eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 22/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
51
2011
223 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Praxisleitfaden Projektmanagement

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2011
Heinz Schelle
Drees, J./Lang, C./Schöps, M.: Praxisleitfaden Projektmanagement. Tipps, Tools und Tricks aus der Praxis für die Praxis. Unter Mitarbeit von Hörmann, B./Gaisböck, K./Jöhrke, S./Wissinger, J. Carl Hanser Verlag, München 2010, 198 S., Hardcover mit CD, ISBN 978-3-446-42183-7, EUR 29,90
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der Entwicklung eigener Werkzeuge sparen. Felkai und Beiderwiesen bieten hier weit mehr als Hilpert, Rademacher und Sauter in ihrem sehr nützlichen Werk „Projekt-Management und Projekt-Controlling im Anlagen- und Systemgeschäft“ aus dem VDMA-Verlag. Und das will etwas heißen. Bleibt noch in Zeiten, in denen sorgfältiger als bisher auf die Fußnotenkultur geachtet werden soll, anzufügen, dass sich die Verfasser nicht zu schade sind, fremde Quellen zu zitieren. Meine abschließende Bewertung: Eine sofort anwendbare Handreichung, die wärmstens, vor allem für Angehörige technischer Berufe, empfohlen werden kann. Und noch etwas: Wer sich selbst mit dem Gedanken trägt, ein PM-Buch über den gleichen Anwendungsbereich zu schreiben, sollte sich zunächst die Publikation von Felkai und Beiderwiesen gut ansehen. Wenn er nicht erheblich mehr bieten kann - und das wird schwierig sein -, sollte er es sein lassen. Heinz Schelle ■ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2011 46 Dieses Buch ist für mich ein einziges Ärgernis. Daran ändert auch das lobende Vorwort von Franz Beckenbauer nichts. Der Kaiser äußert sich hier einmal nicht tiefgründig zu Fragen des Buddhismus, sondern zum Thema Projektmanagement 1 . Mein Verdruss über das Werk, das aus einem Leitfaden für die ProSiebenSat1 Group entstanden ist, beginnt bereits auf S. 5. Warum müssen Autoren immer wieder das Rad von Neuem erfinden? Warum kann man die gute alte DIN-Definition eines Projekts nicht einfach übernehmen? Warum wählt man weitere Attribute wie „organisationsübergreifend“ und schließt damit von vornherein zahlreiche Vorhaben mit Projektcharakter aus? Es gibt doch in der Realität viele Projekte, die etwa in einem Forschungslabor, also nur in einer Organisationseinheit, realisiert werden. Warum nimmt man dann noch die in der DIN bewusst nicht erwähnte Eigenschaft „komplex“ hinzu, ohne zu sagen, was man genau darunter versteht? Aber über diese Mängel könnte man noch einigermaßen hinwegsehen. Ähnliche, wenig nützliche, völlig überflüssige Sprachspiele treiben ja leider viele Autoren. Richtig schlimm wird es schon eine Seite später. Durch eine Matrix, die zwei Dimensionen, den Lösungsweg und das Projektziel hat, wird nicht nur beim Anfänger erhebliche Verwirrung gestiftet. Nimmt man nämlich die Abbildung ernst, so kann man nur dann von einem Projekt sprechen, wenn der Lösungsweg unklar, das Ziel aber klar ist. Dann wären also große konventionelle Bauprojekte gar keine Projekte. Sie würden nach Drees, Lang und Schöps nämlich in die Kategorie „Linienaufgabe/ Arbeitsauftrag“ (Ziel klar, Lösungsweg klar) eingeordnet werden. Der Unmut des Lesers wird von Seite zu Seite größer. Warum „wiederkehrende Aufgabenstellungen mit besonderem Charakter (? )“ und mit „eindeutiger inhaltlicher Zielsetzung“ ein konstituierendes Merkmal von „kleinen Projekten und projektähnlichen (? ) Aufgaben“ (S. 7) sein sollen, erschließt sich mir nicht. Mit dieser unhaltbaren Begriffsbestimmung kommen die Autoren dann auch wenige Zeilen später selbst in Schwierigkeiten, wenn sie schreiben: „Solche kleinen Projekte und projektähnlichen Aufgaben können z. B. ... komplexe technische Ersatzinvestitionen (sein).“ Ja, was nun? In der Einleitung (S. 1) wird dem Leser gesagt, dass „alle Inhalte und Hilfsmittel in diesem Leitfaden nützlich und relevant sind für jedes (kursiv durch die Autoren gesetzt) Projekt“. Angesichts dieser kühnen Behauptung kann die Aussage, dass es zu den Pflichten des Auftraggebers gehört, „einen geeigneten Projektleiter (zu) finden und zu ernennen“ (S. 11), nur Kopfschütteln verursachen. Das Buch leidet freilich nicht nur unter erheblichen begrifflichen Unschärfen, die leicht zu vermeiden ge- Buchbesprechung Praxisleitfaden Projektmanagement Drees, J./ Lang, C./ Schöps, M.: Praxisleitfaden Projektmanagement. Tipps, Tools und Tricks aus der Praxis für die Praxis. Unter Mitarbeit von Hörmann, B./ Gaisböck, K./ Jöhrke, S./ Wissinger, J. Carl Hanser Verlag, München 2010, 198 S., Hardcover mit CD, ISBN 978-3-446-42183-7, EUR 29,90 1 Beckenbauer hatte für die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland einen sehr fähigen Mann, den Österreicher Heinz Palme, als Projektmanager engagiert, der im Jahre 2007 von der GPM mit dem Roland Gutsch Project Management Award ausgezeichnet wurde. WISSEN PM_3-2011_1-64: Inhalt 31.05.2011 11: 00 Uhr Seite 46 wesen wären, hätte man sich nur ein wenig mit der natürlich nirgends im Text zitierten Literatur vertraut gemacht, auch die handwerklichen Ratschläge lassen sehr zu wünschen übrig. Dabei heißt es in der Einleitung, dass der Praxisleitfaden Projektmanagement „… die unverzichtbaren, grundlegenden Voraussetzungen für einen erfolgreichen Projektverlauf (bündelt)“. Großzügig und kundig fügen die Verfasser allerdings hinzu, dass es „möglicherweise (sic! ) für Ihr spezifisches Projekt weiterführende Nachschlagewerke“ gibt, aber die muss man wohl nicht unbedingt gelesen haben. Wie schlampig die Autoren gearbeitet haben, soll an einem Beispiel ausführlicher demonstriert werden. Unter der Überschrift „Vorwärts-/ Rückwärtsplanung“ (S. 46) erfährt man: „Wenn Sie vom Startzeitpunkt aus planen (= Vorwärtsplanung), werden Sie und Ihr Team oft feststellen, dass Sie das geplante Projektende zeitlich überschreiten würden. Planen Sie in diesem Fall als Nächstes vom Projektende aus (= Rückwärtsplanung) und überlegen Sie dabei gemeinsam mit dem Team pro Arbeitspaket oder Arbeitsbündel (? ), in welcher Zeit dieses bei knapper Planung zu schaffen wäre. So können Sie Schritt für Schritt sehen, ob es überhaupt machbar ist, innerhalb des definierten Projektzeitraums zu bleiben - natürlich unter Berücksichtigung notwendiger Meilensteine.“ Das war es dann auch schon. Eine Seite später wird dann noch der Hinweis nachgeschoben: „Verändern Sie Ihre Planung so lange, bis ausreichend Puffer vorhanden ist! “ Dass dieses nicht gerade präzise Rezept nur dann befolgt werden kann, wenn man die Netzplantechnik einsetzt, wird nicht gesagt. Auch an anderen Stellen des Buches habe ich dieses Stichwort nicht gefunden. Erläutert wird die Technik sowieso nirgends. Von ähnlicher Qualität sind auch die meisten anderen Kapitel. Beispielsweise werden die Kostenplanung (S. 50 f.) und die Risikoanalyse (S. 51) auf einer bzw. knappen zwei Seiten abgehandelt. Der Informationsgehalt geht jeweils gegen null. In der Einleitung (S. 1) ist zu lesen, dass der Schwerpunkt der Publikation auf „der bewussten Steuerung des Projekts“ liegt. Bei dieser Aufgabe wird der Ratsuchende freilich ziemlich alleine gelassen. Zwar wird der Fertigstellungsgrad eines Vorhabens kurz erwähnt, wie man ihn allerdings bei den verschiedenen Projektarten ermittelt und wie problematisch das sein kann, wird nirgends gesagt. Wer sich als Lernwilliger im Vertrauen auf die projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2011 l 47 Anzeige www.rillsoft.de Download 30-Tage-Vollversion Rillsoft GmbH • Mollenbachstrasse 14 • 71229 Leonberg Tel.: 07152-395745 • Fax: 07152-395744 • E-Mail: info@rillsoft.de Projektmanagement Software - Terminplanung - Ressourcenmanagement - Kapazitätsplanung - Personaleinsatzplanung - Projektportfolio - Integrierter Report-Generator - Terminplanung - Ressourcenmanagement - Kapazitätsplanung - Personaleinsatzplanung - Projektportfolio - Integrierter Report-Generator vollmundigen Versprechungen der Verfasser nur dieses Buch anschafft, wird zum Beispiel niemals etwas über Restkostenschätzungen, den Earned Value (Fertigstellungswert), die Meilensteintrendanalyse und die verschiedenen Methoden der Ermittlung des Fertigstellungswerts erfahren. Dass die erwähnten verdichtenden Ampelberichte allenfalls dann aussagekräftig sind, wenn ihnen zuverlässige, detaillierte Daten zugrunde liegen, scheint sich bei der Autorengruppe noch nicht herumgesprochen zu haben. Wie wenig Ahnung die Verfasser von ihrem Thema haben, soll noch ein letztes Beispiel verdeutlichen: Auf S. 61 wird allen Ernstes behauptet, dass Projektmanagementsoftware „nicht geeignet (ist) für managementtaugliche Übersichten“. Dann müssen wir also wieder auf von Hand erstellte Berichte zurückgreifen. Mein hartes Urteil wird nicht durch den umfangreichen „Werkzeugkasten“ auf der beiliegenden CD gemildert. Er enthält zwar einige brauchbare Hilfen, aber ein Lehrbuch, vor allem eines, das für Anfänger gedacht ist, muss für sich betrachtet solide Informationen bieten. Das ist leider nicht der Fall. Angesichts der extremen fachlichen Mängel mutet das nicht sehr umfangreiche Literaturverzeichnis (S. 191) wie ein Witz an. Es bestehen aus meiner Sicht erhebliche Zweifel daran, dass das recht große Autorenteam diese Werke auch gelesen hat. Die dort unter anderem aufgeführten Autoren Oliver Gassmann und Udo Braehmer (siehe zu Letzterem die Besprechung seines vorzüglichen Buches in der Ausgabe 2/ 2011 dieser Zeitschrift) sowie das von Michael Gessler herausgegebene monumentale Werk „Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3)“ der GPM, das ebenfalls erwähnt wird, können jedenfalls für die unzähligen Schwächen nicht verantwortlich gemacht werden. Es stimmt mich traurig, dass ein so renommierter Verlag wie der Hanser-Verlag, der uns großartige Bücher über Projektmanagement beschert hat (u. a. die brillanten Veröffentlichungen eines Tom DeMarco), ein Werk herausbringt, bei dem es, wie man in Bayern sagt, vom „Boa (Knochen) weg fehlt“. Jeder der rund 20.000 von der GPM zertifizierten Projektmanager hätte dem Verlag von einem Gang auf den Markt abgeraten. Heinz Schelle ■ PM_3-2011_1-64: Inhalt 31.05.2011 11: 00 Uhr Seite 47