eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 21/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2010
214 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Kollaborative Netzwerke – Die Zukunft des Projektmanagements

101
2010
Dag Plischke
Andreas Schöchtel
Projekte mit mehreren beteiligten Partnern aus verschiedenen Organisationen werden häufiger. Die Dominanz der Projektkultur eines beteiligten Partners führt in der Regel zu Konflikten. Deshalb muss nach anderen Lösungen gesucht werden, die garantieren, dass jede Organisation ihre Prozesse beibehalten kann und das Projekt trotzdem kontrolliert ablaufen kann. Die vorliegende empirische Studie untersucht kritische Erfolgsfaktoren über Unternehmensgrenzen hinaus und identifiziert Rationalisierungspotenziale.
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D er ProSTEP iViP Verein hat in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt sowie der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. im Sommer 2009 eine Studie zu diesem Thema durchgeführt. Im Mittelpunkt dieser Expertenbefragung standen die kritischen Erfolgsfaktoren für eine Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg. Außerdem wurden Rationalisierungspotenziale ermittelt, um eine effektivere und effizientere Projektarbeit gewährleisten zu können. Wie die Studienergebnisse [1] zeigen (Abb. 1), ist trotz einer hohen Verbreitung von Standards im Projektmanagement (73%) die Notwendigkeit, sich in unternehmensübergreifenden Netzwerken auf gemeinsame Vorgehensweisen zu einigen, schwach ausgeprägt (68% setzen dafür auf die gleichen Standards wie intern). In der Praxis ist dies immer wieder durch Situationen zu erkennen, in denen der eine Partner ohne Berücksichtigung der Notwendigkeiten des anderen Partners versucht, „seine“ Projektmanagementstandards durchzusetzen. Projekte mit mehreren beteiligten Partnern aus verschiedenen Organisationen werden häufiger. Die Dominanz der Projektkultur eines beteiligten Partners führt in der Regel zu Konflikten. Deshalb muss nach anderen Lösungen gesucht werden, die garantieren, dass jede Organisation ihre Prozesse beibehalten kann und das Projekt trotzdem kontrolliert ablaufen kann. Die vorliegende empirische Studie untersucht kritische Erfolgsfaktoren über Unternehmensgrenzen hinaus und identifiziert Rationalisierungspotenziale. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Dag Plischke, Andreas Schöchtel Kollaborative Netzwerke - Die Zukunft des Projektmanagements Ergebnisse einer Expertenbefragung In vielen Industrien ist der Trend zu mehr und auch zu komplexeren Kooperationen zu beobachten. Einfache Projekte, in denen ein Partner tonangebend ist, werden immer häufiger durch Vorhaben ersetzt, in denen es zwei oder mehrere gleichberechtigte Partner aus unterschiedlichen Organisationen gibt. Komplexe Auftraggeber/ Auftragnehmer-Beziehungen sind die Folge. Dies hat auch Auswirkungen auf die Projekte, die zur Realisierung solcher Vorhaben gestartet werden. So führen klassische Ansätze mit festgelegten Projektmanagementprozessen nicht mehr automatisch zu einer stabilen Projektumgebung. Oftmals kann beobachtet werden, dass Unternehmen versuchen, die eigene Projektkultur im Netzwerk durchzusetzen. Da diese nur selten mit denen der Partner übereinstimmt, führt dies meist schon zu Beginn einer Kooperation zu Konflikten. Es muss also das Ziel sein, Netzwerkstrukturen schnellstmöglich in eine produktive Projektumgebung zu überführen. Hierbei ist auch zu beachten, dass wettbewerbsdifferenzierendes Know-how nicht ungeschützt zum Kooperationspartner „wandern“ darf. Auf der Suche nach Lösungen für diese Problemstellung muss also die Frage sein: „Wie kann man Kooperationen verbindlich und effektiv handhaben, und zwar so, dass jeder Partner seine etablierten Prozesse beibehalten kann und trotzdem alle notwendigen Aktivitäten kontrolliert und nachvollziehbar ablaufen können? “ Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass die Befragten eine Zunahme der Bedeutung von unternehmensübergreifenden Projekten voraussagen. Wie in Abb. 2 zu sehen, ist für 84% der Experten die Bedeutung von unternehmensübergreifenden Projekten heute bereits hoch bzw. sehr hoch. Für die Zukunft wird jedoch eine Steigerung auf 96% vorhergesagt. Als Rationalisierungspotenziale (Abb. 3) werden insbesondere eine bessere Projektkommunikation (50% der Befragten) und gemeinsame Projektziele (42% der Befragten) gesehen. Zur Erfüllung dieser Potenziale werden Schulungen und Trainings als Förderungsmaßnahmen bevorzugt (Abb. 4). Jedoch antwortet eine Mehrzahl der Befragten, dass für solche Maßnahmen kein Geld oder Personal zur Verfügung gestellt wird. Als wesentlich für dieses Verhalten werden die folgenden Gründe angegeben: ❑ Weltwirtschaftskrise führt zu einer deutlichen Reduzierung des Budgets ==> 54% ❑ Nicht genügend personelle Kapazitäten ==> 54% ❑ Nicht genügend Projektbudget ==> 46% Durch die Studienergebnisse konnte der Trend zu kollaborativen Netzwerken bestätigt und es konnten erste mögliche Ansätze für die Ausgestaltung von Veränderungen in der Projektmanagementlandschaft erkannt werden. Für den ProSTEP iViP Verein war dies auch eine Bestätigung der bisher geleisteten Arbeit auf dem Gebiet „Collaborative Project Management“ (CPM). Diese war auf Initiative von BMW entstanden, und schnell konnten WISSEN 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 30 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 07 Uhr Seite 30 Abb. 1: Verwendung von PM-Standards Grafik: ProSTEP iViP e.V. Mitstreiter gewonnen werden. Im Dezember 2007 wurde die erste Empfehlung für die Zusammenarbeit in unternehmensübergreifenden Projekten in der Automobilindustrie [2] veröffentlicht. Die Empfehlung definiert alle notwendigen Rollen, Werkzeuge und Prozesse, um die geforderte Steigerung der Effektivität und Verbindlichkeit der Zusammenarbeit in Partnerprojekten zu erreichen, wobei die unternehmensinternen Projektkulturen nur in Bezug auf den Abgleich mit anderen Organisationen verändert werden, sonst jedoch unverändert weiter gelebt werden können. Die CPM-Empfehlung geht dabei gezielt auf die erkannten Schwachpunkte heutiger Partnerprojekte ein und bietet Lösungen an, die auch im Hinblick auf den Wandel der Kooperationslandschaft zukunftsweisend sind. Es werden neutrale Begriffe und Rahmenvorgaben zum Beispiel für die Aufgaben von Rollen eingeführt. Auf diese Weise können die Befugnisse und Verantwortlichkeiten der Projektbeteiligten aller Kooperationspartner schnell aufeinander abgestimmt werden, wodurch sich unnötige Abstimmungszyklen im Projekt vermeiden lassen. Ist die Zuordnung der eigenen Organisationsstruktur zu den passenden Elementen im CPM-Vorgehensmodell einmal erfolgt, kann sie für jedes weitere Projekt wiederverwendet werden und hilft somit, das Projekt-Setup deutlich effizienter zu gestalten. Ergänzend zum Referenzmodell wurde auch ein „Usage Guide“ als begleitendes Dokument erstellt. Dieser bietet eine umfassende Anleitung zur Einführung von CPM-Methoden in der eigenen Organisation, liefert verschiedene Ansätze zum Vorgehen und vertieft die im Referenzmodell vorgestellten Ideen und Prozesse. Um die praktische Umsetzung der Referenzprozesse zu erleichtern, werden in der CPM-Empfehlung auch einige Werkzeuge vorgestellt, welche es den Beteiligten ermöglichen, die für die Zusammenarbeit relevanten Informationen gezielt mit den richtigen Personen auszutauschen und sich über den jeweiligen Vereinbarungsstand zu informieren. Die Werkzeuge sind dabei so ausgelegt, dass sie miteinander verknüpft werden können, wodurch ein weiterer Mehrwert erreicht wird. Die oben beschriebene Initiative bildet damit den Ausgangspunkt für heute stattfin- Abb. 2: Bedeutung unternehmensübergreifender Projekte Grafik: ProSTEP iViP e.V. PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 07 Uhr Seite 31 26% 18% 56% Schulungen Consulting Training Abb. 4: Fördermaßnahmen „CPM“ Grafik: ProSTEP iViP e.V. Ingo Ge WISSEN 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 Autor Dag Plischke studierte nach einer Schlosserlehre Maschinenbau und erwarb das Know-how des technischen Betriebswirts. Nach Tätigkeiten als Assistent der Bereichsleitung für Forschung und Entwicklung in einem Hightech-Unternehmen und einer Unternehmensberatung im Themenfeld „Business Process Improvement“ war er über zehn Jahre in der Industrie als Projekt- und Teamleiter sowie im Consulting beschäftigt. Seit April 2010 ist er freiberuflich als Berater sowie Geschäftsführer der WohnWell GmbH tätig. Autor Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Andreas Schöchtel studierte an der Hochschule Darmstadt Wirtschaftsingenieurwesen. Zurzeit absolviert er an der Technischen Universität Hamburg einen M.Sc. Sein Interessenschwerpunkt liegt in der Optimierung unternehmensübergreifender Kooperationen auf Projektmanagementebene. Anschrift der Autoren Andreas Schöchtel Tel.: 01 76/ 62 48 43 46 E-Mail: Andreas.Schoechtel@gmx.de dende Aktivitäten im ProSTEP iViP Verein, wie die Bereitstellung einer Plattform zum Informationsaustausch für Implementierer der CPM-Methodik, das Trainingsprogramm „CPM“ oder das gemeinsame Projekt „Automobil-Projektmanagement (AutoPM)“ zusammen mit der GPM. Weitere Informationen zur Studie: E-Mail: psev@prostep.com ■ 32 Abb. 3: Rationalisierungspotenziale Grafik: ProSTEP iViP e.V. QM-Ausbildung per Fernlehre www.cqa.de Anzeige Literatur [1] Studie: Collaborative Project Management (CPM) - Studienergebnisse - Unternehmensübergreifendes Projektmanagement in der Praxis. Ergebnisse einer Expertenbefragung. ProSTEP iViP e.V., Dezember 2009 [2] Empfehlung: „Collaborative Project Management - CPM”. PSI 1-1 - Version 3.0. Download unter: www.prostep. org (Downloads/ Empfehlungen & Standards) Schlagwörter Collaborative Project Management, Expertenbefragung, Netzwerke im Projektmanagement, Studie, ProSTEP iViP e.V. Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.6 Projektorganisation; 4.1.18 Kommunikation PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 07 Uhr Seite 32