eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 19/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2008
195 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Mit dem „Frag-doch-die Leute“-Prinzip den Schatz im Kopf der Mitarbeiter heben

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2008
Oliver Steeger
Den Kontakt zu Mitarbeitern suchen – dies lohnt sich für Manager. Zu diesem Ergebnis kommt nicht eine Studie, sondern ein Topmanager, der ein Dienstleistungsunternehmen mit 24.000 Mitarbeitern führt. Bernd Jacke, erster Mann der WISAG (Frankfurt), versteht sich als leidenschaftlicher Teamplayer. Den zweitgrößten deutschen Anbieter für Facility-Management-Dienstleistungen entwickelt der Vorsitzende der Geschäftsführung mit Ideenworkshops und anderen Mitarbeiterbesprechungen weiter; bei allen wichtigen Fragen sind seine Mitarbeiter dabei. So hat er neben Krisen auch komplexe Integrationsprojekte gemeistert. Bernd Jackes Führungskonzept ist einfach und hochwirksam: Es handelt sich um das „Frag-doch-die-Leute“-Prinzip.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 l 15 REPORT Oliver Steeger Mit dem „Frag-doch-die-Leute“- Prinzip den Schatz im Kopf der Mitarbeiter heben Topmanager Bernd Jacke: „Einsame Entscheidungen machen Manager einsam“ Den Kontakt zu Mitarbeitern suchen - dies lohnt sich für Manager. Zu diesem Ergebnis kommt nicht eine Studie, sondern ein Topmanager, der ein Dienstleistungsunternehmen mit 24.000 Mitarbeitern führt. Bernd Jacke, erster Mann der WISAG (Frankfurt), versteht sich als leidenschaftlicher Teamplayer. Den zweitgrößten deutschen Anbieter für Facility-Management-Dienstleistungen entwickelt der Vorsitzende der Geschäftsführung mit Ideenworkshops und anderen Mitarbeiterbesprechungen weiter; bei allen wichtigen Fragen sind seine Mitarbeiter dabei. So hat er neben Krisen auch komplexe Integrationsprojekte gemeistert. Bernd Jackes Führungskonzept ist einfach und hochwirksam: Es handelt sich um das „Frag-doch-die-Leute“-Prinzip. Einsame Entscheidungen machen Manager einsam. Herr Jacke, mit diesen Worten begründen Sie Ihren Führungsstil. Weshalb ist es aus Ihrer Sicht so bedenklich, wenn Manager Entscheidungen im stillen Kämmerchen und ohne ihre Mitarbeiter treffen? Bernd Jacke: Aus zwei Gründen. Eine Gruppe bringt immer bessere Ergebnisse als ein Einzelner … … ist das wirklich so? Ich habe die Qualität von Gruppenergebnissen häufig in meiner Führungspraxis festgestellt. Die Energie und die Kreativität, mit der eine Gruppe arbeitet, überrascht mich immer wieder. Ich habe festgestellt, dass eine Gruppe um ein Vielfaches bessere Lösungen für ein Problem findet, als meine Kollegen und ich allein hätten finden können - vorausgesetzt, es werden die richtigen Fragen gestellt. Dies werden andere Manager, die sich eher als Macher-Menschen verstehen, nicht so gerne hören. Gut möglich! Es gibt übrigens - neben den guten Ergebnissen - einen weiteren Grund dafür, Managemententscheidungen in einer Gruppe zu treffen. Welchen Grund? Es handelt sich um die Nachhaltigkeit, mit der gemeinsame Entscheidungen umgesetzt werden. Gruppenentscheidungen werden gründlich und mit hoher Energie umgesetzt. Die Mitarbeiter betrachten die Entscheidungen als ihr eigenes Werk, sie haben das Gefühl, dass sie ihre eigenen Ideen realisieren - was ja auch stimmt! Es sind in der Tat ihre Entscheidungen. Als Manager habe ich diese gemeinsamen Beratungen und die Entscheidungen nur initiiert und vorbereitet. Ich habe gewissermaßen ein Thema zur Sprache gebracht und den Rahmen gegeben. Bernd Jacke, Vorsitzender der Geschäftsführung der WISAG, Frankfurt Foto: WISAG Trotzdem - Managern mit Macher-Mentalität wird diese Einsicht nicht schmecken. Man muss die Vorteile und Nachteile abwägen. Vielleicht fühlen sich manche Topmanager wohler mit einsamen Entscheidungen, doch sie müssen diese Entscheidungen dann auch alleine vertreten und durchsetzen. Dies kostet viel Kraft, Zeit und Geld. Man muss häufig gegen Widerstände kämpfen. Möglicherweise ziehen Topmanager aus einsam getroffenen Entscheidungen eine gewisse Genugtuung. Doch dafür bezahlen sie gewissermaßen später, bei der Umsetzung. Und in der zuverlässigen Umsetzung besteht ja das Problem vieler „einsam“ getroffenen Entscheidungen. PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 51 Uhr Seite 15 Nun entscheidet ja heute kaum eine Führungskraft ganz in stiller Einsamkeit ihres Büros. Es gibt Meetings, Konferenzen, Besprechungen, Ausschüsse, Vorlagen … Mag sein. Doch die Mitarbeiter - diejenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind - werden unter dem Strich in die Entscheidung selbst kaum einbezogen. Führungskräfte delegieren Probleme und die Erarbeitung von Konzepten an Ausschüsse und Berater, diese erarbeiten Vorschläge, und aufgrund dieser Vorbereitungen trifft das Management dann seine Entscheidung. Von dieser Art der Entscheidungsvorbereitung und des Entscheidungsprozesses halte ich wenig. Sie sind kein Aktenmensch? Für wichtige Entscheidungsprozesse brauche ich Menschen, die mir gegenüberstehen. Keine Akten, keine E-Mails, keine Telefonate können diese persönlichen Dialoge ersetzen. Führen gelingt besonders gut durch Beziehungen, durch persönliche Beziehungen von Mensch zu Mensch. Ich brauche immer das Gegenüber, um Probleme zu durchdringen und über Herausforderungen sprechen zu können. Wenn die Mitarbeiter gute Vorschläge für Problemlösungen haben, wenn sie selbst wissen, was für das Unternehmen gut ist - welche Aufgabe haben dann Topmanager? Topmanager müssen sensibel sein für die Probleme ihres Unternehmens. Sie sollten diese Probleme aufgreifen und thematisieren. „Ich brauche Menschen, die mir gegenüberstehen“ Wie sieht dieses „Aufgreifen“ in der Praxis aus? Für viele zu treffenden Entscheidungen veranstalten wir Workshops, beispielsweise Ideenbörsen. Diese Workshops werden von neutralen Moderatoren geleitet, damit die Gruppe frei und unbeeinflusst arbeiten kann. Ich oder ein Kollege leiten die Workshops ein, schildern das Thema aus unserer Sicht, erläutern die Bedeutung der Frage … Ein Beispiel dafür? Unser Unternehmen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, dies hat im Tagesablauf zu Veränderungen geführt und auch viel Arbeit mit sich gebracht. Viele Führungskräfte und deren Mitarbeiter sind bei uns überlastet. Den Leuten hängt quasi die Zunge raus. An den Standorten der WISAG finden jetzt Ideenbörsen unter dem Titel „Entrümpelung“ statt. Wir wollen den Arbeitsalltag der Mitarbeiter von Ballast befreien, etwa Doppelarbeiten und überflüssige Tätigkeiten vermindern oder bestehende Prozesse vereinfachen. Dafür werden in den Workshops Ideen gesammelt und Maßnahmen beschlossen. Solche Verbesserungen sind doch die klassische Aufgabe für Unternehmensberater … Weshalb soll ich Unternehmensberater in den Betrieb holen, wenn Mitarbeiter selbst sehr gut und häufig besser als Berater wissen, wo sie der Schuh drückt? Weshalb sollen sie sich von anderen sagen lassen, was sie selbst sehr gut wissen? Berater bringen Erfahrungen aus anderen Unternehmen mit, von denen Unternehmen profitieren können … Das ist unbestritten! Auch wir holen Berater in unser Unternehmen, wenn sie Know-how haben, das bei uns nicht zur Verfügung steht. Bei solchen Aufgaben ist der Einsatz von Beratern richtig und angebracht. Aber …? Im Fall unserer „Entrümpelung“ wissen die Mitarbeiter selbst sehr gut, was verbessert werden sollte. Gleiches gilt auch für einen anderen Workshop, den wir unlängst durchgeführt haben. Wir haben eine Marketingoffensive eingeleitet unter dem Schlagwort „Gipfelsturm“. In den Workshops wurden viele hervorragende Ideen zusammengetragen, die einerseits zu unseren Kunden, unserer Branche und unserem Unternehmen hervorragend passten - und die andererseits mit hoher Energie umgesetzt wurden. Viele Topmanager halten sich mit ihren Fragen lieber an externe Berater als an ihre Mitarbeiter. Weshalb tun sie sich so schwer damit, sich an ihre Mitarbeiter zu wenden? Es reicht bei Weitem nicht aus, einen Workshop auf die Agenda der Mitarbeiter zu setzen. Das Topmanagement muss auf diesen Workshops Gesicht zeigen, es muss den Mitarbeitern in die Augen sehen. Ich reise viel, um an unseren Workshops teilzunehmen - oder die Workshops zumindest einzuleiten, wenn ich aus Gründen der Neu- „Das Topmanagement muss bei den Mitarbeitern Gesicht zeigen! “ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 16 REPORT In den Köpfen der Mitarbeiter „sind Schätze vergraben“, wie Bernd Jacke sagt. Die Aufgabe des Topmanagements: Diese Schätze zu heben - und den Mitarbeitern den Wert dieser Schätze zurückzumelden. Foto: WISAG PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 51 Uhr Seite 16 tralität nicht selbst daran teilnehmen kann. Ein guter Teil des Erfolgs hängt von diesem persönlichen Kontakt ab, von der Wertschätzung, die sich darin ausdrückt. Ich muss meinen Mitarbeitern immer wieder zeigen, dass mir an ihren Antworten gelegen ist. Dies schließt natürlich auch die Rückmeldung ein, dass ich ihre Vorschläge verstanden habe und die Mitarbeiter über die Umsetzung informiere. Verbindlichkeit ist ein wichtiges Stichwort. Könnte es sein, dass viele Manager diese Nähe zu ihren Mitarbeitern vermeiden wollen? Fürchten Topmanager dann um ihre Autorität, darum, dass sie in den Dialogen in eine persönlich unangenehme Situation kommen? Gut möglich. Es spielt aber vielleicht noch ein anderer Punkt eine Rolle. Führungskräfte sehen sich unter Druck, eigene Lösungen zu präsentieren. Diesen Druck machen sie sich selbst, und er wird ihnen auch von außen gemacht. Inwiefern? Topmanager nehmen an, Entscheidungen zu treffen sei alleine ihre Aufgabe, und sie würden für ihre Entscheidungen bezahlt. Vom Management werden Entscheidungen erwartet. Manager werden als die Kapitäne auf den Schiffsbrücken gesehen, sie müssen sagen, wo es langgeht. So empfinden sie es als Mangel an Souveränität, wenn sie diese Erwartungen nicht erfüllen. Und nun kommt der zentrale Punkt: Die Mitarbeiter sehen dies häufig ebenso. Sie sind gewohnt, Fragen und Probleme in der Hierarchie nach oben zu geben, wenn sie nicht selbst entscheiden wollen oder können. Zum Beispiel? Ich werde von Mitarbeitern häufig direkt um Entscheidungen gebeten. Viele dieser Entscheidungen gebe ich an sie wieder zurück; sie können in diesen Fällen deutlich besser entscheiden als ich. In einem konkreten Fall waren es die Führungskräfte eines der zugekauften Unternehmens gewöhnt, dass Einstellungen von neuen Mitarbeitern durch die Geschäftsführung geprüft und genehmigt werden mussten. Wir haben dies sofort abgeschafft, denn die Budgetverantwortlichen in den Regionen wissen doch selbst, ob sie jemanden benötigen und welches Profil er haben sollte. Alles andere ist Bürokratismus und dient nur der persönlichen Absicherung. Damit dürften Sie sich viele Freunde machen … Täuschen Sie sich da nicht! Für meine Mitarbeiter ist diese Führungskultur nicht immer leicht. Mit der Rückgabe von Entscheidung an meine Mitarbeiter fordere ich sehr viel von ihnen. Mein Führungsstil erzeugt auch Verunsicherung und Betroffenheit. Ich nehme ihnen zunächst das Regelgerüst, und zudem scheint ihnen ein Stück ihrer persönlichen Sicherheit verloren zu gehen. Selbst Entscheiden heißt Verantwortung zu tragen - auch für die Fehler, die aus dieser Entscheidung entstehen können. Wie gehen Sie mit diesen Schwierigkeiten um? Zum einen muss ich mich in die Mitarbeiter einfühlen und ihre Reaktion annehmen. Ich darf mich aber nicht verleiten lassen, doch eine Entscheidung zu fällen, ihnen also die Entscheidung abzunehmen. Dies wäre das falsche Signal. Ich muss also diese Situation - genau wie „Für meine Mitarbeiter ist meine Führungskultur nicht immer leicht.“ projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 l 17 Über 20 Jahre Erfahrung bei Beratung und Implementierung von zukunftssicheren und praxisnahen Softwarelösungen. Ich interessiere mich für Ihre Projektmanagement-Lösungen und möchte gerne Information zu folgenden Themen: PSNext PS8 Projetkmanagement-Software Services und Dienstleistungen Bitte kontaktieren Sie mich telefonisch unter: ____________________________ Bitte schicken Sie mir Unterlagen zu oben genannten Themen. Name: ______________________ Firma: ___________________________ Straße: ______________________ PLZ, Ort ___________________________ E-Mail: ______________________ Innovative Projekt- und Portfoliolösungen Heinrich-Hertz-Straße 2 · D-65232 Taunusstein · Telefon +49 6128 9665-0 · Fax -11 www.sciforma.de · info@sciforma.de Anzeige Rund 24.000 Mitarbeiter sind bei der WISAG beschäftigt, das Unternehmen deckt viele Dienstleistungen im Facility Management ab. Foto: WISAG PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 51 Uhr Seite 17 meine Mitarbeiter auch - aushalten. Zum anderen muss ich meinen Mitarbeitern neue Sicherheit geben, beispielsweise indem ich Fehler zulasse und auch in diesen Fällen zu ihnen stehe. Und: Ich muss Mitarbeiter bei ihrer Entscheidung begleiten, ich muss ihnen Mut machen, indem ich sie auf erfolgreiche Beispiele in unserem Unternehmen hinweise oder ihnen empfehle, sich mit Kollegen zu besprechen. Nun ist die Entscheidung von täglichen Einzelfragen das eine, die Entscheidung wirklich wichtiger, strategischer Fragen aber das andere … Wenn Sie auf die Frage hinauswollen, ob ich auch für das Unternehmen strategisch wichtige Entscheidungen gemeinsam mit meinen Mitarbeitern bearbeite … Dies würde ich gerne ansprechen! Ja, ich treffe auch wichtige Entscheidungen mit meinen Mitarbeitern, sogar Fragen, die für unser Unternehmen überlebenswichtig sind. Ein Beispiel? Vor einigen Jahren hat die damalige Regierung in Berlin das Gesetz zur Neuordnung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erlassen. Dieses neue Gesetz kam für unsere Branche sehr überraschend. Allein bei uns waren die Arbeitsverträge von mehreren Tausend Beschäftigten betroffen, ein echtes Problem. Wir hatten Arbeitspläne, Kundenverträge, Serviceangebote und unser Preisgefüge anzupassen. Mich hat die Sache damals um den Schlaf gebracht. Die Lösung des Problems eilte, nehme ich an. Der Druck war immens. Trotzdem habe ich das Problem nicht allein gelöst. Ich habe unsere Regionalleiter zusammengeholt zu einem zweieinhalbtägigen Workshop. Die Energie der Gruppe war überwältigend. Sie konnten nach dem Workshop wieder ruhig schlafen? Deutlich ruhiger und besser! Am Ende des Workshops hatten wir nicht nur ein Konzept, sondern auch die erforderlichen Kunden- und Mitarbeiterpräsentationen. Wir hatten somit auch alle nötigen Unterlagen, um die dringend erforderlichen Maßnahmen in den Regionen kurzfristig umzusetzen. Am Tag nach dem Workshop konnten wir beginnen, uns auf die neue Lage vorzubereiten. Einen so befreienden Erfolg eines Workshops hatte ich zuvor noch nicht erlebt! Und Sie haben das Problem in den Griff bekommen? Trotz zunächst großer Sorgen um den Ertrag des laufenden Jahres haben wir dieses Krisenjahr gemeistert wie ein normales Jahr Ein Wirtschaftsmagazin hat Sie kürzlich mit den Worten zitiert, dass in den Köpfen der Mitarbeiter Schätze vergraben sind, und Aufgabe des Topmanagements sei es, diese Schätze zu heben. Ich darf diesen Satz noch ergänzen: Ich muss meinen Mitarbeitern den Wert dieser Schätze zurückmelden. Ich muss die Mitarbeiter wertschätzen, ihnen das Gefühl geben, dass ich sie ernst nehme, dass sie Teil des Systems sind; nur so setzen sie das um, was sie wissen. Erst dadurch werden die Ideen auch zu Schätzen für das Unternehmen. Wertschöpfung durch Wertschätzung. „Schätze in den Köpfen der Mitarbeiter wertschätzen“ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 18 REPORT Ein Topmanager gehört in die Chefetage. Meint man. Bernd Jacke bestreitet dies: Ein Topmanager muss Flagge zeigen - nicht nur bei seinen Kunden, sondern auch bei seinen Mitarbeitern. Er muss unterwegs sein, zu den Standorten seines Unternehmens reisen und dort die Nähe seiner Mitarbeiter suchen. Er muss mit ihnen reden, mit ihnen gemeinsam Entscheidungen vorbereiten - besser noch: mit den Mitarbeitern diese Entscheidungen gemeinsam treffen. „Frag-doch-die-Leute“, so nennt der 61-jährige Topmanager sein Führungsprinzip. Er versteht sich als Teamplayer - auch dann, wenn sein Unternehmen vor schwierigen Herausforderungen steht. Bernd Jackes Unternehmen ist der zweitgrößte deutsche Dienstleister für Facility Management. Über 24.000 Gebäudereiniger, Betriebstechniker, Sicherheitskräfte, Gartenbauspezialisten und Catering-Mitarbeiter sind für das mittelständische Unternehmen tätig. In der Sparte Airport Service hat sich die WISAG soeben auf die Reinigung des Riesenjets Airbus A380 vorbereitet. Man managt Gebäude für den Bayerischen Rundfunk, betreut das komplette Facility Management für 430 Filialen der Commerzbank und ist neuerdings sogar bei Aktionärshauptversammlungen mit Sprengstoff-Spürhunden unterwegs. Das Bundesland Hessen kürte das Unternehmen vor zwei Jahren zum „Hessen Champion“, die Landesregierung verschlagwortet es unter dem Begriff „Jobmotor“. Seit vierzehn Jahren ist Bernd Jacke bei der WISAG, vorher hat der studierte Betriebswirt Service-Rechenzentren geleitet. Firmengründer und Eigentümer Claus Wisser betraute ihn zunächst mit der Leitung der Gebäudereinigung, später beerbte Bernd Jacke den scheidenden Vorsitzenden der Geschäftsführung. „Ich hatte mit einem Mal das Feld, meinen Führungsstil auszuprobieren und zu festigen“, sagt Jacke. Offenbar mit Erfolg: Die WISAG hat auch 2007 ihren Umsatz wieder zweistellig gesteigert. Ihr Ergebnis wuchs von 23,1 auf 25,6 Millionen Euro. Die Unternehmensgruppe wuchs somit deutlich schneller als der Markt, wie Bernd Jacke betont. „Ein Topmanager muss Flagge zeigen“ - Bernd Jacke im Porträt Foto: WISAG PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 51 Uhr Seite 18 Die WISAG hat 24.000 Mitarbeiter. Wie führen Sie ein so großes Unternehmen? Viel hängt schlichtweg vom guten Willen und dem Engagement der Führungskräfte ab. Ich erläutere es an einem Beispiel. Die WISAG ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Wir haben Unternehmen zugekauft, unter anderem von Industriekonzernen, die sich von diesen Servicesparten getrennt haben. Im März 2007 die ABB-Tochter „GTE“ mit derzeit über 1.100 Mitarbeitern, zuvor im Jahr 2005 die Thyssen-Firma „HiServ“ mit über 660 Mitarbeitern. Zugekaufte Unternehmen müssen sorgfältig integriert werden. Unter Projektmanagern gelten Integrationsprojekte als besonders schwierige Vorhaben. Zu Recht! Achtzig Prozent der Integrationsprojekte scheitern oder erreichen nicht die gesetzten Ziele, wie wir in einer Recherche herausgefunden haben. Eine Ursache liegt darin, dass sich die Unternehmensspitze nicht die kulturellen Unterschiede zwischen dem gekauften und dem kaufenden Unternehmen bewusst macht. Dies gilt unter anderem auch für die jeweilige Führungskultur, die in den beiden Unternehmen gepflegt wird. Inwiefern können solche kulturellen Unterschiede eine Integration erschweren? Nicht die Unterschiede erschweren die Integration, sondern das Ignorieren der Unterschiede. Kommt dann noch eine mangelnde Nähe zu den Mitarbeitern hinzu, kann es schwierig werden. Jede Integration verunsichert Mitarbeiter. Sie befürchten gravierende Veränderungen für ihren Arbeitsplatz und sie sind mehr mit der Sorge über ihre Zukunft als mit ihrer Arbeit beschäftigt. Außerdem besteht besonders in der Dienstleistung die Gefahr, dass sich diese Unruhe auch auf den Kunden überträgt. In dieser schwierigen Zeit des Übergangs muss das Topmanagement Flagge zeigen. Es muss selbst den Dialog suchen, Nähe, Beziehungen und Perspektiven aufbauen. Was ja häufig mit einem offenen Brief am schwarzen Brett erledigt wird. Ich bezweifle stark, dass solche Mitteilungen ausreichen. Für unsere Integrationsprojekte haben wir einen Fahrplan erarbeitet. Der erste Schritt besteht darin, dass ich mit meinen Kollegen aus der Geschäftsführung den neuen Mitarbeitern die Hintergründe und damit die Motivation des Kaufs erläutere. Damit machen wir den Akquisitionsvorgang nachvollziehbar und können Perspektiven für das Unternehmen und die Arbeitsplätze glaubwürdig darstellen. Ich habe festgestellt, dass viele Mitarbeiter bei dieser Gelegenheit das erste Mal überhaupt einen Geschäftsführer zu Gesicht bekommen. Auf diesen Betriebsversammlungen bereiten wir unsere Mitarbeiter auch auf bevorstehende Veränderungen vor und sprechen über die generell zu erwartenden Schwierigkeiten von Integrationen. Über Schwierigkeiten reden - so früh bereits? Ja. Vor jedem Kauf eines Unternehmens stehen meistens Verhandlungen, die sich über eine längere Zeit hinziehen. Allein bei unserer letzten Akquisition dauerten die Vorbereitungen für den Kauf mehrere Jahre. Diese Monate und Jahre der Unsicherheit gehen an den Mitarbeitern nicht spurlos vorüber. Ist der Kaufvertrag unter Dach und Fach, breitet sich dann leicht Euphorie aus. Die Mitarbeiter hoffen auf schnelle, absolut positive Veränderungen im Tagesgeschäft. Vorausgesetzt natürlich, dass ihre Arbeitsplätze gesichert sind. Ein Wechselbad der Gefühle … … dem dann noch einmal Katerstimmung folgt. Denn der Euphorie folgt schon nach wenigen Monaten nach dem Kauf die Ernüchterung. Die neuen Mitarbeiter erkennen, dass sich Veränderungen doch nicht so schnell „Bei Integrationsprojekten Flagge zeigen“ projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 l 19 Die für die WISAG tätigen Catering-Spezialisten wurden bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Foto: WISAG Sicherheit ist Vertrauenssache: Eine Mitarbeiterin der WISAG im Einsatz. Foto: WISAG PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 52 Uhr Seite 19 wie erhofft einstellen. Die Stimmungskurve wird zwangsläufig fallen, daran können wir wenig ändern; manchmal ist die Stimmung noch nach einem Jahr schlecht. Wir können nur versuchen den Verlauf der Kurve zu mildern. Und dies ist auch der Grund, weshalb wir schon bei der ersten Betriebsversammlung unsere Mitarbeiter im gewissen Sinne vorwarnen. Wie werden die Mitarbeiter dann aber in die Entscheidungen eingebunden, die bei einer Fusion zu treffen sind? Kurze Zeit nach den Betriebsversammlungen finden erste Workshops statt, wir nennen sie „Ideenbörsen“. Auf den Ideenbörsen fragen wir unsere Mitarbeiter nach Empfehlungen und Vorschlägen für die Integration. Was hat sich in der Vergangenheit bewährt, was sollte dagegen verändert werden? Welche Verbesserungen erwartet der Kunde? Welche Verbesserungen sind dringend erforderlich? Allein die HiServ hat zwölf Niederlassungen. Das heißt, Sie und Ihre Kollegen sind zu jeder Niederlassung gereist … … und wir haben in jeder Niederlassung die WISAG auf der Betriebsversammlung vorgestellt und jede Ideenbörse eingeleitet. Dies ist eine Aufgabe des Topmanagements, die nicht delegiert werden darf. Dies verstehe ich unter „Flagge zeigen“. Bei diesen Workshops haben wir bis zu eintausend Ideen gesammelt. Manche haben wir direkt umgesetzt, beispielsweise die Abschaltung eines für das Unternehmen zu aufwendigen SAP-Moduls. Entscheidend ist, dass man nicht nur Ideen einsammelt, sondern den Mitarbeitern Rückmeldungen gibt über Ideenbörsen als Instrument der Führung die Maßnahmen, die umgesetzt wurden - oder weshalb Vorschläge nicht umgesetzt werden können. Manager von Integrationsprojekten betonen die Bedeutung sogenannter „Quick Wins“. „Quick Wins“ sind erste, kurzfristig umsetzbare Veränderungsprojekte. Sie haben aber eine starke Signalwirkung, sie zeigen an, dass sich etwas bewegt und dass das Ergebnis der Dialoge ernst genommen und wertgeschätzt wird. Die Abschaltung des SAP-Moduls war ein solcher Quick Win, der für die betroffenen Mitarbeiter deutliche Erleichterung erbracht hat. Aber um es klar zu sagen: Solche Quick Wins dokumentieren erste Ergebnisse, ersetzen aber nicht die Fortsetzung der persönlichen Dialoge zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Um bei dieser Nähe noch einmal zu bleiben. Nicht jedem Mitarbeiter fällt es leicht, seine Meinung zu sagen und Vorgesetzten Feedback zu geben. Deshalb lassen wir unsere Workshops von neutralen, externen Moderatoren leiten. Und diese Moderatoren haben häufig sehr professionelle Mittel für die Kommunikation. Beispielsweise haben Mitarbeiter Collagen über ihr Unternehmen erstellt, sie haben gemalt und geklebt. Anschließend haben sie uns die Collagen vorgestellt, wir haben über die Arbeiten gesprochen - ein auch für mich sehr spannender Prozess. Wenn wir gemeinsam vor den Collagen stehen, knistert es fast. Es darf kein Detail und kein versteckter Hinweis an die Geschäftsführung übersehen werden. Kürzlich fand ich in einer Bildecke eine gemalte Schafherde, aus der zwei Schafe ausgebrochen waren. Das war ein Hinweis auf schwindenden Teamgeist. Hätten wir diese „Kleinigkeit“ übersehen - die Enttäuschung wäre groß gewesen. Ein Wirtschaftsmagazin hat Ihren Führungsstil kürzlich mit dem Begriff „Frag-doch-die-Leute“-Prinzip auf den Punkt gebracht. Wie bewerten Sie die Chance, auch andere Topmanager von Ihrem Führungsstil überzeugen zu können? Ich weiß nicht, ob ich dies will und kann. Ich habe meinen Führungsstil nirgends gelernt, habe dazu keine Trainings besucht. Ich weiß nicht einmal, ob er als Technik zu verstehen ist. Ich habe immer schon den Drang gespürt, als Führungskraft in der Dienstleistung meine Mitarbeiter persönlich zu erreichen. Für mich war es immer selbstverständlich, bei meinen Mitarbeitern Flagge zu zeigen. Aber zu Ihrer Frage: Es gibt ermutigende Beispiele. Welche? Zum Jahreswechsel hatte ich den Geschäftsführer eines Lieferanten zu Gast, der im Dezember 21 Weihnachtsfeiern besucht hatte … … die Feiern seiner Kunden? Eben nicht! Sondern die Feiern seiner Mitarbeiter. Er sagte, so habe er sein Unternehmen kennengelernt. Meiner Ansicht nach hat er verstanden, was Führung heißt. ■ Die Chancen von „Quick Wins“ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 20 REPORT Jobmotor „Facility Management“: Das Bundesland Hessen kürte die WISAG vor zwei Jahren zum „Hessen Champion“, die Landesregierung verschlagwortet es unter dem Begriff „Jobmotor“. Foto: WISAG Rafaela PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 52 Uhr Seite 20