PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Jenseits von Zeit, Kosten und Qualität: Benefits Management als Ansatz zur Realisierung von Nutzeffekten in IT- und Organisationsprojekten
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Jessica Braun
Frederik Ahlemann
Die Realisierung des Nutzens aus IT- und Organisationsprojekten stellt Unternehmen oft vor große Herausforderungen. Zwar spielt der Nutzen zu Beginn eines jeden Projekts noch eine zentrale Rolle und die Nutzenbewertung ist für eine Projektfreigabe unabdingbar. Jedoch planen die wenigsten Unternehmen ihre Nutzenrealisierung aktiv oder haben ein Nutzencontrolling etabliert, welches die tatsächliche Nutzenrealisierung misst. Das sogenannte Benefits Management soll Unternehmen genau hierbei unterstützen: Nutzenpotenziale nachhaltiger planen, realisieren und managen. Dieser Beitrag stellt zunächst den Ansatz des Benefits Managements vor und geht im Anschluss im Detail
auf die Ergebnisse einer in 2008 durchgeführten Studie ein, in der Vorstände, Linienmanager und Projektleiter aus 29 Unternehmen zum Thema Benefits Management befragt wurden. Hierbei steht insbesondere der aktuelle Stand in der Praxis im Vordergrund. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden dem Leser im Verlauf des Beitrages Handlungsempfehlungen für ein erfolgreiches Benefits Management aufgezeigt.
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1. Einleitung Es gibt vielfältige Motivationen für Investitionen in die Informationstechnologie für Unternehmen, darunter sind 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 26 WISSEN Jessica Braun, Frederik Ahlemann Jenseits von Zeit, Kosten und Qualität: Benefits Management als Ansatz zur Realisierung von Nutzeffekten in IT- und Organisationsprojekten Der Begriff „Benefits Management“ bezeichnet die systematische Planung, Realisierung und Kontrolle von Nutzen als Ergebnis der Umsetzung von Projekten. Der folgende Beitrag zeigt die Ergebnisse einer 2008 durchgeführten Interviewstudie der European Business School, in der Vorstände, Linienmanager und Projektleiter aus 29 Unternehmen zum Thema Benefits Management befragt wurden. Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen hierbei bei Prozessen, Methoden sowie Organisations- und Governance-Strukturen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Notwendigkeit von Benefits Management bereits erkannt wurde, sich die meisten Unternehmen jedoch noch am Anfang langfristig angelegter Benefits-Management- Initiativen befinden. So spielt der Nutzen bei der Projektfreigabe meist noch eine wichtige Rolle und rückt im Projektverlauf häufig in den Hintergrund der klassischen Projektsteuerungsgrößen Kosten und Zeit. Jedoch gerade in wirtschaftlich kritischen Zeiten wie diesen gewinnt die Realisierung von Nutzenpotenzialen an Bedeutung, da es sich kaum ein Unternehmen leisten kann, Nutzenpotenziale wie zum Beispiel Umsatzsteigerungen oder Kosteneinsparungen nicht zu realisieren, wenn Investitionen in die IT getätigt werden. Hierbei sieht sich jedoch der Auftraggeber, der in den Interviews mehrheitlich als Verantwortlicher für die Nutzenrealisierung genannt wurde, Herausforderungen wie einer hohen Umweltdynamik und einer zunehmenden Komplexität von Nutzen ausgesetzt. Die Realisierung des Nutzens aus IT- und Organisationsprojekten stellt Unternehmen oft vor große Herausforderungen. Zwar spielt der Nutzen zu Beginn eines jeden Projekts noch eine zentrale Rolle und die Nutzenbewertung ist für eine Projektfreigabe unabdingbar. Jedoch planen die wenigsten Unternehmen ihre Nutzenrealisierung aktiv oder haben ein Nutzencontrolling etabliert, welches die tatsächliche Nutzenrealisierung misst. Das sogenannte Benefits Management soll Unternehmen genau hierbei unterstützen: Nutzenpotenziale nachhaltiger planen, realisieren und managen. Dieser Beitrag stellt zunächst den Ansatz des Benefits Managements vor und geht im Anschluss im Detail auf die Ergebnisse einer in 2008 durchgeführten Studie ein, in der Vorstände, Linienmanager und Projektleiter aus 29 Unternehmen zum Thema Benefits Management befragt wurden. Hierbei steht insbesondere der aktuelle Stand in der Praxis im Vordergrund. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden dem Leser im Verlauf des Beitrages Handlungsempfehlungen für ein erfolgreiches Benefits Management aufgezeigt. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ häufig die Realisierung von Kostensenkungspotenzialen, Umsatz- und Ertragssteigerungen, die Optimierung von Geschäftsprozessen und die Erreichung strategischer Unternehmensziele zu finden. So investiert die Warenkette Kaiser’s Tengelmann in ein Warenwirtschaftssystem, um eine artikelgenaue Bestandsführung zu erreichen [1], der Markenartikelhersteller Beiersdorf führt ein neues Business-Intelligence-System ein, um strategische Pläne und Finanzpläne in ein umfassendes Finanzmodell zu integrieren [3], und die VTB Bank implementiert eine IT-Controlling-Plattform, um die IT-Kosten besser zu planen [2]. Auch wenn die hier genannten Projekte erfolgreich abgeschlossen wurden, werden jedoch genau diese Ziele oft nicht oder nur teilweise realisiert, obwohl sie der treibende Faktor für eine Investition sind. Die Ursache für eine fehlende Nutzenrealisierung ist dabei meist die nicht ausreichende Integration von Technologie, Geschäftsprozessen und Menschen im Vorfeld, während und nach Abschluss der IT-Projekte, insbesondere in Hinblick auf den Nutzen. Gemessen an der zunehmenden Komplexität von Projekten ist es nicht verwunderlich, dass sich Unternehmen bei der Nutzenrealisierung großen Herausforderungen ausgesetzt sehen. Oft- PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 26 mals wird der Nutzen zugunsten von Steuerungsgrößen wie Zeit, Budget und Qualität vernachlässigt, da diese einfacher mess- und steuerbar sind. Da Projekte jedoch nicht zum Selbstzweck, sondern wegen ihres Nutzens durchgeführt werden, hat sich in der wissenschaftlichen Literatur das Forschungsfeld „Benefits Management“ entwickelt [5]. Das Ziel des Benefits Management ist die erfolgreiche Nutzenrealisierung innerhalb von Projekten durch die Anwendung spezifischer Methoden und Prozesse. Diesen Ansatz greift der folgende Beitrag auf und vermittelt zunächst die Grundlagen des Benefits Managements, wobei sowohl auf die Entstehung als auch auf den am weitesten verbreiteten Ansatz und die dazugehörigen Methoden eingegangen wird. Anschließend werden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die vom Institute of Research on Information Systems (IRIS) der European Business School (EBS) und der Unternehmensberatung AAA Auctor Actor Advisor jüngst abgeschlossen wurde und den aktuellen Stand des Benefits Management erhoben hat. Hierbei steht insbesondere der aktuelle Stand der Praxis im Vordergrund. Weiterhin werden Handlungsempfehlungen aufgezeigt, wie erste Schritte hin zu einem erfolgreichen Benefits Management in Unternehmen implementiert werden können. 2. Was ist Benefits Management? Erste wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Benefits Management sind Mitte der 1990er-Jahre in Großbritannien entstanden. Hier wird Benefits Management als ein Prozess definiert, der die Realisierung von Nutzenpotenzialen aus IT-Investitionen sicherstellt [5]. Der zentrale Gedanke des Benefits Management ist, dass IT per se keinen Nutzen hat, sondern dass stets Veränderungen notwendig sind, um einen Nutzen zu erzielen. Veränderungen bedeuten auf beiden Seiten - sowohl innerhalb der IT als auch innerhalb des Fachbereiches - Anpassungen in Geschäftsabläufen, die entsprechend geplant und begleitet werden müssen. Die Tabelle 1 zeigt die Unterschiede zwischen herkömmlichen Projektmanagementansätzen und dem Benefits Management. Der wohl grundlegendste Unterschied zwischen Benefits Management und „herkömmlichen“ Projektmanagementansätzen ist die Fokussierung auf den Geschäftsnutzen von Projekten anstelle einer Fokussierung auf technologische Aspekte. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die IT lediglich die Grundlage für eine erfolgreiche Nutzenrealisierung schafft. Erst durch eine entsprechende Planung der Nutzenrealisierung auf Basis neuer technologischer Voraussetzungen sowie dem Management notwendiger Veränderungen in den Geschäftsprozessen kann der Nutzen anschließend realisiert werden. Auch sollten Audits stärker auf Nutzenaspekte als auf Projektbudget und Technologie ausgerichtet sein, um gegebenenfalls rechtzeitig gegensteuern zu können. Eine frühe empirische Studie aus den 1990er-Jahren zeigt jedoch deutlich, dass es nur wenige Unternehmen gibt, die einen solchen Benefits-Management-Prozess etabliert haben [5]. Auch in der Wiederholung dieser projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 27 Anzeige „Herkömmliche“ Projektmanagementansätze Benefits Management Einführung von Technologie (Projekt „in time“ und „in budget“) Realisierung von Nutzenpotenzialen Wirtschaftlichkeitsrechnung zur Budgetfreigabe Business Case - Berücksichtigung von sog. Business Drivers IT-Implementierungsplan Change Management und Nutzenrealisierungsplan Stakeholder werden lediglich informiert Stakeholder werden aktiv involviert Technologie- und Projektaudits Nutzenaudits Tabelle 1: Projektmanagement vs. Benefits Management PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 27 Studie 2007 wird deutlich, dass in der Praxis weiterhin ein großes Verbesserungspotenzial in Hinblick auf eine erfolgreiche Nutzenrealisierung vorhanden ist [4]. Es wurden jedoch erste Faktoren identifiziert, welche erfolgreiche Unternehmen von weniger erfolgreichen Unternehmen in Hinblick auf eine Nutzenrealisierung differenzieren: 1. Weitergabe von Lessons Learned 2. Regelmäßige Kontrolle von organisationalen Veränderungen 3. Erstellen eines Nutzenrealisierungsplans 4. Regelmäßige Kontrolle des Nutzenrealisierungsplans und 5. Erstellen eines Plans für organisationale Veränderungen [4]. Insbesondere eine entsprechende Unternehmenskultur und damit verbunden die Weitergabe von Lessons Learned wurde als Grund für eine erfolgreiche Nutzenrealisierung genannt. Dies zeigt, dass Methoden im Benefits Management nicht die zentrale Rolle spielen. Vielmehr sollte eine Unternehmenskultur vorhanden sein, die einen offenen Austausch über Projekte ermöglicht. In der Abb. 1 sind die Grundlagen einer positiven Benefits- Management-Kultur dargestellt, auf Basis derer eine erfolgreiche Nutzenrealisierung stattfinden kann. Weiterhin zeigen die Punkte 2. bis 5., dass Unternehmen sich vermehrt auf den Nutzen und die notwendigen organisationalen Veränderungen konzentrieren sollten. Hierfür sind sowohl Planung als auch eine regelmäßige Kontrolle notwendig, wie es in klassischen Projektmanagementansätzen schon für die Steuerungsgrößen Zeit, Kosten und Qualität der Fall ist. 3. Ausrichtung der Studie Den ersten Baustein eines von der European Business School (EBS) zum Benefits Management durchgeführten Forschungsprogramms bildet die 2008 durchgeführte explorative Studie, deren Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. Mittels Leitfaden-gestützter Interviews wurden mit Vorstandsmitgliedern, Linienmanagern und Projektleitern insgesamt 36 Interviews in 29 deutschsprachigen Unternehmen zum aktuellen Stand des Benefits Managements geführt. Die Interviewpartner kommen hierbei aus einer Vielzahl von Branchen: Finanzdienstleister, Versicherungen, Logistikdienstleister, Energiedienstleister, IT-Dienstleister und Telekommunikation. Das Ziel der Studie war es, ein tieferes Verständnis für die bisher in der Praxis zum Einsatz kommenden Methoden und Prozesse zu erhalten. Gleichzeitig sollten die Hauptherausforderungen und Erfolgsfaktoren identifiziert werden. Da Benefits Management ein bisher noch sehr wenig erforschtes wissenschaftliches Themengebiet darstellt, können über diese persönlichen Interviews möglichst viele und reichhaltige Informationen gewonnen werden. Nach Abschluss der Interviews wurden diese schriftlich dokumentiert und von den jeweiligen Interviewpartnern freigegeben. Die Ergebnisse der abschließenden Inhaltsanalyse werden im Folgenden dargestellt. Hierbei wurden die Interviews nach wiederkehrenden Antwortmustern durchsucht. Aus der Analyse der Antworthäufigkeiten wurden Rückschlüsse auf die Wichtigkeit bestimmter Faktoren gezogen. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 28 WISSEN Abb. 1: Kultur eines effektiven Benefits Managements PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 28 4. Aktueller Stand des Benefits Managements Die Datenerhebung für die Studie erfolgte anhand der fünf Phasen des Cranfield Benefits Management Models [5] (Abb. 2). Dieses Modell beschreibt den Ablauf des Benefits Management und skizziert die Aufgaben, die in jeder Phase zu bewerkstelligen sind. Nachstehend wird jede Phase kurz vorgestellt. Dann wird erläutert, welche Erkenntnisse in Hinblick auf die Phase gewonnen wurden. Zunächst wird jedoch ein Gesamtüberblick über den Entwicklungsstand des Benefits Managements in deutschsprachigen Unternehmen gegeben. Bei einer Mehrzahl der Teilnehmer ist ein Problembewusstsein in Hinblick auf die Nutzenrealisierung von Projekten vorhanden und die Notwendigkeit von Benefits Management wird gesehen. Es gibt jedoch in der Regel keine langfristig angelegten Initiativen zur Entwicklung des Benefits Managements. Außerdem konnte festgestellt werden, dass Benefits Management umso mehr an Bedeutung gewinnt, je größer die strategische Relevanz des Projektportfolios ist. In Branchen mit großen Investitionen in Realgüter, wie zum Beispiel in der Energiebranche mit hohen Investitionen in Kraftwerke, wird die strategische Relevanz der IT und auch die Bedeutung des Benefits Management vergleichsweise geringer eingeschätzt als zum Beispiel in der Finanzindustrie. Nutzenidentifikation „Für die internen Projekte wird der Nutzen ausschließlich qualitativ bewertet.“ „Momentan erfolgt die Priorisierung ganz klar anhand von quantitativen Kriterien.“ Die erste Phase des Benefits-Management- Modells beinhaltet die Identifizierung und Strukturierung der erwarteten Nutzenarten. Ein häufig genannter Ansatz ist die Unterscheidung in quantitative und qualitative Nutzenarten, die dann weiter detailliert werden in z. B. Kosteneinsparungen (quantitativ) oder Mitarbeiterzufriedenheit (qualitativ). Die Studie hat gezeigt, wie unterschiedlich die Schwerpunkte bei der Identifikation des Nutzens sind; so gibt es Unternehmen, die prinzipiell nur quantifizierbaren Nutzen identifizieren, während andere nur qualitativ arbeiten. Über die Identifikation der Nutzenwirkungen hinaus dient diese initiale Phase des Benefits Managements der Klärung von Rollen und Verantwortungen vor, im und nach dem Projekt. So sollte es neben der Rolle des Projektleiters auch einen sog. Nutzenverantwortlichen geben. Dieser ist über alle Projektphasen hinweg dafür verantwortlich, die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Nutzenrealisierung zu schaffen. Die explorative Studie hat gezeigt, dass in der Regel nur wenige einfache Nutzenkategorien einer Projektbewertung zugrunde gelegt werden. Der Schwerpunkt liegt wahlweise bei qualitativen oder quantitativen Nutzenkriterien (Tabelle 2). Prozessoptimierung wurde bei den Unternehmen als qualitative Nutzenart genannt, die noch nicht über Prozesskennzahlen verfügen. Ist dies jedoch der Fall, wird Prozessoptimierung als quantitative Nutzenart eingestuft. Die Priorisierung von Projekten erfolgt jedoch in der Regel anhand quantitativer Kriterien. In dieser Phase des Benefits Managements gelingt es bisher nur einigen wenigen Unternehmen, strategische Planung und Benefits Management von Beginn an miteinander zu koppeln. So hat sich bei Unternehmen mit hohem Reifegrad gezeigt, dass diese in der Lage waren, strategische Ziele in an Projekte gebundenen Nutzen zu übersetzen. Folglich projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 29 © 2005 www.first- T r a i n i n g Projektpersonal optimal vorbereiten Basisseminare für Methoden- und Soziale Kompetenz •Projektmanagement Grundlagen (erhielt ein GUT von Stiftung Warentest) •Zusammenarbeit in Projekten Vertiefung für Projektsteuerung und Techniken des •Projektdiagnose und -steuerung •Die richtigen Techniken in jeder Projektphase (Fallstudien-Training) Ausbildungsreihen mit ibo-Zertifikat •Projektmanagement-Fachmann/ -frau •Projektleiter/ in •Projektmanager/ in Internationale Standards Alle Inhalte orientieren sich an den Standards der IPMA und des PMI®. Weitere Infos finden Sie unter www.ibo.de. Ihre Ansprechpartnerinnen Barbara Bausch, Heike Borschel training@ibo.de ibo Beratung und Training GmbH Im Westpark 8 | D-35435 Wettenberg T: +49 641 98210-300 F: +49 641 98210-500 training@ibo.de | www.ibo.de Beratung | Software | Training | Verlag Anzeige Id tifi i d 1 Identifizierung und Strukturierung des Nutzens 2 5 Bewertung des Nutzenpotenzials und Planung der Nutzenrealisierung Identifikation zusätzlicher Nutzenpotenziale 2 5 3 4 Nutzenrealisierung Review (Soll-Ist Vergleich) Abb. 2: Cranfield Benefits-Management-Modell PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 29 trägt jedes Projekt zur Realisierung der strategischen Zielvorgaben bei und wird nicht um seiner selbst willen durchgeführt. Auch gelingt so eine bessere Priorisierung von Projektvorhaben, die insbesondere in Krisenzeiten um begrenzte Budgets konkurrieren. Nutzenbewertung „Die Aufgabe der IT ist jedoch gerade aufzuzeigen, wo durch IT-Unterstützung ein Mehrwert für das Business generiert werden kann. Dies stellt jedoch häufig eine große Herausforderung dar.“ „Nutzen muss intuitiv und klar darstellbar und realistisch im Hinblick auf die Erreichbarkeit sein.“ Innerhalb der zweiten Phase der Benefits-Management- Prozesse wird der zuvor identifizierte Nutzen quantifiziert. Hierfür muss für jede Nutzenart festgelegt werden, anhand welcher Metriken diese gemessen wird. Das Benefits-Management-Modell sieht weiterhin die Erstellung eines sogenannten Benefits-Management-Plans vor, der die wesentlichen Meilensteine für die Nutzenrealisierung enthält. Dieser ist analog zu einem Projektplan aufgebaut und beinhaltet die Aktivitäten, welche notwendig sind, um Veränderungen innerhalb der Organisation durchzusetzen, die zur Realisierung des Nutzens führen. So sollten im Falle von Kosteneinsparungen auf der Personalseite, die entsprechenden Stellen auch frühzeitig aus der Planung gestrichen werden. Die Interviewstudie hat ergeben, dass die Bewertung von direkt monetär messbaren Nutzeffekten in der Regel innerhalb des klassischen Business Case berücksichtigt wird. Qualitative Nutzeffekte werden hingegen häufig über Nutzwertanalysen bzw. Punktbewertungsverfahren erfasst (Tabelle 3). Die Nutzenbewertung erfolgt in der Regel in Zusammenarbeit durch den Fachbereich (Auftraggeber) und die IT, wobei die Verantwortung, den Nutzen „herzuleiten“, beim Auftraggeber liegt. Die IT steuert meist den Aufwand für die Projektrealisierung hinzu. Eine Planung der Realisierung des Nutzens findet jedoch praktisch nicht statt. Die „optimale“ Bewertungsmethode scheint es bisher nicht zu geben. Die Herausforderung liegt jedoch nicht in der Anwendung der Methoden selber, sondern vielmehr in der Identifizierung und Quantifizierung der relevanten Eingangsgrößen. So ist sowohl für die Kosten- Nutzen-Analyse als auch für eine RoI-Kalkulation eine monetäre Bewertung des Nutzens notwendig, welche die Unternehmen häufig vor große Herausforderungen stellt. Auch wenn eine Nutzenbewertung immer nur mit einer gewissen Scheingenauigkeit quantifiziert werden kann, ist es wichtig, den Nutzen nicht bewusst zu hoch zu bewerten, um die Wahrscheinlichkeit einer Projektfreigabe zu erhöhen. Vielmehr sollte der Blick von Einzelprojekten gelöst werden, um letztendlich das Projektportfolio umzusetzen, welches für das Unternehmen den größten Nutzen hat. Nutzenrealisierung „Ein Projektleiter kann keinen Nutzen realisieren, sondern schafft die Voraussetzung, dass Nutzen realisiert wird.“ „In der Vergangenheit ist kein Projekt am Nutzen gescheitert, weil es nicht auf einen Nutzen ausgerichtet war bzw. keine Nutzenrealisierung zu Beginn des Projektes definiert wurde.“ Die Nutzenrealisierungsphase dient der Umsetzung des zuvor geplanten Nutzens. Da der Nutzen jedoch in der Regel erst sehr zeitverzögert und nach Projektabschluss eintritt, dauert diese Phase länger als das eigentliche IT- Projekt. Außerdem muss der Nutzen durch eigene Aktivitäten erarbeitet werden und stellt sich nicht automatisch als Konsequenz der Projektarbeit ein. Die Verantwortung für die Nutzenrealisierung wird mehrheitlich beim Auftraggeber (Fachbereich) gesehen, während die IT lediglich die Aufgabe hat, die Grundlage für die Nutzenrealisierung zu schaffen. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 30 WISSEN TOP qualitative Nutzenarten TOP quantitative Nutzenarten Kundenbindung Kostensenkung Prozessoptimierung Maximierung des Unternehmenswertes Mitarbeiterzufriedenheit Prozessoptimierung Sicherheit Opportunitätskosten Imagegewinn Gewinn von Marktanteilen Tabelle 2: Qualitative und quantitative Nutzenarten TOP Bewertungsmethoden Kosten-Nutzen-Analyse Return-on-Investement(RoI)-Kalkulation Kennzahlensysteme wie Balanced Scorecard (BSC) Risikoanalyse Sprachliche Beschreibung von Nutzen Tabelle 3: Bewertungsmethoden für den Nutzen Die empirischen Ergebnisse zeigen auch, dass sich das Projektteam meist auf die Realisierung des Projektergebnisses, nicht aber auf die Realisierung des Projektnutzens konzentriert (Tabelle 4). Als Ziel- und Steuerungsgrößen zur Realisierung des Projektergebnisses kommen häufig lediglich klassische Metriken zu Zeit, Kosten/ Budget, Qualität und Scope zum Einsatz, wobei die Kosten die wichtigste Steuerungsgröße während der Projektlaufzeit sind. So hat ein Projektabschluss innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens eine hohe Priorität und der inhaltliche Fortschritt eines Projektes wird gewissenhaft über Meilensteine gesteuert. Der Nutzen und auch Abhängigkeiten zwischen Projekten werden nur in den seltensten Fällen als Projektsteuerungsgröße verwendet. TOP Steuerungsgrößen Kosten Zeit Scope/ Deliverables Nutzen Abhängigkeiten zwischen Projekten Tabelle 4: Steuerungsgrößen während der Projektlaufzeit PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 30 Um die Phase der Nutzenrealisierung erfolgreich abschließen zu können, ist es wichtig, ein entsprechendes Governance-Modell in der Organisation zu implementieren, in dem die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind (Abb. 3). So sollten die drei Rollen (1) Projektauftraggeber, (2) Projektauftragnehmer und (3) Strategisches Management und deren Aufgaben klar definiert sein. Während der Projektauftraggeber die Anforderungen definiert, den Nutzenrealisierungsplan entwickelt und auch für die Umsetzung zuständig ist, liegen die Aufgaben des Projektauftragnehmers bei der Definition der technischen Lösung und deren Umsetzung. Das Strategische Management ist als übergreifende Instanz für die Entwicklung eines Projektportfolios zuständig, welches die Strategie in nutzenstiftende Projekte übersetzt. Nutzenreview und -identifikation zusätzlicher Potenziale „Verantwortlich für den Nutzen/ das Nutzeninkasso ist der Aufraggeber.“ „Eine systematische Identifikation zusätzlicher Nutzenpotenziale findet jedoch nicht statt.“ Die vorletzte Phase innerhalb des Benefits-Management- Prozesses dient der Kontrolle der Nutzenerreichung. Auch sollen hier Maßnahmen und Konsequenzen in Hinblick auf nicht erreichte Nutzenpotenziale definiert und ausgeführt sowie „Lessons Learned“ dokumentiert werden. Die empirischen Ergebnisse zeigen zwar, dass Ex-post- Nutzenbetrachtungen bereits bei einer Reihe von Unternehmen durchgeführt werden - meist jedoch nur in Hinblick auf Zeit und Kosten und nicht in Hinblick auf den Nutzen (Tabelle 5). Ein Projektabschlussbericht scheint projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 31 Abb. 3: Elemente eines Benefits-Management-Governance-Modells TOP Methoden bei Projektabschluss Projektabschlussbericht Lessons Learned Review Soll-Ist-Vergleich der Kosten und Zeit Soll-Ist-Vergleich des Nutzens Tabelle 5: Methoden bei Projektabschluss Anzeige PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 31 das häufigste und praktischste Mittel zu sein, ein Projekt formal abzunehmen. Hierbei erstellen die Unternehmen in der Regel unternehmensweit gültige Vorlagen, welche zur Verwendung kommen. Lessons Learned werden ebenfalls bei der Mehrzahl der Projekte dokumentiert, hierbei handelt es sich in der Regel um eine verbale Beschreibung. Allen Projektreviews ist gemeinsam, dass ein sogenanntes Review Board auf Basis einer Präsentation oder eines Projektabschlussberichtes über die formale Abnahme des Projektes entscheidet. Dieses Review Board ist in der Regel auch während der Projektlaufzeit das höchste Eskalationsgremium. Ein effektives Nutzeninkasso ist hingegen nur bei sehr wenigen Unternehmen institutionalisiert. Wenn dies der Fall ist, ist der Auftraggeber verantwortlich für die Durchführung. Problematisch ist jedoch insbesondere die zeitliche Verzögerung des Nutzeneintritts, der einen Vergleich von geplantem und realisiertem Nutzen oft erst Monate nach Projektabschluss ermöglicht. Wird ein solcher Nutzenreview durchgeführt, stimmen geplanter Nutzen und realisierter Nutzen jedoch in den wenigsten Fällen überein. In der Regel ist der realisierte Nutzen geringer als der geplante Nutzen, es scheint jedoch schwierig, einen genauen Grad der Abweichung zu bestimmen, sodass dieser häufig lediglich verbal ausgedrückt wird (niedrig, mittel, hoch). Je größer und komplexer ein Projekt ist, desto größer ist im Übrigen die Wahrscheinlichkeit der Abweichung zwischen geplantem und realisiertem Nutzen. Die letzte Phase des Benefits Managements dient auch der Identifikation zusätzlicher Nutzenpotenziale, da es gerade bei komplexen Investitionsvorhaben kaum möglich ist, alle Nutzenaspekte im Vorfeld zu identifizieren. Diese Aktivitäten werden praktisch jedoch nicht durchgeführt. Viele Unternehmen decken diesen Bereich über Change Requests ab, über die im Regelbetrieb ein bestehendes IT-System weiterentwickelt wird. Aus den Change Requests resultieren jedoch in den seltensten Fällen Projekte, da der Aufwand für die Entwicklung als eher klein einzuschätzen ist 5. Fazit und nächste Schritte Benefits Management ist die konsequente Fortsetzung des Projektportfoliomanagements. Letzteres dient der Identifikation des „richtigen“ Projektportfolios und das Benefits Management stellt die Realisierung der Nutzenpotenziale aus diesem Projektportfolio sicher. Die meisten Unternehmen befinden sich jedoch am Anfang: Die Mehrheit der Studienteilnehmer hat ihren Business Case um eine Nutzenanalyse erweitert und misst teilweise auch die Nutzenerreichung. Solche Unternehmen sollten als nächsten Entwicklungsschritt über die Einführung einer Benefits Management Governance und die Kopplung mit der strategischen Planung nachdenken (Abb. 4). Durch letzteres werden zum einen strategische Ziele in an Projekte gebundenen Nutzen übersetzt und zum anderen erfolgt ein aktives Einbinden von Informationen aus dem Benefits-Management-Prozess in die strategische Planung sowie ein Controlling der Strategieumsetzung. Außerdem entfaltet Benefits Management seine Wirksamkeit nur bei einer entsprechenden Führungs- und Unternehmenskultur und einer direkten Kopplung mit den Anreizsystemen einer Organisation. Die Entwicklung eines umfassenden Benefits Managements kann folglich nur im Rahmen eines langfristig angelegten Transitionsprozesses erreicht werden. Der nächste Schritt im Rahmen des Benefits-Management-Forschungsprojektes an der European Business School ist eine quantitative Studie, welche den Einfluss von Benefits Management auf den Unternehmenserfolg quantifizieren wird. ■ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 32 WISSEN Abb. 4: Integration des Benefits Managements in die strategische Planung PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 32 Literatur [1] Grünberg, F.: Warenwirtschaft bei Kaiser’s Tengelmann - Größtes IT-Projekt vor dem Abschluss. 16.6.2009, www. cio.de/ it_berater/ nachrichten/ 885416/ index.html [2] Putter, C.: IT-Controlling Plattform für VTB Bank - Ein Preisschild für jedes IT-Produkt. 23.6.2009, www.cio.de/ financeit/ best_practice/ 888791/ index.html [3] Sarsam, R.: Integriertes Finanzmodell für das Endkundengeschäft - Beiersdorf rüstet sich mit BI für die Zukunft. 10.6.2009, www.cio.de/ it_berater/ nachrichten/ 885159/ index.html [4] Ward, J./ De Hertogh, S./ Viaene, S.: Managing Benefits from IS/ IT Investments. In: Proceedings of the Hawaii International Conference on System Sciences. Waikoloa, Big Island, Hawaii, 2007 [5] Ward, J./ Taylor, P./ Bond, P.: Evaluation and realisation of IS/ IT benefits: an empirical study of current practice. In: European Journal of Information Systems, 4, 1996, pp. 214-225 Schlagwörter Benefits Management, Controlling, Nutzen, Nutzenmanagement, Projektmanagement, Strategisches IT-Management Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.1 Projektmanagementerfolg; 4.1.3 Projektanforderungen und Projektziele; 4.1.10 Leistungsumfang und Lieferobjekte (Deliverables), 4.1.20 Projektabschluss; 4.3.3 Portfolioorientierung Autorin Dipl.-Wirtsch.-Inform. Jessica Braun (geb. Rößler) studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität Erlangen- Nürnberg und ist seit 2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute of Research on Information Systems (IRIS) an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel. Im Rahmen ihrer Dissertation setzt sich Frau Braun mit der Fragestellung auseinander, wie Unternehmen eine nachhaltige Nutzenrealisierung aus Investitionen in Informationstechnologie sicherstellen können. Parallel zu ihrer wissenschaftlichen Laufbahn ist Frau Braun als Business Analyst bei der Lufthansa Systems tätig. Anschrift Tel.: 0 67 23/ 9 91-2 48, Fax: 0 67 23/ 9 91-2 55 E-Mail: Jessica.Braun@ebs.edu Autor Prof. Dr. Frederik Ahlemann, Juniorprofessor für Information Systems and Strategic IT Management, studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität Münster und war danach als Berater im Bereich Projektmanagement beschäftigt. Dann wechselte er mit dem Ziel der Promotion an die Universität Osnabrück. Dort beschäftigte sich Herr Ahlemann unter anderem mit Multiprojektmanagement und der Konzeption entsprechender Anwendungssysteme, Projektmanagementstandards sowie IT-Governance-Themen. Er ist Autor einer umfassenden Marktstudie zu Projektportfoliomanagement- Softwaresystemen, die seit 2003 mittlerweile in der fünften Auflage erschienen ist. Seit 2006 leitet Herr Ahlemann das Kompetenzzentrum für Strategisches IT-Management an der European Business School. Zu den Forschungsthemen gehören IT-Strategie, Enterprise Architecture Management und Projektportfoliomanagement. Herr Ahlemann ist Autor einer Vielzahl von Fachpublikationen und arbeitet in Forschung und Praxis mit einer Reihe von Unternehmen aus den Branchen Automobilindustrie, Finanzdienstleistung, Maschinenbau, Beratung und IT zusammen. Anschrift Tel.: 0 67 23/ 9 91-2 74, Fax: 0 67 23/ 9 91-2 55 E-Mail: Frederik.Ahlemann@ebs.edu projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2009 l 33 2009 ist nicht das Jahr der Krise, sondern das des Wachstums! Sciforma GmbH · Heinrich-Hertz-Straße 2 · D-65232 Taunusstein · Telefon +49 6128 9665-0 · Fax -11 www.sciforma.de · bewerbung.consulting@sciforma.de Zur Verstärkung unseres Teams im Raum Wiesbaden suchen wir weitere Consultants (m/ w) im Bereich IT-Projektmanagement. Unsere Anforderungen an Sie: gerne auch zertifiziert Reisebereitschaft Ihr Aufgabengebiet bei uns: Methodentraining) - Bitte senden Sie uns Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen unter Angabe Ihres möglichen Eintritttermins per E-Mail zu. Anzeige Haftungsausschluss Die Inhalte dieser Zeitschrift werden von Verlag, Heraus geber und Autoren nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet und zusammengestellt. Eine rechtliche Gewähr für die Richtigkeit der einzelnen Angaben kann jedoch nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für die Websites, auf die verwiesen wird. Es wird betont, dass wir keinerlei Einfluss auf die Inhalte und Formulierungen dieser Seiten haben und auch keine Verantwortung für sie übernehmen. Grundsätzlich gelten die Wortlaute der Gesetzestexte und Richtlinien sowie die einschlägige Rechtsprechung. PM_5-09_1-60: Inhalt 24.09.2009 11: 09 Uhr Seite 33