PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.„Projektmanagement und Siemens gehören zusammen“
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Oliver Steeger
Siemens und Projektmanagement gehören zusammen. Mit Projekten, in denen sich Ingenieursgeist und ökonomisches Denken verbinden, ist der deutsche Technologiekonzern groß geworden. Das Projektgeschäft bei Siemens: Rund 73.000 Mitarbeiter sind mit der Akquisition und Abwicklung von Projekten befasst, genug Menschen, um eine Kleinstadt zu füllen. Die rund 15.000 Projektmanager starten Jahr für Jahr weltweit 40.000 Projekte. Der Vorstand bindet sich aktiv ins Projektmanagement ein, ständig wird an Standards und Prozessen weitergefeilt, werden Projektmanager geschult und zertifiziert. Längst gilt das Siemens-Projektmanagement als Vorbild für andere Unternehmen. Dr. Jürgen Schloß, Programmdirektor für PM@Siemens, erläutert im Gespräch die Hintergründe des Erfolgsmythos „Projektmanagement made by Siemens“.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 l 3 REPORT Oliver Steeger „Projektmanagement und Siemens gehören zusammen“ Dr. Jürgen Schloß über Projektmanagement im Technologiekonzern Siemens Siemens und Projektmanagement gehören zusammen. Mit Projekten, in denen sich Ingenieursgeist und ökonomisches Denken verbinden, ist der deutsche Technologiekonzern groß geworden. Das Projektgeschäft bei Siemens: Rund 73.000 Mitarbeiter sind mit der Akquisition und Abwicklung von Projekten befasst, genug Menschen, um eine Kleinstadt zu füllen. Die rund 15.000 Projektmanager starten Jahr für Jahr weltweit 40.000 Projekte. Der Vorstand bindet sich aktiv ins Projektmanagement ein, ständig wird an Standards und Prozessen weitergefeilt, werden Projektmanager geschult und zertifiziert. Längst gilt das Siemens-Projektmanagement als Vorbild für andere Unternehmen. Dr. Jürgen Schloß, Programmdirektor für PM@Siemens, erläutert im Gespräch die Hintergründe des Erfolgsmythos „Projektmanagement made by Siemens“. Herr Dr. Schloß, wenn man über ehrgeizige technische Projekte spricht, fällt häufig der Name Siemens. Seit Gründung des Unternehmens wickelt Siemens schwierige Projekte ab - und schrieb damit auch Geschichte. Ihr Unternehmen nahm beispielsweise im Jahr 1870 die indoeuropäische Telegrafenlinie in Betrieb und reduzierte die Übertragungszeit für Nachrichten von 30 Tagen auf knapp 30 Minuten. Diese Projektleistung setzte die Welt damals in Erstaunen wie heute beispielsweise die Transrapid-Technik. Ist Siemens ohne Projektmanagement nicht denkbar? Dr. Jürgen Schloß: Anhand dieser historischen Leistung lässt sich ersehen, wie stark Projekte immer schon im Vordergrund unserer Geschäftstätigkeit standen. Dies gilt übrigens auch für Projektmanagement. Schon vor 140 Jahren hat sich unser Unternehmen mit Fragen wie Finanzierung und internationale Zusammenarbeit befasst - und diese Fragen bestimmen auch heute das Projektmanagement. Siemens und Projektmanagement gehören zusammen. Bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren hat sich Siemens dem modernen Projektmanagement geöffnet. Wir gehörten beispielsweise zu den Ersten, die in Deutschland Projektmanagement-Software entwickelt haben. Wie groß ist heute die Bedeutung von Projektmanagement für Siemens? Heute erzielen wir rund 50 Prozent unseres Geschäftsvolumens im Projektgeschäft. Derzeit sind rund 400.000 Mitarbeiter bei Siemens tätig, die meisten in der industriellen Fertigung. Mit der Akquisition und Abwicklung von Projekten sind bei uns rund 73.000 Mitarbeiter beschäftigt; sie sind etwa in Vertrieb, Engineering, Abwicklung und in kaufmännischen Bereichen direkt an unseren Projekten beteiligt. Dabei sind vielfach sogenannte „Turn-Key“-Lösungen die komplexesten Projekte. Foto: Siemens Dr. Jürgen Schloß studierte Elektrotechnik an der Universität von Erlangen. Nach fünf Jahren Forschungstätigkeit begann er seine Karriere in der Luftfahrtindustrie mit den Schwerpunkten Sensorelektronik und internationales Projektmanagement. Seit 1991 ist Dr. Jürgen Schloß für Siemens tätig und wurde 1999 Vorstand im Bereich Power Transmission and Distribution. Derzeit leitet er als Program Director PM@Siemens das weltweite PM-Verbesserungsprogramm von Siemens. PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 8: 59 Uhr Seite 3 „Turn-Key“-Lösungen - das heißt? Wir erstellen beispielsweise komplette Kraftwerke, schlüsselfertige Walzwerke, U-Bahn-Systeme oder Montagehallen für die Automobilindustrie. Jeder, der sich mit solchen Großprojekten befasst hat, wird zwischen professionellem Projektmanagement und Projekterfolg eine direkte Verbindung erkennen. Eine weitere wichtige Stütze für Siemens ist das Produktgeschäft, ich denke etwa an Osram. Man darf sich Projektgeschäft und Produktgeschäft bei Siemens nicht völlig getrennt voneinander vorstellen. Weltweit jährlich 2.500 Großprojekte Es gibt viele Berührungspunkte zwischen diesen Geschäften; bei vielen unserer Projekte werden auch unsere Produkte eingesetzt. Das Beispiel Osram haben Sie genannt. Wenn wir für Flughäfen Befeuerungsanlagen erstellen, können wir spezialisierte Osram-Produkte verwenden. In anderen Projekten werden unsere Lokomotiven, Turbinen oder Produkte aus dem Industriebereich eingesetzt. Wie viele Projekte wickelt Siemens jährlich ab? Die 15.000 bei Siemens tätigen Projektmanager starten weltweit jährlich 40.000 Projekte, davon 2.500 Großprojekte. Doch ich will die Bedeutung des Projektmanagements für unser Unternehmen nicht allein anhand von Zahlen illustrieren. Die Kunden erwarten von Siemens, dass wir Projekte exzellent, innovativ und verantwortungsbewusst durchführen. Diese Erwartungen zu erfüllen - darin liegt ein wesentlicher Nutzen des Projektmanagements für uns. Siemens will seinen Kunden Lösungen von höchster Qualität liefern. Wir wollen die Effizienz unserer internen Abwicklung verbessern und wir wollen die Projektrisiken minimieren. Dies ist zum beiderseitigen Vorteil, für die Kunden von Siemens und für Siemens selbst! Projektrisiken minimieren - inwiefern? Siemens hat ein sehr großes Projektportfolio. Bei jedem Projekt gibt es Unwägbarkeiten, insbesondere bei komplexen Projekten. Es geht sowohl um technische als auch um wirtschaftliche Herausforderungen während der Projektabwicklung. Aktives Risikomanagement ist deshalb unabdingbar! Unsere Projekte müssen transparent durchgeführt werden, sodass wir Unwägbarkeiten eingrenzen und managen können. Dies zu beherrschen, ist professionelles Projektmanagement. Heute prüfen Auftraggeber auch, ob ihre Lösungsanbieter Projektmanagement beherrschen. Wie man immer häufiger hört, ist die Professionalität des Projektmanagements für viele Kunden ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auswahl von Partnern und Lieferanten. Decken sich solche Feststellungen mit Ihren Erfahrungen? Kunden wollen dem Projektmanagement ihrer Lösungsanbieter und Lieferanten vertrauen können. Es ist bekannt, dass die Projektabwicklung Einflüssen unterliegt, die sich nicht immer planen lassen. Wäre ein Projekt vollkommen sicher planbar - so wäre es kein typisches Projekt mehr. Die Kunden wollen sicher sein, dass ihr Partner auftretende Probleme schnell und zufriedenstellend löst. Professionelles Projektmanagement - und damit ist auch Risikomanagement gemeint - ist heute also als Wettbewerbsfaktor zu verstehen … Vor allem Auftraggeber von Großprojekten prüfen genau, wer von den möglichen Lieferanten in der Lage ist, das Vorhaben auch in schwierigen Lagen konstruktiv und kooperativ zu leiten. Wir bauen mit unserem Projektmanagement Vertrauen bei Kunden auf. Wir wollen sie überzeugen, dass Siemens über ausreichende Res- Mit Projektmanagement Kundenvertrauen aufbauen 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 4 REPORT Solarthermie-Kraftwerke bestehen aus zwei Teilen: dem Solarfeld, welches die Sonnenenergie „erntet“ und dem sogenannten Power Block, der aus Wasserdampf Strom macht. Hinsichtlich des Power Blocks ist Siemens seit Langem ein führender Anbieter. Im November 2009 stellte Siemens den neuen Solar-Receiver UVAC 2010 vor (Universal Vacuum Air Collector), der sich durch eine bislang unerreicht gute Wärmeausbeute auszeichnet. Foto: Siemens-Pressebild PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 8: 59 Uhr Seite 4 sourcen und Know-how verfügt, um ein Projekt auch einmal durch schwierigeres Fahrwasser zu steuern und unerwartete Herausforderungen zu meistern. Dieses Vertrauen spielt eine große Rolle im Wettbewerb. Schlagen wir bitte eine Brücke vom Projektmanagement zu den in Ihrem Unternehmen tätigen Projektmanagern. Welche Erwartungen richtet Siemens an seine Projektmanager? Von unseren Projektmanagern wird hohe Professionalität bei der Projektabwicklung gefordert. Neben dieser Professionalität wird von unseren Projektmanagern erwartet, dass sie unseren Standardprozessen folgen und in ihren Projekten die für risikobewusstes Management erforderliche Transparenz schaffen. Sie müssen zudem in der Lage sein, ein schlagkräftiges, zielorientiert arbeitendes Team aus den Mitarbeitern der verschiedenen Siemens-Abteilungen zu formen, die sich an einem Projekt beteiligen. Das Siemens-Projektmanagement gilt heute als Benchmark für viele andere Großunternehmen. Das hohe Niveau Ihres Projektmanagements erfordert allerdings eine sorgfältige Qualifizierung der Projektmanager und entsprechende Karrieremöglichkeiten. Wir investieren seit vielen Jahren in unser Projektmanagement. Beispielsweise haben wir intern das Unternehmensprogramm PM@Siemens ins Leben gerufen. Dieses Programm wendet sich direkt an unsere in Proprojekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 l 5 Projektmanagement • Projektleitung , steuerung • Termincontrolling • Kostenmanagement • Vertrags , Nachtragsmanagement • Projektkommunikation • SiGeKo Koordination • Bauüberwachung Energetische Beratung • Wirtschaftlichkeitsbetrachtung • Energieberatung • Energiekonzept • Fördermittel • CO 2 Reduzierung • Energieausweis • Energiemanagement Ihr professioneller Partner für ... Planung • Generalplanung • Architektur • Industrieplanung • Tragwerksplanung • Technische Gebäudeausrüstung • Baugrunderkundung • Brandschutzgutachten Consulting • Einführung von Projektmanagement Systemen • Bauberatung • Bauabnahmen • Organisationsplanung • Machbarkeitsstudien • Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Immobilien Due Diligence • Wirtschaftliche Analyse • Wertermittlung • Technische Analyse • Ökologische Analyse • Rechtliche Analyse • Steuerliche Analyse Training • Projektmanagement Zertifizierung nach IPMA Level D bis Level A, z. B.: • Projektmanagement Fachmann GPM ® (Qualifizierungslehrgang IPMA Level D) • Seminare, Workshops und Coaching zur Optimierung Ihrer Projektarbeit 0911 35037 0 www.gca consulting.de Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne! Anzeige Projektmanagement auf hoher See: Der weltweit größte Windpark auf See, Horns Rev II, ist kürzlich in Betrieb gegangen. Dort erzeugen 91 Siemens-Windkraftanlagen in der Nordsee elektrischen Strom. Der Park kann maximal rund 210 Megawatt (MW) elektrische Leistung liefern, das entspricht in etwa dem Stromverbrauch von 200.000 Haushalten. Jede der Turbinen von Siemens Energy hat dabei eine Nennleistung von 2,3 MW, wie die aktuelle Ausgabe des Forschungsmagazins Pictures of the Future berichtet. Foto: Siemens-Pressebild PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 8: 59 Uhr Seite 5 jekten tätigen Mitarbeiter. Alle Bereiche und Divisionen von Siemens, die sich mit Projekten befassen oder an ihnen beteiligen, werden einbezogen. Was darf ich mir genau unter PM@Siemens vorstellen? Etwa vierzig Kolleginnen und Kollegen aus den Regionen, den Headquartern der Sektoren und eines Kernteams bilden eine PM-Community. Sie erarbeiten gemeinsam systematisch Richtlinien, Prozessbeschreibungen und Verbesserungsprojekte für das Projektmanagement bei Siemens - im Wesentlichen auf Basis von Best- Practice-Beispielen. Mit diesem Unternehmensprogramm verbessern wir kontinuierlich die Qualität unserer Prozessabwicklung im gesamten Konzern. Welches Ziel verfolgt das Unternehmensprogramm? Die eingangs erwähnten Ziele - höchste Qualität für den Kunden, Verbesserung der Effizienz der Abwick- Unternehmensprogramm „PM@Siemens“ lung und Minimierung der Projektrisiken - sollen durch PM@Siemens systematisch erreicht werden, und zwar weltweit. Man zählt Siemens heute bereits in puncto Projektmanagement zur Weltspitze. Wie kommt es, dass die kontinuierliche Verbesserung so stark im Vordergrund steht? Die Verbesserung unserer Projektabwicklung ist aktives Qualitätsmanagement. Wir arbeiten intensiv an der ständigen Verbesserung und Anpassung unserer Fähigkeiten an neue und meistens komplexere Aufgabenstellungen im internationalen Umfeld. Außerdem übernimmt Siemens Firmen, deren Prozesse wir unserem Verständnis von Projektmanagement angleichen wollen. Die Wirtschaft unterliegt einem starken Wandel, als Beispiel nenne ich nur die Globalisierung und die wachsende Komplexität der Projekte. Aus diesem Wandel ergeben sich auch Herausforderungen für das Projektmanagement. Welche Zukunftsherausforderungen werden für das Projektmanagement bei Siemens gesehen? 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 6 REPORT Project by Siemens: Im künftigen Smart Grid wird Strom nicht mehr zentral in großen Kraftwerken erzeugt, sondern zunehmend in kleinen dezentralen Einheiten. Selbst die Wohnhäuser werden zu Energieproduzenten. Fotovoltaikmodule auf dem Dach oder der Fassade liefern direkt Strom, der ins Netz eingespeist wird. Außerdem sorgt intelligente Gebäudetechnik dafür, dass der Stromverbrauch der Gebäude erheblich sinkt - durch eine bedarfsgerechtere Klima- und Lüftungstechnik etwa. Foto: Siemens-Pressebild PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 9: 00 Uhr Seite 6 Mit der Globalisierung haben Sie ein wichtiges Stichwort gegeben. Projekte werden immer internationaler. Unsere Projektmanager werden zukünftig immer seltener in Deutschland oder von Deutschland aus tätig sein. Siemens wird künftig noch mehr Fähigkeiten entwickeln müssen, um internationale Projekte zum Erfolg zu führen. Das heißt, wir müssen beispielsweise in der Lage sein, in internationalen Teams zu arbeiten. Dabei müssen wir dafür sorgen, dass unsere multinationalen Teams auf dem höchstmöglichen Prozessstandard arbeiten. Außerdem brauchen wir geeignete Computertools, die die internationale Zusammenarbeit über Zeitzonen und Datumsgrenzen hinweg ermöglichen. Als weitere Herausforderung für die Zukunft nenne ich die verstärkte Einbeziehung des Kunden in die Projektabwicklung. Die Einbeziehung des Kunden in Projekte - was versteht man bei Siemens genau darunter? Wir wollen für unsere Kunden noch mehr Transparenz in unsere Projekte bringen und unsere Kunden in wichtige Entscheidungsabläufe einbinden. So kann der Kunde seine Beiträge zum Projekterfolg rechtzeitig beisteuern, Zukunftsthema „Internationales Projektmanagement“ projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 l 7 Power für Fußballer: Siemens gewinnt zur Fußballweltmeisterschaft 2010 Aufträge von rund 1 Milliarde Euro. 80 Prozent der Aufträge in Südafrika sind Energieprojekte. Foto: Siemens-Pressebild Dieses Interview ist dem GPM Buch „Die Kunst des Projektmanagements inspiriert durch den Wandel - 30 Jahre vorwärts denken“ entnommen. Auf 195 Seiten kommen Experten aus Wissenschaft und Praxis zum Thema „Zukunft des Projektmanagements“ zu Wort. Die GPM führte exklusive Interviews mit Vorständen und Topmanagern, darunter Vorstände und Topmanager von der Deutschen Telekom, von Boehringer Ingelheim sowie vom Baukonzern BAM Deutschland und vom Dresdener Hightech-Unternehmen VON ARDENNE Anlagentechnik. Zudem berichten renommierte Experten über Trends und Herausforderungen im Projektmanagement, beispielsweise Prof. Franz Xaver Bea (Universität Tübingen), Prof. Hans Georg Gemünden (TU Berlin) und Prof. Rafaela Kraus (Universität der Bundeswehr, München). Herausgegeben wird der aufwendig gestaltete, reich bebilderte Band von GPM Vorstand Reinhard Wagner. Der Anlass: Zu ihrem dreißigjährigen Bestehen wirft die GPM einen Blick in die Zukunft. Das Buch „Die Kunst des Projektmanagements inspiriert durch den Wandel - 30 Jahre vorwärts denken“ kostet 32 Euro und ist unter anderem über die GPM Hauptgeschäftsstelle in Nürnberg zu beziehen (Bestellung über Homepage www. GPM-IPMA.de). Interviews mit Topmanagern in neuem GPM Buch PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 9: 00 Uhr Seite 7 etwa die Projektabwicklung betreffende Entscheidungen oder zu erwirkende Bau- und Betriebsgenehmigungen. Als weiteres Ziel wird genannt, den Vertrieb noch besser mit der späteren Projektabwicklung zu verknüpfen. Weshalb ist diese enge Bindung zwischen Vertrieb und Projektabwicklung erforderlich? In der Vorphase und Akquisitionsphase eines Projekts gleichen Kunde und Lieferant ihr Verständnis von dem geplanten Projekt ab. Der Kunde äußert seine Erwartungen etwa zu den zu liefernden Einheiten, zu ihrer Leistungsfähigkeit und zu ihrem Funktionsumfang; der Lieferant setzt diese Erwartungen in Ideen und Konzepten um. Es werden in dieser Vorphase des Projekts wichtige Weichen gestellt. Für uns bieten sich in dieser Phase gute Chancen, die späteren Projektrisiken zu minimieren. An diesem Punkt sehen wir viele neue Chancen, die Prozesse noch weiter zu optimieren. Verbesserungspotenziale werden bei Siemens systematisch mit einem Reifegradmodell aufgespürt. Was ist mit dem Reifegradmodell genau gemeint? Unsere Abteilungen in den Divisions mit Projektgeschäft messen regelmäßig ihre Prozessqualität beim Projektmanagement. Für diese Messungen verwenden wir ein Reifegradmodell. Das Ergebnis eines solchen Reifegradassessments ist beispielsweise ein genauer Plan, wie die Abteilung den nächsthöheren Reifegrad erreichen kann. So ist eine kontinuierliche Verbesserung möglich. Sehr viele Abteilungen arbeiten heute nach diesem Prinzip. Wie darf ich mir dieses Prinzip genau vorstellen? Die Leistungsfähigkeit unserer Organisationen bewerten wir nach fünf Leveln. Stark vereinfacht skizziert: Beim untersten Level 1 hängt der Erfolg der Organisation allein von der Kompetenz Einzelner ab. Level 2 bedeutet, dass die Prozesse bereits von Einzelnen gelebt werden. Level 3 zeigt an, dass die Prozesse von der Organisation gelebt werden. Level 4 bescheinigt exzellente Arbeit, Level 5 als höchster zu erzielender Reifegrad weist auf eine lernende Organisation hin. Anhand dieses Modells führen wir in unseren Organisationsbereichen regelmäßig Audits durch. Je nach Größe des Bereichs führen unsere Fachleute über zwei bis vier Wochen tiefgehende Untersuchungen zur Prozessreife durch. Danach ermitteln sie den Reifegrad als Zahlwert und formulieren in ihrem Abschlussbericht zwischen einhundert und zweihundert konkrete Empfehlungen. Mit der Umsetzung dieser Empfehlungen kann sich die jeweilige Organisation für die nächsthöheren Level verbessern. Wie oft wurde das höchste Level 5 bei Siemens bereits vergeben? Wir haben tatsächlich eine Organisationseinheit, die diesen Reifegrad erreicht hat. Allerdings ist professionelles Projektmanagement auch deutlich unterhalb dieses Levels möglich. Wichtig beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess ist ein Ziel, das alle Beteiligten verstehen können und das auch über lange Zeiträume die Richtung vorgibt. Dieses Ziel sollte so herausfordernd wie möglich sein, aber trotzdem asymptotisch realisierbar. Schulterschluss zwischen Vertrieb und Projektabwicklung Level 5 des Reifegradmodells als „Fixstern“ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 8 REPORT Kennzahlen aus einem Siemens-Entwicklungsprojekt: Der Hochgeschwindigkeitszug Velaro ist mit 350 km/ h der schnellste Serientriebzug der Welt. Pro 100 Kilometer und Sitzplatz braucht der Velaro rund 0,3 Liter Treibstoff - so viel wie eine Dose Cola. Die 625 Kilometer lange Strecke Madrid-Barcelona legt er in zweieinhalb Stunden zurück (statt in vier Stunden wie bisherige Züge). Foto: Siemens-Pressebild Mit Software von Siemens können Unternehmen ihre Produkte und deren Fertigungsprozesse - also den kompletten Lebenszyklus - virtuell bis ins Detail entwickeln und testen. Die Hersteller beheben mit den Programmen am Computer mögliche Produktions- oder Funktionsfehler, bevor auch nur eine Kom ponente in der realen Welt hergestellt wird. Das Bild zeigt ein Flugzeug, das vollständig mithilfe von Siemens-Software entworfen und gebaut wurde. Dadurch konnte es wesentlich kostengünstiger gefertigt werden als bisher. Foto: Siemens-Pressebild PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 9: 00 Uhr Seite 8 Eine Art unerreichbarer Fixstern, der aber das Navigieren unterstützt? Wenn Sie es so ausdrücken wollen - ja. Wer von Siemens die Verbesserung von Projektmanagement lernen will, wird nicht nur das Reifegradmodell betrachten. Er wird auch die Ausbildung der Projektmanager und das Karrieremodell bei Siemens untersuchen. Unser Karrieremodell ist in der Tat oft Vorbild auch für andere Unternehmen. Wir zertifizieren unsere Projektmanager nach einem internen Zertifizierungsmodell als „Project Manager“, „Senior Project Manager“ und „Project Director“. Dabei sind wir aber gegenüber anderen Zertifizierungsmodellen offen, insbesondere, wenn es der Kunde fordert - beispielsweise die Modelle von IPMA oder PMI. Vor der Zertifizierung steht die Qualifizierung. Die meisten Unternehmen sind bei der Qualifizierung ihrer Projektmanager auf sich allein gestellt. An Hochschulen wird Projektmanagement noch selten gelehrt. Dies sehe ich anders. Der bereits heute geleistete Beitrag der Hochschulen zur Vermittlung von Projektmanagementwissen ist sehr wichtig - sowohl in den Studiengängen für Ingenieure als auch für Betriebswirte. Aber davon abgesehen: Neben dem Methodenwissen zählt im Projektmanagement praktische Erfahrung. Nur durch Erfahrung können Projektmanager Augenmaß für das Machbare in Projekten entwickeln und ihren Blick dafür schulen, wo Risiken schlummern und wie Probleme zu lösen sind. Bis vor wenigen Jahren galten Projektmanager, grob gesagt, als technische Problemlöser. Die Zeiten eines solch engen Rollenverständnisses sind für uns schon lange vorbei. Wir entwickeln unsere Projektmanager zu Unternehmern auf Zeit. Sie erarbeiten technische Lösungen, sind aber auch beispielsweise mit der finanziellen Seite ihres Projekts und intensiv mit dem Kunden befasst. Siemens fördert bei seinen Projektmanagern also das ganzheitliche Verständnis eines Projekts, wir schärfen ihren unternehmerischen Blick. Dies ist ein Kernziel der Qualifizierung und Zertifizierung von Projektmanagern bei Siemens. Wie wählt Siemens neue Projektmanager aus und bereitet sie auf ihre Aufgaben vor? Dafür wurde die PM@Siemens-Academy ins Leben gerufen, die Aufgaben der Qualifizierung und Zertifizierung übernimmt. Unser Unternehmen verfügt zudem über ein Programm, mit dem geeignete Kandidaten für die Ausbildung und Zertifizierung angesprochen werden. Wir suchen also systematisch in unseren eigenen Reihen und bereiten Mitarbeiter intern auf die Tätigkeit als Projektmanager vor. So können wir unsere Fach- Projektmanager mit unternehmerischem Blick Karrieremodelle und Zertifizierung projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 l 9 Von Prof. Dr. Heinz Schelle 6. Auflage 2010. X, 360 Seiten. Kartoniert € 12,90 (dtv-Band 5888) Projekte zielführend managen Die 6. Auflage des Lehrbuchs berücksichtigt die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet Projektmanagement. Das Werk enthält u. a. eine systematische Gegenüberstellung der Elemente der deutschen NCB 3.0, von PRINCE2 und des Project Management Body of Knowledge in der gültigen Fassung. Zusätzlich bietet es eine umfangreiche Zusammenstellung vertiefender Literatur. Der Autor Prof. Dr. Heinz Schelle lehrte nach langer Industriepraxis Betriebswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr München und ist Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V. „Praxisnahes Taschenbuch für Einsteiger“ Handelsblatt, Junge Karriere, zur 2. Auflage Erfolgreiches Projektmanagement. Preis inkl. MwSt. / 156600 Beck-Wirtschaftsberater im Ch. Beck Verlag Anzeige PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 9: 00 Uhr Seite 9 leute optimal auf unser Verständnis von Projektmanagement, auf unsere Prozesse und Vorgehensweisen einschwören. Professionelles Projektmanagement soll durch die Unternehmensspitze gefordert und gefördert werden, dies wird von Projektmanagement-Fachleuten immer wieder empfohlen. Ist es bei einem so großen Konzern wie Siemens überhaupt möglich, Projektmanagement zur Vorstandssache zu erklären? Der Vorstand unseres Unternehmens hat dazu deutlich Stellung bezogen. Projektmanagement zu Vorstandssache zu machen, ist nicht nur möglich, sondern notwendig. Bei Siemens ist Projektmanagement im Vorstand stark verankert. So hat der Vorstand unsere Projektmanagementregeln im Unternehmen ausdrücklich für verbindlich erklärt. Diese Prozesse müssen also von jedem unserer Mitarbeiter eingehalten werden. Dabei ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess, wie er bei Siemens verstanden wird, ein wichtiges Unternehmensziel. Wie darf ich mir die Mitwirkung des Vorstands an diesem Verbesserungsprozess vorstellen? Dem Programm PM@Siemens stehen ein Programmdirektor und ein oberstes Gremium - ein Steering-Komitee - vor. In diesem Gremium sind aus dem Vorstand Herr Prof. Hermann Requardt sowie die obersten Führungsspitzen der einzelnen Divisions vertreten. Die Unternehmensspitze nimmt also direkten Einfluss auf das Programm, leitet und unterstützt es. Eingangs sprachen Sie von Großprojekten mit Volumina von mehreren Milliarden Euro. Bindet sich der Vorstand in diese Großprojekte ein? Im Vorstand wird entschieden, ob Siemens bei bestimmten Projektanfragen überhaupt ein Angebot abgeben will. Großprojekte im Milliardenbereich erfordern häufig eine mehrjährige Vorbereitungs- und Akquisitionsphase. Die Projekte müssen mit Ideen und Konzepten entwickelt werden, bevor Siemens sie überhaupt anbieten kann. Es muss also entschieden werden, ob man die Investition in diese Vorarbeiten tätigen will. Über die zukünftige Entwicklung des Projektmanagements wird heute viel diskutiert. Wie beurteilen Sie die Zukunft des Projektgeschäfts? In unserem Unternehmen geht man davon aus, dass sich das Umfeld für das Projektgeschäft zukünftig gut entwickeln wird. Unserer Einschätzung nach werden in Zukunft immer mehr Menschen in Städten leben, wir beobachten einen Trend zur Urbanisierung. Daraus ergeben sich Herausforderungen für die Infrastruktur der Städte, beispielsweise für die Verkehrstechnik, die Energieversorgung, die medizinische Versorgung - Gebiete, auf denen Siemens arbeitet und Weltspitzenplätze belegt. Im internationalen Wettbewerb wird Siemens am besten bestehen, wenn unser Unternehmen dieses anspruchsvolle Projektgeschäft beherrscht. Man diskutiert unter Wissenschaftlern seit einiger Zeit das Konzept eines projektorientierten Unternehmens. Die Idee ist, dass Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit zu einem sehr hohen Anteil - oder sogar nahezu ausschließlich - in Projekten abwickeln. Bilden solche Konzepte eine Option für die Zukunft von Siemens? Wie gesagt, Siemens erzielt heute rund 50 Prozent seines Geschäftsvolumens im Projektgeschäft. Doch das Konzept eines rein projektorientierten Unternehmens - ungeachtet der Frage, wie sinnvoll es überhaupt ist - wird allein schon wegen der reinen Produktsparten nicht als Option gesehen. ■ Projektmanagement zur „Vorstandssache“ erklärt 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2010 10 REPORT Die chinesische Handan Iron & Steel Co. hat Siemens VAI Metals Technologies kürzlich den Projektauftrag erteilt, einen Drahtauslass für ein Draht-/ Stabwalzwerk am Standort Handan zu liefern. Mithilfe der neuen Anlage wird das Unternehmen sein Produktspektrum um qualitativ hochwertige Stahlgüten erweitern können. Siemens VAI hat seit Juli 2009 bereits zwei weitere Aufträge über Drahtauslässe von chinesischen Stahlproduzenten erhalten. Foto: Siemens-Pressebild Siemens hat im März auf dem Genfer Autosalon Schlüsselkomponenten für Elektromobilität vorgestellt. Das Unternehmen zeigte unter anderem ein integriertes Ladesystem. Mit Forschungs- und Entwicklungsprojekten bereitet sich der Konzern auf die Autozukunft vor. Foto: Siemens-Pressebild Oliver St PM_2-2010_1-45: Inhalt 31.03.2010 9: 00 Uhr Seite 10