eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 19/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2008
195 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Multiprojektmanagement und Multiprojektcontrolling – Anforderungen an eine schlüssige Konzeption und Umsetzung

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2008
Claus Steinle
Verena Eßeling
Timm Eichenberg
pm1950064
22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 64 WISSEN 1. Multiprojektmanagement und -controlling: Eine Standortbestimmung Projekte sind aus dem Unternehmensalltag nicht mehr wegzudenken. Vielmehr nehmen sie in Anzahl und im Umfang stetig an Bedeutung zu. Somit sehen viele Unternehmungen den Bedarf, ein konzeptionell bedachtes und systematisches Management ihrer Projektelandschaft einzuführen. Dieses sollte neben den operativ zu erfüllenden Aufgabenstellungen auch komplexe strategische Problemfelder beinhalten. Die damit verbundenen vielschichtigen Herausforderungen müssen von Unternehmungen nicht nur bewältigt, sondern agierend und erfolgsinduzierend genutzt werden. Besonders in stark projektorientierten Unternehmen ist hierbei die Unterstützung durch ein „dienstleistendes“ Multiprojektcontrolling erforderlich, welches über Sammlung, Aufbereitung und zur Verfügung stellen entsprechender Informationen eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Konzeption, Implementation und Entwicklung der Projektportfolios bietet. Die erfolgreiche Steuerung und Entwicklung einer Mehrzahl von Projekten zeigt sich als ein von der Wissenschaft als konzeptionell herausforderndes, für die Unternehmungspraxis als erfolgskritisch erkanntes und für die Beratungsseite als attraktiv eingeschätztes Handlungsfeld. Allein schon diese Interessenten- und Perspektivenvielfalt, die sich auf Multiprojektmanagement und Multiprojektcontrolling richtet, verlangt nach Begrenzung, Auswahl und Strukturierung. Ziel dieses Beitrags ist es, Anforderungen an ein Multiprojektmanagement und -controlling sowohl aus konzeptioneller als auch aus umsetzungsorientierter Sicht aufzuzeigen. 2. Konzeptionelle Anforderungen an ein Multiprojektmanagement und -controlling Eine zentrale Anforderung an ein Multiprojektmanagement und -controlling liegt aus einer konzeptionellen Perspektive gesehen in einer Berücksichtigung relevanter Dimensionen. So zeigt sich einerseits eine Bedeutung der aus dem Projektmanagement bekannten zeitlichen Dimension in Form von Prozessschritten. Andererseits spielt jedoch auch eine ebenenbezogene Betrachtung vom strategischen Projektportfolio bis hin zur operativen Abwicklung entsprechender Einzelprojekte eine wichtige Rolle. Die Abb. 1 „Konzeptioneller Vorschlag eines Multiprojektmanagements und Multiprojektcontrollings“ umreißt eine entsprechende Grundkonzeption zum Themenfeld, bestehend aus diesen zwei Betrachtungsdimensionen: ❑ Kern des Multiprojektmanagement- und Multiprojektcontrolling-Geschehens ist eine zeitliche Abfolge mit den drei Phasen Konzeption und Portfoliogestaltung, Implementation und Synergienutzung sowie Entwicklung und Nutzensicherung. ❑ Durch eine zweite Betrachtungsachse mit einer oberen Ebene der Portfolioentwicklung, einer mittleren Ebene der Koordination/ Synergienutzung und dem Multiprojektmanagement und einer unteren Ebene des Einzelprojektmanagements wird die Phasenfolge zur Matrix erweitert. Mit ihrer Hilfe kann das Multiprojektgeschehen und seine Steuerung sehr umfassend und zugleich differenziert abgebildet werden, was im Folgenden detailliert dargestellt wird. In der Phase „Konzeption und Portfoliogestaltung“ sind im Rahmen der oberen Analyseebene die Ergebnisse der strategischen Planung aufzunehmen sowie die resultierenden Grund- und Teilstrategien in ihrer „Leitplankenfunktion“ für strategische Vorhaben zu entwickeln und zu konkretisieren. Hieraus resultieren erste Vorstellun- Bericht über ein soeben erschienenes Buch Multiprojektmanagement und Multiprojektcontrolling Anforderungen an eine schlüssige Konzeption und Umsetzung Claus Steinle, Verena Eßeling, Timm Eichenberg Projektfreigabe Steuerung der Projekte Globalabgleich Projekte Ressourcen Wirtschaftlichkeit/ Nutzen der Projekte Projektanträge Operative Vorhaben Ideengärung Projektplanung Projektergebnis Folgeprojekte Strategische Vorhaben Marschrichtungen begehen/ Geschäftsfelder kommerzialisieren Strategische Planung Strategie Projektportfolio-Wandel Anregungen für neue Geschäftsfelder Konzeption Implementation Entwicklung Obere Ebene “Portfolio- Mittlere Ebene Koordination/ Synergienutzung “Multiprojekt- Linienmanagement “Einzelprojekt- Ziel-Projektportfolio Ressourcenfreistellung Ressourceneinsatz Bewertung/ Priorisierung Projektdurchführung Multiprojekt- Ist- Projektportfolio Strategiebezug Chancen/ Risiken Ergebniswirkung Wandlungsnotwendigkeiten aufgrund externer Einflüsse Projektrelevante Disruptionen Nutzenplanung/ Information Nutzenkontrolle/ Information Mitarbeiterführung Abweichungsbehandlung management” management” entwicklung” controlling Abb. 1: Konzeptioneller Vorschlag eines Multiprojektmanagements und Multiprojektcontrollings PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 12: 00 Uhr Seite 64 projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 l 65 gen in Bezug auf das gewünschte Ziel-Projektportfolio. In der mittleren Betrachtungsebene steht zunächst das (gegenwärtige) Ist-Projektportfolio im Analysefokus: Dieses ist einer Bewertung und Priorisierung der darin enthaltenen Einzelprojekte mit der Zielsetzung der Weiterführung oder des Abbruchs sowie der Beschleunigung bzw. der Verlangsamung zu unterziehen. Dabei sind die im Bereich der unteren Betrachtungsperspektive zu verortenden operativen Vorhaben und vorliegenden Projektanträge, die im operativen Handeln und in Form der „Ideengärung“ entstehen, als attraktive Konkurrenz für das bestehende Programm zu betrachten. Als die grundlegenden Bewertungs- und Priorisierungsschwellen für das Ist-Portfolio sowie die Projektanträge ist einerseits der Strategiebezug mit den hieraus resultierenden Chancen und Risiken, andererseits die (monetäre) Ergebniswirkung zu nutzen. In der Phase „Multiprojektimplementation und Synergienutzung“ steht im Bereich der oberen Betrachtungsebene die Umsetzung strategischer Vorhaben über gewählte Marschrichtungen im Vordergrund: Es gilt, geplante Geschäfts- und Handlungsfelder einzunehmen und zu kommerzialisieren. Dies erfolgt durch die Konkretisierung und Abarbeitung des gewünschten Ziel-Portfolios. In der mittleren Ebene des Multiprojektmanagements stehen die Handlungsschritte eines Globalabgleichs von Projekten und Ressourcen sowie eine entsprechende Projektfreigabe im Mittelpunkt. Es schließt sich die konkrete Steuerung der Projekte in Bezug auf Ressourceneinsatz, Mitarbeiterführung und Abweichungsbehandlung an. Im Bereich der unteren Ebene und des Einzelprojektmanagements stehen hier die Projekt- (fein)planung sowie die eigentliche Projektdurchführung im Fokus. Mit zunehmendem Voranschreiten im Rahmen der Implementation können Störgrößen im Bereich von Markt-, Branchen- und Ressourcengrößen an Bedeutung gewinnen. Hieraus resultieren Wandlungsnotwendigkeiten aufgrund externer Einflüsse im Rahmen der Portfolioebene, teilweise manifestieren sich diese aber auch sehr konkret auf der Einzelprojektebene in Form von „Störeffekten“ während der Projektdurchführung. In der Phase „Multiprojektentwicklung und Nutzensicherung“ zeigen sich in der oberen Ebene aufgrund externer Einflüsse und resultierender Wandlungsnotwendigkeiten entsprechende Initiativen für die strategische Planung sowie Anregungen für neue Aktivitäten und Geschäftsfelder. Dies ist die Basis für einen geplanten und/ oder durch tätiges Handeln resultierenden („emergenten“) Wandel des Projektportfolios - hierdurch schließt sich der Zyklus der Portfolioentwicklung. In der mittleren Ebene, dem Multiprojektmanagement, treten die Wirtschaftlichkeitsbestimmung und die nachhaltige Nutzensicherung in den Blickpunkt. Mit zunehmender Projektumsetzung und generierten Projekterfolgen können die gebundenen Ressourcen freigestellt und der gewünschte Nutzen realisiert werden. Auf der unteren Einzelprojektmanagement-Ebene zeigt sich dies im realisierten Projektergebnis, wobei im Rahmen des Ergebnis-Reviews häufig Anregungen für neue Projektanträge/ Folgeprojekte entstehen - auch hier schließt sich die Projektmanagementkette. Seine Dienstleistungsfunktionen erfüllt das Multiprojektcontrolling zunächst zwischen der Portfolioentwicklung und dem Multiprojektmanagement, wobei hier die Nutzenplanung und kontinuierliche Informationsversorgung im Mittelpunkt stehen. Weiterhin wirkt das Multiprojektcontrolling im Einzelprojektmanagement, wo die Nutzenkontrolle und entsprechende Informationsprozesse dominieren. Ein wichtiges Aufgabenfeld des Multiprojektcontrollings liegt somit in der Koordination der Projektelandschaft „nach innen“, „nach oben“ und „nach unten“ - verbunden mit einer nachhaltigen Ausschöpfung von Synergien. Ein entsprechendes Controlling ist insgesamt in einer „doppelten Sandwich-Position“ zu sehen: „Nach oben“ ist ein Bezug zur strategischen Planung zu gewährleisten und weiterzuentwickeln, „nach unten“ ist der Anschluss und die Generierung steuerungsrelevanter Informationen zu vielfältig vorhandenen Projektideen und entsprechenden Projektanträgen sowie die Sicherstellung gewünschter Projektergebnisse zu bewerkstelligen. Entscheidend für den Erfolgsbeitrag eines Multiprojektmanagements und eines Multiprojektcontrollings in der Unternehmung ist jedoch nicht nur dessen „saubere“ Konzeption, sondern ebenfalls - und vielleicht sogar noch bedeutsamer - das Vorgehen bei der Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Für eine „gute“ Umsetzung werden im Folgenden fünf zentrale Anforderungsbereiche formuliert. 3. Anforderungen an die Umsetzung eines Multiprojektmanagements und -controllings in der betrieblichen Praxis Anforderung 1: Bewusste ziel- und strategiegerechte Schaffung von Systemen und Instrumenten als Grundvoraussetzung Von hoher Bedeutung ist vor allem eine gezielte und systematische Auseinandersetzung mit den komplexen, facettenreichen Themenfeldern des Multiprojektmanagements und Multiprojektcontrollings. Es ist zu unterstreichen, dass zur erfolgreichen Planung, Umsetzung und Weiterentwicklung der Projektelandschaft formale Prozesse und Verantwortlichkeiten geschaffen werden müssen. Diese Forderung soll jedoch nicht einen unnötigen, nicht getragenen und wenig akzeptierten Formalisierungsgrad provozieren. Ganz im Gegenteil! Plausibilität, Praktikabilität und Anpassung der Prozesse und Instrumente an unternehmungsspezifische Erfordernisse und Bedingungen sind für Unternehmungen zentrale Erfolgsfaktoren. Die folgenden Anforderungen zeigen inhaltliche Präzisierungen dieser grundlegenden Ausrichtung auf. Anforderung 2: Unternehmungsindividuelles und inkrementales Rollout von Systemen und Prozessen Zur erfolgreichen Implementation und Umsetzung von Multiprojektmanagement-Systemen ist es neben deren unternehmungsindividuellen Ausgestaltung zudem erforderlich, dass die zugrunde gelegten Prozesse, die verwendeten Instrumente sowie die involvierten Mitarbeiter sinnvoll in die bestehende strategische und operative Planungs- und Steuerungsarchitektur integriert werden. Dabei darf insbesondere die vorhandene Unternehmungskultur nicht außer Acht gelassen werden. Nur mithilfe einer „Multiprojektorientierung“ der Unternehmung kann verhindert werden, dass Strukturen und Vorgehensweisen im Rahmen der Projektelandschaft als „Fremdkörper“ in der Organisation verstanden und empfunden werden. PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 12: 00 Uhr Seite 65 Im Rahmen der Implementierung neuer Systeme und entsprechender Prozesse scheint es sinnvoll zu sein, zunächst das Change Management auf einzelne Ausschnitte der Projektelandschaft zu begrenzen. Dies reduziert Komplexität, begrenzt den Radius der Veränderungen und kann damit bei erfolgreicher Anwendung die Akzeptanz bei den Mitarbeitern erhöhen. Im Bezug auf die Akzeptanzsicherung ist besonders die Unterstützung des Topmanagements unerlässlich. Zur ganzheitlichen Steuerung, Synergienutzung sowie zur Nutzenoptimierung ist langfristig zu empfehlen, die Portfoliosteuerung auf alle Projekte und Projektarten anzuwenden. In diesem Zusammenhang sollten vor allem der Identifikation von Abhängigkeiten sowie der Analyse von Wirkbeziehungen zwischen Projekten als grundlegende Herausforderungen Beachtung geschenkt werden. Entscheidend für den Erfolg und die konsequente Anwendung ist jedoch, dass auf Flexibilität, Pragmatismus sowie einen adäquaten Formalisierungsgrad des Multiprojektmanagement- Systems geachtet wird. Anforderung 3: Stärkere Berücksichtigung des Führungsverhaltens von Mitarbeitern in Multiprojektumgebungen sowie systematisches Management von Kompetenzen Ein Management von Projekten beinhaltet auch immer ein Management von Mitarbeitern und deren Rollen im Gesamtgefüge der Unternehmung und ihrer Projekte. Neben strukturellen, hochkomplexen Anforderungen an das Ressourcenmanagement bestehen auch in Bezug auf die Führung von Mitarbeitern, die in mehreren Projekten tätig sind, spezifische Anforderungen, wobei besonders die Motivation, die Schaffung von Identifikation sowie die Gewährleistung von projektzielkonformen Verhalten der Mitarbeiter in den Vordergrund treten sollten. Eine zielorientierte Führung der Projektmitarbeiter sowie eine allgemein akzeptierte, synergetische Abstimmung von Unternehmungs- und Multiprojektorganisation begünstigen nicht nur eine effizientere Abwicklung von Projekten, sondern schaffen auch außerhalb der Projektelandschaft die Voraussetzung für die Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen. Somit ist die Förderung projektrelevanter Kompetenzen als bedeutender Vorteil im Wettbewerb um Innovation, Flexibilität und Erfolg zu sehen. Dies wird auch durch die verstärkte Forderung nach der systematischen Identifikation und der entsprechenden Explizierung von Wissens- und Erfahrungspotenzialen aus einzelnen Projekten und deren Transfer in die Projektelandschaft ersichtlich. Allerdings ist das hohe Konfliktpotenzial in Multiprojektumgebungen allgegenwärtig. Hierbei spielen die Divergenzen von Linien- und Projektaufgaben sowie fehlerhafte Kommunikationsprozesse eine entscheidende Rolle. Zudem sind in diesem Zusammenhang kulturelle Gründe anzuführen, die häufig auf landeskulturellen Unterschieden beruhen. Diese Konfliktpotenziale sind gerade für die erfolgreiche Durchführung von Projekten kritisch. Der Konflikt zwischen Linien- und Projekttätigkeiten kann sicherlich durch eine integrative Ressourcenplanung eingegrenzt werden. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt zur Vermeidung von Konflikten sowie deren Eskalation zu ausgeprägten Krisen liegt in der Fähigkeit von Mitarbeitern, trotz formalisierter Prozesse flexibel auf situative Anforderungen zu reagieren. Dies setzt jedoch voraus, dass auch verhaltensbezogene Themen im offenen Dialog und konsensorientiert in den Vordergrund treten. Anforderung 4: Objektivierung der Prozesse und Ergebnisse im Rahmen des Managements der Projektelandschaft Die herausragende Bedeutung der Bewertung und Selektion von Projekten erscheint für deren ergebnisoptimale Durchführung offensichtlich. Besonders qualitative Kriterien wie der strategische Beitrag eines Projektes, der mit dem Projekt prognostizierte Nutzen, aber auch Chancen und Risiken sind wichtige Auswahlkriterien, die jedoch gleichzeitig in ihrer Handhabung für die Entscheidungsvorbereitung eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellen. Zur besseren Vergleichbarkeit auf der Multiprojektebene sollte daher verstärkt eine Quantifizierung der Bewertungsergebnisse z. B. in Form von Kennzahlen angestrebt werden. Nur mithilfe der hiermit geschaffenen Transparenz und der zugrunde gelegten Datenqualität können klare und eindeutige Aussagen zur Priorisierung ermöglicht werden, welche die Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Entscheidungen unterstützen. Dies fordert zudem den Einsatz von quantitativen/ formal-analytischen Methoden zur Entscheidungsvorbereitung. Es sind Tendenzen erkennbar, durch differenzierte Verfahren die qualitativen Bewertungen so weit wie möglich zu objektivieren und gleichzeitig handhabbarer zu machen, was sich letztlich positiv auf die Qualität von Entscheidungsprozessen auswirken soll. Eine möglichst genaue, quantitative Bestimmung von erwarteten Projektnutzen und -risiken ist außerdem eine wichtige Voraussetzung für ein begleitendes Multiprojektcontrolling, wobei zudem zu beachten ist, dass die Grundlage der Steuerung von Projektportfolios das Einzelprojektcontrolling darstellt, dessen Informationen jedoch sinnvoll aggregiert und gebündelt werden müssen. Gleichzeitig gilt es, neben der gewünschten und durchaus notwendigen Objektivierung derartiger Entscheidungsprozesse auch weitere Erkenntnisse über subjektive Empfindungen von Entscheidungsträgern bei der Bewertung und Selektion von Projekten zu gewinnen. Anforderung 5: Erweiterung des klassischen Zieldreiecks durch Strategieemergenz und marktbedingte Wandlungsdynamik Im Zuge des strategischen Multiprojektmanagements bilden die formulierten Unternehmungsstrategien häufig den Ausgangspunkt für Handlungsnotwendigkeiten, die idealerweise „aus einem Guss“ in Projekte überführt werden. Diese Top-down-Perspektive wird jedoch zunehmend ergänzt durch bottom-up-generierte Projektideen, denen ebenfalls ein Anteil an der Unternehmungsentwicklung zuzusprechen ist und die den Multiprojektmanagement-Systemen sowie beteiligten Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität abverlangen. Wie dynamisch ist das Umfeld, in dem sich Unternehmungen bewegen? Wie langfristig haben die Ziele und darauf aufbauend entwickelte Pläne Bestand? Ist der Blick in die Zukunft stabil und somit aufwandsbezogen berechtigt? Diese Fragen zur Emergenz von Strategien und Projektelandschaften müssen sich Unternehmungen in Zukunft verstärkt stellen, indem die Projekte gezielt hinsichtlich ungeplanter strategischer Beitrags- oder Veränderungspotenziale untersucht werden. Vor diesem Hintergrund scheinen die Parameter des klassischen Zieldreiecks „in time“, „in budget“ und „in scope“ nicht mehr ausreichend zu sein. Die externe Wandlungsdynamik, verbun- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 66 WISSEN PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 12: 00 Uhr Seite 66 den mit der internen Knappheit von Ressourcen, führt möglicherweise zu einer Erweiterung der Zieltriade um die Dimensionen „in ressources“ sowie „in business“. Sie werden in Zukunft die Ausgestaltung der Projektelandschaft stärker als bisher bestimmen. 4. Auf dem Weg zur multiprojektorientierten Unternehmung Die Ausführungen lassen die Bedeutungszunahme von Multiprojektmanagement-Systemen und einem entsprechenden Controlling in Wissenschaft und Praxis ersichtlich werden. Zur Sicherstellung von Effektivität und Effizienz ist es entscheidend, dass ein in sich konsistenter und umfassender Prozess der Konzeption, Implementation und Entwicklung der Projekte gestaltet und konsequent verfolgt wird. Dieser basiert zunächst auf einem systematischen Identifikationsprozess von Projektideen. Handlungsnotwendigkeiten, denen in Form von Projekten begegnet werden soll, entstehen dabei nicht nur aus dem Unternehmungsumfeld durch externe, häufig operative Zwänge, sondern finden zudem ihren Ursprung in der strategischen Planung, welche kunden- und marktbezogene Chancen vor dem Hintergrund eigener Ressourcen, Kompetenzen und Erfahrungen dauerhaft „im Blick“ behält. Nur mithilfe einer stringenten und transparenten Bewertung von Projekten kann dann eine ergebnisoptimale Selektion und Priorisierung sichergestellt werden. Hierbei ist sicherlich Ansprüchen des Einzelprojektmanagements Rechnung zu tragen. Sowohl für die Ausschöpfung von Synergien als auch für die Vermeidung von Redundanzen und Kannibalisierungseffekten innerhalb der Projektelandschaft ist allerdings die Berücksichtigung von Abhängigkeiten zwischen Projekten unerlässlich. Wie die bisherigen Ausführungen zeigten, beschränkt sich diese Notwendigkeit jedoch nicht nur auf den planerisch-konzeptionellen Bereich des Multiprojektmanagements und -controllings. Ebenso ist es notwendig, im Verlauf der parallelen Durchführung von Vorhaben einzelprojektbezogene Abweichungen vor einem multiprojektbezogenen Hintergrund zu berücksichtigen. Hieraus wird ebenfalls die zentrale Rolle des Multiprojektcontrollings ersichtlich, welches neben der kontinuierlichen Information der betreffenden Einheiten auch eine wichtige Unterstützungsfunktion für die Planung und Steuerung der gesamten Projektelandschaft übernimmt. „Aus Fehlern zu lernen“ ist aufgrund der Unterschiedlichkeit von Projekten und der damit nur begrenzt möglichen Transferierbarkeit von Wissen und Erfahrungen auf Folgeprojekte sicherlich keine einfache Vorgabe. Dennoch ist es für Unternehmungen von zentraler Bedeutung, den Mutiprojektmanagementprozess als Zyklus zu verstehen. Der Prozess und besonders dessen erfolgreiche Umsetzung bauen auf der Existenz etablierter Projektmanagementstrukturen auf. Nur auf Basis einer Integration von Einzel- und Multiprojektperspektive können die strategischen und operativen Zielsetzungen der Unternehmung in den einzelnen Projekten umgesetzt werden. Der damit angesprochene „Projektmanagement-Reifegrad“ offenbart die geforderte Entwicklung von „projektorientierten“ hin zu „multiprojektorientierten Unternehmungen“. ■ Weiterführende Literaturhinweise Die Ausführungen beziehen sich auf das kürzlich erschienene „Handbuch Multiprojektmanagement und -controlling: Projekte erfolgreich strukturieren und steuern” sowie die dort zitierte Literatur. Die im Beitrag vorgestellte Konzeption wird im Handbuch in Form einzelner Beiträge sowohl wissenschaftlich als auch durch Praxisberichte und -empfehlungen vertieft. Steinle, C./ Eßeling, V./ Eichenberg, T.: Handbuch Multiprojektmanagement und -controlling: Projekte erfolgreich strukturieren und steuern. Verlag Erich Schmidt Berlin 2008, 412 S., ISBN: 978-3-503-11035-3, EUR 49,00 Schlagwörter Multiprojektcontrolling, Multiprojektmanagement, Multiprojektorientierung, Projektpriorisierung, strategisches Projektmanagement Autor Prof. Dr. Claus Steinle ist Direktor des Instituts für Unternehmensführung und Organisation an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Ganzheitliches Management, Unternehmungsvitalisierung, Planung, Kontrolle, Controlling, Personalführung und Ökologieorientierung des Managements. Autorin Verena Eßeling ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Unternehmensführung und Organisation an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Forschungsschwerpunkte im Bereich des strategischen Projektmanagements und des Multiprojektmanagements. Autor Dr. Timm Eichenberg ist Personalentwickler im Bereich Human Resources Development & Change Management der E.ON IS GmbH in Hannover. Zuvor war er am Institut für Unternehmensführung und Organisation der Leibniz Universität Hannover tätig, wo er im Bereich Leadership und internationales Management promovierte. Zudem ist er als freier Dozent tätig. Anschrift der Autoren Prof. Dr. Claus Steinle Institut für Unternehmensführung und Organisation Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Leibniz Universität Hannover Königsworther Platz 1, D-30169 Hannover Tel.: 05 11/ 7 62-56 38, Fax: 05 11/ 7 62-56 37 E-Mail: claus.steinle@ufo.uni-hannover.de projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2008 l 67 PM_5-08_1-2_und_15-80: Inhalt 24.09.2008 12: 00 Uhr Seite 67