PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2009
205
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Der schnelle und direkte „Königsweg“ für Konzernvorstände
121
2009
Oliver Steeger
Den „Tanker“ Konzernunternehmen außerplanmäßig auf neuen Kurs schicken: Immer häufiger wählen Topmanager die Strategische Initiative, um ihr Unternehmen den Märkten anzupassen und fit für die Zukunft zu machen. Mit diesen Initiativen kann die Unternehmensspitze konzernweit eingreifen und die Organisation neu ausrichten, ein schwieriges und hoch komplexes Unterfangen voller Unsicherheiten und politischer Minenfelder. Solche Initiativen zu managen – eine neue Aufgabe für Projektmanager? Prof. Günter Müller-Stewens, Experte für Strategisches Management an der Universität St. Gallen und Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft, warnt: „Das Management von Initiativen geht entscheidend über etablierte Modelle und Instrumente des Projektmanagements hinaus.“ Dennoch kann sich Prof. Günter Müller-Stewens Projektmanager gut als Initiativenmanager von morgen vor stellen – sofern es ihnen gelingt, Kompetenzlücken für diese Herausforderung zu schließen.
pm2050003
projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 3 REPORT Oliver Steeger Der schnelle und direkte „Königsweg“ für Konzernvorstände „Strategische Initiativen“ leiten - ein neues Arbeitsfeld für Projektmanager? Den „Tanker“ Konzernunternehmen außerplanmäßig auf neuen Kurs schicken: Immer häufiger wählen Topmanager die Strategische Initiative, um ihr Unternehmen den Märkten anzupassen und fit für die Zukunft zu machen. Mit diesen Initiativen kann die Unternehmensspitze konzernweit eingreifen und die Organisation neu ausrichten, ein schwieriges und hochkomplexes Unterfangen voller Unsicherheiten und politischer Minenfelder. Solche Initiativen zu managen - eine neue Aufgabe für Projektmanager? Prof. Günter Müller-Stewens, Experte für Strategisches Management an der Universität St. Gallen und Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft, warnt: „Das Management von Initiativen geht entscheidend über etablierte Modelle und Instrumente des Projektmanagements hinaus.“ Dennoch kann sich Prof. Günter Müller-Stewens Projektmanager gut als Initiativenmanager von morgen vorstellen - sofern es ihnen gelingt, Kompetenzlücken für diese Herausforderung zu schließen. Herr Prof. Müller-Stewens, sogenannte „Strategische Initiativen“ sind für das Topmanagement von Konzernen ein wichtiges Werkzeug. Beispielsweise hat der Vorstand der Lufthansa AG seinen Konzern nach den Terroranschlägen 2001 mithilfe einer Strategischen Initiative durch die Krise manövriert - sehr erfolgreich. Ähnlich betreiben die Münchener Rück oder General Electric derartige auf Strategischen Initiativen basierende konzernweite Wandelprogramme. Was macht die Strategischen Initiativen für diversifizierte Konzerne zu einem Managementwerkzeug erster Wahl? Prof. Günter Müller-Stewens: Strategische Initiativen sind sehr direkt wirkende Ansätze. Diversifizierte Konzerne entwickeln sich häufig primär entlang der Logik ihrer vertikalen Geschäftssilos. Will ein Corporate Management hier inhaltliche Akzente für eine gesamthafte Neuausrichtung setzen, dann bieten sich Strategische Initiativen als organisatorische Vehikel an. General Electric nutzt dieses Instrument erfolgreich bereits seit Mitte der Achtzigerjahre. Mit diesem Instrument hat das Topmanagement von Konzernen eine Chance, schnell und aktiv den Wert des Geschäftsportfolios zu steigern. Beispielsweise auf unvorhergesehene Umbrüche im Markt reagieren? Durch Strategische Initiativen könnten Unternehmen mit neuen Produktlinien verloren gehendes Terrain zurückerobern, neue Märkte betreten oder die Effizienz des Konzerns steigern. Nicht nur auf Unvorhergesehenes reagieren, sondern auch bewusst agieren, um sich strategisch für die Zukunft aufzustellen. Der Vorteil einer Initiative besteht darin, dass das Topmanagement auf unmittelbarem Weg kritische Themen an die Geschäftsbereiche adressieren kann. Dies betrifft auch den strategischen, zukunftsorientierten Wandel des Unternehmens. Foto: privat Zur Person: Günter Müller-Stewens ist Professor für Strategisches Management an der Universität St. Gallen und Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft. Sein Buch „Strategisches Management“ ist im Jahr 2001 als bestes deutsches Wirtschaftsbuch ausgezeichnet worden. Prof. Günter Müller-Stewens ist als Referent, Berater und Trainer für internationale Unternehmen tätig sowie Gründer und Herausgeber des renommierten „M&A Review“ und der „M&A Review Database“. Ein neues Buch eigens zum Thema Initiativenmanagement wird der Experte im kommenden Jahr vorstellen. PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 3 Zum Beispiel? Nahezu alle Vertreter der deutschen Autoindustrie haben vor ein paar Jahren „grüne Initiativen“ gestartet - einerseits um gegenüber Toyota aufzuholen, die hier vorgeprescht waren, andererseits um ihre Unternehmen an sich verändernde Kundenbedürfnisse anzupassen. Bei diesen Initiativen handelt es sich um ein organisatorisches Mittel, um vergleichsweise direkt und schnell in die laufenden Prozesse der Gesamtorganisation einzugreifen - und zwar außerhalb und zusätzlich zu den regulären Geschäftsprozessen. Also eine Art Weckruf an den gesamten Konzern? Mit einer kleinen Einschränkung: Die Initiative kann, muss sich aber nicht zwangsläufig an den gesamten Konzern richten. Mit manchen Initiativen wird nur in eine einzelne oder einige ausgewählte Business Units eingegriffen. Entscheidend ist, dass diese Initiativen von Relevanz sind für die strategische Entwicklung des gesamten Unternehmens. Ich beschreibe Strategische Initiativen gerne als Ergänzung zur klassischen Unternehmenssteuerung über die regulären Geschäftsprozesse. Es handelt sich also um zusätzliche, nur temporär definierte Aktivitäten. Strategische Initiativen können den Anstoß für viele Projekte geben, beispielsweise Produktentwicklungen, Reorganisationsprojekte oder auch Bauprojekte. Dies alles erinnert an Projektprogramme. Ein zeitlich begrenztes Programm wird „außer der Reihe“ aufgesetzt, um den Konzern strategisch neu auszurichten. Fallen damit Strategische Initiativen ins Ressort Projektmanagement? Strategische Initiativen haben durchaus Berührungspunkte mit dem Projektmanagement. Doch Sie können „Weckruf“ aus dem Konzernvorstand allein mit dem heute oft praktizierten Projektmanagement Strategische Initiativen kaum umsetzen. Das Projektmanagement wäre an entscheidenden Punkten überfordert. Beim Initiativenmanagement hat man teilweise entscheidend andere Herausforderungen zu bewältigen. In einem Ihrer jüngst veröffentlichten Aufsätze grenzen Sie die Initiativen sogar stark vom Projektmanagement ab. Wir haben in diesem Aufsatz versucht die Unterschiede zwischen Strategischen Initiativen und groß angelegten Projektprogrammen etwas „schwarz-weiß“ herauszuarbeiten. Festgestellt haben wir, dass Teile der im Projektmanagement gängigen Logik und Methodik derzeit für die Umsetzung Strategischer Initiativen eher ungeeignet sind. Bei Strategischen Initiativen sind zusätzlich andere Kompetenzen erforderlich. Der Begriff „Strategische Initiative“ kommt Managern schnell über die Lippen. Was ist mit diesem Fachterminus genau gemeint? Erläutern wir den Begriff an einem erdachten Beispiel: Ein diversifizierter Konzern will gesamthaft und signifikant sein Asiengeschäft ausbauen. Zur Umsetzung dieses Vorhabens startet das Topmanagement eine Strategische Initiative. Diese Asieninitiative soll alle Business Units erfassen, jede Einheit soll an diesem strategischen Vorhaben mitwirken. Eine solche Initiative ist damit von strategischer Relevanz für das Gesamtunternehmen. Übergreifend über Geschäftseinheiten werden Ressourcen gebündelt - und mit diesen gebündelten Ressourcen will man gezielt Potenziale für Wachstumssynergien ausschöpfen, die man für den Konzern hier sieht. Asiengeschäft ausbauen - das Ziel scheint ein wenig schwammig beschrieben zu sein. Für einen Projektmanager müsste das Ziel genauer definiert sein. Dies meinte ich eben mit meinem Hinweis, dass Projektmanagement bei Strategischen Initiativen an seine Grenzen stößt. Bei einem klassischen Projektprogramm ist das Ziel - zumindest im Verhältnis zu einer Initiative - im Allgemeinen ziemlich genau definiert. Das Ziel wird dann in Projekte, Unterprojekte und Arbeitspakete heruntergebrochen. Ein Projektmanager arbeitet also deduktiv. Aus dem Ziel leitet er planend das ab, was zu tun ist. Bei einer Strategischen Initiative jedoch geht man gleichzeitig induktiv und deduktiv vor. Induktiv die Initiative planen? Wie soll dies funktionieren? Ich erkläre es vereinfacht: Das Topmanagement gibt - recht abstrakt und grob - das Rational und das Ziel der Initiative in den Geschäftsbereichen bekannt. Dann sammelt es induktiv von jedem Konzernbereich Ideen ein, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Es wird beispielsweise vorgeschlagen, die Kundenkontakte einer thailändischen Division auch für die anderen Divisionen zu nutzen. Oder eine in Korea bewährte Dienstleistung soll auch den BRIC- Ländern ausgerollt werden. Oder komplexe asiatische Übergreifende Ressourcen bündeln 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 4 REPORT Foto: Münchener Rück, München Moderne Managementmethoden hinter denkmalgeschützter Fassade: Die Münchener Rück meistert, wie Prof. Günter Müller-Stewens berichtet, ihre Wandelprogramme auf Basis Strategischer Initiativen. Im Bild das 1912/ 13 entstandene Hauptgebäude des Konzerns in der Münchner Königinstraße. PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 4 Kunden, die Produkte aus mehreren Divisionen beziehen, sollen integrierter bedient werden, um das Kundenpotenzial besser auszuschöpfen. Das Topmanagement wirft gewissermaßen ein Netz in der Organisation aus, um möglichst viele unternehmerische Ideen zu sammeln … … die freilich nicht alle umgesetzt werden können. Dazu gleich. Entscheidend ist jetzt der Punkt, dass eine Strategische Initiative mit unternehmerischen Ideen aus den Organisationen unterfüttert werden muss. Es geht darum, einen breiten Pool von Vorschlägen zu ermöglichen, einen Pool, der bei großen, stark diversifizierten Konzernen leicht Hunderte, im Fall der „IBM Jams“ sogar Zehntausende Ideen unterschiedlicher Qualität umfassen kann. Wir nennen diesen ersten Schritt „Variation“: Der Trichter wird möglichst weit geöffnet für viele neue und kreative Geschäftsideen. Im zweiten Schritt geht es dann darum, die umsetzbar und erfolgversprechend erscheinenden Ideen zu selektieren. Variation, Selektion - diese Wortwahl erinnert an das in der Naturwissenschaft bekannte Evolutionskonzept. Das Evolutionskonzept stand in der Tat bei dieser Vorgehensweise Pate, und wir sprechen auch bei Strategischen Initiativen von „geführter Evolution“. Statt bestehende Pläne fortzuschreiben, werden stark variierende Ideen entwickelt. Diese Ideen müssen sich dann im Kampf um Kapital, Mittel und die Aufmerksamkeit des Topmanagements bewähren und durchsetzen: Dies ist die Selektion. Danach wird man die Ideen, die dem Wettbewerb standhalten können, dauerhaft in die Gesamtorganisation einbetten und verankern. Dies nennen wir Retention. Das Topmanagement geht beim Management Strategischer Initiativen also in drei Schritten vor: Variation, Selektion, Retention. Die Vorgehensweise klingt sehr aufwendig. Weshalb wählen Konzerne diesen komplizierten Weg der „geführten Evolution“? Die meisten Unternehmen müssen, um sich zu differenzieren und für die Zukunft zu rüsten, sehr innovativ sein. Diversifizierte Konzerne haben hier eine besondere Chance, wenn es ihnen gelingt, ihre Kompetenzen und Ressourcen geschäftseinheitenübergreifend bei neuen unternehmerischen Ideen zum Einsatz zu bringen. Diese Ideen können von überall her kommen - auch von außerhalb des Unternehmens, beispielsweise von Kunden oder Universitäten. Man will also das diversifizierte Wissen, das in der Organisation weit verteilt und oft abgeschottet schlummert, durch neue Kombinationen effektiver nutzen. Dies ist eine anspruchsvolle unternehmerische Aufgabe. Sie wird bei Weitem nicht allen Unternehmen gleichermaßen gut gelingen. Ich bin noch nicht ganz überzeugt. Der Initiativenmanager könnte ein Expertengremium mit exzellenten Köpfen bilden. Die am Reißbrett von Stabsabteilungen und Consultants entstandenen Geschäftsmodelle scheitern häufig in „Geführte Evolution“ der Implementierungsphase, weil die operative Realität ausgeblendet wurde. Wir brauchen umsetzbare Ideen! Hinzu kommt: Mitarbeiter beteiligen sich an Veränderungen mehr, wenn sie ihre eigenen Ideen verwirklichen können. Dazu braucht es allerdings auch eine Kultur, in der die Ideen von Mitarbeitern und Externen gefragt und wertgeschätzt werden. Dies hat dabei rein gar nichts mit einem betrieblichen Vorschlagswesen zu tun. Es handelt sich um einen unternehmerischen Prozess, der auch unternehmerischer Fähigkeiten und Einstellungen bedarf. Das Thema „Unternehmensstrategie“ wird - vielleicht auch wegen der Orientierungslosigkeit in der Wirtschaftskrise - derzeit stark diskutiert. Bekanntlich beschäftigen sich Strategien mit der Zukunft von Unternehmen. Ja, sie sollten es zumindest. Nehmen wir die Perspektive des Topmanagements ein. Es hat die Aufgabe, sowohl die kurzfristige als auch die langfristige Orientierung seines Unternehmens ins Gleichgewicht zu bringen. Wir sprechen auch vom Gegensatzpaar „Running the firm“ und „Changing the firm“. Das Schlagwort „Running the firm“ bezeichnet - grob gesagt - die mehr oder minder kontinuierlich laufenden Prozesse in den Geschäften: die aktuellen Aufgaben, beispielsweise auf nahe Sicht abzuwickelnde Aufträge oder zu tätigende Investitionen. Mit „Changing the firm“ ist der strategische Wandel des Unternehmens für die Zukunft gemeint, etwa das gezielte Ausnutzen von Megatrends wie etwa des demografischen Wandels. Strategien bilden also im gewissen Sinne ein Gegengewicht zum kurzfristigen Handeln und reinem Opportunitätsdenken. In großen, komplexen Organisationen haben Strategien - und damit auch Strategische Initiativen - einen koordinativen Effekt. Unternehmensstrategie umsetzen projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 5 Foto: Lufthansa AG Mit Strategischen Initiativen auch in Krisenjahren durchstarten: Die Lufthansa AG hat sich nach Einschätzung von Prof. Günter Müller-Stewens mit einer Initiative gut durch die Turbulenzen nach den Terrorschlägen 2001 manövriert. PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 5 Einen koordinativen Effekt - inwiefern? Strategien sollen die Aufmerksamkeit der Organisation auf die großen Herausforderungen der Zukunft richten - und nicht nur Budgetstrukturen der Vergangenheit ins nächste Jahr extrapolieren. Sie helfen, den Fokus zu bilden und Prioritäten zu setzen für den Ressourceneinsatz. Und sie bieten eine gemeinsame Sprache für Veränderungen in der komplexen Welt eines diversifizierten Konzerns. Nun ist nicht jede Strategie gleich auch eine gute Strategie. Besteht eine Möglichkeit, die Qualität von Strategien zu bewerten? Ich denke, diese Möglichkeiten gibt es, auch wenn es nie eine finale Sicherheit geben wird, denn letztendlich beziehen sich ihre Annahmen auf eine ungewisse Zukunft. Doch es können verschiedene Kriterien zur Bewertung von Strategien zur Anwendung gebracht werden. Zum Beispiel sollte eine Strategie möglichst robust gegenüber möglichen Szenarien der Umfeldentwicklung sein. Wichtig ist uns auch, dass sie konsistent ist. Konsistent? Bei konsistenten Strategien greifen die einzelnen Puzzlesteine gut ineinander und unterstützen sich wechselseitig: Das Wertesystem unterstützt die strategischen Ziele, diese Ziele werden durch die Anreizsysteme forciert usw. Ein weiteres Gütemerkmal für Strategien ist: Sie sind so ausformuliert, dass sie zu einem guten Zusammenspiel zwischen Umwelt und Unternehmen führen. Zudem sind die kurzfristigen und langfristigen Ziele gut ausgewogen. Und nicht zuletzt: Strategien orientieren sich am Nutzen, den man für Anspruchsgruppen wie Kunden, Eigentümer oder die Gesellschaft schaffen möchte - oder für die Stakeholder, wie man im Projektmanagement sagt. Welche Erfolgsfaktoren muss man bei der Umsetzung von Strategien - oder Strategischen Initiativen - beachten? An erster Stelle stehen Geduld und eine Tugend, die ich als „Dranbleiben“ und „Nachhaltigkeit“ beschreiben will. Viele Unternehmen verlassen zu schnell wieder den Umsetzungspfad, wenn es erste Probleme gibt. Dann heißt es, die Strategie führt zu nichts. Weiterhin: Das Topmanagement muss abstrakte Strategien so vereinfachen können, dass sie sinnstiftend wirken für diejenigen, die sie umsetzen. Auch müssen Strategien geeignet durch Managementsysteme und Organisationsstrukturen in ihrer Umsetzung unterstützt werden. Darüber hinaus gibt es viele Punkte mehr, die für eine erfolgreiche Umsetzung bedeutend sind. Welche Aufgaben ergeben sich daraus für das Topmanagement? Das Topmanagement muss dem Entwicklungsprozess ein für die Umsetzung förderliches Design geben. Es muss ermitteln, wer in die Strategische Initiative eingebunden werden soll; je mehr und früher Mitarbeiter eingebunden werden, desto mehr wächst das Commitment. Erfolgsfaktoren für Strategische Initiativen Dann hat das Topmanagement Zuständigkeiten zu vergeben und die Frage zu beantworten, wer die Umsetzung der Initiative verantwortet, wer sie führt. Das Topmanagement muss sich fragen, ob seine Mitarbeiter die erforderlichen Fähigkeiten dafür haben oder kurzfristig entwickeln können. Diese Enabling-Frage ist sehr wichtig, das Topmanagement sollte sie sich ehrlich stellen. Insbesondere muss bei Strategischen Initiativen gefragt werden, ob das Unternehmen über genügend Führungskräfte verfügt, die die strategischen Leadership-Fähigkeiten mitbringen, die es zur Führung einer Strategischen Initiative benötigt. Unsere Studien haben ergeben, dass es Konzernen häufig an solchen qualifizierten Initiativenmanagern fehlt. Einerseits haben Strategische Initiativen Berührungspunkte mit dem Management von Projekten und Projektprogrammen. Andererseits fehlt es Konzernen an qualifizierten Initiativenmanagern. Haben Projektmanager eine Chance, diese Lücke zu füllen? Unter bestimmten Voraussetzungen sehe ich durchaus Chancen für das Projektmanagement, in diesen Bereich vorzudringen. Aus Ihrer Antwort klingt heraus, dass noch eine Einschränkung folgt? Über eines sollten wir uns klar sein: Bei Strategischen Initiativen, mit denen das Topmanagement direkt und quer über alle Geschäftsbereiche hinweg interveniert, handelt es sich um Megaprojekte. Von ihrem Charakter her sind sie meist mit viel Unsicherheit versehen und verlangen deshalb ausgeprägte unternehmerische Kompetenzen. Dies heißt? Ich bezweifle, dass jeder Projektmanager diese Kompetenzen mitbringt. Zudem verlangen Initiativen ein sehr gutes Verständnis des Gesamtunternehmens bis hin zur Marktfront, da sie ja letztendlich die dort tätigen Führungskräfte zur Mitwirkung gewinnen müssen. Hier geht es um Überzeugungskraft. Über Anordnungen ist nicht viel erreichbar. Aber ich will auch deutlich sagen: Eine ganze Reihe der aus dem Projektmanagement bekannten Instrumente können Sie bei Initiativen zum Einsatz bringen. Bleiben wir doch bitte noch bei den erforderlichen Kompetenzen … Gerne! Sehen Sie, Initiativen übergreifen viele Geschäftseinheiten, Länder und Funktionen. Projektmanager müssten die Fähigkeit entwickeln, die verschiedenen Teilorganisationen einzubinden und zu integrieren. Es handelt sich um eine gewaltige unternehmerische Herausforderung für den Initiativenmanager. Betrachten Sie allein die Aufgaben der „geführten Evolution“, über die wir eben gesprochen haben. Beim Initiativemanagement geht man eher induktiv vor, hat, wie schon einmal erwähnt, nur ein grobes Ziel und sammelt unter diesem „Regenschirm“ Ideen und Vorschläge. Der Initiativenmanager braucht also auch die Fähigkeit, diese Variation zu erzeugen. Manche Unternehmen befragen über ihre Neue Kompetenzen für „Megaprojekte“ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 6 REPORT PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 6 Organisation hinaus beispielsweise noch ihre Kunden. Bei manchen Unternehmen drängt sich der Eindruck auf, sie zögen die halbe Welt hinzu, um neue Ideen zu sammeln. Wie gesagt, dies erfordert unternehmerische Fähigkeiten. Wie unterscheiden sich diese unternehmerischen Fähigkeiten genau von den Kompetenzen der Projektmanager? Bei Strategischen Initiativen hat man es oft mit anderen Zielgrößen zu tun als im Projektmanagement. Beim Projektmanagement geht es oft um das magische Dreieck von Kosten, Leistung und Zeit. Ein wichtiges Ziel bei Strategischen Initiativen bilden oft geschäftsfeldübergreifende Synergien, Wettbewerbsvorteile, neue Geschäftsmodelle, das Hebeln von Kernkompetenzen, Innovation oder neues Wachstum. Projektmanager, die eher technisch orientiert sind, haben es mit für sie neuen Zielgrößen zu tun, die sie verinnerlichen und in ihre eigene Expertise und Erfahrung umsetzen müssen. Der Initiativenmanager muss also über eine Haltung verfügen, die man oft als „internes Unternehmertum“ bezeichnet? Ja, er muss strategisch führen und umsetzen können. Erfolgreiche Initiativenmanager sind oft erfahrene Senior Manager, die den Konzern schon aus verschiedensten Linienpositionen in verantwortungsvoller Funktion kennengelernt haben. Über welche Kompetenz sollte ein Initiativenmanager darüber hinaus verfügen? Neben starken konzeptionellen und analytischen Fähigkeiten, über die Projektmanager ja oft auch verfügen, muss er Mitarbeiter jeder Hierarchiestufe inspirieren und sie motivieren können, an solch einem von seinem Verlauf und Ausgang oft höchst ungewissen Projekt mitzuarbeiten. Er muss schnell Feedbackprozesse aufsetzen und das dadurch gewonnene Wissen in die weiteren Prozessabläufe integrieren können. Er muss priorisieren und persönlich die enorme Komplexität bewältigen können, ohne darin verloren zu gehen. In Ihren Schriften weisen Sie auch immer wieder auf die Bedeutung der Schnittstellen zur Organisation hin. Richtig, der Initiativenmanager muss die Schnittstellen zur Organisation gestalten. Dies betrifft nicht nur die Gestaltung der organisationsstrukturellen Anbindung, sondern auch die Handhabung des oft sehr komplexen und wechselnden Machtgeflechts der Interessengruppen. Nicht wenige Strategische Initiativen scheitern, weil sie nicht passend in die Organisation eingebunden werden. „Internes Unternehmertum“ gefragt projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 7 Projektmanagement ist unser Thema Verschaffen Sie sich einen Wettbewerbs Verschaffen Sie sich einen Wettbewerbs vorteil und verbessern Sie Ihre berufliche Perspektive: Lassen Sie sich zertifizieren. Wir bieten Ihnen Lehrgänge zur Vorbe reitung auf die vierstufige, international anerkannte IPMA Projektmanagement Zertifizierung. Egal welches Level - unsere zertifizierten und praxiserfahrenen Trainer führen Sie zur angestrebten Zertifizierung. Software Seminare und Workshops zur Optimierung der PM Arbeit, z. B.: • Microsoft Project und Primavera Seminare und Coaching, z. B.: • Projektmanagement Kompakttraining • Terminsteuerung •Projektmanagement Fachmann GPM® (Qualifizierungslehrgang IPMA Level D) •Höherqualifizierung IPMA Level C bis A Die Zertifikate genießen bundes und weltweit sehr hohes Ansehen. • Präsentationstechniken • Zeitmanagement • Office Management Alle Seminare und Workshops können als Inhouseveranstaltung gerne auf die spezifischen Kundenanforderungen • Einsatz von PM Methoden • Unterstützung bei Lösungsprozessen • Systemische Arbeitsansätze Beim Coaching begleiten wir Projekt manager bei der praktischen Umsetzung des erlernten theoretischen Wissens spezifischen Kundenanforderungen zugeschnitten werden. des erlernten theoretischen Wissens. 0911 35037 20 www.gca consulting.de Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne! Anzeige PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 7 Projektmanager scheuen häufig eine zu enge Anbindung ihres Projekts an die Organisation … Eben diese Haltung kann - wenn sie grundsätzlich vertreten wird - zu Schwierigkeiten führen. Natürlich benötigen Strategische Initiativen einen nicht unerheblichen unternehmerischen Freiheitsgrad, speziell wenn der Innovationsgrad sehr hoch ist. Damit verbunden ist natürlich auch die nachvollziehbare Sorge, dass die Konzernbürokratie das junge Pflänzchen der Initiative ersticken könnte. Aber …? In der Tat könnten Projektmanager dazu neigen, zu viel Freiheit zu suchen - und nicht die Notwendigkeit einer der jeweiligen Entwicklungsphase gerecht werdenden Verbindung zur Organisation zu betrachten. Sehen Sie: Manager von Strategischen Initiativen dürfen sich von den regulären Prozessen der Organisation nicht vollständig abnabeln, um in Ruhe ihr Programm zu bearbeiten. Anbindung an Organisation ausbalancieren Weshalb nicht? Es gibt zu viel Abklärungsbedarf zwischen der Organisation und der Initiative. Wir haben es also mit der Kunstfertigkeit zu tun, einen permanenten Balanceakt zwischen Abgrenzung und Integration zu betreiben, der immer wieder geschickt ausbalanciert werden muss - zum einen, um ausreichend Freiräume zu haben, zum anderen, um Synergien zu ermöglichen. Ein Einwand sei gestattet: Projektmanager sind es durchaus gewohnt, mithilfe von Kunden, Anwendern und anderen Stakeholdern ihre Projektziele zu modifizieren … Zu modifizieren, ja. Doch bei der Strategischen Initiative haben Manager nur ein sehr abstraktes Ziel in der Hand, das sie mithilfe anderer erst mit Leben füllen müssen. Es handelt sich um eine andere Aufgabenstellung. Initiativenmanager haben es schlichtweg mit viel mehr Veränderlichkeit im Kreis der relevanten und legitimen Stakeholder zu tun, als dies in einem klassischen Projekt der Fall ist. Gelänge es dem Projektmanagement, die Kompetenzlücken zu schließen … … so könnten Projektmanager meiner Einschätzung nach wesentliche Teile ihres Wissens und ihrer Erfahrungen nutzen, um Strategische Initiativen zu führen. Einige sind sicherlich prädestiniert für diese Aufgabe. Wie können Konzerne ihre Projektmanager zu Initiativenmanagern entwickeln? Dies wäre in der Tat noch eine spannende Frage für die Forschung. Zu untersuchen wäre dabei auch, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, damit diese Entwicklung gelingt. Was könnte der erfolgreichen Entwicklung entgegenstehen? Meiner Einschätzung nach steht hinter dem erforderlichen Leadership Strategischer Initiativen und dem Konzept der „geführten Evolution“ vor allem auch eine mentale Herausforderung, da dies nicht dem klassischen hierarchischen Führungsansatz entspricht. Eine bestimmte Haltung und Führungskompetenz müsste gegeben sein - und vor allem müsste diese Aufgabe dem Einzelnen auch Spaß machen. Spaß machen? Ich kann mir vorstellen, dass es manchem Bauchweh bereitet, in derart unbekannte Gewässer vorzustoßen, wie es das Initiativenmanagement erfordert. Er würde sich in einer derartigen Situation nicht wohl fühlen, da seine Stärken anderswo liegen. Für andere wird genau dies eine spannende Herausforderung sein. Wir sprechen viel von den Voraussetzungen der Initiativenmanager. Welche Voraussetzungen muss jedoch die Organisation für Strategische Initiativen mitbringen? Vom Projektmanager zum Initiativenmanager 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 8 REPORT Foto: privat „Geführte Evolution“: Statt bestehende Pläne fortzuschreiben, werden stark variierende Ideen entwickelt („Evolution“). „Diese Ideen müssen sich dann im Kampf um Kapital, Mittel und die Aufmerksamkeit des Topmanagements bewähren und durchsetzen“, erklärt Prof. Müller-Stewens. Erst nach dieser „Selektion“ werden die ausgewählten Ideen dauerhaft in die Gesamtorganisation eingebettet und verankert („Retention“). So einfach die Vorgehensweise klingt - für den Initiativenmanager stellt sie eine große Herausforderung dar. PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 8 Eine Initiative liegt ja oft im gewissen Sinne quer zur Organisation. So kann es sein, dass ein Abteilungsleiter einen besonders qualifizierten Mitarbeiter ein bis zwei Tage in der Woche für die Initiative entbehren muss, obwohl er ihn für sein Tagesgeschäft dringend benötigt. Dafür braucht man gewisse Regeln, wenn man den Abteilungsleiter für die Initiative gewinnen will. Welche Organisationen sind besonders gut für Strategische Initiativen geeignet? Ich beobachte, dass die organisatorischen Voraussetzungen häufig auch aus der Lage heraus entstehen, in denen sich das Unternehmen befindet. Unternehmen, die in einem extrem dynamischen Umfeld agieren, entwickeln eher die Fähigkeit, mit dieser Dynamik umzugehen. Denken Sie an ein hochinnovatives Unternehmen wie etwa Google. Dort bekommen Mitarbeiter eigens freie Zeit außerhalb ihres funktionalen Umfelds, um sich Initiativen fernab von ihrem eigentlichen Arbeitsgebiet auszudenken … Moment! Ich habe vermutet, dass Initiativen von der Unternehmensspitze - also top-down - ausgelöst werden. Nicht zwingend, dies ist nur eine mögliche Spielart. Es gibt auch emergente Strategische Initiativen, die rein bottom-up - und vielleicht sogar im Widerspruch zur herrschenden Unternehmensstrategie - ausgelöst wurden. Anfangs liefen diese auch nicht unter der Überschrift „Strategische Initiativen“, hatten aber bereits klar ein unternehmerisches Motiv in ihrem Kern. Es gilt also, verschiedene Typen Strategischer Initiativen zu unterscheiden. Jeder Typ bringt dabei führungstechnisch andere Erfolgsvoraussetzungen mit sich. Primär geht es aber dabei darum, ein förderliches Umfeld für derartige Initiativen herzustellen. „Initiativenfreundliches“ Klima Ein für Initiativen förderliches Umfeld herstellen - wie gelingt dies? Unternehmen könnten es sich beispielsweise zur Regel machen, dass es sich begünstigend auf die Karriere auswirkt, wenn jemand eine Strategische Initiative über drei oder fünf Jahre geführt hat … … womit die Kandidaten auch das Unternehmen gründlich kennengelernt haben würden. Ja. Vor allem würde dies eine initiativenfreundliche Unternehmenskultur unterstützen. Auch kann das Umfeld durch Incentives begünstigt werden. Die klassische Bonuszahlung? Eher nein. Wenn, dann eher im Sinne einer sportlichen Wette. Auch soziale Anerkennung, Lob und Ehre für eine erfolgreiche Beteiligung an Initiativen sollte man nicht unterschätzen. Wer etwas bei der Umsetzung einer Strategischen Initiative geleistet hat, kann durchaus eine gewisse Prominenz im Unternehmen bekommen, etwa durch Auszeichnungen. In Ihren Forschungsarbeiten zum Thema Initiativen ist immer wieder vom „Strategischen Dialog“ die Rede. Ist damit gemeint, die Initiative im Unternehmen richtig zu „verkaufen“? Dieser kontinuierliche Strategische Dialog mit internen und externen Anspruchsgruppen ist ganz entscheidend für den Erfolg. Meist handelt es sich bei einer Strategischen Initiative auch um ein Projekt strategischen Wandels, das es dramaturgisch sorgsam zu gestalten gilt. Eine hohe Zahl von Interessen verschiedener in- und externer Anspruchsgruppen sind involviert - nicht nur bei konzernübergreifenden Initiativen. Das Unternehmen betritt hier oft schwieriges politisches Terrain. Welche Funktion hat der „Strategische Dialog? “ Der Strategische Dialog mit den Stakeholdern dient dazu, Sinnstiftung zu betreiben, die Initiative sowohl projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 9 EFFIZIENT, KOMFORTABEL, SICHER: KnownAt®Project steuert jedes Projekt zum Erfolg. — Weltweiter Zugriff auf Projekte und Daten über Internet — Einfache und revisionssichere Verwaltung von Terminen, Protokollen und Aufgaben — Benutzerfreundliche Navigation mit dem Dokumenten- Explorer — Dokumentation und Archivierung mit nur einem Klick — Unkompliziertes Erstellen individueller Vorlagen — Integrierte Controlling-Komponenten und Berichte Besuchen Sie uns auf dem PM Forum 2009, Stand Nr. 23! WWW.PI-INFORMATIK.DE PI Informatik GmbH Tel.: 030 / 91 77 44 10 Anzeige PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 9 inhaltlich als auch von ihrer personellen Besetzung her zu legitimieren, die Anspruchsgruppen in ihren Erwartungen besser zu verstehen, ihre Unterstützung zu suchen, über Interessenunterschiede und Konflikte zu verhandeln und Ähnliches mehr. Mit diesem Dialog wird also ein ganzer Strauß von Motiven verfolgt. Ähnlich wie beim Stakeholdermanagement, das Projektmanagern bekannt ist? Ich denke, dass Initiativen noch politischer und umstrittener sind als durchschnittliche Projekte. Wie gesagt, das Ziel von Initiativen ist sehr vage formuliert. Es bietet viel Raum für unterschiedliche Auslegungen. Im und außerhalb des Unternehmens können die Meinungen Strategischer Dialog sehr weit auseinandergehen, ob eine Initiative „etwas bringt“ und wie sie mit Leben zu füllen ist. Weltkonzerne umfassen häufig viele Zehntausend Mitarbeiter, die über die Welt verteilt sind. Wie soll man mit allen und jedem den Strategischen Dialog aufnehmen? Dafür wird man auch zu Mitteln der Massenkommunikation greifen müssen. Es kommt darauf an, so schnell es geht „Energie ins System“ zu bringen. Die Aufgabe besteht darin, so schnell wie möglich so vielen Menschen im Konzern wie möglich zu erklären, weshalb die Strategische Initiative unternommen werden muss. Dafür haben wir beispielsweise schon E-Learning- Programme erstellt, mit denen man alle Mitarbeiter zeitgleich erreichen kann. Über entsprechende Plattformen können dazu auch synchrone oder asynchrone Feedback- und Dialogstrukturen aufs Gleis gesetzt werden. Freilich muss dann ein solches Instrument um andere weitere ergänzt werden. Experten prognostizieren, dass Strategische Initiativen künftig immer wichtiger für diversifizierte Konzerne werden. Stimmen Sie zu? Ja. Die Bedeutung Strategischer Initiativen wird in Zukunft wohl wachsen. Konzerne, die die Umsetzung von Initiativen beherrschen, verfügen in dynamischen Märkten dann über einen Wettbewerbsvorteil in Form von Anpassung und Selbsterneuerung. Haben Unternehmen beispielsweise in den zurückliegenden zehn Jahren einige Initiativen angekündigt und gemeistert, so erhalten sie bereits einen Vertrauensvorschuss - übrigens auch an den Aktienmärkten. Was ich damit sagen will: Es lohnt sich für Konzerne, in ihr Know-how für Strategische Initiativen zu investieren, die Werkzeuge dafür weiterzuentwickeln und Kompetenz aufzubauen. Dazu zählt sicher auch der Ausbau der Kommunikations- und Dialogkompetenz. Im Projektmanagement erwartet man für die Zukunft völlig neue Formen von Großprojekten. Unternehmen werden sich, so die Prognosen, in Partnerschaften zu hochkomplexen, rechtlich eigenständigen Entwicklungsprojekten zusammenschließen, bei denen mehrere Hundert Organisationen zusammenwirken werden. Handelt es sich bei solchen Partnerschaften ebenfalls um Strategische Initiativen? Eher nein, wenn sich ein solches komplexes Kooperationsmodell bereits im eingeschwungenen Zustand befindet. Doch der Weg dorthin kann durch eine Strategische Initiative ausgelöst und betrieben worden sein. Gilt dies auch für Vorhaben wie die Entwicklung neuer Antriebstechniken für Autos, für die bisher rivalisierende Hersteller Allianzen schlossen? Ein solches Thema würde ich eher als Teilprojekt einer Initiative zum Beispiel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sehen. Daneben sind dann im Allgemeinen noch andere Projekte zu erwarten. Konzerne bauen Know-how auf 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 10 REPORT Foto: privat „Strategische Initiativen können Sie kaum allein mit dem heute oft praktizierten Projektmanagement umsetzen“, erklärt Prof. Günter Müller-Stewens. Doch wären hocherfahrene Projektmanager für die Leitung der Initiativen „prädestiniert“, fährt er fort. Eine Herausforderung für die PM-Zukunft? PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 10 Spielen wir dieses Beispiel durch! Bei der Sammlung von Ideen meldet ein Verantwortlicher aus dem Motorenbau zurück: Gelänge es, die Motorenproduktion um ein Mehrfaches zu steigern, so würden sich die Kosten reduzieren. Ein anderer ergänzt: Mit unserem Unternehmen allein schaffen wir nicht die Erhöhung der Motorenproduktion, selbst wenn wir unseren Absatz steigern würden. Also sucht man sich Partner. So sind derartige unternehmensübergreifenden Projekte - so gewaltig sie auch sind - doch nicht mehr als Unterprojekte einer Initiative. Diese gibt die strategische Stoßrichtung vor, während die Projekte bereits Ansätze zu ihrer Umsetzung sind. Viele Projektmanager sind an solchen Unterprojekten beteiligt, die sich aus der Initiative herausbilden. Sollten diese Projektmanager nicht intensiv über Stoßrichtung und Inhalt der Initiative informiert werden, die hinter ihrem Projekt steht? Dies müssten sie, freilich, damit das Projekt die notwendige Sinnstiftung erfährt. Zudem wollen die Mitarbeiter besonders im Wandel ihr Schicksal möglichst selbst in den Händen haben. Projekte an Initiativen anbinden Die Praxis zeigt aber, dass diesen Projektmanagern die Ziele für das Vorhaben genannt werden - und nicht der Zusammenhang erläutert wird, in dem sich ihr Projekt befindet. Wir haben in unseren Studien erhebliche Defizite bei der Kommunikation festgestellt. Oft werden Führungskräften aus dem mittleren Management nur Ziele übermittelt. Damit stempelt man sie zu rein ausführenden Figuren ab, und man vergibt als Organisation wichtige Lern- und Beschleunigungschancen für die Initiative. Wie darf ich dies verstehen? Machen Sie den klassischen Test im mittleren Management. Fragen Sie, ob die Führungskräfte Ziele vereinbart haben. In der Regel haben sie Ziele vereinbart. Nächste Frage: Können sie die Ziele auch benennen? Dies können sie auch. Indes, wenn die Manager erklären sollen, in welchem strategischen Zusammenhang diese Ziele stehen - dann müssen sie passen. Dies wurde ihnen nicht mitgeteilt. Ein Punkt, der sich für ein erfolgreiches Zusammenspiel von Strategischen Initiativen und Projekten ändern muss? Auf jeden Fall! Wir werden es künftig immer mehr mit Projekten zu tun haben, für die das Verständnis der Unternehmensstrategie entscheidend ist. Projektmanager müssen diese Strategie kennen, um bei ihrem Vorhaben nicht nur das vereinbarte Ziel zu erreichen, sondern um auch die Gesamtstrategie ihres Unternehmens unterstützen zu können. ■ Literatur [1] Müller-Stewens, Günter/ Brauer, Matthias: Corporate Strategy & Governance. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2009 projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 11 Projekte Initiativen Hauptakteure ❑ Projektleiter und -teams ❑ Corporate Management in Interaktion mit Geschäftseinheiten Zielgrößen ❑ Projekterfolg ❑ Leistung - Kosten - Zeit ❑ Performance einzelner Geschäfte oder geschäftsfeldübergreifende Synergien ❑ Wettbewerbsvorteile, Geschäftsmodell oder Kernkompetenzen ❑ Effizienzsteigerung oder Wachstum/ Innovation Managementkompetenzen ❑ Etablierte Projektmanagementinstrumente ❑ Umsetzungskompetenz ❑ Internes Unternehmertum ❑ Strategische Führung und Umsetzungskompetenz Adressaten ❑ V. a. interne Kommunikation ❑ Interne und externe Kommunikation (v. a. auch Investoren und Kapitalmarkt) Projekte und Initiativen im Vergleich; Quelle: Prof. Günter Müller-Stewens, Prof. Dr. Christoph Lechner, Torsten Schmid Mertens, P.: Fehlschläge bei IT-Projekten der Öffentlichen Verwaltung. Arbeitspapier 1/ 2009, Universität Erlangen-Nürnberg, Wirtschaftsinformatik I Prof. Peter Mertens hat für seine Studie sieben Projekte, die öffentliche Auftraggeber in Deutschland initiiert hatten und die in große Schwierigkeiten geraten waren, ausgewertet. Darunter sind die Projekte Autobahn-Maut Toll Collect, FISCUS - Vereinheitlichte IT für die Steuerverwaltungen, A2LL in der Arbeitsverwaltung und EGK Elektronische Gesundheitskarte. Die Arbeit identifiziert eine ganze Reihe von Ursachen für die Fehlschläge. Dazu gehören eine ungünstige Relation „Zeit zur Vorbereitung“ versus „Realisierung“, zu viele Spezifikationsänderungen und Moving Targets, ungünstige politische Einflüsse, komplexe Aufbauorganisationen (vor allem Gremienvielfalt), Überforderung des staatlichen Personals, Komplexität durch starke Betonung des Datenschutzes, Überbetonung der Kerninformatik, zu geringes Gewicht der IT im Projektteam und Probleme bei der Ausschreibung. Heinz Schelle Für Sie gelesen PM_5-09_1-60: Inhalt 29.09.2009 9: 18 Uhr Seite 11