PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2008
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Teambuilding in konfliktaversen Kulturen am Beispiel Lateinamerikas
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2008
York Rössler
Frank Elebracht
Das bekannte Modell der Teamentwicklung von Tuckman besteht aus den Phasen Forming, Storming, Norming und Performing. In einer Erweiterung wird es um die Phase der Trennung und Auflösung der Gruppe ergänzt. Es beschreibt den Prozess der Entwicklung eines Projektteams. In diesem idealtypischen Modell werden Entstehung, Austragung und Lösung von Konflikten als unabdingbar für das Zusammenwachsen der Projektgruppe betrachtet. Die offene Austragung von Konflikten, die es impliziert, kann jedoch im lateinamerikanischen Kulturkreis unter den Projektmitarbeitern zu einer dauerhaften Störung des Vertrauens führen. Deshalb werden in diesem Beitrag alternative Ansätze für die Teamentwicklung vorgestellt, die der konfliktaversen Grundhaltung in Lateinamerika Rechnung tragen.
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Teams und Projekte Die Definition des Begriffs „Projekt“ ist nicht unumstritten. Sowohl Madauss [1] als auch Dülfer [2] haben eine beträchtliche Anzahl definitorischer Ansätze zusammengetragen und diese miteinander verglichen. Interessanterweise wird die Durchführung der Projektarbeit im Teamverbund, also arbeitsteilig, jedoch nur selten als typisches Merkmal eines Projekts angeführt. Da Projekte wegen ihrer Komplexität und Interdisziplinarität immer das Zusammenwirken mehrerer Projektmitarbeiter voraussetzen, lässt sich die soziale Interaktion im Projektteam als weiteres Definitionsmerkmal eines Projekts postulieren. Zu Recht führt Verma an, dass Teams und Gruppen deutliche Unterschiede aufweisen. Gruppen vereinigt man unter administrativen Gesichtspunkten an einem Ort, ihre Mitglieder arbeiten weitgehend unabhängig und sind nicht in den Prozess der Zielsetzung und Entscheidungsfindung einbezogen. Teams hingegen werden zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels zusammengestellt, und ihre Mitglieder haben eine gemeinsame Mission, der sie sich verpflichtet fühlen sollten und die sinnstiftend auf ihre Arbeit wirkt. Die Teammitglieder sind aktiv an der Formulierung von Zielen und dem Treffen von Entscheidungen beteiligt. Sie verlassen sich aufeinander, persönliche Interessen und Machtstreben des Einzelnen treten hinter die Interessen des Teams zurück. Darüber hinaus organisieren sich Teams selbst, geben sich implizite oder explizite Regeln und entwickeln Standards für die gemeinsame Kommunikation. Dadurch arbeiten sie im Idealfall eng verzahnt und hocheffizient zusammen [3]. Der Weg zum Projektteam Teams bewegen sich also im Vergleich zu Arbeitsgruppen auf einer höher entwickelten Ebene sozialer Interaktion, die zu einer deutlichen Leistungssteigerung führt. Somit schafft erst ein funktionierender Teamverbund die Voraussetzungen zur Bewältigung von Projekten mit anspruchsvollem Inhalt und begrenztem Zeitbudget. Ziel des Projektleiters muss es deshalb sein, aus den einem Projekt zugeteilten Mitarbeitern ein Team zu formen, um so das Projekt zum Erfolg zu führen. Die Schaffung eines solchen Teams geschieht nicht durch eine singuläre Aktivität, sondern erfordert das Durchlaufen eines Teambuilding-Prozesses mit dem Ziel, ein Projektteam entstehen zu lassen, das sich durch starke Gruppenkohäsion und sehr effiziente Arbeitsabläufe auszeichnet. Das „klassische“ Modell des Teambuilding-Prozesses Der Amerikaner Tuckman beschrieb bereits 1965 den Teambuilding-Prozess in seinem häufig aufgegriffenen 4-Phasen-Modell: Forming, Storming, Norming, Performing [4]. Diesem Modell zufolge entwickelt sich Gruppenkohäsion dadurch, dass sich die Projektmitarbeiter durch die Phasen eines Prozesses bewegen, in dessen Verlauf sich die Erkenntnis einstellt, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit nur im engen Teamverbund stattfinden kann. Eines der zentralen Elemente dieses Prozesses ist die Entstehung, Austragung und Überwindung von Konflikten innerhalb des Teams. Konflikte werden in diesem Zusammenhang akzeptiert und sollten bewusst seitens der Projektleitung zugelassen werden, da sie als eine 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 40 WISSEN York Rössler, Frank Elebracht Teambuilding in konfliktaversen Kulturen am Beispiel Lateinamerikas Das Teambuilding-Modell von Tuckman - bestehend aus den Phasen Forming, Storming, Norming, Performing - beschreiben zahlreiche Projektmanagementpublikationen als natürlichen Prozess der Entstehung eines neuen Projektteams. Entstehung, Austragung und Lösung von Konflikten werden dabei als unabdingbar für das Zusammenwachsen des neu zu schaffenden Teams erachtet. Die offene Austragung von Konflikten, die es impliziert, führt im lateinamerikanischen Kulturkreis jedoch unter den Projektmitarbeitern zu einer dauerhaften Störung der Vertrauensbasis. Deshalb sind alternative Ansätze für das Teambuilding zu verfolgen, die der konfliktaversen Grundhaltung in Lateinamerika Rechnung tragen. Das bekannte Modell der Teamentwicklung von Tuckman besteht aus den Phasen Forming, Storming, Norming und Performing. In einer Erweiterung wird es um die Phase der Trennung und Auflösung der Gruppe ergänzt. Es beschreibt den Prozess der Entwicklung eines Projektteams. In diesem idealtypischen Modell werden Entstehung, Austragung und Lösung von Konflikten als unabdingbar für das Zusammenwachsen der Projektgruppe betrachtet. Die offene Austragung von Konflikten, die es impliziert, kann jedoch im lateinamerikanischen Kulturkreis unter den Projektmitarbeitern zu einer dauerhaften Störung des Vertrauens führen. Deshalb werden in diesem Beitrag alternative Ansätze für die Teamentwicklung vorgestellt, die der konfliktaversen Grundhaltung in Lateinamerika Rechung tragen. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 53 Uhr Seite 40 unabdingbare Entwicklungsstufe hin zu einem funktionierenden Teamverbund gelten [5]. Bedingung für die Anwendbarkeit von Tuckmans 4-Phasen-Modell ist ein kulturelles Umfeld, das einen offenen Umgang mit Konflikten zulässt und ihnen auch positive Wirkungen zuweist. Dazu müssen Personen- und Sachebene deutlich getrennt sein, sodass die Austragung eines Konflikts nicht als auf die Person gerichteter Angriff verstanden wird. Andernfalls ist eine reibungslose Zusammenarbeit nicht mehr möglich und es stellt sich eine Störung der interpersonellen Beziehungen innerhalb des Projektteams ein. Konflikte im lateinamerikanischen Kulturkreis Lateinamerikaner und Deutsche haben eine grundsätzlich unterschiedliche Einstellung zu Konflikten. Während diese in unserem Kulturkreis sowohl negative als auch positive Aspekte (Chance, Klärung einer Situation/ eines Problems, Stimulus für Innovation etc.) besitzen, werden sie in Lateinamerika ausschließlich negativ assoziiert (Abb. 1). Dies resultiert unter anderem aus den für Lateinamerika typischen Kulturmerkmalen: ❑ Personenorientierung und interpersonelle Harmonieorientierung: Durch die starke Personenorientierung in der lateinamerikanischen Kultur (im Gegensatz zu der für Deutsche typischen Sachorientierung) werden Sachverhalte und Personen nicht voneinander getrennt. Somit besitzen Konflikte auch eine personenbezogene Dimension und sich aus ihnen ergebende Handlungen werden als persönlicher Angriff gewertet. Lateinamerikaner streben deshalb in stärkerem Maß als Deutsche nach Harmonie [6]. ❑ Kollektivismus: Lateinamerikaner haben eine starke Verankerung in ihrer Bezugsgruppe (Familie, Freunde, Arbeitskollegen) und definieren sich selbst als Teil einer Gruppe. Konflikte können diese Einbettung in ein soziales Netzwerk stören [7]. ❑ Buena Presencia: Die Buena Presencia ist ein Kulturstandard, der die Bemühungen eines Individuums um eine möglichst positive Wahrnehmung durch seine Mitmenschen beschreibt. Im Sinne der Buena Presencia wollen Lateinamerikaner zum Beispiel repräsentativ auftreten und unterhaltsame Gesprächspartner für ihr Gegenüber sein. Die offene Austragung von Konflikten widerspräche der Buena Presencia [8]. Lateinamerikaner nehmen deshalb eine stark konfliktaverse Haltung ein und zeichnen sich durch ausgeprägte interpersonelle Harmonieorientierung aus. Konflikte sind stark tabuisiert, werden möglichst vermieden und im Fall ihres Auftretens unterdrückt, negiert, bagatellisiert oder als Missverständnis dargestellt. Cultural Bias Tuckmans Modell zur Teamentwicklung liegt ein cultural bias zugrunde, das heißt, es wurde aus der Perspektive eines Amerikaners unter Zugrundelegung seiner eigenen projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 l 41 Aspekt Individualistische Kulturen Kollektivistische Kulturen Konflikte gelten als positiv und produktiv negativ und destruktiv Als Handlungsmaxime gilt Konfliktlösung Konfliktprävention Konflikte werden ausgelebt und gelöst vermieden und unterdrückt Konflikte und Personen werden weitgehend getrennt eng verbunden Die Konfliktparteien orientieren sich an Handlungen und Lösungen Personen und „Gesicht“ Der Konfliktstil ist rational und faktenbezogen intuitiv und emotional Das Vorgehen bei der Konfliktlösung ist offen und direkt indirekt Abb. 1: Interkulturelle Unterschiede im Umgang mit Konflikten; in Anlehnung an: Kopper, Enid: Multicultural workgroups and project teams. In: Niels Bergemann/ Andreas Sourisseaux (Hrsg.): Interkulturelles Management, Physica, Heidelberg 1992, S. 239 Anzeige PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 53 Uhr Seite 41 kulturellen Standards und Wertvorstellungen entwickelt und ist somit kulturzentriert. Deshalb basiert es auch auf einer US-amerikanischen Sichtweise von Konflikten. Da deren Bewertung in den USA und Deutschland ähnlich ist, lässt sich Tuckmans Modell auf unseren Kulturkreis weitgehend übertragen. Bei Anwendung des Modells auf den konfliktaversen lateinamerikanischen Kulturkreis tritt der cultural bias hingegen deutlich zutage. Der Erfolg der Anwendung von Tuckmans Modell muss in diesem Fall infrage gestellt werden, da in Lateinamerika offen ausgetragene Konflikte zu einer deutlichen Beeinträchtigung oder gar irreparablen Schädigung des Verhältnisses der Teammitglieder untereinander führen. Ein Zulassen oder gar Fördern von Konflikten, das im Sinne von Tuckmans Modell den Zweck des letztendlichen Erreichens einer verbesserten Gruppenkohäsion verfolgt, würde sich also kontraproduktiv auswirken [9]. Johari-Fenster Einen allgemein beachteten Lösungsansatz, der auch für Teambildungsprozesse in der lateinamerikanischen Kultur angewendet werden kann, stellt das sogenannte Johari-Fenster dar. Grundannahme dieses Ansatzes ist, dass - im Gegensatz zum konfliktträchtigen Modell von Tuckman - ein Team für ein entspanntes und vor allem vertrauensvolles Arbeitsklima zunächst intensiver Kontakte der Teammitglieder untereinander bedarf und dadurch Vertrauen aufgebaut werden kann. Eine wesentliche Basis für die erfolgreiche Projektarbeit ist erst dann geschaffen, wenn ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf Ziele und Normen besteht. Bei dem vierteiligen Johari-Fenster, benannt nach den Autoren Joe Luft und Harry Ingham, handelt es sich um eine grafische Darstellung von Wahrnehmungssituationen. Es zeigt, wie Menschen sich selbst sehen, erleben und bewerten (Selbstwahrnehmung) und wie sie von anderen gesehen, erlebt und bewertet werden (Fremdwahrnehmung). Daraus ergibt sich eine Matrix mit vier Quadranten (Abb. 2): ❑ Arena: Dieser Bereich beschreibt die „öffentliche Person“. Er ist der eigenen Person und anderen bekannt. Es ist der Bereich der freien Aktivität, öffentlicher Sachverhalte und Tatsachen. ❑ Blinder Fleck: Dies ist das Unbekannte der Selbstwahrnehmung. Dieser Bereich beherbergt den Anteil des Verhaltens, den man selbst wenig, andere aber sehr deutlich wahrnehmen. ❑ Verbergen: Dieser Bereich ist nur der eigenen Person bekannt und wird anderen gegenüber nicht offenbart. Hier sind Teile des Denkens und Handelns angesiedelt, die man ganz bewusst vor anderen verbergen möchte. ❑ Unbewusstes: Dieser Bereich beschreibt diejenigen Persönlichkeitsaspekte, die weder von einem selbst noch von anderen Personen unmittelbar wahrgenommen werden können. In Betracht kommen zum Beispiel verborgene Talente oder unbewusste Ängste. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 42 WISSEN Abb. 2: Das Johari-Fenster - Wahrnehmungssituationen Abb. 3: Das Johari-Fenster am Anfang des Teambildungsprozesses Abb. 4: Das Johari-Fenster am Ende des Teambildungsprozesses Zu Mit bie für Wi uns ba die sin Un Co Ihre • U s • A • B L • Id • E • M s • K • V • D d Ihre • S • e • g • g • in • v • a • V • B Jet Wo Da Wi PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 53 Uhr Seite 42 Zukunftssichere Perspektive gesucht? Mit 71.000 Mitarbeitern, Niederlassungen in 43 Ländern und einem Vertriebsnetz, das mehr als 100 Länder abdeckt, bietet AREVA als weltweit führendes Kerntechnikunternehmen seinen Kunden zuverlässige technologische Lösungen für CO 2 -freie Energieerzeugung sowie die Stromübertragung und -verteilung. Wir, die AREVA NP, eine gemeinsame Tochter von AREVA und Siemens, betreuen mit über 16.000 Mitarbeitern von unseren Standorten in Frankreich, Deutschland und den USA aus Großprojekte in aller Welt. Wir entwickeln und bauen Kernkraftwerke, liefern Brennelemente und gewährleisten den kompletten Service für den sicheren Betrieb und die Modernisierung der Anlagen. Dank der Fähigkeiten unserer Mitarbeiter, Innovationen in Produkte umzusetzen, sind wir zukunftsweisend in der technologischen Entwicklung. Unterstützen Sie uns am Standort Erlangen als Contractbzw. Claim-Manager (w/ m) Job-Nummer NW_1806 Ihre Aufgaben: • Unterstützung der Projektleitung bei der Abwicklung von Kunden-, Konsortial- und Unterlieferantenverträgen sowie gegebenenfalls bei der Angebotserstellung • Analyse und Risikobewertung der Verträge in der Angebotsphase • Beratung der Projektleitung und Mitarbeit bei der Aufstellung von Claim-Strategien gegenüber Kunden und Lieferanten • Identifizierung, Beurteilung und Aufbereitung von Claims und Vorbereitung bei Streitbeilegungsverfahren • Erledigung der Korrespondenz mit Schwerpunkt Claim-Schreiben • Mitwirkung bei der Bearbeitung, Dokumentation und Feststellung der Auswirkungen von Vertragsänderungen sowie bei der Dokumentenarchivierung • Koordination und Vervollständigung des gesamten projektinternen Reportings • Vorbereitung von und Teilnahme an Claim-Verhandlungen • Durchführung interner Workshops, unter anderem zum Inhalt der Verträge, zur Identifizierung von Risiken und zu den in Verträgen festgelegten Form- und Fristvorschriften Ihre Qualifikation: • Studium der Wirtschaftswissenschaften bzw. des Ingenieurwesens • einschlägige Berufspraxis • grundlegende Erfahrung im Projektmanagement großer Infrastruktur- oder Bauprojekte • gute Kenntnisse im Vertragswesen sowie Know-how im Claim-Management • interkulturelle Kompetenz • verhandlungssicheres Englisch • analytisches Denken und lösungsorientiertes Handeln • Verhandlungsgeschick, Kommunikationsstärke und Durchsetzungskraft • Bereitschaft zu längeren Auslandseinsätzen Jetzt sind Sie gefragt: Wollen Sie gemeinsam mit uns die Energiefragen von morgen lösen? Dann bewerben Sie sich online unter www.areva-np.com/ karriere. Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen. PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 53 Uhr Seite 43 Das Johari-Modell dient auch zur Visualisierung der Wahrnehmungen zu Beginn und zum Ende des Teamentwicklungsprozesses. Zu Beginn dieses Prozesses ist das Feld „Arena“ zunächst noch klein (Abb. 3). Erfolgreiche Teamentwicklung geschieht durch Ausweitung des Bereiches „Arena“. Dazu sind die Bereiche „Blinder Fleck“ und „Bühne“ zu verringern. Der Bereich „Bühne“ wird reduziert, indem man sich anderen öffnet und sich ihnen mitteilt (Vertrauensbildung). Der Bereich „Blinder Fleck“ verringert sich durch das Schaffen von Möglichkeiten, von anderen Teammitgliedern Feedback zu erhalten (Abb. 4). Erfolgt dies nicht, driften Selbst- und Fremdbild immer weiter auseinander, Missverständnisse und Fehleinschätzungen sind vorprogrammiert. Teambildung im Sinne des Johari-Fensters bedeutet also die Erzeugung von Gruppenkohäsion, indem sich die Teammitglieder einander öffnen und ihre jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale besser kennenlernen [10]. Zusammenfassung und Ausblick Die Schaffung eines starken Gruppenzusammenhalts durch Überwindung von Konflikten, das „Sich-Zusammenraufen“, kennt wohl jeder, der schon einmal an einem Projekt teilgenommen hat, aus persönlicher Erfahrung. Tuckmans Modell bietet also durchaus einen brauchbaren Ansatz, der sich so auch in der Realität häufig nachvollziehen lässt. Der vorliegende Artikel verdeutlicht jedoch, dass die Anwendung des Modells im Sinne eines Zulassens oder Förderns der Austragung von Konflikten in Lateinamerika nicht zielführend ist. Eine konfliktaverse Haltung ist neben dem lateinamerikanischen auch anderen Kulturkreisen eigen. Gerade in Asien führt die Austragung von Konflikten zum Gesichtsverlust für beide Parteien und somit zu einer nachhaltigen Störung des Arbeitsverhältnisses. Probleme bei der Übertragbarkeit des Forming-Storming-Norming-Performing-Modells könnten also auch in weiteren Regionen außerhalb Lateinamerikas gegeben sein. Zweifel an der universellen Anwendbarkeit von Tuckmans 4-Phasen-Modell scheinen demnach nicht nur angesichts der Gegebenheiten in Lateinamerika angebracht. Eine kulturkreisspezifische Untersuchung könnte hier Klarheit schaffen. Außerdem gilt es zu hinterfragen, ob eine Anwendung des Johari-Fensters in den Fällen des Vorliegens einer konfliktaversen Kultur - wie hier für Lateinamerika aufgezeigt - eine generelle Alternative darstellt. Für die Praxis bleibt festzuhalten, dass im Ausland tätige deutsche Projektleiter gegebenenfalls einer für sie ungewohnten Haltung zu Konflikten begegnen. Dies gilt es auch im Teambuilding-Prozess zu berücksichtigen, um erfolgreich auf die Entstehung eines hocheffizienten Teamverbunds hinwirken zu können, der den zusätzlichen Herausforderungen internationaler Projekte gewachsen ist. ■ Literatur [1] Madauss, B. J.: Handbuch Projektmanagement. Mit Handlungsanleitungen für Industriebetriebe, Unternehmensberater und Behörden. 6. Auflage, Stuttgart 2000, S. 516-529 [2] Dülfer, E.: Projekte und Projektmanagement im internationalen Kontext. Eine Einführung. In: Dülfer, Eberhard (Hrsg.): Projektmanagement - International, Stuttgart 1982, S. 1-30 [3] Verma, V.: Managing the project team. Project Management Institute, Newton Square 1997, S. 60-64 [4] Tuckman, B. W.: Developmental sequences in small groups. In: Psychological Bulletin 63, 1965, S. 348-399 [5] Schelle, H./ Ottmann, R./ Pfeiffer, A.: ProjektManager. 2. Auflage, Nürnberg 2005, S. 374 [6] Bökelmann, S./ Fuchs, Ch.-M./ Kammhuber, S./ Thomas, A.: Beruflich in Brasilien - Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Göttingen 2005, S. 49-50 [7] Hofstede, G.: Culture’s Consequences. Comparing values, behaviors, institutions, and organizations across nations. 2. Auflage, Thousand Oaks 2001, S. 215, sowie Rottenaicher, K.: Lateinamerika: Argentinien. In: Thomas, A. l./ Kammhuber, S./ Schroll-Machl, S. (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation, Band 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen 2003, S. 163 [8] Foellbach, S./ Rottenaicher, K./ Thomas, A.: Beruflich in Argentinien - Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, S. 39-41 [9] Rössler, Y.: Herausforderungen und Lösungsansätze für das internationale Projektmanagement zwischen Deutschland und Lateinamerika. Hamburg 2008, S. 283-285 [10] Denisow, K.: Soziale Strukturen, Gruppen und Team. In: Bech, K./ Wolff, U. (Hrsg.): Projektmanagement Fachmann, 7. Auflage, Eschborn 2003, S. 343-344 Schlagwörter Forming, Interkulturelles Projektmanagement, Internationales Projektmanagement, Johari-Fenster, Konflikt, Lateinamerika, Norming, Performing, Storming, Teambuilding Autor Dr. York Rössler hat Betriebswirtschaft in Nürnberg und Washington D.C. studiert und seine Dissertation zum Thema „Internationales Projektmanagement zwischen Deutschland und Lateinamerika“ verfasst. Er war als Dozent an der Universidad de los Andes in Bogotá tätig. Derzeit arbeitet er für eine Unterneh mensberatung in München. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehört u. a. die Fortentwicklung des unternehmensinternen Projektmanagementstandards. Anschrift Pestalozziring 30, D-90574 Roßtal E-Mail: york@e-roessler.com Autor Frank Elebracht ist auf internationaler Ebene für die Siemens AG in den Bereichen Projektmanagement und Mitarbeiterschulungen (Schwerpunkte: Soft Skills, Awareness und Health & Safety) tätig. Er war als Dozent an der Universidad de los Andes in Bogotá tätig und ist zertifizierter Projektmanagementfachmann nach IPMA sowie Six Sigma Green Belt. Außerdem arbeitet er als freiberuflicher Trainer für EARteam in den Bereichen Konfliktmanagement und Teamentwicklung. Anschrift Brunhildstraße 7, D-90559 Burgthann E-Mail: fe@earteam.com, www.earteam.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 44 WISSEN Dietmar PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 11: 53 Uhr Seite 44