eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 20/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2009
202 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„PM-Wüste“ Mittelstand?

31
2009
Oliver Steeger
Der Mittelstand steht in Sachen Projektmanagement dort, wo Großunternehmen vor 20 Jahren standen – nämlich ganz am Anfang. Diese Vermutung legt eine explorative Studie nahe, in der Mitarbeiter mittelständischer Unternehmen zur Zufriedenheit mit ihrem Projektmanagement befragt wurden. Demnach erreicht das Projektmanagement im Mittelstand durchschnittlich eine Schulnote von 3,36, wie Dr. Michael Streng berichtet, Studienleiter und Geschäftsführer der parameta Projektberatung. Die Probleme: Projektmanager werden nicht gründlich genug ausgebildet. Einheitliche Projektprozesse fehlen oder werden nicht befolgt. Wichtige Projektaufgaben wie Risikomanagement oder Dokumentation werden vernachlässigt. Wie bei explorativen Studien üblich, sind diese Ergebnisse noch nicht repräsentativ. Der Untersuchung liegen rund 200 intensiv betreute Interviews zugrunde, befragt wurden bislang aber nur 16 Unternehmen.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2009 l 17 Oliver Steeger „PM-Wüste“ Mittelstand? Explorative Studie zeigt ernüchternde Zahlen Der Mittelstand steht in Sachen Projektmanagement dort, wo Großunternehmen vor 20 Jahren standen - nämlich ganz am Anfang. Diese Vermutung legt eine explorative Studie nahe, in der Mitarbeiter mittelständischer Unternehmen zur Zufriedenheit mit ihrem Projektmanagement befragt wurden. Demnach erreicht das Projektmanagement im Mittelstand durchschnittlich eine Schulnote von 3,36, wie Dr. Michael Streng berichtet, Studienleiter und Geschäftsführer der parameta Projektberatung. Die Probleme: Projektmanager werden nicht gründlich genug ausgebildet. Einheitliche Projektprozesse fehlen oder werden nicht befolgt. Wichtige Projektaufgaben wie Risikomanagement oder Dokumentation werden vernachlässigt. Wie bei explorativen Studien üblich, sind diese Ergebnisse noch nicht repräsentativ. Der Untersuchung liegen rund 200 intensiv betreute Interviews zugrunde, befragt wurden bislang aber nur 16 Unternehmen. Herr Dr. Streng, die Mitarbeiter mittelständischer Unternehmen beurteilen das Projektmanagement in ihren Organisationen nicht einmal als befriedigend … Dr. Michael Streng: … die Durchschnittsnote liegt bei 3,36 - im Sinne des klassischen Systems der Schulnoten. Mit einem solchen Durchschnitt kann man als Hightech-Land und Exportweltmeister eigentlich keinen Staat machen. Es kommt noch etwas schlimmer. Über 40 Prozent der Mitarbeiter attestieren ihrem Unternehmen nicht einmal ein „Befriedigend“. Zu hohe Ansprüche der Mitarbeiter - oder befindet sich der deutsche Mittelstand wirklich in der Projektmanagement-Diaspora? Wir haben festgestellt, dass 45 Prozent der von uns befragten mittelständischen Unternehmen über kein Vorgehensmodell für Projekte verfügen. Und die Hälfte von denen, die eines haben, wenden es nicht an. Das heißt, nur bei jedem vierten Mittelständler werden Projekte nach einem Vorgehensmodell abgewickelt? Leider, ja. In Ihrer Studie haben Sie 16 Unternehmen befragt, die Zahlen sind nicht repräsentativ. Unsere Zahlen zeigen Trends auf, sie sind gewiss nicht repräsentativ. Unsere Beratungstätigkeit bestätigt aber die Richtung, in die diese Zahlen zeigen. Kleinere und mittlere Unternehmen haben in puncto Projektmanagement starken Nachholbedarf. Am besten schneiden diese Unternehmen beim Einsatz von PM-Tools und Vorlagen ab; ganz düster wird es beispielsweise beim Änderungsmanagement oder beim Risikomanagement. „Stiefkind“ Risikomanagement Risikomanagement: In über 40 Prozent der mittelständischen Unternehmen sind die im Projektmanagement gebräuchlichen Risikoanalysen unbekannt, und nur 36 Prozent führen die Risikoanalyse während des Projekts regelmäßig durch. Wir haben festgestellt, dass viele Mittelständler die technischen Risiken eines Projekts teilweise vorbildlich Foto: parameta Dr. Michael Streng ist Geschäftsführer der parameta Projektberatung GmbH & Co. KG, die er im Jahr 2003 gegründet hat. Er hat einen Lehrauftrag für Projektmanagement an der Universität Passau. PM_2-09_1-60: Inhalt 03.03.2009 11: 05 Uhr Seite 17 managen, dies gilt insbesondere für die Automotive- Branche. Den anderen Projektrisiken schenkt man aber kaum Aufmerksamkeit. Weshalb? Das hängt mit der häufig hemdsärmeligen Macher- Mentalität im Mittelstand zusammen. Das Risikomanagement ist dem Mittelstand zu akademisch; man habe, sagt man, genug mit den Inhalten zu tun. Man will nicht mit vermeintlichen Schwarzmalern zusammenarbeiten, sondern mit Leuten, die kreativ Aufgaben lösen. Wir sprechen hier übrigens nicht von Kleinstfirmen, sondern von Unternehmen mit 400 bis 1.300 Mitarbeitern. Unter den Teilnehmern an unseren Studien waren beispielsweise auch Zulieferer von Automobilfirmen aus dem zweiten oder dritten Glied, also TIER 2 oder TIER 3. Wir hatten sogar einen TIER 1-Lieferanten dabei, also ein Unternehmen, das direkt an die Hersteller liefert. Sie haben in Ihrer Studie nicht nur einzelne Aspekte des Projektmanagements erforscht, sondern auch, ob und wie die einzelnen Faktoren zusammenwirken. Wir haben beispielsweise gefragt, wie häufig in den Unternehmen PM-Tools und eine einheitliche Vorgehensweise eingeführt worden sind. Wie häufig? Gerade einmal bei 20 Prozent der Unternehmen. Also nur bei jedem fünften Unternehmen wickelt man Projekte mit Tools und nach einem einheitlichen Prozess ab. Alles in allem können Sie dem Mittelstand kein gutes Zeugnis ausstellen. Vieles scheint dafür zu sprechen, dass der Mittelstand beim Projektmanagement heute dort steht, wo Großunternehmen vor zehn oder fünfzehn Jahren standen. Diese Ansicht teile ich. Beispiel Aus- und Weiterbildung von Projektmanagern: Viele Mittelständler meinen, dass sie wissen, wie man Projekte durchführt; ihre Mitarbeiter haben dies schon immer gemacht. Entschließt man sich zu Aus- und Weiterbildung, so beschränkt sich diese auf Schulungen im Umgang mit Tools. Man lernt mit Software umzugehen - und nicht Projekte richtig zu managen. Erklärt dies, weshalb der Einsatz von PM-Tools und Vorlagen vergleichsweise gut beurteilt wird? Ja, in diesem Punkt besteht ein Zusammenhang. Wir haben festgestellt, dass die wenigen Hilfsmittel wie Software oder Checklisten in mittelständischen Unternehmen intensiv genutzt werden. Die Mitarbeiter freuen sich über Arbeitshilfen wie beispielsweise Listen mit den fünf wichtigsten Aufgaben beim Projektstart. Gründliche PM-Ausbildungen, die über den Umgang mit diesen Hilfsmitteln hinausgehen, werden aber selten genutzt. Eine Konsequenz daraus ist, dass die weichen Erfolgsfaktoren kaum für das Projektmanagement genutzt werden können. Wir haben festgestellt, dass die Durchschnittsnoten für das Projektmanagement um fast eine halbe Noten- Gute Noten für Einsatz von PM-Tools stufe steigen, wenn Projektverantwortliche ausgebildet werden. Die Aus- und Weiterbildung ist für den Mittelstand der größte Hebel, das Projektmanagement zu verbessern. Nun haben mittelständische Unternehmen eine deutlich dünnere Personaldecke als beispielsweise Konzerne. Es fällt schwer, Mitarbeiter für Schulungen freizustellen. Die Personaldecke ist dünn, gewiss, und es ist schwierig, dringend benötigte Mitarbeiter für Lehrgänge oder den Aufbau des Projektmanagements zu entbehren. Doch dies erklärt nicht den Nachholbedarf beim Projektmanagement. Nicht? Wo liegen dann die Widerstände gegen Projektmanagement? Wenn man Topmanager im Mittelstand auf Projektmanagement anspricht, hört man häufig, dass ihr Unternehmen sein Geld mit Produkten verdient, beispielsweise Maschinen oder Schrauben - und nicht durch Projekte. Dass Projekte aber helfen, neue Produkte schneller zu entwickeln und auf den Markt zu bringen - diese Einsicht ist kaum verbreitet. Projektmanagement wird noch nicht direkt mit Wettbewerbsvorteilen verbunden. Im Mittelstand wird auch häufig beklagt, dass Projekte zu lange dauern … … zu teuer sind und nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Wenn man bei solchen Vorwürfen nachbohrt, stößt man schnell auf die mangelhafte Zieldefinition … … die ja ohnehin zu den häufigsten PM-Fehlern zählt. Ja, dies wird von unserer Studie einmal mehr bestätigt. Die unklare Zieldefinition führt die Liste der Ursachen für scheiternde Projekte an - mit deutlichem Abstand zu den nachfolgenden Ursachen wie schlechte Kommunikation oder häufig wechselnde Prioritäten. Wir haben beobachtet, dass mittelständische Unternehmen vielfach von starken, sehr pragmatisch vorgehenden Führungskräften geführt werden. Diese pragmatische Führung betrachten viele Mittelständler als ihr Erfolgsgeheimnis. Für das Projektmanagement kann sie aber nachteilig sein. Häufig werden Projektaufträge einfach in die Organisation gekippt - nach dem Prinzip „Machen Sie mal“. Eine ordentliche Zieldefinition findet nicht statt. Der Projektmanager könnte darauf bestehen … Leicht gesagt. Er muss ein schon sehr breites Kreuz haben, bei inhabergeführten Unternehmen etwa vom Eigentümer diese Zieldefinition einzufordern. Merkwürdigerweise beurteilen Mitarbeiter aus mittelständischen Unternehmen den Erfolg ihrer Projekte deutlich besser als ihr Projektmanagement. Dieses Ergebnis unserer Studie klingt tatsächlich verwunderlich. Der Verlauf der zurückliegenden Projekte „Achillesferse“ Zieldefinition 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2009 18 REPORT PM_2-09_1-60: Inhalt 03.03.2009 11: 05 Uhr Seite 18 wird im Durchschnitt mit der Schulnote 3,09 bewertet, das Projektmanagement mit 3,36. Wie erklärt sich der Unterschied? Ganz einfach: Die Fehler beim Projektmanagement werden durch Nachtschichten und Wochenendarbeit korrigiert. Ich kenne Projekte im Mittelstand, bei denen in den letzten sechs Wochen abends bis 23 Uhr und am Wochenende geschuftet wurde. Ein Grund mehr für die Unternehmensspitze, die Notwendigkeit von Projektmanagement zu bezweifeln? Möglicherweise! „Bei uns laufen doch die Projekte“, heißt es dann, „was wollen wir mit Projektmanagement? “ Gestützt durch Ihre Studienergebnisse zeichnen Sie ein düsteres Bild vom Projektmanagement im Mittelstand. Gibt es keinen Lichtblick? Diesen Lichtblick gibt es zum Glück! Ich beobachte, dass der Mittelstand allmählich erwacht und beim Projektmanagement aktiv wird. Leider stehen noch viele mit dem falschen Fuß auf und wollen Tool-Schulungen - statt Projektmanagement strukturiert einzuführen. Hier zeigt sich der Pragmatismus, der beim Projektmanagement zu kurz greift. Doch die Sensibilität für dieses Thema wächst. Wie macht man als Mittelständler einen guten Anfang beim Projektmanagement? Zunächst sollte sich die Führungsspitze selbstkritisch mit ihrer Unternehmenskultur befassen und prüfen, wie man sie vernünftig mit Projektmanagement verbinden kann. Dann sollte sich die Spitze klar werden, dass sie sich selbst an die Regeln des Projektmanagements halten muss. Erst danach lohnt es sich, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren; dabei müssen sowohl die harten als auch die weichen Managementthemen berücksichtigt werden. Erforderlich ist also ein Bewusstseinswandel beim Topmanagement? Genau der Bewusstseinswandel, den Großunternehmen bereits vor einigen Jahren geleistet haben. Erst dann kann man die PM-Basics im Unternehmen verankern, denen später dann das Portfolio- und Multiprojektmanagement folgen können. Weitere Informationen und Bezugsquelle für die Studie: www.parameta.de ■ Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.3.4 Einführung von Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement Einige PM-Lichtblicke im Mittelstand projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2009 l 19 Executive Education Programs in Project & Process Management These part-time executive education programs guarantee a profound international education in project and process management (PPM) enabling you to master challenging projects successfully. Duration: · 8 months: International Program in PPM · 18 months: Professional MBA in PPM · Part-time Start: · March 2009: International Program in PPM · October 2009: Professional MBA in PPM Language: English Contact: andrea.cerny@wu-wien.ac.at +43 1 313 36 5139 www.executiveacademy.at / ip_ppm www.executiveacademy.at / pmba_ppm Next Start: March 2009 Master your projects. And leverage them. Anzeige PM_2-09_1-60: Inhalt 03.03.2009 11: 05 Uhr Seite 19