eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 21/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
101
2010
214 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Herausforderung „Wüstenstrom für Europa“

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2010
Oliver Steeger
6,5 Milliarden Menschen bevölkern derzeit die Erde. Im Jahr 2050 werden es möglicherweise zehn Milliarden sein. Sie alle brauchen Energie. Doch schon heute stößt die Menschheit mit ihrer Energieversorgung an die Grenzen. Wissenschaftler malen die Folgen der Klimakatastrophe aus. Der ungebremste Ausstoß von CO2 kann zu Erderwärmung, zu Überflutungen und Wüstenbildung führen. Mit einem gewaltigen Projektprogramm will die DESERTEC Foundation die Energieversorgung auf die Nutzung klimaneutralen Sonnenlichts umstellen. Allein 400 Milliarden Euro würde es kosten, einen Teil des Strombedarfs Europas mit Kraftwerken in der Wüste zu decken. Das kostspielige Programm bietet der deutschen Wirtschaft einen Lichtstrahl: Unternehmen hierzulande sind führend in puncto Umwelttechnik, Projektmanagement „Made in Germany“ ist weltweit anerkannt. Wie die DESERTEC-Vision sich entwickelt – darüber spricht Rechtsanwalt Friedrich Führ, Gründer und Gründungsvorstand der DESERTEC Foundation, als Keynote-Speaker auf dem „Deutschen Internationalen Projektmanagement Forum“ in Berlin.
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Herr Führ, die DESERTEC Foundation setzt sich ein für ein beispielloses Projekt. Europa soll mit Strom aus den Wüsten Nordafrikas versorgt werden. Die Wüsten der Erde, so heißt es, empfangen in sechs Stunden mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Soll künftig der Strombedarf Europas allein aus der Wüste gedeckt werden? Friedrich Führ: Die Menschheit muss die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umstellen - so schnell wie möglich. Dies ist unser Ziel, wir zeigen einen realisierbaren Weg auf. DESERTEC ist eine der ganz wenigen Lösungen, die derzeit „auf dem Markt“ sind. Die Kooperation von Firmen, Ländern und Kontinenten für die Realisierung unserer Vision von Wüstenstrom ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll, sie eignet sich sehr gut für die erforderliche schnelle Umstellung auf erneuerbare Energien. Für Europa rechnen wir damit, dass 15 bis 19 Prozent des Strombedarfs durch Wüstenstrom gedeckt werden wird. Und der Rest? Der Rest wird durch Nutzung regenerativer Quellen regional erzeugt. Das Ziel besteht in einem sinnvollen Mix verschiedener sauberer Energiequellen. Zugegeben, Europa ist nicht so von Sonne und Wind verwöhnt wie die Wüsten Marokkos, Ägyptens oder Tunesiens. Weshalb aber soll der Strom nicht ganz dort erzeugt werden, wo er gebraucht wird - nämlich in Europa selbst? Stromgewinnung in der Wüste ist wirtschaftlicher! Dort ist die Sonnenernte um den Faktor zwei bis vier höher als in Europa. projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 3 SONDERTEIL Oliver Steeger Herausforderung „Wüstenstrom für Europa“ Friedrich Führ, Gründer der DESERTEC Foundation und Keynote-Speaker auf dem PM Forum 6,5 Milliarden Menschen bevölkern derzeit die Erde. Im Jahr 2050 werden es möglicherweise zehn Milliarden sein. Sie alle brauchen Energie. Doch schon heute stößt die Menschheit mit ihrer Energieversorgung an die Grenzen. Wissenschaftler malen die Folgen der Klimakatastrophe aus. Der ungebremste Ausstoß von CO 2 kann zu Erderwärmung, zu Überflutungen und Wüstenbildung führen. Mit einem gewaltigen Projektprogramm will die DESERTEC Foundation die Energieversorgung auf die Nutzung klimaneutralen Sonnenlichts umstellen. Allein 400 Milliarden Euro würde es kosten, einen Teil des Strombedarfs Europas mit Kraftwerken in der Wüste zu decken. Das kostspielige Programm bietet der deutschen Wirtschaft einen Lichtstrahl: Unternehmen hierzulande sind führend in puncto Umwelttechnik, Projektmanagement „Made in Germany“ ist weltweit anerkannt. Wie die DESERTEC-Vision sich entwickelt - darüber spricht Rechtsanwalt Friedrich Führ, Gründer und Gründungsvorstand der DESERTEC Foundation, als Keynote-Speaker auf dem „Deutschen Internationalen Projektmanagement Forum“ in Berlin. Foto: privat Rechtsanwalt Friedrich Führ ist selbstständiger Unternehmensberater und Coach. Er sanierte den Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin in einem Insolvenzplanverfahren. Dieses komplexe Projekt managte er mit über 99 Prozent Zustimmung der Gläubiger. Er war anschließend jüngster Landesgeschäftsführer im DRK. Er gründete eine Reihe von Unternehmen und gehörte unter anderem dem Aufsichtsrat der späteren PostCon AG an. Friedrich Führ ist Gründungsstifter und war Gründungsvorstand der gemeinnützigen DESERTEC Foundation; er verbrachte vier Jahre in Dubai und lebt seit 2010 wieder in Berlin. PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 11: 42 Uhr Seite 3 SONDERTEIL 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 Die Kosten für das Programm, das Europa mit Sonnenenergie aus Nordafrika versorgt, liegen bei geschätzt 400 Milliarden Euro - eine Größenordnung, die sich höchstens mit den zurückliegenden Raumfahrtprogrammen und Mondmissionen messen kann. Die Summe verteilt sich auf die Jahre bis 2050. Und sie ist rentabel angelegt, wenn langfristige Abnahmeverträge bestehen. Die Anlagen haben eine lange Laufzeit, die Betriebskosten sind unschlagbar niedrig. Gelingt es, langfristige Vereinbarungen zu treffen, so wird diese dann kalkulierbare Anlage sehr interessant für langfristig denkende Investoren. Angenommen, dieses Programm würde realisiert. Wie kann man dieses gewaltige Projekt mit konkreten Schritten starten? Wir stellen uns DESERTEC nicht als ein klassisches Projekt vor, an dessen Spitze ein Projektmanager steht und die Arbeiten dirigiert. Es wird ein Programm werden aus einer Vielzahl von Einzelprojekten quasi unter der Überschrift „DESERTEC“. DESERTEC ist also kein Projekt, sondern eine Idee, eine Vision, überall auf der Erde Wüsten für die Energieversorgung zu nutzen - nicht nur in Europa, sondern auch beispielsweise in China, Indien, Australien, Südamerika oder den USA. Auch große Visionen beginnen mit ersten konkreten Schritten. Schauen wir uns die Regionen Europa und Nordafrika an. Zunächst brauchen wir Referenzprojekte, die schnell multiplizierbar sind, also schnell zu einer Vielzahl weiterer Projekte führen. Pilotprojekte im Sinne technischer Erprobung? Nein, nicht in diesem Sinne. Die Technologie ist reif für diese Vorhaben. Solarthermische Kraftwerke werden seit Jahrzehnten beispielsweise in Südspanien oder in der Wüste Kaliforniens betrieben. Bei dieser Art von Kraftwerken wird Sonnenlicht gebündelt und in Wärme umgewandelt: Heißer Dampf treibt Turbinen an - ein anderes Prinzip der Energiegewinnung als bei der Photovoltaik. Wir haben also erprobte Technik. Wir müssen nicht erst das Prinzip verifizieren. Wir wissen, dass die Technologie funktioniert und sie sich rechnet. Weshalb dann Referenzprojekte? Wir wollen durch die Referenzprojekte ideale Größendimensionen und die Verknüpfung verschiedener Formen von Energiegewinnung ermitteln. Marokko beispielsweise ist ein idealer Standort für Windkraftanlagen. Auch Ägypten gilt als guter Standort für Windkraft, bietet allerdings auch Wüsten für Solarthermie. In Tunesien könnte man solarthermische Kraftwerke direkt mit Meerwasserentsalzungsanlagen kombinieren. Es geht letztlich darum, verschiedene Kombinationen auszuprobieren und Konzeptionen zu erstellen, wie Anlagen aussehen sollten. Danach kann man schnell zu Projekten kommen - wir unterliegen ja einem gigantischen Zeitdruck. Zeitdruck? Wir müssen schnell zu drastischen CO 2 -Einsparungen kommen. Hätten wir alle Zeit der Welt, so könnten wir die Referenzanlagen sorgfältig testen. Die Zeit haben wir Dies mag sein. Doch man müsste über Hunderte von Kilometern Fernleitungen errichten, um diesen Strom nach Europa zu schaffen. Zwischen Stromerzeugern und Abnehmern liegen bis zu dreitausend Kilometer, die überwunden werden müssen. Vor allem: Stromtransport bringt Stromverlust mit sich. Moderne Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen übertragen Strom mit weniger als drei Prozent Verlust je tausend Kilometer … Immerhin! Auf dreitausend Kilometer ergeben sich fast zehn Prozent Übertragungsverlust. Kann man sich dies leisten? Der Übertragungsverlust ist doch sensationell niedrig! Konventionelle Netze sind für die Nahversorgung ausgelegt - im Durchschnitt auf 70 Kilometer. Der Übertragungsverlust dort ist bei geringerer Reichweite sehr viel höher. Angesichts der reichen Sonnenernte in Wüsten wäre der Verlust bei Hochspannungs-Gleichstrom- Übertragungsleitungen mehr als akzeptabel und wirtschaftlich gut verträglich. Die Sonneneinstrahlung in Wüsten ist zweibis dreimal so groß wie in Europa. Die Strahlung ist direkter, also in einem höheren Maße nutzbar für die Energieerzeugung. Vergessen Sie nicht: Es handelt sich um regenerative Energie, saubere Energie. Nochmals: Die Schwierigkeit liegt darin, dass die ergiebigen Quellen für regenerative Energie weit von den Verbrauchern entfernt liegen. Was heißt weit? Neunzig Prozent der Menschheit kann man über eine Strecke von höchstens dreitausend Kilometern mit Wüstenstrom versorgen. Eine weitere Zahl: Um den heutigen globalen Strombedarf decken zu können, würde es reichen, ein halbes Prozent der weltweiten Wüstenflächen zu nutzen. Wir schlagen bis zum Jahr 2050 den Ausbau von DESERTEC für die ganze Welt vor; fünfzig Prozent des Weltstrombedarfs sollen auf diese Weise gedeckt werden. Wir fangen jetzt in Nordafrika an. Konkret? Wir brauchen jetzt dringend Netze aus modernen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen, damit wir einen Entwicklungssprung möglich machen. Ich mache dies mit einem Vergleich deutlich, mit dem Bild von Landstraßen und Autobahnen. Im Strombereich haben wir derzeit Landstraßen. Wir fordern nun „Stromautobahnen“. 4 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 11: 42 Uhr Seite 4 Anzeige projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 5 nicht. Das bescheidene Ziel der DESERTEC Foundation - den Begriff „bescheiden“ können Sie scherzhaft oder sehr ernst nehmen - besteht darin, den Umstieg auf saubere Energien zu beschleunigen. Früher oder später werden wir diese Energien ohnehin nutzen, werden wir ohnehin umsteigen - dann aber ist es womöglich zu spät. Sie spielen sowohl auf die Klimakatastrophe als auch auf die Endlichkeit fossiler Brennstoffe an? Ich spiele vor allem auf das Ziel an, dass wir die menschengemachte Erderwärmung begrenzen müssen. Die Weltgemeinschaft hat sich in Kopenhagen darauf verständigt, die Erderwärmung zu begrenzen. Die Erwärmung soll zwei Grad nicht überschreiten, dies war eines der wenigen greifbaren Ergebnisse des Gipfels. Nehmen wir dieses Ziel ernst - dann müssen wir uns fragen, wie viel Zeit uns noch für den Umstieg bleibt. Wie viel Zeit bleibt uns? Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung hat dies versucht zu berechnen. Glaubt man dessen Zahlen, dann können wir noch 25 Jahre CO 2 emittieren wie bisher. Danach dürfen wir kein CO 2 mehr erzeugen. Es geht also darum, den Zeitraum für den Umstieg über diese 25 Jahre hinaus zu strecken ... … indem wir schon jetzt so bald wie möglich die CO 2 -Emission senken und damit den verbleibenden Zeitraum dehnen? Ja. Dies ist nur zu schaffen, wenn wir jetzt zügig beginnen, auf saubere und nachhaltige Energieproduktion umzustellen. Wie gesagt, an der Nutzung regenerativer Energiequellen führt ohnehin kein Weg vorbei. Die Frage ist: Wann beginnen wir mit dem Umstieg? Wir fordern: So schnell wie möglich. Nochmals zu dem Volumen von 400 Milliarden Euro. Die Investition verteilt sich auf einige Jahrzehnte. Auf vierzig Jahre, um genau zu sein. Der jährliche Betrag ist folglich überschaubar. Die sich für ein Jahr ergebenden Investitionen für das DESERTEC-Programm scheinen auf den ersten Blick gering zu sein. Doch die Gesamtinvestitionen in den Umstieg sind gewaltig. Wüstenstrom deckt, wie gesagt, nur einen Teil des Energiebedarfs, knapp zwanzig Prozent. Die restlichen achtzig Prozent werden anderweitig gewonnen. Daran erkennen Sie die gigantischen Ausmaße unseres Modells. Mehr noch: Dieses Modell gilt ja nicht allein für Europa. Wir sagen, dass man weltweit Wüsten für die Energieerzeugung nutzen muss. Das Gesamtinvestitionsvolumen wird erheblich höher sein und in die Billionen gehen. Wo Investitionen getätigt werden sollen, braucht man Investoren. So ist es. In diesen Bereich muss viel Geld fließen. In Deutschland haben sich Mitte vergangenen Jahres Unternehmen zur „DESERTEC Industrial Initiative“ zusammengeschlossen und ein Netzwerk gegründet. Zwölf Unternehmen und die DESERTEC Foundation als NGO haben ein noch nie da gewesenes Joint Venture gegründet. Weitere Partner und Gesellschafter sind hinzugekommen. Und wir wollen weiter wachsen. Weltkonzerne PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 11: 43 Uhr Seite 5 Experten erwarten, dass der Markt für Solarthermie-Kraftwerke bis zum Jahr 2020 zweistellige jährliche Wachstumsraten verzeichnen und ein Volumen von rund 20 Mrd. Euro erreichen wird. Foto: Siemens-Pressebild SONDERTEIL 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 Zum Beispiel? Angenommen, der Meeresspiegel steigt infolge der CO 2 -Emission. Ganze Küsten müssten eingedeicht werden. Nehmen wir an, diese Folgekosten würden von den Verursachern getragen. Anderes Beispiel: Atomstrom wäre kaum zu bezahlen, wenn Energiekonzerne für mögliche Unfälle komplett haftbar gemacht werden könnten - und dafür Risikorückstellungen zu tätigen hätten … Augenblick! Dies alles mag ja in der Theorie gelten. Wirklich nur in der Theorie? Die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko legt nahe, dass die Gesellschaft sich dagegen wehrt, solche Folgen zu sozialisieren. Dies ändert nichts daran, dass faktisch Strom aus regenerativen Energiequellen massiv subventioniert werden muss. Anders findet er keine Abnehmer. Das Energie-Einspeise-Gesetz in Deutschland hat gezeigt, dass ein Umstieg möglich ist. Das Gesetz wurde von knapp vierzig Staaten in der Welt übernommen, ein Erfolgsmodell … … wobei man in Deutschland derzeit eine Reduzierung der Einspeisevergütung diskutiert. Generell ist eine Reduzierung der Subventionen sinnvoll. Durch die starke Verbreitung sind die Investitionen gestiegen. Die Preise für einzelne Produkte wie Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen sind deutlich gesunken. Die Massenproduktion der Anlagen brachte kostendegressive Effekte. Ähnlich wird sich dies auch bei solarthermischen Anlagen in der Wüste entwickeln: Je mehr Anlagen gebaut werden, desto günstiger werden sie. Strom aus der Wüste müsste also nur anfangs subventioniert werden, bis die Investitionskosten fallen? So ist es! Die Europäer müssten bereit sein, die hohen Anfangskosten bis zur Massenproduktion bereitzustellen. Dies ist auch ein wichtiger Grund für den Stromimport von Afrika nach Europa. Europa kann und soll vormachen, dass diese Lösung sinnvoll ist. In der Folge wird ein Markt entstehen - damit wird diese Lösung auch für ärmere Länder attraktiv. Dies wird der Industrie und den Erzeugerländern nutzen. Bei der Photovoltaik sind wir zu diesen kostendegressiven Effekten viel schneller als erwartet gekommen. Konkret? In die Förderung müssten neben der Photovoltaik auch andere vielversprechende Arten regenerativer Energieerzeugung aufgenommen werden. Ob Einspeisevergütung das richtige Instrument ist, muss diskutiert werden. Aber: Wir brauchen Rahmenbedingungen, die solche Anlagen finanzierbar machen - und dies ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Dafür müsste Europa den Anfang machen. Was wäre zu tun? Wir brauchen unter anderem eine Erweiterung unserer Infrastruktur, ein Netz von verlustarmen Übertragungsleitungen, das sich über Europa spannt und es mit Nordafrika verbindet. Wir empfehlen Europa dringend, in seine Infrastruktur zu investieren, die derzeit noch regional aufgebaut ist. wie die ABB, Deutsche Bank, Schott Solar, Münchner Rück und Siemens haben diesen mutigen Schritt gewagt. Damit sind wir einen Schritt vorangekommen. Wir werden innerhalb von drei Jahren einen Plan vorlegen, wie DESERTEC in EU-MENA realisiert werden kann. Investoren erwarten Rendite. Nach wie vor aber ist konventioneller Strom bedeutend preiswerter als alternativ erzeugter Strom. Scheinbar preiswerter! Die Märkte sind verzerrt. Es sieht so aus, als ob konventionelle Kraftwerke günstiger wären. Atomkraft, Kohle und andere Energieträger sind in der Vergangenheit massiv subventioniert worden - und werden es heute noch. Der Blick allein auf die Kosten pro Kilowattstunde Strom hilft für die Einschätzung nicht weiter. Legt man allerdings eine Vollkostenrechnung zugrunde, ist die regenerative Energie schon heute deutlich preiswerter als konventionelle Energie. Was verstehen Sie unter Vollkostenrechnung? Unter Vollkostengesichtspunkten muss man auch beispielsweise die Folgen und Schäden betrachten, die bei der Gewinnung und Nutzung von konventioneller Energie entstehen. Diese Kosten für die Schäden werden heute nämlich sozialisiert, wir alle haben sie zu tragen. Angenommen, Energiekonzerne müssten Rückstellungen für alle Folgen und Schäden tätigen, so würden die Energiepreise gewaltig steigen. 6 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 11: 43 Uhr Seite 6 ! ! "#$ %& ##'# ( ! ) * + $, $- .$#$ / ## $- .$#$ .0 $0 #1 $2 .$## " # $% & ! ! 3 % 4 ! 5 0 ( ! ".'5) % ' $, #$ .$#$ $1 #. .$#$ ( 3 6 (' )))*( *+ % , - 7 ! ! 6 .$ +.# $- ' #8 +#- #$ .$#$ 9 ( : 3 ! " ) % , - ; & ! < 6 .# +.. #$ ' .- +5$ ## .$#$ 9 ( : 3 ! " ) % ! ! ! # . " + - / ( ( 01 18#12 = * $1.# #28-$1 $ = >3 4 3 = 9 &&& 3 4 3 Anzeige Energiemix der Zukunft: Ein Fünftel des in Europa benötigten Stroms kommt aus der Wüste Nordafrikas. Der Rest wird „vor Ort“ erzeugt. Foto: Siemens-Pressebild projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 7 Vorhaben gewinnen müssen. Er wird auf Partner stoßen, die vielleicht noch gar nicht ihre Möglichkeit kennen, dieses Projekt voranzubringen. So, wie es der DESERTEC Foundation gelungen ist, für ihre Vision große Konzerne zu gewinnen? Ja. Nicht alle wussten sofort, welche Rolle sie bei diesem Projekt spielen können, wie sie es mit ihren Mitteln voranbringen können. Es ging darum, ihnen zu zeigen, dass DESERTEC auch für sie ein wichtiges und lohnendes Thema ist. Wie gesagt, früher oder später werden alle von sich aus die Bedeutung von DESERTEC erkennen. Doch wir haben nicht genug Zeit, darauf zu warten, dass diese Einsicht von allein entsteht. Wir müssen jetzt handeln! Weitere Informationen: www.desertec.org; Informationen zum PM Forum: www.pm-forum.de ■ Was heißt dies genau? Ich beschreibe es an einem Beispiel. Im Stromnetz kommt es immer wieder zur Überlast, das Stromangebot übertrifft den regionalen Verbrauch. Über die verlustarmen Übertragungsleitungen könnte man dieses Überangebot überregional verteilen - statt Kraftwerke kostspielig herunterzufahren. Eine solche Leitung verbindet beispielsweise Holland mit Norwegen. Über diese Verbindung wird mehrmals täglich Strom hin- und hergeschickt. Wird in Holland zu viel Strom produziert, geht er nach Norwegen. Dort speichert man diese Überlast in Pumpwasserspeichern, indem Wasser in die Speicher gepumpt wird. Braucht man in Holland Strom, wird das Wasser zur Stromerzeugung abgelassen. Das Kraftwerk erzeugt Strom, der dorthin fließt, wo er benötigt wird. Dieses Modell trägt deutlich zur Effizienz bei. Ich möchte auf einen Punkt hinaus: Eine ausgebaute Infrastruktur mit Stromautobahnen wäre bereits ein großer Vorteil für die effiziente Energienutzung. Das DESERTEC-Programm würde eine beispiellose internationale Zusammenarbeit erzwingen. Europa und die Staaten Nordafrikas müssten zusammenfinden. Beide Seiten würden profitieren - auch in dem Sinne, dass sich Afrika wirtschaftlich weiterentwickeln kann, indem es über Energie verfügt. Die Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa würde sich stark verbessern, dies hat beispielsweise auch positive Effekte für die Sicherheitspolitik. Es wird keinen Krieg um die „unbegrenzte Ressource“ Sonne geben. Nur bei begrenzten Ressourcen wie Öl und Gas ist das weiter zu befürchten. DESERTEC wird auch für Projektmanager eine gewaltige Herausforderung … Mit Sicherheit! Möglicherweise werden von Projektmanagern ganz neue Fertigkeiten erwartet. Inwiefern neue Fertigkeiten? Internationales Projektmanagement ist bereits seit Längerem bekannt. Bei DESERTEC wird es zusätzlich darum gehen, Kooperationen zu stiften, um die vielen verschie denen Beteiligten dazu zu bringen, dass sie miteinander kooperieren. Der Projektmanager wird wahrscheinlich Kooperationspartner überzeugen und für das PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 11: 43 Uhr Seite 7