eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 21/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2010
214 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

The Upside of Turbulence

101
2010
Martin Haberstroh
Sull, Donald N.: The Upside of Turbulence: Seizing Opportunity in an Uncertain World. HarperBusiness, New York 2009, ISBN 978-0-06-177115-6, 288 S., USD 27,99
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U nternehmen und damit oft auch Projekte befinden sich in einer zunehmend turbulenten Umwelt. Aus dieser Turbulenz resultieren Bedrohungen, aber auch Chancen. Wie mit einer turbulenten Umwelt adäquat umgegangen werden kann, ist Inhalt des Buchs von Donald Sull. Turbulenz bezeichnet hierbei rapide und unvorhersehbare Veränderungen in der relevanten (Unternehmens-)Umwelt. Eine turbulente Umwelt ist gekennzeichnet durch: 1. Dynamik, 2. Komplexität und 3. Wettbewerb. Hieraus resultieren für Unternehmen bzw. Projekte außer regulären normalen Chancen und Bedrohungen in sehr unregelmäßigen Abständen „Riesenchancen“, aber auch „tödliche Bedrohungen“. Das Buch richtet sich speziell an Manager von Unternehmen. Jedoch liefern die präsentierten Ansätze auch sehr interessante Hinweise für Manager von Projekten in turbulenten Umwelten. Entsprechend sollten Projektmanager dieses Werk mit der Leitfrage lesen: „Ob und wie lässt sich dies auf mein Projekt übertragen? “ Aus meiner Sicht sind besonders folgende Ansätze für Projektleiter interessant und werden von mir kurz aus Projektsicht dargestellt: 1. Aktives Verharren, 2. Reichhaltige „RUSH“-Informationen und Improvisieren, 3. Drei Agilitätsarten: Strategische Agilität, Portfolioagilität und operative Agilität, 4. Agilitätszyklus und 5. Agiles Absorbieren. 1. Aktives Verharren („Active Inertia“): Aktives Verharren besagt, dass Projekte bei turbulenten Umweltänderungen ihre bisherige „Erfolgsformel“/ Vorgehensweise weiter verfolgen und dies sogar mit erhöhter Aktivität. Stattdessen wäre ein grundlegendes Umsteuern erforderlich, um eine neue tragfähige „Erfolgsformel“/ Vorgehensweise zu etablieren. Ursache für diese Trägheit sind zu hohe Verpflichtungen/ eingegangene Verbindlichkeiten, zum Beispiel hinsichtlich des Ressourceneinsatzes, gegenüber Kunden, Lieferanten oder dem Management. Diese waren vor den turbulenten Veränderungen vielleicht erforderlich und auch nützlich, sind jedoch jetzt nur noch Ballast. Der Projektleiter sollte also eine erhöhte Aktivität seines Projektteams nach einer turbulenten Umweltveränderung kritisch überprüfen, und zwar hinsichtlich der Notwendigkeit einer grundlegenden Neuausrichtung des Projekts. 2. „RUSH“-Informationen und Improvisieren sind für das Management in turbulenten Umwelten erforderlich. „RUSH“ bezeichnet Informationen, die in Echtzeit zur Verfügung stehen (R = real-time), ungefiltert sind (U = unfiltered), von möglichst vielen Personen wahrgenommen werden (S = shared) und die möglichst ganzheitlich vorliegen (H = holistic). Entsprechende Informations-/ Kommunikationskanäle lassen sich zum Beispiel durch Projekträume, Großraumbüros, regelmäßige Einbindung des Kunden und schnelles Integrieren von Marktreaktionen erreichen. Diese „RUSH“-Informationen sollten mit einer Improvisationsgrundhaltung kombiniert werden. Diese umfasst zum Beispiel 1. Ziele/ Vorgehensweisen eher entdecken als vorgeben, 2. kontinuierliche Interaktion der Projektteammitglieder und 3. Schaffen eines sicheren, „angstfreien“ Bereichs für die Improvisation. 3. Drei Agilitätsarten für eine turbulente Umwelt: Strategische Agilität, Portfolioagilität und operative Agilität. Strategische Agilität sagt darüber etwas aus, inwieweit ein Projekt in der Lage ist, bedeutende, übergeordnete Chancen zu identifizieren und zu realisieren (z. B. Integration neuer Kunden oder Ziele des Managements). Portfolioagilität bezeichnet, wie schnell und effektiv zum Beispiel ein Projektprogramm Ressourcen von wenig versprechenden Projekten in Erfolg versprechende Projekte verlagern kann (gilt entsprechend auch für Teilprojekte/ Arbeitspakete). Operative Agilität bedeutet die Fähigkeit, innerhalb eines bestehenden Projekts permanent Chancen zur operativen Verbesserung schnell zu identifizieren und umzusetzen. 4. Der Agilitätszyklus besteht aus: a. Verstehen („Make sense“), b. Auswählen („Make choices“), c. Umsetzen („Make it happen“) und d. Revidieren („Make revisions“). In der Phase a. Verstehen („Make sense“) ist das Ziel, zu einem gemeinsamen Verständnis im Projektteam bezüglich einer turbulenten Situation zu gelangen. Darauf folgt b. Auswählen („Make choices“), die Übereinkunft im Team hinsichtlich klarer Prioritäten für die erforderlichen Maßnahmen und die Ressourcenverteilung. Bei c. Umsetzen („Make it happen“) ist sicherzustellen, dass alle Beteiligten die richtigen Zusagen machen und entsprechend diesen Verpflichtungen ihre Maßnahmen umsetzen. Letztlich bei d. Revidieren („Make revisions“) werden nach einiger Zeit die anfänglichen Annahmen mit den neu gewonnen Erfahrungen verglichen, gegebenenfalls Lücken festgestellt und bei der laufenden Umsetzung Korrekturen vorgenommen. Dieser Zyklus sollte regelmäßig in formellen Treffen (z. B. Kernteamtreffen, Projektreviews), aber auch in informellen Gesprächen diskutiert und umgesetzt werden. Diese Vorgehensweise ist zu unterscheiden von der linearen Vorgehensweise „Prognose - Planen - Umsetzen“, bei der die Gefahr besteht, dass wichtigen neuen Informationen aufgrund von Turbulenzen in der Phase der Umsetzung nicht genügend Bedeutung zugemessen wird. 5. Absorbierende Agilität: Für den Umgang mit turbulenten Situationen wird zudem Absorption kombiniert mit Agilität empfohlen. Dieser Ansatz lässt sich plakativ anhand des klassischen Boxkampfs zwischen George Foreman und Muhammad Ali 1974 darstellen. In der turbulenten Situation Boxkampf war die Boxstrategie Buchbesprechung The Upside of Turbulence Sull, Donald N.: The Upside of Turbulence: Seizing Opportunity in an Uncertain World. HarperBusiness, New York 2009, ISBN 978-0-06-177115-6, 288 S., USD 27,99 WISSEN 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 40 PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 08 Uhr Seite 40 Aufruf in eigener Sache Liebe Leserinnen und Leser! Wie Ihnen sicher nicht entgangen ist, bringen wir seit einiger Zeit als Beihefter in projekt- MANAGEMENT aktuell eine Checkliste zu einem bestimmten Aufgabengebiet, zum Beispiel zur Stakeholderanalyse oder zum Projektabschluss. Während wir mit Aufsatzmanuskripten geradezu überschüttet werden, haben wir nur noch einen geringen Vorrat an Checklisten. Wir würden uns deshalb freuen, wenn Sie mithelfen würden, diesen schwindenden Bestand wieder aufzufüllen. Selbstverständlich wird der Name des Verfassers genannt. Der Mindestumfang sollte eine Druckseite sein. Erwünscht sind Beiträge zu allen Gebieten des Projektmanagements, wie sie durch die NCB 3.0 dargestellt werden. Außerdem würden wir gerne in nächster Zeit Fallstudien in der Zeitschrift publizieren. Solche „Case Studies“ sollen ein Problem aus dem Gebiet der Projektwirtschaft schildern, zu dem dann von den Lesern Lösungsvorschläge erarbeitet werden können. Um Interessierten die Lösung etwas zu erleichtern, sollte der Fallstudie ein Katalog von Fragen angefügt werden. Jetzt schon herzlichen Dank für Ihre Mithilfe. Heinz Schelle projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2010 l 41 Inhalte des Buchs besonders erwähnenswert ist die ausführliche Analyse von 19 Unternehmenspaaren („erfolgreicher“ und „wenig erfolgreich“) in verschiedenen turbulenten Umwelten. Zudem wurde die Praxistauglichkeit der Konzepte mit Beratungsklienten des Autors und Managern in einem einwöchigen Kurs „Managing in Turbulent Markets“ überprüft. Dieses Buch ist, um es nochmals zu sagen, sehr interessant für das Projektmanagement, da es neue praxistaugliche Ansätze darstellt, wie Management in turbulenten Umwelten gelingen kann. Es ergänzt sowohl „typisches Projektmanagement“, das zum Beispiel dem Thema Planung unter eher vorhersehbaren Bedingungen einen hohen Stellenwert einräumt. Aber es ergänzt auch agiles Projektmanagement hinsichtlich des Umgangs mit einer turbulenten Umwelt (z. B. durch Agile Absorption, Aktives Verharren). Das Werk ist daher für Projektleiter empfehlenswert, die neue Anregungen bekommen wollen, um Projekte in turbulenten Umwelten zu leiten, auch wenn es kein spezielles Projektmanagementbuch ist. Für Berater und Forscher ist es interessant, um die vorgestellten Ansätze auf Projekte zu übertragen. Es ist jedoch einzuräumen, dass in der Publikation die wichtigsten Ansätze von Donald Sull aus den letzten Jahren zusammengefasst werden. Wer also zum Beispiel seine Artikel aus dem Harvard Business Review kennt, wird nicht sehr viel Neues erfahren. Das Buch ist übersichtlich strukturiert und verständlich geschrieben. Zudem werden viele konkrete Unternehmensbeispiele verwendet und die zentralen Konzepte werden regelmäßig zusammengefasst. Weiterführende Informationen finden sich zum Beispiel auf der Homepage des Autors www.donsull.com und seinem Blog http: / / blogs.ft.com/ donsullblog/ . Martin Haberstroh ■ von George Foreman dominiert durch Absorption: Zuerst Aushalten der Angriffe des Gegners, um dann bei sich ergebender Gelegenheit den entscheidenden, massiven Schlag zu setzen. Die Boxstrategie von Muhammad Ali war dominiert durch Agilität: schnelles, dynamisches Agieren („Tänzeln“) und auftretende Chancen blitzschnell nutzen. Analog diesem Beispiel wäre Projektmanagern zu empfehlen, die Absorptionsfähigkeit und die Agilität hinsichtlich ihres Projekts aufzubauen und geschickt zu kombinieren. Absorptionsfähigkeit bezeichnet die Schaffung struktureller Eigenschaften, um Turbulenzen auszuhalten (z. B. verabschiedete und gelebte Pläne, gut ausgestattetes Projektbudget, starker Auftraggeber/ Machtpromotor, wichtige Ressourcen, Kunde ist angewiesen auf das Projekt, Projektgröße verbietet Scheitern). Agilität bezeichnet die Geschwindigkeit, mit der sich bietende Chancen realisiert werden können (z. B. durch funktionierendes Änderungsmanagement, Vernetzung innerhalb des Unternehmens, RUSH-Informationen, Reaktions-/ Entscheidungsfähigkeit des Projektleiters und des Projektteams, Umsetzungsgeschwindigkeit des Projektleiters und des Projektteams). Aus meiner Sicht wäre eine Anpassung dieses sehr plakativen und eingängigen Ansatzes an das Management von Projekten sehr nützlich. Zum Beispiel durch eine Checkliste oder ein Workshopformat, Mittel, mit denen der aktuelle Stand der Schlüsselfaktoren für die Absorptionsfähigkeit und Agilität eines Projekts erfasst und basierend hierauf geeignete Maßnahmen abgeleitet werden. Der Autor Donald Sull ist Professor an der bekannten London Business School. Vor seiner akademischen Karriere arbeitete er unter anderem bei der Strategieberatung McKinsey und beschäftigte sich hierbei speziell mit Unternehmen in turbulenten Umwelten (z. B. in Schwellenländern). Für die Fundierung der © 2005 www.first- T r a i n i n g Projektpersonal optimal vorbereiten Stufe für Stufe die richtige Qualifikation - Ausbildung mit ibo-Zertifikat für den • Projektmanagement-Fachmann/ -frau • Projektleiter/ in • Projektmanager/ in Einzel- und Vertiefungsseminare • Projektmanagement Grundlagen • Projekterfolg durch effektive Führung und Zusammenarbeit • Projektmanagement für IT-Projekte • Projektmanagement kompakt Zertifizierungsvorbereitungsseminare • IPMA Level D und C • Prüfungsvorbereitung zum PMP® Internationale Standards Alle Inhalte orientieren sich an den Standards der IPMA und des PMI®. Weitere Infos finden Sie unter www.ibo.de. Ihre Ansprechpartnerinnen Barbara Bausch, Heike Borschel training@ibo.de ibo Beratung und Training GmbH Im Westpark 8 | D-35435 Wettenberg T: +49 641 98210-300 F: +49 641 98210-500 training@ibo.de | www.ibo.de Beratung | Software | Training | Verlag Anzeige PM_4-2010_1-60: Inhalt 20.08.2010 10: 08 Uhr Seite 41