem Verständnis von Projektmanagement nicht vorkommen dürfen, ist Unsinn. Hier wird ein Watschenmann aufgebaut, der dann geohrfeigt wird. Wie in der Literatur immer wieder, vor allem von Manfred Saynisch, ausführlich dargelegt wurde, stand in der Disziplin Projektmanagement die Entwicklung von Konfigurationsmanagement ganz am Anfang. Änderungen wurden als täglicher Bestandteil des Entwicklungs- und Produktionsprozesses und keineswegs als Störgrößen angesehen. Diese Aussage gilt selbst für das oft angegriffene Wasserfallmodell. ❑ Die Ratschläge zur Zielformulierung hat man schon bedeutend präziser gelesen. ❑ Wer sich mit Widerständen gegen Reorganisationsprojekte befasst, sollte die Werke von Klaus Doppler und Christoph Lauterburg bzw. von Jürgen Hansel und Gero Lomnitz gelesen haben. ❑ Wer sich bemüßigt fühlt, dem Leser die Netzplantechnik näherzubringen, der sollte dieses Planungsinstrument auch kennen. Die Abb. 14 auf Seite 133 enthält jedenfalls keinen Netzplan, auch wenn das in der Unterschrift behauptet wird. Den in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff des Projektfahrplans kenne ich nicht. ❑ Das Glossar, das ganze zehn Termini enthält, ist völlig wertlos. Diese Mängelliste könnte erheblich fortgesetzt werden. Hinzu kommt, dass wesentliche Themen, wie die Projektverfolgung, überhaupt nicht behandelt werden. Schließlich ist das Werk auch noch im Detail schlampig. So findet sich zum Beispiel auf den Seiten 11 und 25 der Ausdruck „Denke“ - im Duden nicht aufgeführt - jeweils gleich fünfmal. An anderen Stellen ist völlig unmotiviert von einer Projektleiterin die Rede, wo Projektleiter/ in stehen müsste. Es soll nicht abgestritten werden, dass Gärtner einige lesenswerte Abschnitte zur Teamarbeit in Projekten bietet. Auch die Projektbeispiele, die er bringt, machen neugierig, allerdings hat der Verfasser es nicht verstanden, seine offensichtlich großen praktischen Erfahrungen zu nutzen und auszubreiten. Eine Chance wurde vertan. Heinz Schelle ■ Buchbesprechung Realistisches Projektdesign Gärtner, Johannes: Realistisches Projektdesign. Projektarbeit in einer wenig berechenbaren Welt. Vdf Hochschulverlag AG, Zürich 2004, 183 S., ISBN 978-3-7281-2934-5, EUR 48,80 PM_4-08_1-60: Inhalt 26.06.2008 9: 25 Uhr Seite 36