eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 21/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
51
2010
213 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Identifikation von Schnittstellen zur Reduktion des Konfliktpotenzials innerhalb eines Immobilienprojektes

51
2010
Christof Stumpf
Trotz gut aufgestellter Teams im Bereich des Projektmanagements kommt es immer wieder zu Konfliktpotenzialen aufgrund fehlender Koordination und Abstimmung während des Planungs- und Projektverlaufes. Meist sind die Gründe auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Inwieweit die Identifikation von Schnittstellen Abhilfe schaffen kann, wird in dem folgenden Artikel diskutiert. Dabei werden Möglichkeiten aufgezeigt, Schnittstellen effektiv und effizient zu analysieren, um notwendige und sinnvolle Handlungsschritte zur Konfliktreduktion ableiten zu können. Wie diese aussehen, entscheidet sich meist von Fall zu Fall oder bleibt jedem aufgrund eigener Festlegungen selbst überlassen.
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Aktuelle Situation im Planungswesen Für die Abwicklung von Immobilienprojekten spielt das Projektmanagement neben anderen Managementleistungen eine zentrale Rolle. Dabei übernimmt das Projektmanagement die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln, um mögliche und dem Projekt hinderliche Konfliktpotenziale zu vermeiden und eine erfolgreiche Abwicklung zu gewährleisten. Sehr oft können diese Konflikte nicht vermieden werden, da ihr Ursprung im Vorfeld nicht lokalisiert werden kann und diese innerhalb eines Immobilienprojektes auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen sind. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder neue Modelle und theoretische Konzepte für das Projektmanagement entwickelt und veröffentlicht worden. Diese, meist sehr komplexen Modelle definieren jedoch oft idealtypische Gesamt- oder Teilsysteme. Ganzheitliche Systeme wurden aufgrund ihrer Komplexität und vor allem unter Berücksichtigung ihrer enormen Störeinflüsse nicht abgebildet und modelliert. Die Hauptproblematik ist die enorme Anzahl möglicher Prozessschritte, die durch mangelhafte Kommunikation beziehungsweise Koordination zu sicherheits-, qualitäts-, kosten- und terminrelevanten Problemen in der Projektrealisierung führen. Inwieweit eine strukturierte Schnittstellenidentifikation Abhilfe schaffen kann und welche bedeutende Position sie im Projekt einnimmt, um die Projektanforderungen in allen Projektphasen innerhalb eines vorgegebenen Toleranzspektrums erfüllen zu können, wird im Folgenden versucht zu beschreiben. In der Literatur werden Schnittstellen als durch Arbeitsteilung entstandene Transferpunkte beschrieben, die beispielsweise zwischen Funktionsbereichen, Sparten, Projekten, Personen oder Unternehmen auftreten können. Innerhalb eines Immobilienprojektes treten daher zahlreiche Schnittstellen auf, besonders in Anbetracht des hohen Maßes an Multi- und Interdisziplinarität. So sind während des Immobilienprojektes Netzpläne, Kostenberechnungen und Trendanalysen zu erstellen, die Kommunikation, Mitarbeiterführung und Konfliktbewältigung, Zieldefinitionen und Zielverfolgung, Vertragswesen und vieles mehr fordern. Kenntnisse in Mathematik und Informatik, in Betriebswirtschaft, Finanzwesen und Jura sowie in Soziologie und Psychologie sind dafür notwendig. Neben diesen sozialen und fachlichen Kompetenzen sind ein zielorientierter Überblick und ein planerisches Vorgehen wichtig [1]. Es erscheint daher sinnvoll, Managementmaßnahmen auf Schnittstellen auszurichten. Dort sind die Risiken angesiedelt, die das Projekt in Gefahr bringen, dort muss geplant, verfolgt und gesteuert werden. Aus diesem Grund untersucht das Fachgebiet „Bauwirtschaft und Baubetrieb“ der Technischen Universität Berlin seit einiger Zeit Möglichkeiten, Schnittstellen von Planungsleistungen zu lokalisieren und zu identifizieren, 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 16 WISSEN Christof Stumpf Identifikation von Schnittstellen zur Reduktion des Konfliktpotenzials innerhalb eines Immobilienprojektes Das Interesse für Untersuchungen im Hinblick auf das Immobilienprojektmanagement sowie dessen Varianten ist in den letzten Jahren enorm angestiegen. Trotz dieses Anstieges konnte leider bis heute kein geschlossenes Konzept für eine erfolgreiche Projektabwicklung gefunden werden. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass Immobilienprojekte in hohem Maße multi- und interdisziplinär sind. Durch die unterschiedlichen Disziplinen, die die Projektbeteiligten begleiten, entstehen zahlreiche Transferpunkte, auch Schnittstellen genannt, die meist durch verbale, schriftliche und technische Kommunikation überbrückt werden müssen. Infolgedessen ist die Identifikation von Schnittstellen eines der grundlegenden Themen für die erfolgreiche Abwicklung von Immobilienprojekten. Trotz gut aufgestellter Teams im Bereich des Projektmanagements kommt es immer wieder zu Konfliktpotenzialen aufgrund fehlender Koordination und Abstimmung während des Planungs- und Projektverlaufes. Meist sind die Gründe auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Inwieweit die Identifikation von Schnittstellen Abhilfe schaffen kann, wird in dem folgenden Artikel diskutiert. Dabei werden Möglichkeiten aufgezeigt, Schnittstellen effektiv und effizient zu analysieren, um notwendige und sinnvolle Handlungsschritte zur Konfliktreduktion ableiten zu können. Wie diese aussehen, entscheidet sich meist von Fall zu Fall oder bleibt jedem aufgrund eigener Festlegungen selbst überlassen. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 54 Uhr Seite 16 um daraus Arbeitshilfen für die Zusammenstellung der am Bau beteiligten Fachplaner zu erstellen und Vorschläge für mögliche Organisationsstrukturen und deren Arbeitsabläufe zu erarbeiten. Mithilfe dieser wissenschaftlichen Untersuchung sollen eine optimierte Auswahl der beteiligten Fachplaner ermöglicht und Leistungsbilder besser aufeinander abgestimmt werden, um daraus entstehende Konfliktpotenziale zu vermeiden beziehungsweise zu reduzieren. Eine optimale Abgrenzung der einzelnen Planungsbereiche ist jedoch durch die vorhandenen Regelwerke der Verbände und Institutionen gegenwärtig nur schwer möglich. Dies ist unter anderem auf die Wahl unterschiedlicher Leistungstiefen/ -strukturen und -phasen sowie auf verschiedene Begrifflichkeiten zurückzuführen [2]. Eine einheitliche Begrifflichkeit spielt für eine klare Kommunikation eine wesentliche Rolle. Denn Kommunikation überbrückt Transferpunkte in verbaler, schriftlicher und technischer Hinsicht. Sie dient zur Überwindung von Schnittstellen jeglicher Art und reduziert die damit verbundenen Risiken. Ein Hauptproblem der Kommunikation, besonders der Sprache, ist jedoch die Tatsache, dass sie über die Logik hinausgeht. Diverse Beispiele aus der Literatur beweisen diesen Sachverhalt. So kann der Operator „und“ in unserem natürlichen Sprachverständnis sowohl kommutativ (A u B = B u A) als auch zeitlich oder ursächlich verstanden werden. Aber der Operator „und“ kann unter manchen Umständen auch als das logische „oder“ interpretiert werden [3]. Daher ist und kann Kommunikation nicht immer logisch sein. Dies ist auch eine wesentliche Schwierigkeit für die Identifikation von Schnittstellen. Gerade bei der Beschreibung von Planungsleistungen werden sehr oft unterschiedliche Begriffe und Formulierungen eingesetzt, die originär gleiche Leistungsinhalte beziehungsweise Planungsaufgaben umfassen sollen. Ein Lösungsansatz ist die Entwicklung einer Datenbank, die sämtliche Leistungen der gängigen Regelwerke, Vorschriften und Bestimmungen, aber auch Leistungen aus Sekundärliteratur und der Praxis beinhaltet. Diese Datenbank oder die Software, die auf diese zugreift, kann sicher nicht immer die Bedeutung einer Planungsleistung so gut entschlüsseln wie der Mensch selbst, sie unterstützt diesen jedoch auf strukturelle Art, um vorhandene Schnittstellen schneller zu identifizieren. Denn durch die gewählte Datenbankstruktur liegen alle gängigen Planungsleistungen auf einer Ebene, die im Folgenden als „Elementarleistungsebene“ bezeichnet wird. Einführung der Elementarleistung Durch die Einführung der Ebene der Elementarleistungen können Planungsleistungen idealtypisch über den gesamten Immobilienlebenszyklus miteinander verglichen und Schnittstellen identifiziert werden. Aufgrund der offenen inhaltlichen und zeitlichen Datenstruktur bildet sie die Basis, auf der alle gängigen Regelwerke, Vorschriften und Bestimmungen dargestellt und abgebildet werden können. Hierzu ein Beispiel: Betrachtet man mithilfe der Ebene der Elementarleistungen exemplarisch die Menge der Leistungen der neuen HOAI- und der AHO-Schriftenreihe, so umfasst diese zurzeit über 4.100 Leistungsbeschreibungen beziehungsweise Datensätze. Durch die Projektion der Leistungen auf diese Regelwerke sind circa 2.400 gleiche Beschreibungen festzustellen. Wiederholt man diese Untersuchung mit anderen beliebigen Teilmengen, so entsteht das Diagramm „Datenmenge versus gleiche Leistungsbeschreibungen“ (Abb. 3). Die Abb. 3 zeigt das Verhältnis der betrachteten Datensätze zu ihren Leistungsbeschreibungen. Dabei ist ersichtlich, dass bei Zunahme der Datenmenge das Streuungsmaß der gleichen Leistungsbeschreibungen beziehungsweise Datensätze abnimmt und sich bei circa 53 Prozent einpendelt. In dieser Betrachtung werden Elementarleistungen sämtlicher Immobilienlebensphasen berücksichtigt. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage, inwieweit eine Reduktion der Lebensphasen eine signifikante Veränderung an Leistungsüberschneidungen auf der Ebene der Elementarleistungen schafft. Durch die Reduktion der Phasen zum Beispiel auf die der Planung und Realisierung sinkt die zu betrachtende Datenmenge (f. HOAI u. AHO) im Verhältnis mehr als die Anzahl gleicher Leistungsbeschreibungen. An diesen Beispielen wird deutlich, dass besonders in den ersten Immobilienlebenszyklen aufgrund der notwendigen Planungstätigkeiten eine Häufung an Elementarleistungen erkennbar ist und somit Risiken hinsichtlich fehlender Leistungsbeschreibungen geringer ausfallen als vermeintlich in späteren. Dank dieser Erkenntnis kann man mit der Elementarleistungsebene die wesentlichsten Formulierungen im Planungsbereich, besonders im ersten Lebensabschnitt einer Immobilie, aufzeigen und gleichzeitig eine hinreichend genaue Beschreibung, die eine klare Abgrenzung beziehungsweise Schnittstelle unter den Einzelleistungen bildet, erzielen. Insofern wird durch die Elementarleisprojekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 17 § 33 HOAI Regelwerk Verordnungsteil Leistungsbild Leistungsbereich Leistungsphase Leistung Nr. 9 AHO 6. Stufen Regelwerk Verordnungsteil Leistungsbild Leistungsbereich Leistungsphase Leistung Handlungsbereich 7. Stufen Nr. 18 AHO Verordnungsteil Leistungsbild Leistungsbereich Leistungsstufe Leistungsphase Leistung Regelwerk 7. Stufen § 53 HOAI Regelwerk Verordnungsteil Leistungsbild Leistungsbereich Leistungsphase Leistung 6. Stufen Abb. 1: Leistungstiefen/ -strukturen der HOAI 2009 und AHO Abb. 2: Ebene der Elementarleistungen PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 54 Uhr Seite 17 tungsebene eine „Sprachebene“ geschaffen, die eine eindeutige Kommunikation ermöglichen kann. Mittels dieser Erkenntnis wird gleichzeitig deutlich, dass es einer hinreichend großen Datenmenge bedarf, um alle wesentlichen Formulierungen und Definitionen aus dem Planungsbereich aufzuzeigen und abzudecken. Exkurs: Organisationslehre aus der Betriebswirtschaft Im Vergleich zur Betriebswirtschaftslehre und deren Organisationslehre ist die Elementarleistungsebene mit der Ebene der Elementaraufgaben aus der Aufgabenanalyse und -synthese (Abb. 4) vergleichbar. Die Elementaraufgaben fassen Einzelaufgaben, die meist auch in Prozessen beschrieben sind, zusammen. Dies ist besonders für die Leistungsbeschreibung von Vorteil, denn es müssen nicht alle Varianten und die daraus folgenden Einzelaufgaben beziehungsweise Prozessschritte aufgeführt werden. Dadurch kann eine moderate Schnittstellenidentifikation erfolgen, die beherrschbar ist. Denn eine Schnittstellenidentifikation auf der Ebene der Einzelaufgaben gestaltet sich aufgrund der hohen Anzahl und Komplexität unweit schwieriger als eine auf der Ebene der Elementaraufgaben. Sehr oft werden auf dieser Ebene außerdem Eventualitäten beschrieben, die projektabhängig sind. Daher erscheint diese Leistungsebene allgemeingültiger als die Ebene der Einzelaufgaben beziehungsweise der Prozessabläufe. Darüber hinaus zeigt die Abb. 5 am Beispiel der Elementarleistung „Rechnungsprüfung“, dass zum einen kein einheitlicher Prozessablauf definiert und beschrieben ist und dass zum anderen daraus kein Algorithmus zwischen der Elementarleistungsebene und den Prozessschritten bzw. den Einzelaufgaben abgeleitet werden kann. Die Ursache hierfür ist, dass die Anzahl von Prozessschritten von Projekt zu Projekt variiert und infolgedessen keine eindeutige Aussage getroffen werden kann. Diese Erkenntnis ist auch bei anderen Elementarleistungen und deren Prozessschritten feststellbar. Die Beschreibung der Leistungen auf der Ebene der Einzelaufgaben hätte auch noch den Nachteil, dass im Verhältnis zu der Elementarleistungsaufgabe die Kombinationsmöglichkeit ansteigt und dies, selbst rechnergestützt, eine enorme Zeitspanne einnehmen würde. In der Abb. 6 ist der beschriebene Sachverhalt grafisch dargestellt. Schnittstellenidentifikation Mithilfe der Einführung der Elementarleistungsebene und der Wahl einer geeigneten Datenbankstruktur können schließlich alle gängigen Planungsleistungen auf einer Datenbankebene abgelegt werden. Demzufolge können die Planungsleistungen sehr gut miteinander verglichen und die Schnittstellen zwischen den Leistungen identifiziert und lokalisiert werden. Durch die Anwendung einer Top-down-Bottom-up- Abfrage können die vorhandenen Schnittstellen hinsichtlich ihrer Überschneidungen bzw. Wiederholungen dargestellt werden. Je nach gewünschtem Informations- und Auswertungsergebnis muss der Nutzer beziehungsweise der Anwender Festlegungen treffen, wie zum Beispiel, welche Projektbeteiligten in welcher Zeitspanne involviert werden sollen usw. Nach Zuordnung der betreffenden Festlegungen zu den Elementarleistungen wird über die Elementarleistungsebene ein Abgleich der Planungsleistungen vorgenommen. So kann je nach Regelwerk dem Projektbeteiligten seine entsprechende Leistung zugeordnet werden. Überschneidungen beziehungsweise Wiederholungen sind so dargestellt, dass vom Anwender eine Entscheidung getroffen werden kann, welcher Planungsbeteiligte die Leistung ausführen soll. Durch den Aufbau und die beinhalteten Informationen der vorhandenen Datenbank können „Planungsleistungsverzeichnisse“ einfach erstellt werden. Unabhängig davon, ob Regelwerke, Leistungsphasen usw. einfache oder komplexe Strukturen als Entscheidungskriterien aufweisen oder nicht. Leistungslücken oder gar Leistungsdefizite sind durch diese Methode hingegen noch nicht identifizierbar. Um dies zu erzielen, müssen weitere Festlegungen getroffen und Anforderungen an das Bauprojekt und schließlich an die Planungsleistungen formuliert werden, wie Angaben zu Handlungsbereichen oder Projektmanagementelementen, Anzahl von Planungsbeteiligten und Leistungsphasen usw. Durch diese Angaben wird eine individuelle, vom Nutzer abhängige Leistungsmatrix geschaffen, die auf die Elementarleistungsebene gelegt werden kann. Diese Art Leistungsmatrix dient sowohl als „Filter“ wie auch als Basis, gefüllt mit den Elementarleistungen. Durch den „Filter“ sind neben den Überschneidungen beziehungsweise Wiederholungen nun ebenfalls die Leistungslücken und -defizite identifizierbar. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 18 WISSEN Abb. 3: Datenmenge versus gleiche Leistungsbeschreibungen Abb. 4: Aufgabenanalyse und -synthese [4] PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 54 Uhr Seite 18 In der Abb. 7 sind die einzelnen Ebenen in ihrer hierarchischen Ordnung und ihre Wirkungsweise untereinander innerhalb des Datenbankmodells dargestellt. In Bezug auf ihre Allgemeingültigkeit kann vorwiegend nur die Elementarleistungsebene genannt werden. Im Gegensatz dazu sind die Ebenen der Prozessabläufe sowie der Stellenbildung durch ihre individuellen Festlegungen nur von projektspezifischer Art. Konzeption der Leistungsmatrix Die Literatur gibt unterschiedliche Hilfestellungen, um das „Soll“ mit dem „Ist“ vergleichen zu können, aber besonders eine klar strukturierte und „starre“ Leistungsmatrix [2] hat sich für die Identifikation von Schnittstellen in diesem Zusammenhang als günstig herausgestellt. Die Leistungsmatrix benötigt neben einer Vorgabe der Leistungsphasen auch Festlegungen im Handlungsbereich. Je nach Literaturquelle wird eine unterschiedliche Anzahl von Handlungsbereichen angegeben. In der Schriftenreihe des AHO zum Beispiel sind vier bis fünf Handlungsbereiche beschrieben, wobei auch höhere Zahlen erwähnt und erläutert werden. Diese sollen die Leistungen in unterschiedliche Tätigkeitsbereiche klassifizieren und somit eine verbesserte Vergleichbarkeit und Übersichtlichkeit innerhalb des Datenbankmodells erzielen. Eine ähnlich schlechte Ausgangssituation ist ebenfalls bei den Leistungsphasen erkennbar. Lediglich die Leistungsphasen im Planungs- und Bauprozess sind durch die HOAI und die Schriftenreihe der AHO noch relativ gut formuliert und abgegrenzt. Danach variiert die Anzahl auf ähnliche Weise wie bei den Handlungsbereichen von Veröffentlichung zu Veröffentlichung. Der Grund hierfür lässt sich vorwiegend auf die gewählte Immobilienart und den damit verbundenen Immobilienlebenszyklus zurückführen. Aus diesem Grund sollte der Nutzer beziehungsweise Anwender eine ungefähre Vorstellung der von ihm favorisierten Leistungsphasenanzahl besitzen. In diesem Zusammenhang gibt auch hier die Literatur Hilfestellungen. Eine Möglichkeit könnte ein Immobilienverlauf mit zwei Nutzungs- und Leerstandsphasen sein, bevor Exitbeziehungsweise Abrissstrategien verfolgt werden. Unter dieser Voraussetzung würde ein Modell mit zwanzig Planungsleistungsphasen entstehen. Durch die angesprochenen Festlegungen und Anforderungen an den Projektverlauf (Leistungsphasen) und die Planungsleistungen (Handlungsbereiche) kann nun eine klar strukturierte und „starre“ Leistungsmatrix erstellt und mit den Elementarleistungen „gefüllt“ werprojekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 19 Abb. 5: Elementarleistungen und deren Prozessschritte Abb. 7: Leistungsmatrix Abb. 6: Optimale Schnittstellenidentifikation [vgl. 2] PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 54 Uhr Seite 19 den. Der Anwender erhält seinen Ansprüchen entsprechend eine nach Leistungsphase und Projektbeteiligten sortierte Leistungsbeschreibung, in der Schnittstellen identifiziert und abgeglichen werden können. Integration der Elementarleistungen in ein Datenbankmodell Sollten allgemeingültige Anforderungen an Planungsleistungen gestellt, Elementarleistungen ergänzt oder konkretisiert werden, so muss dies das vorhandene Datenbankmodell erfüllen. Durch die Verwendung einer relationalen Datenbank ist dies gewährleistet. Denn relationale Datenbanken sind trotz der mathematischen, abstrakten Definition des Datenbankmodells vergleichsweise einfach und flexibel zu handhaben. Eine relationale Datenbank kann man sich als eine Sammlung von Tabellen (Relationen) vorstellen, in welchen Datensätze abgespeichert sind. Jede Zeile (Tupel) in einer Tabelle ist ein Datensatz (Record). Jedes Tupel besteht aus einer Reihe von Attributwerten (Attribute = Eigenschaften), den Spalten der Tabelle. Das Relationenschema legt dabei die Anzahl und den Typ der Attribute für eine Relation fest [5]. In Bezug auf das beschriebene Datenmodell lässt sich mithilfe der relationalen Datenbank eine geeignete Datenbankstruktur entwickeln, die die beschriebenen Voraussetzungen erfüllt. Das aktuelle Relationenschema weist über 12.500 Tupel und 25 Attribute auf. Die für den Nutzer beziehungsweise Anwender wahrnehmbaren Strukturen sind zudem auf eine Eingaben- und Ausgabenmaske beschränkt, in der zum einen die Anforderungen und Ziele definiert und zum anderen die davon abhängigen Ergebnisse ausgegeben werden sollen. Hierzu ein Beispiel: Durch die Festlegung der Projektbeteiligten und der Leistungsphasen wird auf der Ebene der Elementarleistungen eine Teilmenge für die Analyse erzeugt. Diese wird mit der Gesamtmenge auf Leistungsüberschneidungen beziehungsweise Doppelungen untersucht und bei Gleichheit in einer Tabelle angezeigt. Der Nutzer beziehungsweise Anwender kann nun die Entscheidung treffen, welchem Planungsbeteiligten die Leistung zuzuordnen ist. Darüber hinaus wird mit den weiteren Angaben, die als Filter dienen, die Matrix angelegt, die die Leistungslücken bei der Projektion auf die Regelwerke ersichtlich macht. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass innerhalb der Elementarleistungsebene keine Verknüpfungen vorgegeben sein müssen, individuelle Filterungen vorgenommen werden können und auf vorhandene Strukturen (u. a. Handlungsbereiche) zurückgegriffen werden kann. Um dem Nutzer beziehungsweise Anwender ein Auswahlkriterium geben zu können, müssen jedoch alle betrachteten Elementarleistungen in mögliche Handlungsbereiche, Leistungsphasen und gegebenenfalls in weitere Strukturen klassifiziert und eingruppiert werden. Um dies zu gewährleisten, wird auf Elementarleistungen zurückgegriffen, die diese Informationen und Angaben bereits besitzen. Durch diese Vorgehensweise kann eine Vorschrift, ein Algorithmus, aufgestellt werden. Dieser Algorithmus schafft ein Toleranzspektrum und hilft somit die Elementarleistungen zu klassifizieren. Durch die entstandene Klassifizierung kann nun die erforderliche Struktur beziehungsweise Matrix erstellt werden, mittels welcher wiederum eine Projektion der Elementarleistungen auf die Regelwerke, Vorschriften und Bestimmungen durchgeführt werden kann. Das Ergebnis weist dann schon die beschriebenen möglichen Leistungsüberschneidungen und -lücken auf. Fazit Wie schon erwähnt, besteht das Ziel der Identifikation von Schnittstellen darin, das Konfliktpotenzial, das innerhalb eines Projektes zwischen den Planungsbeteiligten entstehen kann, weiter zu reduzieren. In den bisherigen Veröffentlichungen werden jedoch sehr oft Modelle beschrieben, die für die Praxis nur bedingt anwendbar sind. Die Hauptproblematik ist 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 20 WISSEN Abb. 8: Mögliche Handlungsbereiche [vgl. 2] Abb. 9: Mögliche Leistungsphasen [vgl. 2] PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 54 Uhr Seite 20 vor allem die Verbindung zwischen theoretischen Modellansätzen, vertraglichen Vereinbarungen und der gelebten Praxis. Deshalb untersucht das Fachgebiet „Bauwirtschaft und Baubetrieb“ der Technischen Universität Berlin seit einiger Zeit Möglichkeiten, das Projektmanagement weiter zu verbessern. Denn besonders die Kommunikation scheint eines der Schlüsselglieder im effektiven Immobilienprojektmanagement zu sein. Durch die Schaffung einer Kompatibilität und Vergleichbarkeit von Leistungspaketen können mögliche Konfliktpotenziale zwischen Planungsbeteiligten aufgezeigt und gegebenenfalls im Vorfeld verhindert und korrigiert werden. Dies ist mit der Einführung einer Elementarleistungsebene gewährleistet. Denn mittels dieser Ebene wird eine hinreichend genaue Beschreibung erzielt, die eine klare Abgrenzung beziehungsweise Schnittstelle unter den Einzelleistungen schafft und trotzdem logische Analogien zulässt. Diese Elementarleistungsebene kann als „Basis“ gesehen werden, mithilfe derer, die wesentlichsten Regelwerke abgeglichen und die Planungsleistungen individuell für das jeweilige Bauprojekt angepasst werden können. Das dargestellte Datenbankmodell und die daraus realisierbaren statistischen Auswertungen zeigen auch Häufungen an, die die Bedeutung von Planungsbereichen hervorheben. Im Gegensatz dazu gibt es auch Lebensphasen, in denen wenige Elementarleistungen vorhanden und erwähnt sind. Ist die Planungs- und Erstellungsphase noch hinreichend gut beschrieben, so sind die weiteren Leistungsphasen im Lebenszyklus einer Immobilie nur knapp formuliert. Diese Verteilung und die vorhandene Gewichtung zeigt zum einen eine Heterogenität und zum anderen, dass die Datenmenge nicht abschließend sein kann und infolgedessen mithilfe weiterer individueller Regelungen ergänzt werden muss. Ebenfalls wird deutlich, dass aufgrund der enormen Komplexität, besonders im Zusammenhang mit der Kommunikation und der Sprache, spezifische Festlegungen und Eingrenzungen getroffen werden müssen. Um diese Vielfalt im Hinblick auf die Leistungstiefen und Begrifflichkeiten beherrschbar zu machen, wurden in früheren Modellen Leistungsmatrizen konzipiert, die den Ansatz einer ganzheitlichen Planungsleistung verfolgten. Dieses Matrixmodell hatte jedoch den Nachteil, dass im Vorfeld der Erstellung Festlegungen vorgenommen werden mussten. Individuelle Nutzeranforderungen waren zwar im Nachgang auch noch mit diesen Modellen möglich, jedoch in einem sehr eingeschränkten Rahmen. Aus diesem Grund wurde die Flexibilität, die das System aufweisen muss, verbessert. So stehen unterschiedliche Leistungsmatrizen nur noch als eine Option [2] zur Verfügung, die überdies individuell angepasst werden können. Dank dieser Flexibilität kann der Anwender mithilfe seiner Festlegungen und Angaben die Ausgabe der zu erwartenden Ergebnisse beeinflussen und dadurch eine individuelle, auf seine Bedürfnisse abgestimmte Schnittstellenidentifikation erzeugen. Das entwickelte Datenbankmodell unterstützt infolgedessen das Projektmanagement, zum einen Planungsleistungen zielgerichtet zu beauftragen und zum anderen Hilfestellungen bei der Zusammenstellung der am Bau beteiligten Fachplaner und Unternehmen zu geben. Mittels dieses Sachverhaltes können Konfliktpotenziale innerhalb eines Immobilienprojektes, die aufgrund unzureichender Aufgabenverteilung an die Projektbeteiligten entstehen, vermieden werden. ■ Literatur [1] Wischnewski, E.: Kooperatives Projektmanagement: Strategien zur nachhaltigen Verbesserung der Projektabwicklung. 1. Auflage, Wiesbaden 2002 [2] Stumpf, C.: Ganzheitliche Planungsleistungen in der Realisierungsphase einer Immobilie. In: projektMANAGE- MENT aktuell 4/ 2008, TÜV Media GmbH, Köln, S. 24 [3] Gigerenzer, G.: Bauchentscheidung. 7. Auflage, München 2007 [4] Wöhe, G.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 22. Auflage, München 2005 [5] Wikipedia, die freie Enzyklopädie: Relationale Datenbank. Wikimedia Foundation Inc., 2008 Schlagwörter Elementarleistungsebene, ganzheitliche Planungsleistungen, Handlungsbereich, Leistungsbild, Leistungsphasen, Projektebene, Projektmanagement, Prozessebene, relationales Datenbankmodell, Schnittstellenidentifikation Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.3 Projektanforderungen und Ziele, 4.1.9 Projektstrukturen, 4.1.10 Leistungsumfang und Lieferobjekte, 4.1.11 Projektphasen, Ablauf und Termine, 4.1.14 Beschaffung und Verträge, 4.1.18 Kommunikation Autor Dipl.-Ing., Immobilienökonom (ebs) Christof Stumpf ist bei einer Treuhandgesellschaft im Projektmanagement tätig und hat die Verantwortung für ein Immobilienportfolio. Neben seinem heutigen Tätigkeitsfeld ist er Gastdozent am Fachgebiet für Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin sowie Autor einiger Fachbeiträge. Anschrift Technische Universität Berlin Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb Sekretariat TIB1 - B6 Gustav-Meyer-Allee 25 D-13355 Berlin projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2010 l 21 Abb. 10: Begriffe relationaler Datenbanken [5] PM_3-2010_1-56: Inhalt 27.05.2010 12: 54 Uhr Seite 21