eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 21/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2010
213 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Partnerschaftsmodelle - Zukunftstrend für das Projektmanagement in der Baubranche?

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2010
Oliver Steeger
In Südafrika drehten sich die Baukräne. Unternehmen aus aller Welt arbeiteten daran, das Land fit für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 zu machen. Mit von der Partie war die BAM Deutschland AG, eines der größten deutschen Bauunternehmen mit Sitz in Stuttgart. Die aus den Traditionsunternehmen Wayss & Freytag Schlüsselfertigbau AG sowie Müller-Altvatter Bauunternehmung GmbH & Co. KG hervorgegangene Gesellschaft war am Bau des Finalstadions in Johannesburg und des Stadions in Port Elizabeth beteiligt. Punkte gemacht hat der Konzern nicht nur mit seinen Patenten und Technologien, sondern auch mit seinem Projektmanagement. Wohin der Weg im Bauprojektmanagement führt, darüber berichtet Prof. Fritz Berner, bis Ende 2009 Vorstandsvorsitzender der BAM Deutschland AG.
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Herr Professor Berner, Bauvorhaben gelten als Projekte par excellence. Die meisten Bauwerke sind Unikate. Jedes für sich wird eigens geplant und ausgeführt. Prof. Fritz Berner: Ein größeres Bauprojekt, wie ein Sportstadion, ein Krankenhaus oder ein Bürogebäude, ist in der Tat ein Solitär. Doch meistens hat man bei dieser Betrachtung das Gebäude allein im Blick. Unikate sind solche Bauprojekte auch deshalb, weil sich die Beteiligten jedes Mal neu zusammensetzen: Auftraggeber, Auftragnehmer, die Erfüllungsgehilfen, wie die vom Auftragnehmer eingesetzten Planer oder Projektsteuerer. Wir haben es mit vielen Nachunternehmern und Lieferanten zu tun sowie mit genehmigenden Stellen. Des Weiteren wird mit jedem Projekt in der Regel neuer, umfangreicher Vertragsinhalt aufgesetzt. Also ein optimales Gestaltungsumfeld für Projektmanager ... Bauprojektmanager können vergleichsweise frei agieren, nur so können sie den jeweiligen Bauaufgaben optimal gerecht werden. Ihre Projekte sind sehr komplex und bilden eine große Herausforderung. Aber: Man kann Bauprojekte nicht mit Projekten anderer Branchen vergleichen. Nicht vergleichen - weshalb? Die Vorgehensweise bei einem Bauprojekt unterscheidet sich von der Vorgehensweise in vielen anderen Branchen. In Deutschland wird ein Bauwerk von einem Architekten geplant, der aber mit der Umsetzung, dem eigentlichen Baubeziehungsweise Entwicklungsprozess selbst, traditionell wenig zu tun hat. Der Bauherr lässt also zunächst das Endprodukt planen - und zieht dann die Ausführenden hinzu, die diese Pläne zu verwirklichen haben. Die Planung eines Gebäudes und dessen Ausfühprojekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 3 REPORT Oliver Steeger Partnerschaftsmodelle - Zukunftstrend für das Projektmanagement in der Baubranche? Professor Fritz Berner über Bauprojektmanagement In Südafrika drehten sich die Baukräne. Unternehmen aus aller Welt arbeiteten daran, das Land fit für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 zu machen. Mit von der Partie war die BAM Deutschland AG, eines der größten deutschen Bauunternehmen mit Sitz in Stuttgart. Die aus den Traditionsunternehmen Wayss & Freytag Schlüsselfertigbau AG sowie Müller- Altvatter Bauunternehmung GmbH & Co. KG hervorgegangene Gesellschaft war am Bau des Finalstadions in Johannesburg und des Stadions in Port Elizabeth beteiligt. Punkte gemacht hat der Konzern nicht nur mit seinen Patenten und Technologien, sondern auch mit seinem Projektmanagement. Wohin der Weg im Bauprojektmanagement führt, darüber berichtet Prof. Fritz Berner, bis Ende 2009 Vorstandsvorsitzender der BAM Deutschland AG. Foto: privat Prof. Dr. Fritz Berner ist seit 1994 Universitätsprofessor und Ordinarius des Instituts für Baubetriebslehre an der Universität Stuttgart. Bis Ende 2009 war er Mitgesellschafter und Vorstandsvorsitzender bei der BAM Deutschland AG. Zuvor war er als geschäftsführender Gesellschafter bei der Müller-Altvatter Bauunternehmung als Bau- und Projektleiter sowie als Statiker in einem Bauunternehmen tätig. PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 3 rung sind also in Deutschland getrennt. Das Endprodukt ist gewissermaßen fixiert und steht in seinen Einzelheiten fest, wenn die umzusetzenden Einheiten gesucht und hinzugezogen werden. Augenblick! Der Bauprojektmanager kann also keinen Einfluss auf die Bauplanung nehmen, kann nicht sein technisches Know-how und seine Projektmanagementkompetenz einbringen? In der Regel nicht. Um es deutlich zu sagen: Die Bauprozesse selbst hat ein Planer nicht im Blick. Dies ist in Deutschland ebenso wenig seine Aufgabe wie etwa die Kalkulation der Baukosten. Beides ist beispielsweise in der Honorarordnung für Architekten nicht vorgesehen. So kommt es, dass der Bauherr erst von den Ausführenden erfährt, welches Budget er für das Projekt veranschlagen muss. In anderen Branchen weiß der Kunde, was er für sein Projekt zu bezahlen hat, wenn er es beauftragt. In der Baubranche ist dies so nicht der Fall. Dies bringt den ausführenden Projektmanager in eine schlechte Startposition. Er muss mit vorgegebenen Randbedingungen leben. Dies macht die Bauprojekte noch komplexer, als sie ohnehin schon sind - zumal dann, wenn sie unter starkem Zeitdruck stehen. Was geschieht, wenn der Planer Fehler macht und etwas vorgibt, was sich so nicht umsetzen lässt? Es handelt sich meistens um geringfügige Defizite in der Planung, die aber bei der Umsetzung Konsequenzen haben können. Etwa Materialien, die sich nicht wie geplant verbauen lassen? Ja, zum Beispiel. Dann muss der Projektmanager diese Defizite seinem Auftraggeber melden. Dies wiederum führt zu Terminverzögerungen und unnötigen Reibungsverlusten. Aus den Schwierigkeiten, die die traditionelle Trennung zwischen Planung und Ausführung mit sich bringt, hat man gelernt. Man diskutiert heutzutage ganzheitliche, partnerschaftliche Ansätze im Bauprojektmanagement. Man diskutiert sie nicht nur, es gibt sie auch. Heute werden Bauunternehmen und Konsortien beauftragt, ein Baubranche: Planung und Ausführung getrennt 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 4 REPORT Projekte für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika: Das Stadion in Port Elizabeth als Baustelle Foto: BAM Deutschland AG Baukräne für den Fußball: Heute ist das neue Stadion in Johannesburg für die Spitzenspiele herausgeputzt. Foto: BAM Deutschland AG PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 4 Bauwerk - beispielsweise eine Fabrik - schlüsselfertig zu erstellen. Bauunternehmen sind also nicht für die Ausführung einzelner Gewerke, sondern für das gesamte Projekt zuständig. Dies bewegt die Beteiligten dazu, eine Gemeinschaft zu bilden und ganzheitlich an das Projekt heranzugehen. Dadurch werden auch Schnittstellenprobleme zwischen dem Auftraggeber und den einzelnen Ausführenden im Vorfeld gelöst. Noch deutlicher ausgeprägt ist dieser partnerschaftliche, ganzheitliche Ansatz bei PPP-Projekten. PPP-Projekte? PPP steht für Public Private Partnership. Es handelt sich um Projekte, bei denen die öffentliche Hand und die Privatwirtschaft gemeinsam etwa Landratsämter, Straßen, Schulen oder Kliniken errichten und danach betreiben. Bei diesem innovativen und wichtigen Ansatz werden alle Partner, die mit der Immobilie ganzheitlich zu tun haben, von vornherein eingebunden. Es kommt also zu einem Austausch zwischen Planer und Ausführenden. Wie geht man vor? In dieser Partnerschaft werden von Anfang an beispielsweise das Nutzungskonzept im Detail festgelegt und die Finanzierung geplant. An dem Prozess wirken die Bauausführenden maßgeblich mit; sie steuern ihn sogar, denn so können sie auch auf die Preisentwicklung Einfluss nehmen und das Projekt von vornherein optimieren. In dieser Konstellation der PPP-Vorhaben können wir das heutige Projektmanagement ideal anwenden. Ideal anwenden - inwiefern? Es wird ganzheitlich gearbeitet, wie es beim Projektmanagement üblich ist. Durch die Zusammenarbeit von Auftraggeber, dessen Planer und den Ausführenden wird das Projekt sicher und transparent aufgesetzt. Alle Beteiligten sind ganzheitlich für das Endergebnis verantwortlich - und nicht nur für den kleinen Bereich, in dem sie arbeiten. So kann man Termine und Kosten besser in den Griff bekommen. Auch werden beispielsweise Schnittstellenprobleme, die vielfach Terminverzögerungen und Mehrkosten verursachen, vermieden. Hinzu kommt, dass die bauausführend Verantwortlichen bei PPP-Projekten ihr Projektmanagement selbst verbessern können. Man hat gewisse Wiederholungseffekte. Somit kann das einmal eingesetzte Projektmanagement für künftige Projekte wiederum eingesetzt werden. Man lernt also für künftige Projekte, beispielsweise bei Abläufen und dem Zusammenfügen einzelner Materialien - Stichwort „Lernkurve“! Könnte die Zukunft des Bauprojektmanagements in solchen Partnerschaften liegen? Ich halte die Vorgehensweise in PPP-Projekten für zukunftsweisend. Sie findet allerdings schnell Grenzen. Bei PPP-Projekten übernehmen die ausführenden Konsortien oder Arbeitsgemeinschaften auch die Gewährleistung während der gesamten Betriebsphase. Sie sind also für Zukunftschance Partnerschaften projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 5 Executive Education Programs Project & Process Management (PPM) Taught in English by top professors and industry experts, enabling you to master challenging projects successfully. Duration: › 18 months: Professional MBA PPM › 10 months: International Program PPM › Part-time, blocked modules Start: › November 2010: Professional MBA PPM › May 2011: International Program PPM Contact: anne.kascha@wu.ac.at +43-1-313 36-5421 www.executiveacademy.at Anzeige PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 5 Die partnerschaftliche, ganzheitliche Vorgehensweise eines PPP-Projekts könnte auch anderen Branchen und Projekten nützen ... Im Schiffsbau wird sie bereits angewendet. Aber dort sind die Rahmenbedingungen anders als in der Baubranche: Man arbeitet an einer Stelle, in einer bestimmten Werft. Die Partner wechseln nicht so häufig. Die technischen Aufgaben ändern sich nicht so oft wie in der Baubranche. Zudem wird die Planung von der Werft vorgegeben. Durch den Auftraggeber wird auf die Planung nach Vertragsabschluss wenig Einfluss genommen. Vorhin haben Sie Bauprojekte als extreme Solitäre und Unikate beschrieben. Besteht in Ihrer Branche überhaupt die Möglichkeit, für Bauprojekte ein Standardmodell festzulegen? Solche Standardmodelle sind weder für die BAM Deutschland AG noch für die Baubranche insgesamt etwas Neues. Man hat ein übergeordnetes Modell. Man weiß, wie die Planung und Durchführung eines Bauprojekts zu erfolgen hat, welche Schritte zu unternehmen sind und wie die Besonderheiten bei einem neuen Projekt zu berücksichtigen sind. Wo liegen die Herausforderungen bei einem solchen Standardmodell? Für uns stellt sich die Herausforderung, die Frage zu beantworten, zu welchem Zeitpunkt man wie tief gehend einzelne Aufgaben der Projektplanung zu bearbeiten hat. Bei einem Bauvorhaben kann man viele Abläufe und Umstände zu Anfang noch nicht erfassen. Wir müssen also klug entscheiden, wann was wie detailliert für die konkrete Umsetzung zu planen ist und welche Planungsdetails wir noch bewusst offen stehenlassen. Die wesentlichen Einflüsse auf ein Bauprojekt kann man zwar ermitteln und sich auf sie vorbereiten - doch wir können sie nicht fest einplanen. Zum Beispiel das Wetter? Die Witterung ist ein Punkt. Wir wissen, wie die Witterung ein Bauprojekt beeinflusst. Welches Wetter wir allerdings haben, dies lässt sich nicht vorhersagen - und doch hat dieser Einfluss starke Auswirkung auf die Terminplanung. Ein anderer Punkt, der vielleicht noch mehr ins Gewicht fällt: Jeder Auftraggeber will sich während des Projekts die Möglichkeit zur Änderung offenhalten. Weshalb offenhalten? Änderungen kosten Geld! Denken Sie an den Bau eines Bürohauses. Beim Start des Bauvorhabens sind häufig viele Büroräume noch nicht vermietet. Die Mieter werden in der Bauphase gesucht. Deren Vorstellungen und Raumnutzung muss man während des Baus noch berücksichtigen können. Während der Bau entsteht, werden neuere Erkenntnisse in das Projektmanagement einbezogen. Wir müssen also flexibel bleiben. Zurück zum Vorgehensmodell: PPP-Modell auf andere Branchen übertragbar? Projektplanung für Änderungen offenhalten 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 6 REPORT Das Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart wurde 1964 ins Leben gerufen, um die Lehre und Forschung in allen Bereichen der Baubetriebswirtschaft fortzuentwickeln und die dabei gewonnenen Kenntnisse zu einem Bestandteil des Bauingenieurstudiums an der Universität Stuttgart zu machen. Grundsatz der Institutsarbeit ist, dass Lehre und Forschung stets einen engen Bezug zur Praxis haben müssen. Die Forschung soll ungelöste Probleme aufgreifen und eine Lösung anbieten, die sich in der baubetrieblichen und immobilienwirtschaftlichen Praxis realisieren lässt. In der Lehre wird der Bezug zur Praxis durch eine Projektstudie verstärkt, bei der Studierende in Bauteams eingeteilt werden, um die konkrete Abwicklung eines Bauvorhabens in Teilaufgaben selbst lösen und bearbeiten zu können. Zum Wintersemester 2001/ 2002 wurde der innovative Studiengang „Immobilientechnik und Immobilienwirtschaft“, angesiedelt am Institut für Baubetriebslehre, mit den ersten 35 Studierenden ins Leben gerufen und schreibt seine eigene Erfolgsgeschichte. Zum Wintersemester 2009/ 2010 waren 246 Studierende eingeschrieben. Das Stichwort „Immobilie“ ist ein aktuelles Thema mit immer größer werdender Bedeutung, insbesondere beim Schwerpunkt des Studienganges, nämlich der Immobilientechnik. Zum bisherigen und zukünftigen Erfolg tragen insbesondere die vielen namhaften externen Spezialisten bei, die mit ihren praxisnahen Vorlesungen die gesamte Breite der bau- und immobilienwirtschaftlichen Lehrinhalte vervollständigen. Institut für Baubetriebslehre das Gebäude auch nach Bauabschluss über zwanzig oder dreißig Jahre zuständig. Dies lässt sich nur bewerkstelligen, wenn sich die Nutzung des Bauwerks konstant während der Betriebsphase nicht verändert, wie es beispielsweise bei einer Schule oder einem Landratsamt der Fall ist. Oder bei Sportstadien. Richtig. Die BAM Deutschland AG hat zum Beispiel in Dresden ein Fußballstadion gebaut. Es wurde als PPP- Projekt realisiert, da die Nutzungsart des Stadions auf Dauer festgelegt ist. Wäre ein Wechsel bei der Nutzung eines geplanten Bauwerks wahrscheinlich, so würde ein PPP-Modell keinen Sinn machen. Fußball „auf Schalke“: Im Ruhrgebiet errichtete BAM Deutschland die Veltins Arena. Foto: BAM Deutschland AG PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 6 Die Herausforderung besteht nicht darin, dieses Modell mit seinen Aufgaben und Schritten zu beschreiben. Sie besteht darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Planungsdetaillierung und Offenhalten zu finden. Eine Tochtergesellschaft der BAM Deutschland AG ist spezialisiert auf den Bau von Stadien und Sportstätten. Sie hat unter anderem die Arena auf Schalke, die SAP Arena, die O2-Arena in Berlin sowie Stadien in Augsburg und Dresden errichtet. Derzeit ist sie mit dem Stadion in Mainz befasst - und war vor allem bei zwei Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika tätig. Ist der Nachweis von Projektmanagementkompetenz ein Wettbewerbsvorteil, um an solche Großaufträge zu kommen? In unserer Branche wird ausgereiftes Projektmanagement vorausgesetzt. Jedes Unternehmen, das umfangreiche und komplexe Projekte abwickelt, verfügt über professionelles und effizientes Projektmanagement. Wer über diese Kompetenz nicht verfügt, kann sich am Markt nicht halten. Insofern betrachte ich Projektmanagement als ganz normales Handwerkszeug ... ... und hängen diese Kompetenz nicht an die große Glocke? Mit ihrem Projektmanagement bildet die BAM Deutschland AG weder eine Ausnahme noch eine Art „Leuchtturm“ für die Branche. Die Kunden setzen gutes Projektmanagement bei allen großen Bauunternehmen schlichtweg voraus. Gutes Projektmanagement bildet auch eine Führungsaufgabe für die Unternehmensspitze. Welche besonderen Führungsaufgaben ergeben sich aus dem Pro- PM-Kompetenz Voraussetzung für Baubranche jektmanagement für den Vorstand der BAM Deutschland AG? In der Führungspraxis stehen an oberster Stelle die Menschen, die das Unternehmen prägen und in die richtige Richtung voranbringen. Ist die Leitungsposition eines Projekts durch die richtige Person besetzt, so kann man sichergehen, dass die Planungsaufgaben des Projekts richtig angegangen werden. Die richtige Person an der Spitze eines Projekts - was bedeutet dies genau? Wer erstmals bei der BAM Deutschland AG Projektmanager wird, ist bereits gut qualifiziert und hat Schu- Qualifizierung und Projekterfahrung projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 7 Dieses Interview ist dem GPM Buch „Die Kunst des Projektmanagements inspiriert durch den Wandel - 30 Jahre vorwärts denken“ entnommen. Auf 195 Seiten kommen Experten aus Wissenschaft und Praxis zum Thema „Zukunft des Projektmanagements“ zu Wort. Die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. führte unter anderem exklusive Interviews mit Vorständen und Topmanagern, darunter Vorstände und Topmanager von der Deutschen Telekom, von Boehringer Ingelheim sowie vom Baukonzern BAM Deutschland und vom Dresdener Hightech-Unternehmen VON ARDENNE Anlagentechnik. Herausgegeben wird der aufwendig gestaltete, reich bebilderte Band von GPM Vorstand Reinhard Wagner. Der Anlass: Zu ihrem dreißigjährigen Bestehen wirft die GPM einen Blick in die Zukunft. Das Buch „Die Kunst des Projektmanagements inspiriert durch den Wandel - 30 Jahre vorwärts denken“ kostet 32 Euro und ist unter anderem über die GPM Hauptgeschäftsstelle in Nürnberg zu beziehen (Bestellung über die Homepage www.gpm-ipma.de). Interviews mit Topmanagern im neuen Buch der GPM Beispielhaftes Bauprojekt: Direkt neben dem Hauptbahnhof in Wiesbaden entstand ein neues Einkaufszentrum. Foto: BAM Deutschland AG PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 7 lungen durchlaufen. Auch bringt er Projekterfahrungen mit. Er hat bereits bei anderen Projekten mitgewirkt und schon ein oder zwei Stufen unter der Projektleitung gearbeitet. Diese Projekterfahrung ist hilfreich, insbesondere bei Projekten im Ausland. So kann ein Projektmanager die besonderen Rahmenbedingungen erkennen, mit denen er zu tun haben wird. Entscheidend ist freilich auch die technische Kompetenz. Hoch qualifizierte, aber branchenfremde Projektmanager haben im Bauwesen geringe Chancen? Die Planung und Steuerung des Projekts ist die eine Aufgabe, die handwerkliche Ausführung dieser Planung die andere. Schwierigkeiten auf der Baustelle ergeben sich nicht so sehr aus dem Projektmanagement, sondern aus der handwerklichen Umsetzung der Planung. Die auf Baustellen entscheidende Frage ist: Stimmen die Vorgaben und Bauplanungen und passen sie zueinander? Werden diese Vorgaben technisch-handwerklich richtig umgesetzt? Passen diese Umsetzungen mit dem gesamten Bauwerk zusammen? Wer diese Fragen beantworten will, braucht ebenso technisches Know-how wie Projektmanagement. Was erwarten Sie von einem Projektmanager? Er muss neben der Kompetenz und der Erfahrung die richtige Persönlichkeit für die Projektleitung mitbringen. Vor allem aber muss er unternehmerisch denken können. Er muss sein Projekt wie ein eigenes Unternehmen führen können. Das unternehmerische Denken wird von Projektmanagern immer häufiger gefordert ... Verengen Sie den Begriff bitte nicht nur auf das betriebswirtschaftliche Denken. Ein Projektmanager muss sein „Unternehmen“ nicht nur ökonomisch, sondern auch technisch im Griff haben. Er muss es technisch verstanden haben. Er muss wissen, wo mögliche technische Probleme liegen können. Mit anderen Worten, er muss Visionär mit hoher Sensibilität für technische Knackpunkte sein, die er zu lösen hat. Experten betonen immer wieder die soziale Kompetenz, über die ein Projektmanager heute verfügen muss. Wie wichtig ist diese Kompetenz in der Baubranche? Wenn die Führung nicht stimmt, dann wirkt sich dies nachteilig auf die Umsetzung eines Bauprojekts aus. Für unsere Branche gilt aber eine Besonderheit: Durch die vielen Beteiligten, die immer wieder neu zusammengeführt werden müssen, sind Aufgaben wie Teambildung und Teamführung schwierig zu lösen. In einigen Fällen werden die Führungskräfte - gemeinsam mit dem Bauherrn - zu Beginn eines Projekts für zwei oder drei Tage zusammengeholt. Sie sollen sich einander nicht nur vorstellen, sondern sich auch näher verstehen lernen. Aber man kann nicht immer dafür sorgen, dass die Beteiligten es alle „miteinander können“. Weshalb nicht? Manchmal ist dieser Teamgeist auf Baustellen gar nicht erwünscht. Manche Auftraggeber prägen das Klima dahingehend, dass allein die Sache im Vordergrund steht. Spannungen sind dann normal. In anderen Ländern sind die Partnerschaft und das menschliche Miteinander deutlich stärker ausgeprägt. Unternehmerisches Denken gefragt 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 8 REPORT Im Jahr 2007 wurde aus den beiden traditionsreichen Schwestergesellschaften Müller-Altvatter Bauunternehmung GmbH & Co. KG und Wayss & Freytag Schlüsselfertigbau AG die BAM Deutschland AG gegründet. Sie gehört zur niederländischen Royal BAM Group mit einem Jahresumsatz von über acht Milliarden Euro, einem der sehr großen Baukonzerne Europas. An acht Standorten beschäftigt die BAM Deutschland AG rund 800 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von etwa 600 Millionen Euro. Die Kernkompetenzen: Planung, Errichtung, Umbau und Sanierung von schlüsselfertigen Großprojekten sowie reinen Rohbauprojekten in Deutschland. Heute setzt die BAM Deutschland AG als klassisches Bauunternehmen technisch anspruchsvolle Bauprojekte um. Die Ingenieure und Kaufleute entwickeln, planen und realisieren Büro- und Verwaltungsbauten, Kliniken und Laborgebäude, Bauten für Schule und Bildung, Einkaufszentren, Justizvollzugsanstalten, Multifunktionsarenen, Fluggastterminals, Industriebauten, Hotels und ähnliche Bauprojekte. Zudem verfügt die BAM Deutschland AG über Erfahrungen in Planung, Umsetzung und Betreiben von PPP-Projekten (Public Private Partnership). BAM Deutschland AG Die ästhetische Linie macht’s - ein Beispiel für gelungene Architektur. Foto: BAM Deutschland AG PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 8 Sie waren in Südafrika mit dem Bau der Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 befasst. Im Vergleich zu Deutschland - wie gestaltet sich in Südafrika das Miteinander auf den Baustellen? Bei den Stadionbauprojekten in Südafrika wurden Partner aus vielen Ländern eingebunden, Lieferanten aus den USA, aus China und Italien, den Vereinigten Emiraten und Japan. Man kooperiert deutlich intensiver als in Deutschland. Planung und Ausführung arbeiten mehr zusammen als in Deutschland. Die Ausführenden werden früher und besser einbezogen. Man ist in anderen Ländern also schon etwas weiter auf dem kooperativen Weg, den Sie eben mit den PPP- Projekten beschrieben haben? Ja. Dafür hat man in anderen Ländern andere Nachteile. Beispielsweise ist die Qualifikation der Arbeitskräfte in Südafrika mit der von deutschen Arbeitskräften nicht zu vergleichen. Man muss die Arbeitskräfte erheblich nachqualifizieren und sie in ihre Tätigkeit einweisen. Die Vorgabe, wie eine Aufgabe abzuwickeln ist, muss eingehender beschrieben werden und die Ausführung von Arbeiten ist stärker zu verfolgen und zu kontrollieren. Zwischen den Teams in Südafrika und der Unternehmensspitze in Deutschland lag eine große Distanz. Wie haben Sie dafür gesorgt, dass Ihre Projektmanager die Verbindung zu Ihrem Unternehmen halten und erforderliche Entscheidungen aus Deutschland schnell einholen konnten? In Südafrika war ständig ein Geschäftsführer der Tochtergesellschaft HBM Stadien- und Sportstättenbau anwesend. Er kannte diese Projekte detailliert und löste schon im Vorfeld als oberster Projektmanager alle wesentlichen Aufgaben vor Ort, beispielsweise die Organisationsstruktur und deren Effizienz. Über die Zukunft des Bauprojektmanagements wird viel diskutiert. Welche Trends sind Ihrer Einschätzung nach für die Zukunft zu erwarten? Man kann im Bauprojektmanagement einiges noch verbessern und von anderen Branchen lernen. Ich denke etwa an die Verbesserung der Logistik auf der Baustelle, also nicht die Transporte zur Baustelle hin. Dann würden die Baustellen ein anderes Erscheinungsbild haben. Möglich wäre dies allerdings nur, wenn die Planung frühzeitig festgelegt würde. Weiß ein Bauunternehmer früh, wie er etwas umzusetzen hat, dann kann er früh auch die Logistik planen; in diesem Punkt könnte das Projektmanagement einmal mehr wichtig werden. Hat auch der partnerschaftliche, ganzheitliche Ansatz der PPP-Projekte in Deutschland Chancen auf weitere Verbreitung? Wie gesagt, die schlüsselfertige Bauweise war ein erster Schritt auf diesem Weg. PPP-Projekte sind der zweite Schritt. Daraus kann man einen Zukunftstrend ablesen. Herr Prof. Berner, wir danken für das Gespräch. ■ Fußballstadien für die WM 2010 projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 9 Anzeige PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 53 Uhr Seite 9