eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 22/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
11
2011
221 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Wechselwirkende Organisationen, Teil 2

11
2011
Alfred Oswald
Jens Köhler
Organisationen werden gebildet, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Wenn Menschen aus verschiedenen Organisationen zusammenarbeiten, dann wird diese Zusammenarbeit von ihren persönlichen Eigenschaften, ihrer Kultur wie auch den Eigenschaften der Organisationen stark geprägt. Wir zeigen, wie man diese Wechselwirkung systematisch beschreiben und nutzbar machen kann. Gleichzeitig werfen wir aber auch Fragen auf, die aus unserer Sicht für die aktuelle Forschung auf diesem Gebiet interessant sind und neue Aspekte liefern können.
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2011 36 WISSEN 4. Wechselwirkungsszenario: Wechselwirkung zwischen Business- und IT-Abteilung Um die Methode zu illustrieren, betrachten wir das Beispiel der Wechselwirkung einer Business-Abteilung und einer IT-Abteilung eines fiktiven pharmazeutischen Unternehmens, wie wir es für die begleitende Geschichte in [1] konstruiert haben. Wir haben dabei die beiden Abteilungen modellhaft überspitzt und in ihren Ausprägungen gegensätzlich positioniert, ohne die Verallgemeinerung dabei einzuschränken (Abb. 3). Unser Beispiel charakterisieren wir wie folgt: Die IT-Abteilung und die Business-Abteilung arbeiten an einer gemeinsamen Aufgabenstellung in einem global tätigen Unternehmen im selben Land. Das Temperament des Pharmaunternehmens wird durch den Typ ISTJ gekennzeichnet: Es hat eine starke nach innen gerichtete Sicht auf die eigenen Produkte. Obwohl als forschendes Pharmaunternehmen tätig, dominieren inzwischen die in vielen Jahrzehnten erworbenen Fähigkeiten: Die Wirkstoffe werden in definierten Abläufen erforscht, getestet, zu Medikamenten entwickelt, behördlich zugelassen und vermarktet. Die Business-Abteilung ist eine Medikamentezulassungsabteilung, die auf der Basis der rechtlichen Vorschriften die Medikamentenzulassung betreibt. Sie hat, wie das gesamte Unternehmen, das Temperament ISTJ. Alfred Oswald, Jens Köhler Wechselwirkende Organisationen, Teil 2 Der Einfluss von Persönlichkeit und Kultur auf die Zusammenarbeit von Organisationen Die Zusammenarbeit von Organisationen wird neben den harten Faktoren in erheblichem Maße durch die weichen Faktoren bestimmt. Wesentliche weiche Faktoren sind hier die Persönlichkeit der beteiligten Individuen, die landesspezifische Kultur, die Organisationskultur und das Organisationstemperament. In diesem Artikel stellen wir ein Modell vor, mit dem die Wechselwirkung von Organisationen grundsätzlich analysiert und beschrieben werden kann. Anhand eines fiktiven Praxisbeispiels zeigen wir, wie durch das Modell die Wechselwirkung von Organisationen gewinnbringend für die Zusammenarbeit von Organisationen eingesetzt werden kann. Der folgende Text ist die Fortsetzung des bereits in Heft 5/ 2010 begonnenen Artikels. Organisationen werden gebildet, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Wenn Menschen aus verschiedenen Organisationen zusammenarbeiten, dann wird diese Zusammenarbeit von ihren persönlichen Eigenschaften, ihrer Kultur wie auch den Eigenschaften der Organisationen stark geprägt. Wir zeigen, wie man diese Wechselwirkung systematisch beschreiben und nutzbar machen kann. Gleichzeitig werfen wir aber auch Fragen auf, die aus unserer Sicht für die aktuelle Forschung auf diesem Gebiet interessant sind und neue Aspekte liefern können. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Die IT-Abteilung versteht sich als globaler Partner des Business und unterstützt mit ihren IT-Systemen alle Abteilungen des Unternehmens. Sie ist flexibel und innovativ. Die Abteilung wurde vor einigen Jahren durch Übernahme aus einer IT-Firma herausgelöst und in dem Pharmaunternehmen angesiedelt. Sie hat sich unverändert ihr Temperament ENFP bewahrt und ist in Bezug auf das Temperament eine Insel im Unternehmen. Business- und IT-Abteilung sollen ein kleines IT-System erstellen, das die bestehende IT-Landschaft der Zulassungsabteilung ergänzt. Die fachlichen Anforderungen hierfür sind hinlänglich bekannt, da diese ganz wesentlich durch die staatlichen Rahmenbedingungen vorgegeben sind. Deswegen wird das Projekt auch nicht als Projekt durchgeführt, sondern eher auf „Zuruf“ als Zusammenarbeit zwischen beiden Organisationen. Wir charakterisieren diese Aufgabe mit der Collective Mind- Methode als „Zimmermannsaufgabe“: Die Anzahl der Stakeholder, für die das Projekt relevant ist, ist klein, und es werden nur bekannte Methoden und Modelle des Business oder der IT eingesetzt. Wir typisieren die IT-Abteilung wie folgt: Mission: Die IT-Abteilung versteht sich als globaler Partner des Business, der dieses durch die IT-Systeme effizient und effektiv mitgestalten will. Strategie: Hierzu stellt die IT-Abteilung ein durch die Anforderungen des Business getriebenes, innovatives Projektportfolio bereit. Semantik: Das Missionsverständnis und die Strategie drücken sich in der Wortwahl aus: Es wird von Lösungen, Applikationen, Projekten und Services gesprochen. Organisationstemperament: Das Temperament der IT- Abteilung hat die Signatur ENFP: Extrovertiert: hat offene Grenzen, holt sich Rat von außen, hält sich an das Motto - „Die Lösung liegt da draußen, wir müssen sie nur finden“; Intuitiv: läuft zur Hochform auf, wenn es um den großen Zusammenhang geht; ist ein wenig nachlässig mit Routinen, betont Paradigmenwechsel; PM_1-2011_1-26_36-60: Inhalt 31.01.2011 14: 22 Uhr Seite 36 Feeling: trifft Entscheidungen aufgrund von Wertvorstellungen und meint, dass man durch Unterstützung effektiver wird; Perceiving: hält sich Möglichkeiten offen und möchte mehr Informationen, setzt allgemeine Standards, wirkt locker und ziemlich tolerant. Kultur: Die Kultur ist durch folgende Ausprägungen der Schein’schen Kulturfacetten gekennzeichnet: relative Wahrheit beziehungsorientierte Objektivität polychrome Zeit sich entwickelnde Zeit intrinsisch motiviert entwicklungsfähig aktivitätsorientiert systemisch Individualismus kleine Machtdistanz Wir typisieren die Business-Abteilung wie folgt: Mission: Als Service-Partner werden alle für die Zulassung eines Wirkstoffs benötigten Informationen den Behörden zum verlangten Termin zur Verfügung gestellt. Die Business-Abteilung ist damit ein dedizierter Dienstleister mit einer dedizierten Aufgabenstellung: Vorbereitung und Durchführung der Produktzulassung unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Strategie: Jeder Mitarbeiter liefert seinen Beitrag in einem wohl definierten und gelebten Prozess zur Zulassung. Das Spektrum reicht von toxischen Studien, über die statistische Datenauswertung bis hin zur Erstellung der Dossiers. Semantik: Das Missionsverständnis und die Strategie drücken sich in folgender Semantik aus: Die Leistung wird als Produkt, das Dossier, angeboten. Organisationstemperament: Das Temperament der Business-Abteilung hat die Signatur ISTJ: Introvertiert: hat geschlossene Grenzen, hält sich an das Motto - „Wir haben die Lösung, wir müssen nur noch herausfinden, wie wir es tun“; projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2011 l 37 Anzeige Abb. 3: Wechselwirkungsfelder von Organisationen ENFP ESTJ IT-Abteilung Unternehmen Land Kultur Temperament: ISTJ Temperament: ENFP Kultur: „Unternehmen“ Kultur Kultur: „IT-Abteilung“ Land Unternehmen Temperament: ISTJ Kultur: „Unternehmen“ Business Abteilung - Temperament: ISTJ Kultur: „Business-Abteilung“ Aufgabenstellung INFP INTP Leiter: ISTJ Leiter: INTP Handelt wie ISTJ PM_1-2011_1-26_36-60: Inhalt 31.01.2011 14: 22 Uhr Seite 37 Sensitiv: läuft zur Hochform auf, wenn es um Details geht, bevorzugt solide Routine und einen schrittweisen Veränderungsprozess; Thinking: denkt im Sinne von Regeln und Ausnahmen, schätzt das, was logisch ist, ist eine „Sozialmaschine“; Judging: setzt klare, spezifische Standards, arbeitet auf Ergebnisse hin. Kultur: Die Kultur ist durch folgende Ausprägungen der Schein’schen Kulturfacetten gekennzeichnet: absolute Wahrheit faktenorientierte Objektivität monochrome Zeit geplante Zeit extrinsisch motiviert nicht entwicklungsfähig bedingungsorientiert funktional Kollektivismus große Machtdistanz Die Abb. 4 verdeutlicht die mit diesem Setting der Organisationen verbundene Wechselwirkung. In der Zimmermannsaufgabe mit dem Temperament ISTJ sind der IT-Mitarbeiter Fred Kraushaar mit dem Temperament ENFP (Champion) und die Business-Mitarbeiterin Silke Stark mit dem Temperament ESTJ (Supervisor) tätig. Frau Stark ist für die Abwicklung der Aufgabe verantwortlich. Der Vorgesetzte von Frau Stark mit dem Temperament INFP (Healer) zeigt aufgrund jahrelanger Organisationszugehörigkeit ein Verhalten, das sehr stark durch das Organisationstemperament seiner Organisation, also das Temperament ISTJ, geprägt ist. Er verhält sich nahezu wie ein Inspector (ISTJ). Der Vorgesetzte von Herrn Kraushaar mit dem Temperament INTP (Architect) kann sich in seiner IT-Organisation weitgehend entfalten, stößt von Zeit zu Zeit durch seine analytische Entscheidungsfindung in der beziehungsorientierten Organisation auf Widerstände. Die beiden Kollegen des Pharmaunternehmens, Frau Stark und Herr Kraushaar, sollen eine Zimmermannsaufgabe bewältigen, für die insbesondere Herr Kraushaar als IT-Mitarbeiter und auch Frau Stark nicht die geeigneten Temperamentvoraussetzungen mitbringen. Das Temperament der Business-Abteilung entspricht dem der Aufgabenstellung, das Temperament der IT- Abteilung entspricht nicht dem der Aufgabenstellung. Auch fällt eine solche kleine Aufgabe bei der IT-Abteilung schlichtweg durch das Raster, da die Abteilung als Innovator den Fokus auf „größere“ Dinge legt. Es gelingt Frau Stark und Herrn Kraushaar daher nicht, einen gemeinsamen Rhythmus zur Bearbeitung der Aufgabe zu finden: Herr Kraushaar nimmt die Aufgabe nicht ernst, da er sie als zu langweilig ansieht und in seiner Abteilung solche Aufgaben auch nicht immer ernst genommen werden. Er erscheint zu spät zu Sitzungen, verschiebt die Termine und schlägt zur Lösung des Problems immer wieder neue Technologien vor. Individuelles Temperament und Abteilungstemperament verstärken sich hier. Herr Kraushaar fühlt sich von seiner Abteilung geradezu angestachelt, diese kleine Aufgabe nicht ernst zu nehmen. Höchstwahrscheinlich steht sie deswegen noch nicht einmal in seiner Zielvereinbarung. Frau Stark versucht ihn durch ihr ESTJ-Temperament zu beherrschen und ihn an seine Pflichten zu erinnern. Auch sie wird durch das Temperament ihrer Abteilung bestärkt. Es kommt daher häufig zu wirkungslosen Eskalationen mit den 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2011 38 WISSEN E N F P I S T J wirken „kalt“ wirken „hart, unflexibel“ wirken „schwankend, unstrukturiert“ wirken „nicht objektiv“ erzeugt gegenseitiges Unbehagen relative Wahrheit beziehungsorientierte Objektivität polychrome Zeit sich entwickelnde Zeit intrinsisch motiviert entwicklungsfähig aktivitätsorientiert systemisch Individualismus kleine Machtdistanz faktenorientierte Objektivität monochrome Zeit geplante Zeit extrinsisch motiviert nicht entwicklungsfähig bedingungsorientiert funktional Kollektivismus große Machtdistanz absolute Wahrheit Unternehmenstemperament Abteilungstemperament Abteilungstemperament Abteilungskultur Abteilungskultur Personentemperament Personentemperament Unternehmenstemperament I S T J I S T J wirken „oberflächlich, ungenau“ wirken „kleinlich, detailversessen“ Werte Werte Werte: Unabhängigkeit Neue Ideen Werte: Sicherheit Stabilität N F P E S T J E Abb. 4: Wechselwirkung der IT-Abteilung (links) und der Business-Abteilung (rechts) PM_1-2011_1-26_36-60: Inhalt 31.01.2011 14: 22 Uhr Seite 38 betroffenen Vorgesetzten: Der Vorgesetzte von Frau Stark erwartet eine einfache Umsetzung der Business- Anforderungen und interpretiert die Probleme im Team als fachliche Inkompetenz der IT-Seite. Der Vorgesetzte von Herrn Kraushaar unterstützt ihn bei der Analyse der Projektsituationen, kann aber letztendlich nicht helfen, da ihm das nötige methodische Rüstzeug hierfür fehlt. Die Fronten verhärten sich, und das ehemals seitens der Business-Abteilung mit Elan gestartete Vorhaben beginnt sich in Strukturen festzufahren, die durch die individuellen und organisationalen Temperamente und die Ausprägungen der Kulturfacetten gegeben sind. Im Folgenden skizzieren wir auf der Basis der Schein’schen Kulturdimensionen mögliche Ausprägungen der Kulturfacetten im Hinblick auf die Zusammenarbeit. Gleichzeitig zeigen wir auf, welche Kulturfacetten durch welche individuellen und organisationalen Temperamentausprägungen gestützt werden: IT-Abteilung: relative Wahrheit Business-Abteilung: absolute Wahrheit Für die IT ist Wahrheit stark mit dem Blickwinkel des Betrachters und dem gegebenen situativen Kontext verbunden. Die Business Abteilung geht hingegen davon aus, dass es nur eine Sicht der Wahrheit geben kann, nämlich die eigene. Diese Kulturfacette wird durch das jeweilige individuelle und organisationale Temperament verstärkt. Da die Aufgabenstellung das Temperament ISTJ hat, fühlt sich die Business-Abteilung mit ISTJ-Temperament in ihrer Haltung bestätigt und sieht sich als „zielorientierter Macher“. IT-Abteilung: beziehungsorientierte Objektivität Business-Abteilung: faktenorientierte Objektivität Die Business-Abteilung pflegt eine an Fakten orientierte Objektivität, wohingegen die IT ihre Entscheidungen auf der Basis von Beziehungen zu den Stakeholdern abwägt. Diese Facette wird durch das T-Temperament bzw. F-Temperament der jeweiligen Organisationstemperamente gestützt. Diese Facette verstärkt die blockierende Wirkung der Facette relative Wahrheit/ absolute Wahrheit. IT-Abteilung: polychrome Zeit Business-Abteilung: monochrome Zeit Die Business-Abteilung erwartet eine zeitliche Fokussierung der IT-Abteilung auf das zu bearbeitende Projekt. Diese sieht es dagegen als „normal“ an, dass die verfügbare Zeit ihrer Mitarbeiter zwischen mehreren Projekten und Aufgaben flexibel aufgeteilt wird. Es kommt immer wieder zu „unfruchtbaren“ Diskussionen über die Ressourcenplanung. Diese Facette wird durch das P-Temperament der IT-Abteilung bzw. durch das J-Temperament der Business-Abteilung gestützt. IT-Abteilung: sich entwickelnde Zeit Business-Abteilung: geplante Zeit Die Business-Abteilung ist davon überzeugt, dass ein fixiertes Ziel mit festen Meilensteinen die Basis einer effizienten und effektiven Zusammenarbeit ist. Die innovative IT-Abteilung hat die Erfahrung gemacht, dass innovative Lösungen ihre Zeit zur Reife benötigen, und überträgt diese Erkenntnis auf alle Aufgabentypen, auch operative. Diese Kulturfacette spiegelt auch den Gegensatz der _N_P- und _S_J-Temperamente wider: Eine offene, zuweilen unstrukturierte und innovative _N_P- Haltung gegenüber einer klar strukturierten und verbindlichen _S_J-Haltung. Meilensteine werden von der IT-Abteilung selten eingehalten, denn wenn Alternativen in der Abwicklung durch die IT-Abteilung wahrgenommen werden, fließen diese auch (unbewusst) in die Aktivitäten ein. IT-Abteilung: intrinsisch motiviert Business-Abteilung: extrinsisch motiviert Die IT-Abteilung sieht sich als Gestalter des Business und agiert proaktiv. Die Business-Abteilung fühlt sich als reagierende Serviceabteilung von der IT-Abteilung bevormundet. Diese Kulturfacette wird durch das EN__-Temperament der IT-Abteilung bzw. durch das IS__-Temperament der Business-Abteilung gestützt. IT-Abteilung: entwicklungsfähig Business-Abteilung: nicht entwicklungsfähig Die IT-Abteilung hat ein Menschenbild, das die Entwicklungsfähigkeit der Mitarbeiter auf der Basis ihrer Talente annimmt: In Abhängigkeit von der aktuellen organisationalen Kompetenz hilft der Vorgesetzte dem Mitarbeiter bei der Analyse der Projektsituation und dem Umsetzen entsprechender Handlungsmuster (dies setzt natürlich die Kenntnis der hier angesprochenen Einflussgrößen voraus). Die Business-Abteilung hat keine entwicklungsorientierte Führung und vermittelt lediglich das von der Organisation gewünschte Verhalten. Diese Kulturfacette wird durch das _NF_-Temperament der Anzeige projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2011 l 39 PM_1-2011_1-26_36-60: Inhalt 31.01.2011 14: 22 Uhr Seite 39 IT-Abteilung bzw. durch das _ST_-Temperament der Business-Abteilung gestützt. IT-Abteilung: aktivitätsorientiert Business-Abteilung: bedingungsorientiert Diese Dimension hängt sehr stark mit der Dimension „intrinsische/ extrinsische Motivation“ zusammen: Die IT-Abteilung vertraut auf ihre Gestaltungskraft, wohingegen die Business-Abteilung sich eingebettet fühlt in das Unternehmen und im Rahmen dieser Bedingungen agiert. Auf die einzelnen Mitarbeiter übertragen, agieren die Mitarbeiter der IT-Abteilung in eigener Verantwortung aufgrund eines Mandates, das sie von ihrem Vorgesetzten und ihrer Organisation für ein Projekt oder eine Aufgabe erhalten haben. Die Business-Mitarbeiter benötigen für Entscheidungen die ständige Rückversicherung in ihrer Organisation. Diese Kulturfacette wird durch das EN__-Temperament der IT-Abteilung bzw. durch das IS__-Temperament der Business-Abteilung gestützt. IT-Abteilung: systemisch Business-Abteilung: funktional Die Business-Abteilung sieht sich als Erbringer von Funktionen oder Produkten, hierzu bedarf es keiner abteilungs- oder systemübergreifenden Sicht. Die hiermit verbundenen Aktivitäten werden einfach getan. In Zimmermannsprojekten oder -aufgabenstellungen ist die Business-Abteilung mit dieser Vorgehensweise klar im Vorteil, tut sich jedoch mit innovativen Aufgabenstellungen schwer. Die IT-Abteilung schießt ihrerseits bei einfachen Aufgaben über das Ziel hinaus und verlangt die Berücksichtigung einer umfassenderen Sicht: Sie neigt dazu, den mit der ISTJ-Aufgabe verbundenen Horizont zu erweitern. Diese Kulturfacette wird durch das NF-Temperament der IT-Abteilung bzw. durch das SJ-Temperament der Business-Abteilung gestützt. IT-Abteilung: Individualismus Business-Abteilung: Kollektivismus Die Business-Abteilung versteht sich als Produktlieferant, die Individualität des einzelnen Mitarbeiters darf hierbei keine Rolle spielen. Die Entscheidungskompetenz liegt bei der Organisation mit entsprechenden Gremien. Die auf Individualität ausgerichtete Kultur der IT-Abteilung wird daher von der Business-Abteilung als wenig konsensfähig empfunden. Die Rückfrage des Business- Mitarbeiters beim Vorgesetzten, also in die eigene Organisation, führt bei dem Mitarbeiter der IT-Abteilung zu Unverständnis und blockiert nach seiner Einschätzung die Zusammenarbeit. Aus Sicht der IT-Abteilung ist hingegen sichergestellt, dass ein von den Organisationen getragenes Projekt durchgeführt wird. Diese Kulturfacette kann nach unserer Erfahrung nicht einer Temperamentdimension zugeordnet werden, sondern wird durch das gesamte Temperament in Verbindung mit gemachten Erfahrungen ausgebildet. IT-Abteilung: kleine Machtdistanz Business-Abteilung: große Machtdistanz Die größere Machtdominanz in der Business-Abteilung führt zu sichtbaren Zeichen in der Raumgestaltung und zu einer starken indirekten Einflussnahme im Projekt. Der Vorgesetzte des Business-Mitarbeiters ist virtuell immer mit am Tisch: Getroffene Projektentscheidungen können jederzeit von ihm abgelehnt werden. Diese Kulturfacette wird stark durch das Temperament der Aufgabenstellung induziert, das eine hierarchische Struktur begünstigt oder sogar notwendig macht. Auf der Basis des obigen Beispiels lassen sich folgende Aussagen treffen: Die zum Temperament der Aufgabenstellung passenden Temperamente der Individuen sind - neben der fachlichen Expertise - die zentralen Stellgrößen, mit denen der Erfolg einer Aufgabenstellung beeinflusst wird. Organisationstemperament und -kultur der beteiligten Organisationen sind soziale Felder, die die Teambildung erschweren. Falls das Projekt bzw. die Aufgabe kein eigenes Organisationstemperament und keine eigene Organisationskultur ausbildet, erfolgt keine hinreichende Abgrenzung zur Umwelt: Die Temperamente und die Kulturausprägungen der jeweils beteiligten Organisationen nehmen einen großen Einfluss auf die Interaktion der Individuen. Die Individuen tragen also die organisationalen Eigenschaften ihrer Herkunftsorganisation in die Arbeitsgruppe. Falls die Temperamente und die Kulturen, wie im obigen Beispiel aufgezeigt, unterschiedlich sind, ergeben sich hieraus Blockaden in der Zusammenarbeit. Welche Maßnahmen sollten nun ergriffen werden, damit diese Zusammenarbeit doch noch erfolgreich wird? Wir schlagen folgende (sich ergänzende) Lösungsszenarien vor: Am einfachsten und effektivsten ist es, wenn Fred Kraushaar durch einen fachlich ähnlich kompetenten Kollegen ersetzt wird, der dem ISTJ-Temperament der Aufgabenstellung näher kommt. Frau Stark hat bereits das zur Aufgabenstellung passende ESTJ-Temperament, sodass die Aufgabe mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich beendet wird, wenn keine Abneigungen auf der persönlichen Ebene existieren. Die Vorgesetzten von Herrn Kraushaar und Frau Stark wissen um den Einfluss von Temperament und Kultur und führen ihre Mitarbeiter entsprechend. Dies ist nach unserer Erfahrung in den meisten Fällen eine zeitaufwendige und langwierige Lösung, die für die Bewältigung einer kurzzeitigen Aufgabenstellung wenig effizient und effektiv erscheint. Die Aufgabenstellung wird offiziell zum Projekt ernannt, es liegt also ein Team vor, womit der „negative“ Einfluss der Herkunftsorganisationen zurückgedrängt wird. Dies ist jedoch dann nicht hinreichend, wenn die individuellen Temperamente nicht zur Aufgabenstellung passen. Ein Projektcoach mit geeignetem Temperament, der in das Team aufgenommen wird (z. B. ein weiterer fachlicher Experte oder externer Coach), kann dies ausgleichen (siehe Köhler und Oswald [1]). 5. Fazit und Ausblick Wir konnten zeigen, dass Kenntnisse über die Wechselwirkung von Individuen und Organisationen in Projekten und Aufgaben entscheidend sind für das bewusste, auf den Erfolg ausgerichtete Gestalten dieser Wechselwirkung. Der Nutzen für die Zusammenarbeit von Organisationen ist offensichtlich: Das Wissen um die Zusammenhänge der weichen Einflussfaktoren Persönlichkeit und Kultur hebt diese aus dem Nebel und erlaubt den bewussten Umgang mit ihnen in der Führung von Mitarbeitern. Hierbei werden individuelle Temperamente, organisationale Tem- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2011 40 WISSEN PM_1-2011_1-26_36-60: Inhalt 31.01.2011 14: 22 Uhr Seite 40 peramente und Kultur unter Einbeziehung des Aufgabentemperamentes oder des Projekttemperamentes berücksichtigt. Die Kenntnis der weichen Faktoren ist eine notwendige organisationale Kompetenz, die bei Beherrschung Effizienz und Effektivität einer Organisation erheblich steigert. Mit einem nachvollziehbaren Modell erhalten alle Mitarbeiter einer Organisation praktische Unterstützung für ihre Tagesarbeit. Indem die hier vorgestellte Methode systematisch erweitert wird und auf alle Bereiche der organisationalen Kompetenz ausgedehnt wird, eröffnet sie den Weg zu einer Theorie der organisationalen Kompetenz für weiche Faktoren. Literatur [1] Köhler J./ Oswald, A.: Die Collective Mind Methode. Heidelberg 2009 [2] Asendorpf, J. B.: Psychologie der Persönlichkeit. 4. Auflage, Heidelberg 2007 [3] Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership. San Francisco 2004 [4] OMG Object Management Group: Business Motivation Model (BMM) Specification. 3.8.2006 [5] Kienbaum Consultants International GmbH (Hrsg.): Unternehmenskultur, ihre Rolle und Bedeutung. Studie 2009/ 2010 [6] Briggs Myers, I./ Myers, P. B.: Gifts differing, Understanding Personality Type. Moutain View, California 1995 [7] GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.: Kompetenzbasiertes Projektmanagement. PM3, Bd. 1, 2009 [8] Keirsey, D.: Versteh mich bitte. New York 1990 [9] Bridges, W.: Der Charakter von Organisationen. Hogrefe- Verlag, Göttingen 1998 [10] Wikipedia: www.wikipedia.de, Abruf am 26.8.2009 [11] Hofstede, G./ Hofstede G. J.: Cultures and Organizations. New York 2005 [12] Sackmann, S. A.: Assessment, Evaluation, Improvement: Success through Corporate Culture. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Gütersloh 2007 [13] Dawkins, R.: Das egoistische Gen. Reinbek bei Hamburg 1996 Schlagwörter Kultur, MBTI, Organisationsentwicklung, Persönlichkeit, Soft Skills, temporäre Organisation Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.6 Projektorganisation, 4.1.7. Teamarbeit, 4.1.18 Kommunikation Autor Dr. Alfred Oswald ist für die IFST - Institute for Social Technologies GmbH in Aachen tätig. Sein Arbeitsgebiet ist die Entwicklung und Beratung zu Methoden und Modellen der sozialen Kompetenz von Personen, Teams und Organisationen. Sein besonderes Interesse gilt der Anwendung im Projektmanagement, in der Organisationsentwicklung und im Veränderungsmanagement von Organisationen der Informationstechnologie sowie der industriellen und universitären Forschung und Entwicklung. Autor Dr. Jens Köhler ist bei der BASF SE in Ludwigshafen beschäftigt. Sein Arbeitsgebiet ist die Konzeption, Implementierung und Betreuung von IT-Systemen in der Forschung mit dem Schwerpunkt Wissensmanagement. Sein besonderes Interesse gilt der Erforschung der Selbstorganisation von Projektteams durch Soft Skills und Kommunikationsprozesse sowie der Wechselwirkung von Organisationen und Individuen. Anschrift der Autoren Dr. Alfred Oswald IFST - Institute for Social Technologies GmbH Eisenbahnweg 9-11, Eingang TH 6 D-52068 Aachen E-Mail: Alfred.Oswald@ifst.biz projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2011 l 41 Anzeige www.rillsoft.de Download 30-Tage-Vollversion Rillsoft GmbH • Mollenbachstrasse 14 • 71229 Leonberg Tel.: 07152-395745 • Fax: 07152-395744 • E-Mail: info@rillsoft.de Projektmanagement Software - Terminplanung - Ressourcenmanagement - Kapazitätsplanung - Personaleinsatzplanung - Projektportfolio - Integrierter Report-Generator - Terminplanung - Ressourcenmanagement - Kapazitätsplanung - Personaleinsatzplanung - Projektportfolio - Integrierter Report-Generator PM_1-2011_1-26_36-60: Inhalt 31.01.2011 14: 22 Uhr Seite 41