eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 21/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2010
214 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektanforderungsmanagement – Eine pragmatische Lösung für effiziente Toolunterstützung

101
2010
Ingo Geppert
Torsten Lodderstedt
Für den Erfolg oder Misserfolg von Projekten spielt die Qualität des Anforderungsmanagements eine besondere Rolle. Welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen? Mit welchen Tools können die Komplexität und Dynamik dieses Themas beherrscht werden? Gängige Office-Anwendungen greifen zu kurz, professionelle Werkzeuge für Anforderungsmanagement sind teuer. Stattdessen ermöglicht der Einsatz eines Issue-Tracking-Systems ein pragmatisches und dennoch effizientes Herangehen. Der Beitrag zeigt, wie eine solche Lösung konkret aussehen kann und welche Vorteile sich daraus ergeben.
pm2140033
Erfolgsfaktor Anforderungsmanagement Am Anfang jedes Projektes steht der Wunsch, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, beispielsweise ein Haus zu bauen, ein neues Mailprogramm zu entwickeln oder die Abläufe in einer bestimmten Abteilung zu optimieren. Um bei allen Beteiligten das gleiche Verständnis zu fördern und um das Projektziel zu operationalisieren, wird dieses ggf. in Unterziele gegliedert und in Form einzelner Anforderungen genauer beschrieben. Die Umsetzung dieser Anforderungen ist somit von zentraler Bedeutung für jedes Projekt und der Umgang mit den Anforderungen ist für das Projektmanagement besonders wichtig. In diesem Zusammenhang können zwei Aufgabenbereiche unterschieden werden, die Anforderungsdokumentation und das Anforderungsmanagement (Abb. 1). Unter der Anforderungsdokumentation wird hier die Beschreibung der Anforderungen durch Texte, Grafiken, Videos, Prototypen etc. verstanden. Die Beschreibung wird für die weitere Verwendung im Projekt mithilfe von Gliederungen und Verlinkungen geeignet strukturiert. Die Anforderungsdokumente werden für die Projektmitglieder zugänglich auf einem zentralen Speichermedium abgelegt, zum Beispiel auf einem Fileserver, in einem Dokumentenmanagementsystem oder in einem Wiki. Wünschenswert ist eine Versionierung der Dokumente, um die Entwicklung der Anforderungslage nachvollziehen zu können. Das Anforderungsmanagement ist eine Managementaufgabe, welche die Erhebung, Prüfung und Verwaltung der Anforderungen sowie die Planung, Steuerung und Überwachung deren Lebenszyklen umfasst. Dabei steht die Frage nach dem Status von Anforderungen (in Konzeption, Umsetzung, Test, Einführung …) häufig im Mittelpunkt des Interesses. Für ein effektives Anforderungsmanagement sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: ❑ eine Attributierung der Anforderungen, etwa mit Zieltermin, Version, Autor; Ingo Geppert, Torsten Lodderstedt PM-Software: Projektanforderungsmanagement - Eine pragmatische Lösung für effiziente Toolunterstützung Für den Erfolg oder Misserfolg von Projekten spielt die Qualität des Anforderungsmanagements eine besondere Rolle. Welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen? Mit welchen Tools können die Komplexität und Dynamik dieses Themas beherrscht werden? Gängige Office-Anwendungen greifen zu kurz, professionelle Werkzeuge für Anforderungsmanagement sind teuer. Stattdessen ermöglicht der Einsatz eines Issue-Tracking-Systems ein pragmatisches und dennoch effizientes Herangehen. Der Beitrag zeigt, wie eine solche Lösung konkret aussehen kann und welche Vorteile sich daraus ergeben. ❑ eine Klassifizierung der Anforderungen, etwa nach Priorität, Quelle, Status. Im Verlauf eines Projektes ist es von unschätzbarem Vorteil, wenn die Beteiligten jederzeit feststellen können, Der Artikel beschreibt eine projekterprobte Vorgehensweise für das Anforderungsmanagement mithilfe eines Issue-Tracking-Systems. Die Projektanforderungen werden in einem solchen System auf Basis eines entsprechend attributierten Issue-Typs organisiert. Ein passender Workflow unterstützt die gemeinsame Bearbeitung sowie die Überwachung und Steuerung des Lebenszyklus der Anforderungen. Alle notwendigen Informationen sowie der jeweilige Status einer Anforderung sind so allen Beteiligten jederzeit zugänglich. Der vorgestellte Ansatz zeichnet sich nach Erfahrung der Autoren im Vergleich zur Einführung spezialisierter Werkzeuge durch wesentlich geringere Hürden aus, gleichzeitig ist die Prozessunterstützung erheblich besser als bei der Verwendung von Standard-Office-Anwendungen. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Anforderungsdokumentation Anforderungsmanagement AAnforderungsdokumentation Erheben Erheben Validieren Validieren Verwalten Verwalten Steuern Steuern Überwachen Überwachen Abb. 1: Anforderungsmanagement und Anforderungsdokumentation projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 33 PM_4-2010_1-60: Inhalt 23.08.2010 13: 14 Uhr Seite 33 under val dati i on va idated solution designed solution realized created closed (start validation) (complete validation) (complete solution design) (complete solution realization) (close) (complete solution realization) (re-enter validation) (complete validation) l Abb. 2: Anforderungs-Workflow WISSEN 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 Sie sind speziell für den Umgang mit Anforderungen konzipiert und bieten - pauschal gesprochen - funktionierende Lösungen für die betreffenden Aufgabenstellungen an. Andererseits kann die funktionale Mächtigkeit ungewohnter Werkzeuge eine ablehnende Haltung der Anwender hervorrufen. Geeignete Maßnahmen zur Schulung und Einarbeitung sind in jedem Fall unumgänglich. Zudem fallen erhebliche Kosten für Lizenzen, Installation und Wartung an. Zusammenfassend ist die Einführungshürde hoch, die Akzeptanz muss erarbeitet werden und die produktive Nutzung bedarf eines deutlichen zeitlichen Vorlaufs. Aufgrund der oben genannten Nachteile scheint es lohnenswert, eine weitere Variante ins Auge zu fassen. Dabei werden Werkzeuge verwendet, mit denen üblicherweise Aufgaben, Änderungen und Fehler in Softwareprojekten verwaltet und verfolgt werden. Diese Domäne wird neudeutsch oft als „Issue Tracking“ bezeichnet. Beispiele für derartige Werkzeuge sind: Bugzilla, Rational ClearQuest oder Atlassian JIRA. Dieser Artikel wird der Frage nachgehen, ob sich mit solchen Werkzeugen die Stärken der beiden ersten Varianten kombinieren und gleichzeitig gravierende Schwächen vermeiden lassen. Dies wird anhand eines konkreten Beispiels unter Nutzung des Werkzeugs Atlassian JIRA beleuchtet. JIRA wird hier unter anderem deshalb welche Anforderungen gelten, bei welchen noch Klärungsbedarf besteht, welche bereits umgesetzt wurden, welche in der nächsten Phase umzusetzen sind, welche Arbeitspakete der Umsetzung dienen, welche Abhängigkeiten dabei zu berücksichtigen sind und vieles mehr. Oftmals ist dieses Ziel schon durch den Umfang und die Komplexität der Gesamtheit der Anforderungen im Projekt schwer zu erreichen. Projektänderungen, wechselnde Prioritäten sowie neue Erkenntnisse zur technischen Realisierung machen Anforderungsmanagement dann zu einer echten Herausforderung. Bandbreite des möglichen Tooleinsatzes Bei der Begegnung mit dieser Herausforderung kommen in der Praxis verschiedene Tools zum Einsatz. Hierbei lassen sich drei Kategorien unterscheiden: ❑ Standardanwendungen aus dem Desktopbzw. Office- Bereich, ❑ professionelle Anwendungen für das Anforderungsmanagement, ❑ Werkzeuge zur Fehler- und Aufgabenverwaltung, die an unterschiedliche Zwecke angepasst werden können. Bei der ersten Variante werden die Anforderungen in Microsoft-Word- oder -PowerPoint-Dokumenten mit geeigneten Inhaltsverzeichnissen und ggf. Querverweisen beschrieben und in dem gemeinsamen Projektordner abgelegt. Mit kreativen Variationen im Dateinamen sowie Unterverzeichnisstrukturen lassen sich Versionierung, Attributierung und weitere der genannten Aufgaben abbilden. Gerne werden die Anforderungen auch in Microsoft-Excel-Listen verwaltet und dort mit weiteren Eigenschaften oder Statusinformationen angereichert. Da alle Beteiligten mit diesen Werkzeugen vertraut sind, hat diese Variante den Charme, dass man ohne aufwendige Schulung sofort loslegen kann. Zusätzliche Lizenzkosten oder Installationen fallen in der Regel ebenso wenig an. Die Lösung ist also sofort nutzbar, die Einführungshürde ist sehr niedrig und die Akzeptanz unmittelbar gegeben. Trotzdem sind viele Anwender mit dieser Lösung unzufrieden, wofür es vielfältige Gründe gibt: Zum einen werden große Word-Dokumente leicht unübersichtlich und die Vernetzung vieler kleiner Dokumente ist fehleranfällig und bedarf hinsichtlich der Versionierung besonderer Sorgfalt. Hinzu kommt, dass die mit Office und Dateisystem verfügbaren Mechanismen zur Mehrbenutzerunterstützung nicht ausreichend sind. Damit ergeben sich insbesondere bei großen Anforderungsdokumenten Engpässe für die kooperative Bearbeitung. Des Weiteren lassen sich aufgrund der Offenheit des Systems Verletzungen der definierten Konventionen (für Benennung, Ablage, Attributierung etc.) und damit Schäden am Anforderungsgebäude kaum vermeiden. Ein wesentliches Manko ist, dass sich eine Nachverfolgung des Lebenszyklus der Anforderungen bei entsprechender Dynamik nur sehr schwer nachhaltig realisieren lässt, nicht zuletzt wegen des meist hier einsetzenden Medienbruchs. Somit fällt der Blick auf professionelle Werkzeuge, wie beispielsweise Requisite Pro, Doors oder CaliberRM. Die Vor- und Nachteile solcher Werkzeuge liegen im Vergleich zur skizzierten Office-Lösung nahezu diametral. 34 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 07 Uhr Seite 34 F P R O I S R L mit P O F I gfw - Gesellschaft zur Förderung der Weiterbildung an der Universität der Bundeswehr München e.V. www.gfw-munich.de 23 Jahre Managementausbildung: General MBA - Cert. International Management - MSc in Project Management Cert. Projektmanagementfachmann (GPM) Make this your next project: Professional MSc in Project Management. AUF EINEN BLICK: Berufsbegleitendes MSc-Studium mit Schwerpunkt Projektmanagement. Internationalität durch entsprechende Workshopthemen sowie Auslandsaufenthalt in Form von MBA-Modulen und/ oder Unternehmensprojekten (optional). Vertiefungsmöglichkeiten bspw. in Automotive & IT. Akademische Leitung: Prof. Dr. Heinz Schelle Internationale Ausrichtung: MBA-Module und Unternehmensprojekte im Ausland möglich; Vertiefungsmodul International Project Management Projektmanagement & Management Know-how aus Wissenschaft & Wirtschaft: Hochschulprofessoren mit Managementerfahrung sowie Führungskräfte und Berater aus der Wirtschaft. Erfahrungsaustausch: Fach- und Führungskräfte aus der Wirtschaft tauschen ihre Erfahrungen in gemeinsamen Workshops aus. Kleine Lerngruppen: Hohe individuelle Betreuungszeiten durch die Dozenten Studienkonzept: Kombination aus Workshops, Fallstudien aus der Praxis und Selbststudienanteilen Freie Auswahl von Zusatzmodulen: Zusätzliche Module aus weiteren akkreditierten MBA-Programmen können für die individuelle Karriere ausgewählt werden. Studienzeit: 24 Monate: Workshops an den Wochenenden Kontakt: claudia.doerr@gfw-munich.de Tel. +49 89 6060 63-13 Anzeige 1 De-Mail verspricht zuverlässige und sichere Kommunikation via E-Mail, siehe www.de-mail.de JIRA Customizing for Dummies 1. Vorgangstyp „Requirement“ einführen 2. Anforderungs-Workflow definieren 3. Verknüpfungstyp „is realized by“ erstellen JIRA Customizing for Dummies In unserem Beispielprojekt „De-Mail“ 1 wird ein neues Computerprogramm für das zuverlässige und sichere Versenden von E-Mails entwickelt. Hierzu wird im Folgenden dargelegt, wie das Anforderungsmanagement in diesem Projekt mithilfe von JIRA effektiv unterstützt werden kann. Auf Fragen der Anforderungsdokumentation kann im Rahmen des vorliegenden Artikels leider nur wenig eingegangen werden. Als Vorbereitung für den Projekteinsatz wird JIRA zunächst mit diesen einfachen Handgriffen für die Aufgaben des Anforderungsmanagements konfiguriert: 1. Zuerst wird der neue Vorgangstyp „Requirement“ eingeführt. Die JIRA-Standardattribute liefern für den neuen Typ bereits wichtige Eigenschaften, so zum Beispiel Description, Priority und Assignee. Die Attribute Requester und Category werden in Form sogenannter „Custom Fields“ ergänzt. 2. Für den neuen Vorgangstyp wird der in Abb. 2 dargestellte Workflow definiert, der die speziellen Belange des Lebenszyklus von Anforderungen widerspiegelt. projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 35 verwendet, weil die Autoren mit diesem Werkzeug konkrete Projekterfahrungen im Kontext des Anforderungsmanagements gesammelt haben. Issue Tracking mit JIRA Mit JIRA lassen sich Vorgänge („Issues“) verschiedener Art verwalten und deren Bearbeitung verfolgen. Im Auslieferungszustand sind Vorgangstypen wie Bug, Task und New Feature mit geeigneten Attributen, ein Standard- Workflow sowie ein Benutzer- und Rollenkonzept enthalten. Damit ist JIRA aus dem Stand zur Fehlerverfolgung oder zur Aufgabensteuerung einsetzbar. Zusätzlich bietet JIRA umfangreiche Möglichkeiten zur Anpassung bzw. Erweiterung seiner Funktionalität. Diese reichen von zusätzlichen Vorgangstypen und Attributen über selbst definierte Workflows bis hin zu personalisierten Auswertungen und Ansichten. Deren Verwendung kann zudem projektbzw. benutzerspezifisch eingestellt werden. Auf diese Weise lassen sich die grundlegenden Funktionen von JIRA - Definition und Verwaltung verschiedenartiger Objekte und deren Lebenszyklus in einem Workflow - auch außerhalb seiner angestammten Domäne einsetzen, in unserem Fall für das Anforderungsmanagement von Projekten. Für weitere Informationen zu JIRA sei auf www. atlassian.com verwiesen. PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 07 Uhr Seite 35 Abb. 3: Einzelansicht einer Anforderung WISSEN 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 den. Eine ausführliche Dokumentation kann als Attachment angehängt werden. In vielen Fällen ist allerdings ein Verweis auf die eigentliche Dokumentation zweckmäßig, die beispielsweise auf einem Fileserver oder in einem Wiki verwaltet wird. Für den zuletzt genannten Fall ist die Verwendung von Confluence empfehlenswert. Es stammt vom gleichen Hersteller wie JIRA und bietet weitere Möglichkeiten hinsichtlich einer Integration von Anforderungsmanagement und Anforderungsdokumentation. Mithilfe des Standard-Attributs Fix Versions wird die Zuordnung der Anforderungen zu Projektphasen oder Iterationen abgebildet. JIRA bietet hierzu die Möglichkeit, je Projekt entsprechende Versionen zu definieren. Sollten Abhängigkeiten zwischen Anforderungen bestehen, so können diese mit sogenannten Verknüpfungen modelliert werden. Häufig wird hierbei die Standardverknüpfungsart „depends on“ verwendet. Zusätzliche Verknüpfungsarten können bei Bedarf selbst ergänzt werden. Eine weitere nützliche Funktion stellt die Zerlegung einer umfangreichen Anforderung in mehrere Teilanforderungen dar. Abb. 3 zeigt eine beispielhafte Anforderung nach Eingabe der Daten und Verknüpfungen. Der weitere Umgang mit einer Anforderung ist durch den bereits definierten Workflow vorgezeichnet. Die Statusschritte des Workflows entsprechen dabei den wichtigen Meilensteinen im Lebenszyklus der Anforderung. Häufig durchlaufen Anforderungen einen Reifeprozess, in dem Inhalte validiert, offene Fragen geklärt und fehlende Details ergänzt werden. In diesem Stadium be- 3. Zu guter Letzt wird der neue Verknüpfungstyp „is realized by“ erstellt. Mit dessen Hilfe wird eine Anforderung mit denjenigen Vorgängen verbunden, die ihre Umsetzung beschreiben. Mehr dazu später. Bei pragmatischem Vorgehen sollten ein JIRA-Administrator und ein Anforderungsmanager dafür nicht länger als einen halben Tag benötigen. Und schon kann es losgehen … Anforderungsmanagement mit JIRA Zu Beginn unseres Projektes werden die vorliegenden Anforderungen als Vorgänge vom Typ Requirement in JIRA eingegeben. Dies kann entweder manuell oder mittels Import einer entsprechend vorbereiteten Excel- Tabelle geschehen. In unserem Beispiel verwenden wir unter anderem die folgenden Attribute: ❑ Summary: Titel der Anforderung ❑ Description: Beschreibung der Anforderung ❑ Priority: Priorität der Anforderung ❑ Assignee: Wer bearbeitet die Anforderung derzeit? ❑ Requester: Wer hat die Anforderung gestellt? ❑ Category: Art der Anforderung, etwa funktional/ nicht funktional ❑ Components: Welche Komponenten der Gesamtlösung (in unserem Beispiel IT-Systeme) sind von der Umsetzung der Anforderung betroffen? ❑ Fix Versions: In welcher Projektphase soll die Anforderung erfüllt werden? Die inhaltliche Beschreibung einer Anforderung kann in einfachen Fällen im Feld Description hinterlegt wer- 36 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 08 Uhr Seite 36 Systeme Lösungskonzepte Login-SW CRM-SW Änderungen Durch welche Systemänderungen lassen sich die Anforderungen erfüllen? Projekte Anforderungen UUmmsseettzzuunngg UUmmsseettzzuunngg De-Mail Abb. 4: Modellierung der Umsetzung von Anforderungen Den Überblick behalten Für den Projektleiter ist es unverzichtbar, insgesamt, aber auch situationsabhängig den Überblick über Menge und Status der Anforderungen zu behalten. Speziell in großen, dynamischen Projekten ist dies häufig nur schwer erreichbar. JIRA bietet hierfür einige einfache, wirkungsvolle Funktionen. Mit einem einfachen Suchdialog können in JIRA ad hoc Suchanfragen mit Verwendung beliebiger Attribute erstellt werden. Abb. 6 zeigt beispielsweise alle Anforderungen unseres Projektes, die für den Pilotbetrieb umzusetzen sind, hohe Priorität haben und noch nicht validiert sind. Eine so definierte Suche kann als Filter gespeichert und für verschiedene Nutzergruppen zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise lassen sich für alle Teammitglieder nützliche Filter vorbereiten, mit denen sie sich sehr schnell rollenspezifische Aspekte des Anforderungs managements erschließen können. Abb. 5: Verknüpfung einer Anforderung mit Umsetzungsvorgängen nen Vorgängen sichtbar und in Form von Links auch navigierbar (Abb. 5). Der weitere Verlauf der Umsetzung wird im Anforderungs-Workflow mit den Statuswerten „solution designed“ bzw. „solution realized“ dargestellt. Nach einer finalen Prüfung wird die Anforderung dann endgültig geschlossen (Status „closed“). Damit endet ihr Lebenszyklus im Rahmen unseres Projektes. findet sich eine Anforderung im Status „under validation“. Verlauf und Ergebnisse dieses Prozesses werden in JIRA für alle sichtbar dokumentiert. Hierzu kann eine Anforderung kommentiert, an andere Bearbeiter zugewiesen oder mit anderen Anforderungen verknüpft werden. Auch Attribute wie Priorität oder Zuordnung zur Version können sich durch neue Erkenntnisse oder Vereinbarungen natürlich verändern. Am Ende dieses Prozessschrittes wird der Status der Anforderung auf „validated“ gesetzt. Damit wissen alle Beteiligten, dass hier keine Fragen mehr offen sind. Nach der Validierung der Anforderungen werden typischerweise Lösungen zu ihrer Umsetzung entworfen. Das Lösungskonzept beschreibt insbesondere, welche IT-Systeme neu zu entwickeln oder auf welche Art zu verändern sind (Abb. 4). In unserem Beispiel sind zur Umsetzung aller Anforderungen außer der eigentlichen Mailanwendung die Anwendungen für Login, CRM und Billing anzupassen. Der Zusammenhang zwischen Anforderungen und den zugehörigen Änderungen an IT-Systemen wird in JIRA unter Nutzung von Standardfunktionen wie folgt abgebildet: Für jedes IT-System wird ein eigenes JIRA-Projekt mit der Endung „-SW“ erstellt. Darin wird für jede neue oder zu ändernde Funktionalität ein Vorgang vom Typ New Feature oder Improvement angelegt. Für andere Projektarten (als IT-Projekte) lassen sich ebenfalls geeignete Komponenten definieren, welche die Umsetzung der Anforderungen in analoger Weise repräsentieren. Die Fortführung des Lebenszyklus der Anforderungen wird nun dadurch bewerkstelligt, dass die Anforderungen mit dem Verknüpfungstyp „is realized by“ mit den zugehörigen Softwareänderungen verbunden werden. Damit ist dokumentiert, welche Anforderungen des Projektes durch welche Änderungen in welchen IT-Systemen umgesetzt werden. Diese Zusammenhänge sind in den betroffearchimedon • Marienstr. 66 • 32427 Minden Tel.(+49 571) 9 74 35-0 • info@archimedon.de Unternehmensindividuelles Multi- Projektmanagement Informationssystem verbessert die Projektqualität steigert die Personalproduktivität erhöht die Transparenz • • • Die Sicht aufs Ganze www.admileo.de/ gpm PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 08 Uhr Seite 37 Abb. 6: Ergebnis einer Suchanfrage Abb. 7: Startseite des Projektleiters WISSEN 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 oben rechts öffnet beispielsweise ein Filterergebnis, das alle in Validierung befindlichen Anforderungen für den Pilotbetrieb des späteren Systems zeigt. Fazit Die wichtigsten Vorteile des pragmatischen Anforderungsmanagements mit JIRA sind: ❑ Mit wenigen Handgriffen lässt sich JIRA für die Zwecke des Anforderungsmanagements unter spezieller Berücksichtigung projekt- und organisationsspezifischer sowie individueller Bedürfnisse anpassen. ❑ Die Bedienung ist verhältnismäßig leicht erlernbar, erfahrungsgemäß ist damit die Einführungshürde vergleichsweise gering. Mithilfe praktischer Ansichten und Auswertungsmöglichkeiten unterstützt der Umgang mit dem Tool die Bewältigung der täglichen Projektarbeit sehr effektiv. ❑ Anforderungen können auf einfache Weise definiert, klassifiziert und verknüpft werden. Auch projektübergreifende Abhängigkeiten lassen sich abbilden. ❑ Der Lebenszyklus der Anforderungen im Projekt kann unkompliziert gesteuert und überwacht werden. Der jeweilige Status der Anforderungen ist jederzeit eindeutig und transparent dokumentiert. Zudem kann sich jeder Nutzer personalisierte Startseiten definieren. JIRA bietet hierzu eine Vielzahl an vorgefertigten Elementen, mit denen eigene Filter und Ansichten zu einer Startseite für die persönliche Arbeit kombiniert werden können. Abb. 7 zeigt die Startseite des Projektleiters in unserem Beispiel. Er sieht hier auf einen Blick: ❑ alle Vorgänge, die zur Bearbeitung bei ihm selbst liegen (oben links), ❑ alle für ihn verfügbaren Filter (unten links), ❑ alle noch nicht geschlossenen Anforderungen seines Projektes, gegliedert nach Version (Projektphase) und Status; hier ist unmittelbar erkennbar, wie viele Anforderungen in welcher Phase umzusetzen sind und wie viele davon sich in welchem Status befinden (oben rechts), ❑ alle zur Umsetzung der Anforderungen nötigen Software-Änderungen, aufgeschlüsselt nach den jeweils betroffenen Software-Komponenten (unten rechts). Der Projektleiter behält in dieser Form mit wenigen Klicks die Übersicht über sein Anforderungsmanagement. Äußerst nützlich sind hierbei die auf der rechten Seite sichtbaren Auswertungen mit gleichzeitig angebotenen Detailfiltern. Ein Klick auf die „5“ in der Tabelle 38 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 08 Uhr Seite 38 Vorteile auf einen Blick ❑ Schnelle, einfache Einführung ❑ Zentrale Ablage für Anforderungen und Umsetzungsarbeiten, auch für Multiprojektumgebungen ❑ Sichtbarkeit und Verfolgbarkeit aller Anforderungen mit ihren Merkmalen und Abhängigkeiten im Lebenszyklus ❑ Einfache und effiziente Bedienung, rollenspezifisch anpassbar Ausblick Zunächst ist zu sagen, dass die vorgestellte Lösung durch weitere Beschreibungs- und Klassifikationsmerkmale sowie umfangreichere Modellierung des Anforderungs- Workflows deutlich angereichert werden kann. Damit ist erfahrungsgemäß bereits ein großer Teil individueller Wünsche erfüllbar. Ein Tool wie JIRA kann aber auch für andere Domänen eingesetzt werden. So wird im Umfeld der Autoren das gesamte Change-Management für Softwarekomponenten mithilfe der Standardvorgangstypen und Workflows einer JIRA-Installation abgebildet. Jenseits dieser Möglichkeiten kann der Funktionsumfang von JIRA auf Grundlage eines Plugin-Konzepts erweitert werden. Auf der Homepage des Herstellers wird dafür eine Vielzahl an interessanten - teils kostenfreien - Plugins angeboten, so zum Beispiel für die Visualisierung von Workflows oder die hierarchische Darstellung von verknüpften Vorgängen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, (in Java) eigene Plugins zu entwickeln und damit spezielle Leistungsmerkmale einzuführen. Auf diese Weise lassen sich das Issue-Tracking-System JIRA und das Wiki-System Confluence zu einer Gesamtprojekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 39 lösung integrieren, welche die Aufgaben des Anforderungsmanagements und der Anforderungsdokumentation zweckmäßig vereint [1]. ■ Literatur [1] Polscheit, F.: Requirements Lifecycle Management: Ein neuer Weg zum Business-IT-Alignment und zu zufriedeneren IT-Kunden. In: Managing IT, ISSN 1868-4416, Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG, Bonn, Oktober 2009 Schlagwörter Anforderungsmanagement, Erfolgsfaktor im Projektmanagement, Issue-Tracking-System, Lebenszyklus von Anforderungen, pragmatischer Werkzeugeinsatz, Verfolgbarkeit von Anforderungen Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.3 Projektanforderungen und Projektziele, 4.1.15 Änderungen Autor Dipl.-Math. oec. Ingo Geppert ist als Projektleiter und Berater bei der SYRACOM Consulting AG tätig. Seit 1991 führt und begleitet er IT-Projekte verschiedener Branchen (Telekommunikation, Banken, Automobil). Neben der Projektleitung liegen seine Schwerpunkte in der Beratung und im Coaching zu Fragen des Projektmanagements. Ingo Geppert ist zertifizierter Projektmanager nach IPMA und akkreditierter TMS-Trainer und -Berater. Zudem ist er Lehrbeauftragter der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Anschrift SYRACOM Consulting AG Otto-von-Guericke-Ring 15 D-65205 Wiesbaden Tel.: 0 61 22/ 91 76-0 E-Mail: Ingo.Geppert@syracom.de Autor Dr.-Ing. Torsten Lodderstedt ist als Principal Consultant und IT-Architekt bei der SYRACOM Consulting AG tätig. Seit 1996 unterstützt er Kunden in verschiedenen Bereichen (Finanzsektor, Transport, öffentlicher Dienst, Telekommunikation) bei der Entwicklung großer und sicherheitskritischer IT-Systeme. Seine fachlichen Schwerpunkte sind IT-Sicherheit, Softwareentwicklungsmethoden und -werkzeuge sowie Softwarearchitekturen. Anschrift SYRACOM Consulting AG Otto-von-Guericke-Ring 15 D-65205 Wiesbaden Tel.: 0 61 22/ 91 76-0 E-Mail: Torsten.Lodderstedt@syracom.de ❑ Die Umsetzung von Anforderungen in den betroffenen Systemen ist sichtbar modelliert und kann für einzelne Anforderungen, ganze Projekte, bestimmte Projektphasen oder aus dem Blickwinkel der Systeme betrachtet werden. Solche Möglichkeiten sind für die Beherrschung von Multiprojekt-/ Multisystemumgebungen unerlässlich. Insbesondere bei der Umplanung von Releases durch Änderungen der Priorität von Anforderungen hat sich diese Vorgehensweise als sehr effektiv erwiesen. ❑ Alle Anforderungen (und Umsetzungsvorgänge) aller Projekte sind in einem zentralen Tool über Webzugang verfügbar. Das Suchen in Verzeichnissen und Dateien entfällt. Der Zugriff verschiedener Personen und Teams auf schützenswerte Daten wird über ein Rollen- und Rechtekonzept sichergestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf die beschriebene Weise die Aufgaben des Anforderungsmanagements sehr effizient wahrgenommen werden können. Die Anforderungsdokumentation, die beispielsweise mit einem Wiki erfolgt, wird mittels technischer Verknüpfungen angebunden. Die Autoren praktizieren das hier geschilderte Verfahren erfolgreich bei einem großen europäischen Anbieter von Telekommunikations- und Internetleistungen. PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 08 Uhr Seite 39