PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2009
201
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Technik der Projektarbeit
11
2009
Heinz Schelle
Herzog, B. O.: Technik der Projektarbeit. Handbuch für Projektleiter und Consultants. Oldenbourg-Verlag, München 2008, 141 S., ISBN 978-3-486-58592-6, EUR 26,80
pm2010049
Ich habe in grauer Vorzeit einmal das Buch von Erik Wischnewski über Projektmanagement, das immer noch auf dem Markt ist, in der Luft zerrissen und war der naiven Meinung, dass es schlechter nicht geht. Inzwischen hat mich die Erfahrung eines Besseren bzw. Schlechteren belehrt: Es geht noch schlechter. Das Buch von Herzog verdient die zweifelhafte Auszeichnung, dass es zurzeit von allen Projektmanage mentbüchern, die ich gelesen habe, mit Abstand das miserabelste ist. Was mich dabei besonders bedrückt, ist die Tatsache, dass es im renommierten Oldenbourg- Verlag erschienen ist. Man muss wohl aus der Tatsache der Drucklegung den Schluss ziehen, dass die Profession des Lektors genauso zu den ausgestorbenen Berufen zählt wie der des Rastelbinders, des Blaufärbers und des Pfeilschnitzers. Auf die prinzipiell gute Absicht des Autors, einen „weiteren Beitrag zur Professionalisierung der Unternehmensberatung“ in Projekten zu liefern, gehe ich im Folgenden nicht weiter ein. Der Grund dürfte dem Leser bald klar werden. Man kann nur den Kopf schütteln, wenn man - immer mein erster Schritt bei einer Rezension - das Literaturverzeichnis anschaut. Dreimal werden Werke von Prof. Dr. Christel Niedereichholz (sic! ) angeführt, die mit Projektmanagement wenig zu tun haben. Dann ist der Leser schon fast am Ende der Literaturliste. Es werden nämlich nur noch - mit Ausnahme einer völlig unmaßgeblichen Publikation - zwei Werke von Rodney Turner aufgelistet. Rodney, es tut mir leid: Das hast Du nicht zu verantworten und schon gar nicht verdient. Du hattest einfach das Pech, dass im Bücherschrank des Verfassers vermutlich nur Deine zwei Bücher standen. Es kommt aber noch viel schlimmer. Mangels Substanz fühlt sich der Verfasser nämlich auch noch bemüßigt, in einem „Verzeichnis der Fremdwörter“ dem Leser Begriffe wie Beamer, Catering, Gantt Chart, Newsletter und Pinwand zu erläutern. Endlich einmal jemand, der uns Unwissende aufklärt. Bei den Termini, bei denen sich zumindest der Anfänger wirklich Aufklärung erhoffen würde, lässt einen der Verfasser, allerdings im Stich. So erfährt man über den nun wahrhaft nicht ganz einfach zu übersetzenden Begriff „Scope“: „Die Reichweite bzw. der Referenzrahmen eines Projektes“. Alles klar? Andere wichtige Begriffe fehlen vollständig. Kommen wir zum katastrophalen Hauptteil. Robert Neumann, der geniale Parodist von Schriftstellern (Band 1: Mit fremden Federn und Band 2: Unter falscher Flagge), wusste sich manchmal nicht anders zu helfen als statt einer Parodie der Werke eines Literaten aus Verzweiflung einfach das Original zu zitieren. Zu diesem äußersten Mittel zwingt mich auch der Autor. Hier eine kleine Auswahl: S. 26: „Mit dem GANTT Chart es wird normalerweise möglich sein (kein Tippfehler des Rezensenten; H. S.), alle Aktivitäten eines Projekts in Form von Zeitleisten auf einer einzigen Seite darzustellen. Das ist sozusagen die Hubschrauber-Perspektive des Projektverlaufs.“ Gott sei Dank macht jemand einmal Schluss mit den umfangreichen Terminlisten. - S. 28: „Wie jedem einleuchtet, wäre es falsch, mit der Durchführung eines Projektes zu beginnen und dies keinem der Betroffenen mitzuteilen.“ Wo Herzog recht hat, hat er recht. - S. 31: „Mit der Projektinitialisierung beginnen auch die Module ,Projektkommunikation‘ und ,Projektsteuerung‘. Ab jetzt läuft die Kostenuhr und der Terminplan. Für Selbstfindungsprozesse innerhalb des Projektteams oder methodische Prozessschleifen sollte jetzt keine Zeit mehr sein.“ Also Leute, reißt euch endlich am Riemen und kommt gefälligst erleuchtet in das Projekt! - S. 34: „Worin besteht nun die Hauptaufgabe des Projektleiters in dieser Phase der operativen Projektdurchführung? Die Frage scheint akademisch, weil wohl selten ein Projektleiter die Zeit hat, sich darüber Gedanken zu machen.“ Das sollte er auch unterlassen. - S. 34: „Die Projektgrunddokumente (Projektablaufplan und Projektarbeitsplan) sind erarbeitet und abgestimmt. Die einzelnen Ressourcen sind auf Projektrollen verplant und in ihre Aufgaben eingeführt.“ Meine Frage: Wie macht man das mit Betriebsmitteln? - S. 34: „In der Idealvorstellung würde sich der Projektleiter nun zurücklehnen und den Projektfortschritt aufmerksam beobachten.“ Somit der Traumjob schlechthin. - S. 83: „… bis zu 70 Prozent des Projektaufwands entfällt auf Kommunikation.“ Ich denke, dass diese Zusammenstellung, die keineswegs bösartig ist, genügt. Um den Verdruss komplett zu machen, finden sich auch noch so merkwürdige Begriffe wie „Projektwucherungen“, „Silostrukturen“ und - fast obszön - „Projektpenetration“. Dass man über Institutionen wie PMI, IPMA und GPM , über DIN- Normen, über die ICB und den PMBoK, über umfassende Konzepte wie PRINCE2, über Benchmarking- oder Vorgehensmodelle wie das V-Modell und viele andere Themen nichts erfährt, versteht sich fast von selbst. Schließlich sind dem Verfasser zahlreiche Schlampereien unterlaufen. So kann man auf S. 57 lesen: „Nachfolgend einige Beispiele für Projekte, bei denen von Anfang an ,der Wurm drin war‘.“ Man sucht diese Beispiele allerdings dann vergeblich. Obwohl ich mich schon mehrmals getäuscht habe, wage ich trotzdem eine Prognose: Noch schlechter kann es nicht mehr kommen. Chapeau! Heinz Schelle ■ projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2009 l 49 Buchbesprechung Technik der Projektarbeit Herzog, B. O.: Technik der Projektarbeit. Handbuch für Projektleiter und Consultants. Oldenbourg-Verlag, München 2008, 141 S., ISBN 978-3-486-58592-6, EUR 26,80 Oldenbourg Technik der Projektarbeit Bernhard Herzog Handbuch für Projektleiter und Consultants PM_1-09_1-64: Inhalt 19.12.2008 13: 38 Uhr Seite 49