PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Drei junge Wissenschaftler mit neuen PM-Ansätzen
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Oliver Steeger
Die Förderung des PM-Nachwuchses – ein wichtiges Thema bei der GPM! Seit 1995 zeichnet das GPM-Kuratorium jährlich erfolgreiche Diplomanden und Doktoranden aus, die in ihren wissenschaftlichen Arbeiten zukunftsweisende Ideen oder originelle Lösungen zum Projektmanagement entwickeln. Auch beim diesjährigen PM Forum in Wiesbaden standen drei Studienpreisträger auf der Galabühne. Prof. Hasso Reschke, Vorsitzender des GPM-Kuratoriums, gratulierte den Preisträgern.
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D r. Amir Dayyari (Universität Kassel) untersuchte das Risikomanagement bei Bauprojekten. Projekte sind, wie jeder Projektmanager weiß, systembedingt mit Unsicherheiten behaftet. Die Vorhaben sind einmalig und häufig neuartig; damit verbunden ist ein großer Anteil von Aktivitäten, die völlig unbekannt oder nur bedingt planbar sind. Zudem: Selbst die Aufgabenstellung ist von Unsicherheiten geprägt. Dies gilt besonders für Bauprojekte. Auf der Baustelle werden die Risiken durch Witterungseinflüsse, natürliche Baustoffe, nicht stationäre Herstellung und extrem harten Preiswettbewerb noch wesentlich verstärkt. Hinzu kommt eine außergewöhnlich niedrige Umsatzrendite, die - oft gepaart mit entsprechend niedriger Eigenkapitalausstattung - bei den meisten Bauunternehmen zu sehr geringen finanziellen Spielräumen bei der Projektabwicklung führt. Mit seiner Forschungsarbeit setzt Dr. Amir Dayyari bei den Lücken in Wissenschaft und Praxis an. In einer breit angelegten Feldstudie untersucht er die deutsche Bauindustrie. Darauf aufbauend entwickelt er einen Ansatz, der zum einen die Projektspezifik und zum anderen von der Kalkulation bis zur Fertigstellung eine durchgehende Prozesskette von Risikomanagementelementen berücksichtigt. Der kennzahlengestützte Controllingansatz, den er entwickelt, trägt zur frühen Erkennung von Fehlentwicklungen bei. Der Ansatz unterstützt, zeitnahe Bewältigungsmaßnahmen einzuleiten. Dr. Amir Dayyari erarbeitete dabei ein Kennzahlensystem (PROJECT-RATIO- BOARD) für Bauprojekte. Dieses System gestattet den nachhaltigen Erfolg im Projektverlauf sicherzustellen - und zwar unter Berücksichtigung der klassischen Projektziele Kosten, Termine und Qualität sowie auch der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Fachleute sind sich einig: Ein derart umfassender, geschlossener Ansatz ist in Forschung und Praxis derzeit nicht bekannt. Gelobt wurde die neue Kombination bereits bekannter und erforschter Ansätze mit theoretisch weiterentwickelten Elementen sowie einem neuen kennzahlengestützten Ansatz - alles integriert in ein ganzheitliches, praxisgerechtes und durchgängig anwendbares Risikomanagementkonzept. Zudem bietet dieser Ansatz eine Basis zur Anwendung in Projekten anderer Wirtschaftszweige. Dafür aber müsse das Modell an die besonderen Anforderungen der jeweiligen Branchen und Projektarten angepasst werden. Mit dem Thema „Komplexität und Wissenstransfer“ setzt sich ein weiterer Studienpreisträger auseinander: Dr. Jens Kohler (Universität Hohenheim) setzt bei einem Projektmanagern bekannten Trend an: Produkte und Dienstleistungen werden immer komplexer. Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen müssen zusammenwirken, um diese Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Beispielsweise entstanden in den letzten Jahren im Umfeld der Automobilindustrie neuartige mechatronische Systeme. Diese Systeme konnten nur durch Verknüpfung von Mechanik, Elektronik sowie Informations-, Signal- und Regelungstechnik möglich werden. Was Projektmanager interessiert: Wie kann man diese hohe Komplexität von Produkten und Prozessen managen? Große, multinationale Unternehmen haben da- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2009 14 REPORT Oliver Steeger Drei junge Wissenschaftler mit neuen PM-Ansätzen GPM-Kuratorium würdigt herausragende Dissertationen und Diplomarbeiten Die Förderung des PM-Nachwuchses - ein wichtiges Thema bei der GPM! Seit 1995 zeichnet das GPM-Kuratorium jährlich erfolgreiche Diplomanden und Doktoranden aus, die in ihren wissenschaftlichen Arbeiten zukunftsweisende Ideen oder originelle Lösungen zum Projektmanagement entwickeln. Auch beim diesjährigen PM Forum in Wiesbaden standen drei Studienpreisträger auf der Galabühne. Prof. Hasso Reschke, Vorsitzender des GPM-Kuratoriums, gratulierte den Preisträgern. Drei Studienpreisträger im Rampenlicht vor der PM-Community: Michael Martin, Dr. Jens Kohler, Dr. Amir Dayyari (von links nach rechts) Foto: Oliver Steeger PM_1-09_1-64: Inhalt 19.12.2008 13: 36 Uhr Seite 14 für sehr stabile Routinen entwickelt. Eine wesentliche Herausforderung: Diese Routinen müssen ständig weiterentwickelt werden. Die Unternehmen müssen neue Methoden einsetzen, um neuen Technologien und Wettbewerbsbedingungen Rechnung zu tragen. Dies erfordert wiederum den Einsatz ausgefeilter Mechanismen für den Wissenstransfer in der gesamten Wertschöpfungskette - sowohl innerhalb von Unternehmen als auch in unternehmensübergreifenden Netzwerken. In den meisten wissenschaftlichen Studien zum Thema „Wissenstransfer“ geht es zumeist um sogenannte „objektive“ und „deklarative“ Aspekte von Wissen. Das Ergebnis sind hilfreiche Ansätze - etwa zu der Frage, wie Tools und Services zu gestalten sind, um den Zugang zu Informationen und deren Verteilung zu optimieren. Dagegen wurden die interpretativen und subjektiven Aspekte oft unterschätzt und nicht hinreichend untersucht. An diesem Defizit knüpft die vorliegende Arbeit von Dr. Jens Kohler an. Er betrachtet die kohärente Verständigung von Akteuren innerhalb von verteilten Strukturen: Wie können neue Methoden erfolgreich implementiert und kritische Situationen beim Wissenstransfer überwunden werden? Kohler präsentiert vier Fallstudien von Unternehmen aus der Automobilindustrie und darüber hinaus zahlreiche Ergebnisse aus Experteninterviews. Die empirischen Ergebnisse kontrastiert der Autor mit den gängigen Theorien des Innovationsprozesses und des Wissenstransfers. Auf Basis dieser Daten leitet er ein dreistufiges Vorgehensmodell ab. Dabei zeigt er, dass die objektiven, rationalen und deklarativen Aspekte des Wissenstransfers häufig überbewertet werden. Mit der Gesundheitsbranche befasste sich Studienpreisträger Michael Martin (Ludwig-Maximilians-Universität München). Er untersuchte unternehmensübergreifendes Projektmanagement im Gesundheitswesen und wählte das Beispiel der AOK Bayern. Der Hintergrund seiner wissenschaftlichen Arbeit: Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz wurde eine Grundlage für den Wettbewerb zwischen Krankenkassen geschaffen. Zusätzlich erhöht wird der Wettbewerb durch das Wettbewerbsstärkungsgesetz. Die Gesetze haben Krankenkassen zu vermehrt wirtschaftlichem Handeln gezwungen. Voraussetzung für wirtschaftliches Handeln ist auch solides Projektmanagement - besonders dann, wenn die Projekte über die Unternehmensgrenzen hinausgehen. In der Literatur wurde das Projektmanagement im Gesundheitswesen bislang wenig untersucht. Michael Martins wissenschaftliches Ziel war es, unternehmensübergreifendes Projektmanagement im Gesundheitswesen zu beschreiben, zu analysieren und aus den Daten Handlungsempfehlungen abzuleiten. Er führte Experteninterviews mit Projektleitern durch, die unternehmensübergreifende Projekte im Gesundheitswesen verantwortlich durchgeführt haben. Dabei beleuchtete er auch die Übertragung von Lösungsansätzen aus der Automobilindustrie. Folgende Ergebnisse leitete Michael Martin aus den Interviews ab: Als wichtigste Erfolgsfaktoren für unternehmensübergreifendes Projektmanagement werden die Klärung der Projektziele, Projektkommunikation, soziale Kompetenzen und kulturelle Rahmenbedingungen gewertet. Besondere Bedeutung kommt der Klärung der Projektziele im unternehmensübergreifenden Kontext zu; die verschiedenen Interessen der Partner müssen in den gemeinsamen Zielen berücksichtigt werden. Wichtig neben der Klärung der Ziele ist auch die Projektkommunikation; bei mangelnder Kommunikation besteht die Gefahr, dass jeder Partner in eine andere Richtung arbeitet und somit das ganze Projekt scheitern kann. Die sozialen Kompetenzen und kulturellen Rahmenbedingungen gelten als wichtige Voraussetzungen für den Einsatz und Erfolg der anderen Einflussfaktoren. ■ projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2009 l 15 Studienpreisträger 2008 Die 2008 mit dem Studienpreis ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten (in alphabetischer Reihenfolge): ■ Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Amir Dayyari (Universität Kassel) - „Beitrag zur projektspezifischen Ausrichtung eines feed-forward- und feed-backorientierten Risikomanagements für Bauprojekte“ ■ Dr. Jens Kohler (Universität Hohenheim) - „Wissenstransfer bei hoher Produkt- und Prozesskomplexität - Pilotierung, Rollout und Migration neuer Methoden am Beispiel der Automobilindustrie“ ■ Dipl.-Kfm. Michael Martin (Ludwig-Maximilians- Universität München) - „Unternehmensübergreifendes Projektmanagement im Gesundheitswesen am Beispiel der AOK Bayern“ Prof. Hasso Reschke, Vorsitzender des GPM-Kuratoriums, würdigte die wissenschaftlichen Leistungen der diesjährigen Studienpreisträger. Foto: Oliver Steeger PM_1-09_1-64: Inhalt 19.12.2008 13: 36 Uhr Seite 15