eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 22/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2011
224 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Noch mehr Brücken bauen zwischen Strategie und Projektlandschaft!

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2011
Oliver Steeger
Unternehmen mit gutem Multiprojektmanagement arbeiten erfolgreicher. Empirisch ermittelte Zahlen belegen dies. Unternehmen, die ihre Projektlandschaft professionell steuern, ziehen aus 83 Prozent ihrer Projekte wirtschaftlich Gewinn. Bei Unternehmen mit schlechtem Multiprojektmanagement rentieren sich dagegen nur 53 Prozent der Projekte. Zu diesem Ergebnis kommt die groß angelegte 5. Multiprojektmanagement-Benchmarking-Studie, die Prof. Hans Georg Gemünden an der Technischen Universität Berlin durchgeführt hat. Im Gespräch erläutert der renommierte Wissenschaftler, was die Könner beim Multiprojektmanagement besser machen. Wer Prof. Hans Georg Gemünden „live“ erleben will: Er wird die Ergebnisse seiner Studie auf dem PMO-Tag der GPM am 24. Oktober 2011 (Nürnberg) vorstellen und mit den Fachleuten diskutieren.
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2011 8 REPORT Viele Projektmanagementexperten fühlen sich wie Propheten in der Wüste: Sie wissen, dass gutes Multiprojektmanagement hilfreich für Unternehmen ist. Doch ihre Argumente kommen bei Topmanagern nicht an. Bringen Sie mit Ihrer Multiprojektmanagement-Studie Argumente in die Diskussion? Professor Hans Georg Gemünden: Unsere Zahlen, die wir in unserer neuesten Multiprojektmanagement-Studie erhoben haben, dürften die Diskussion weiter untermauern. Wir haben festgestellt: Unternehmen mit sehr gutem Multiprojektmanagement - die Top-Performer - führen 83 Prozent ihrer Projekte wirtschaftlich erfolgreich ans Ziel. Bei den Low-Performern mit ineffizientem Multiprojektmanagement sind nur 53 Prozent der Projekte wirtschaftlich erfolgreich. Zwischen diesen Werten liegen dreißig Prozent! Schön und gut. Topmanager werden aber damit parieren, dass es ihnen nicht auf erfolgreiche Projekte ankomme, sondern auf Gewinne durch Projekte! Moment! Ich spreche von wirtschaftlich erfolgreichen Projekten. Wir haben für unsere Studie Entscheider befragt. Wir wollten von ihnen wissen, wie hoch der Anteil der Projekte ist, die sie im Nachhinein als wirtschaftlich erfolgreich einschätzen. Diese Projekte haben ihren Businessplan erfüllt, zu Gewinnen geführt, Kosten gesenkt, Risiken reduziert oder Schaden abgewendet. Sie haben also zu Mehrwert für das Unternehmen geführt. Und es geht nicht um kleine, vereinzelte Vorhaben! Die von uns befragten Unternehmen hatten durchschnittlich rund 120 Projekte im Portfolio, der Durchschnittswert jedes Projekts lag bei rund einer Million Euro. Rechnen wir den Vorteil von gutem Multiprojektmanagement durch! Nehmen wir an, Unternehmen wollen doppelt so viel aus einem Projekt erwirtschaften, wie sie eingesetzt ha- Oliver Steeger Noch mehr Brücken bauen zwischen Strategie und Projektlandschaft! Ergebnisse der 5. Multiprojektmanagement-Benchmarking-Studie Unternehmen mit gutem Multiprojektmanagement arbeiten erfolgreicher. Empirisch ermittelte Zahlen belegen dies. Unternehmen, die ihre Projektlandschaft professionell steuern, ziehen aus 83 Prozent ihrer Projekte wirtschaftlich Gewinn. Bei Unternehmen mit schlechtem Multiprojektmanagement rentieren sich dagegen nur 53 Prozent der Projekte. Zu diesem Ergebnis kommt die groß angelegte 5. Multiprojektmanagement-Benchmarking-Studie, die Prof. Hans Georg Gemünden an der Technischen Universität Berlin durchgeführt hat. Im Gespräch erläutert der renommierte Wissenschaftler, was die Könner beim Multiprojektmanagement besser machen. Wer Prof. Hans Georg Gemünden „live“ erleben will: Er wird die Ergebnisse seiner Studie auf dem PMO-Tag der GPM am 24. Oktober 2011 (Nürnberg) vorstellen und mit den Fachleuten diskutieren. Foto: Markus Bullik Prof. Dr. Hans Georg Gemünden ist Inhaber des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement der TU Berlin. Er publizierte Bücher und Artikel auf den Gebieten Technologie- und Innovationsmanagement, Unternehmensführung, Organisation, Marketing sowie Personal- und Rechnungswesen. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind die Untersuchung radikaler Innovationen und Innovationsnetzwerke, die Betrachtung von Dienstleistungsinnovationen sowie Fragestellungen des Entrepreneurships, der Promotoren und Champions, des strategischen Projektmanagements und des Auftretens von Lead Usern und Lead Märkten. PM_4-2011_1-68: Inhalt 22.08.2011 11: 24 Uhr Seite 8 ben. Dann haben die High-Performer rund 166 Millionen Euro erwirtschaftet, die Low-Performer rund 106 … … 60 Millionen Euro weniger Gewinn bei den Low- Performern … Richtig! Wenn Sie dies über fünf Jahre verfolgen, dann sehen Sie, wie sich die Schere zwischen den Besten und Schlechtesten weit öffnet. Es zeigt sich ein großer Unterschied zwischen den High-Performern, den 20 Prozent Besten, und Low-Performern, den 20 Prozent Schlechtesten. Das wirtschaftliche Potenzial von Multiprojektmanagement ist also gewaltig. - Ein weiterer Beleg dafür? Gerne! Wir arbeiten in unserer Studie mit ausgefeilten Metriken, um den Erfolg zu messen. So haben wir rund 40 Indikatoren zu einem Rating auf einer siebenstufigen Skala verdichtet. Bei diesem Rating erzielen High-Performer mit ihrem Multiprojektmanagement einen Wert von 5,6, die Low-Performer dagegen nur 3,9. Dies klingt sehr theoretisch. Zugegeben, die Zahlen sind abstrakt. Aber: Ein Ratingpunkt bedeutet 18 Prozent weniger wirtschaftlich erfolgreiche Projekte, entsprechend ein halber Punkt 9 Prozent. Dieses Ratingsystem könnte recht spannend für die Wirtschaft sein … … weil es eine Brücke baut zwischen Reife des Multiprojektmanagements und wirtschaftlichem Erfolg? An diesem Punkt wird das Thema für Entscheider und Topmanager spannend! Da kann man sie überzeugen. Sie beobachten Multiprojektmanagement seit 2005. Ihre Studie haben Sie nun zum fünften Mal durchgeführt. Jede dieser Studien zeigt, wie wichtig die Verbesserung von Multiprojektmanagement ist. Jedoch - auf den Durchbruch dieser Disziplin warten wir noch. Ignoriert die Wirtschaft wissenschaftliche Ergebnisse? Nein, dieser Eindruck kann trügen. Das Thema Multiprojektmanagement wächst. Drei von vier der Befragten sind der Meinung, dass dieses Thema in ihrem Unternehmen künftig noch wichtiger werden wird. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass es nicht nur darauf ankommt, Projekte richtig durchzuführen, sondern auch die richtigen Projekte umzusetzen. Also lohnende Projekte auszuwählen und das Projektportfolio mit Prioritäten zu versehen. Dies gilt gerade jetzt für die Zeit nach der Krise, für den Aufschwung. Viele Unternehmen haben volle Auftragsbücher und teilweise mehr Projekte, als sie bearbeiten können. Sie stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Jetzt müssen sie klug auswählen. Sie müssen ihre Ressourcen sowie Synergien zwischen den Projekten geschickt nutzen. Was ist der Wert eines Projekts? Welche Projekte sind für die Organisation machbar? Wo liegen die Engpässe? Solche Überlegungen spielen derzeit eine große Rolle. Was hat sich in puncto Multiprojektmanagement in den vergangenen fünf Jahren gut entwickelt? Die meisten Unternehmen, die wir befragt haben, beherrschen mittlerweile das Brot-und-Butter-Geschäft im Multiprojektmanagement. Sie führen eine Inventarliste über ihre Projekte. Sie setzen die richtigen Methoden ein. Sie priorisieren ihre Projektlandschaft. Solche einfachen Dinge finden Sie bei rund 70 Prozent der Unternehmen. Befassen wir uns doch näher mit den Unterschieden zwischen Unternehmen, die Multiprojektmanagement gut, und denen, die es weniger gut umsetzen. Was zeichnet erfolgreiche Unternehmen beim Multiprojektmanagement aus? Zwei wesentliche Faktoren sind zu nennen. Erstens: Die Verbindung zwischen der Unternehmensstrategie - genauer: der strategischen Planung - und dem Projektportfoliomanagement funktioniert nahtlos. Den Unternehmen gelingt es, ihre Strategie direkt in das operative Portfoliomanagement zu überführen. Was diese Leistung betrifft, so zeichnet Ihre Studie kein gutes Bild: Nur die Hälfte der Unternehmen verzahnen ihre Strategie mit ihrem Projektportfolio. Dies ist wahr. Bei den High-Performern stellen wir zudem fest, dass die Linie ins Portfoliomanagement eingebunden und integriert ist, insbesondere die mächtigen Abteilungsleiter beispielsweise von Marketing, Produktion, IT oder Forschung und Entwicklung. Dies ist ein zweiter wesentlicher Erfolgsfaktor. Weshalb ist diese Einbindung so wichtig? Die Abteilungsleiter müssen zusammenarbeiten, um durch Projekte beispielsweise neue Produkte auf den Markt zu bringen. Die einzelnen Spezialisten aus den Fachabteilungen kooperieren längst sehr gut in Projekten. Für deren Vorgesetzten gilt dies vielfach noch nicht. Wo liegen die Widerstände? Jeder Abteilungsleiter hat zunächst seine eigenen Projekte, die auf ihren Bereich begrenzt sind. Der Produktionsverantwortliche führt beispielsweise Rationalisierungsprojekte durch, oder der Marketingleiter baut für sein Unternehmen einen Online-Shop auf. Aber auf das gesamte, übergreifende Projektportfolio seines Unternehmens blickt ein Bereichsleiter in der Regel selten. Dies sollte nicht wundern. Abteilungsleiter werden häufig für den Erfolg ihrer Abteilung belohnt - und nicht für den Erfolg des gesamten Projektportfolios. Eben! Wir müssen daher die Abteilungsleiter zur Kooperation bringen. Wir müssen sie dazu bewegen, gemeinsam die Unternehmensstrategie umzusetzen, Projekte zu priorisieren oder Engpässe zu erkennen - und zwar mithilfe des Multiprojektmanagements. Dafür müssten sie persönlich Einfluss abgeben - an das Multiprojektmanagement! Gestatten Sie einen Einwand! Es verhält sich ja nicht so, dass quer durch die Bank die Abteilungsleiter eifersüchtig ihre Ressorts verteidigen, dass sie quasi im Schützengraben liegen und ihre Privatfehden ausfechten … Der Burgfrieden, den Sie in Unternehmen vorfinden, kann täuschen. Mancherorts lassen sich Abteilungsleiter gegenseitig in Frieden, sie igeln sich nach oben und unten ein, sie blocken jede Initiative ab. Aus dieser Haltung kann keine Zusammenarbeit, kein Schulterschluss entprojekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2011 l 9 PM_4-2011_1-68: Inhalt 22.08.2011 11: 24 Uhr Seite 9 stehen. Die Führungsaufgabe besteht darin, diese Leute zusammenzubringen. Vorhin sagten Sie, dass die Linie Einfluss abgeben muss … Weshalb setzt man Projekte unter anderem auf? Man will Spezialisten aus Fachabteilungen zur interdisziplinären Arbeit zusammenziehen. Angenommen, diese Mitarbeiter werden nicht mehr durch den Bereichsleiter gesteuert, sondern zentral vom Multiprojektmanagement … … und der Bereichsleiter muss sich, was seine Mitarbeiter betrifft, der zentralen Steuerung beugen … Richtig, er muss seine Macht teilen und sich abstimmen. Auch kann es sein, dass er eigene Projektideen zugunsten des Gesamtportfolios aufgeben muss. Da ist Widerstand vorprogrammiert! Was bedeutet dies für den Leiter eines PMOs, der ja häufig für das Multiprojektmanagement zuständig ist? In solchen Konstellationen wird der Multiprojektmanager schnell zum Prügelknaben. Er hat wenig Macht. Er kann sich gegen die Angriffe der Bereichsfürsten kaum wehren. Kann er denn die Bereichsleiter zur Zusammenarbeit bewegen? Nein, nein - das ist eine Aufgabe des Topmanagements, der Unternehmensführung! Dies kann nicht ins Ressort des Projektmanagements fallen! Die Integration der Linie ins Multiprojektmanagement - hat man diese Schwierigkeiten überhaupt schon richtig erkannt? Im Innovationsmanagement ist das Problem von Ressortegoismen bekannt, in der Projektmanagementliteratur dagegen wird kaum darüber berichtet. Was machen erfolgreiche Unternehmen - die High- Performer - besser? Ihnen ist die horizontale Integration, also die Integration der Hierarchieebene der Bereichsleiter ins Multiprojektmanagement geglückt. Dort haben die Bereichsleiter erkannt, dass ihre Zusammenarbeit zu deutlich größerem Gewinn führt - auch wenn sie dafür im gewissen Umfang Einfluss abgeben müssen. In diesen Unternehmen sind die Bereichsleiter sogar von sich aus bereit, das Multiprojektmanagement zu unterstützen. Die erfolgreichen Unternehmen haben diesen schwierigen Gruppenprozess bewältigt. In diesem Detail liegt die wesentliche Differenz zu Unternehmen, die weniger gut beim Multiprojektmanagement abschneiden. Zurück zum Ausgangspunkt. Wir haben gesagt, dass erfolgreiche Unternehmen Strategie und operatives Portfoliomanagement verbinden und die Linie ins Multiprojektmanagement integrieren. In Ihrer Studie haben Sie darüber hinaus einiges mehr festgestellt: High-Performern gelingt es, die Dynamik in Projektportfolios besser zu bewältigen. Ist diese Erkenntnis überraschend? Jedes Projektportfolio bewegt sich doch! Sie meinen die Dynamik, die den Portfolios innewohnt? Ja, diese Eigendynamik! Abweichungen und Probleme in Einzelprojekten müssen ausgeglichen werden, und dies kann das gesamte Portfolio in Bewegung bringen. Diese Dynamik wird in der Tat bereits gut bewältigt - aber sie meine ich nicht. Mir geht es um eine andere Dynamik, nämlich um Einflüsse von außen, zum Beispiel von Marktentwicklungen oder technologischen Entwicklungen. Aus solchen externen Veränderungen ergeben sich Fragen. Wie kann man solche Veränderungen im Portfolio berücksichtigen? Welche Chancen ergeben sich - und welche Risiken muss man in Kauf nehmen? Wir haben festgestellt: Die High-Performer sind, was die Berücksichtigung externer Veränderungen betrifft, besser aufgestellt. Besser aufgestellt - inwiefern? Sie verfügen, allgemein gesprochen, über ein besseres und vorausschauendes Innovationsmanagement. Sie betrachten nicht nur die nächste oder übernächste Produktgeneration, sondern schauen noch weiter in die Zukunft. Sie bauen weitblickend neue Kompetenzen auf, sie erobern neue Märkte. Dafür steuern sie ihr Projektportfolio proaktiv. Wer so weit in die Zukunft schaut, redet doch nicht mehr von Projekten. Die übernächste Produktgeneration befindet sich heute möglicherweise nur in der Konzeptphase, und die dann folgende Produktgeneration ist derzeit bestenfalls eine Idee. Was hat dies alles mit Multiprojektmanagement zu tun? Es geht darum, dass Ideenmanagement mit Multiprojektmanagement zu verbinden. Wie darf ich dies verstehen? Projektmanager wissen, wie wichtig die Frühphase eines Projekts ist. Je mehr man in die frühe Phase eines Projekts investiert, desto bessere Chancen hat es auf Erfolg. Ähnliches gilt auch für Ideen, aus denen Konzepte und Projektanträge werden. Augenblick! Führt ein Unternehmen 100 Projekte durch, so lagen diesen Projekten wohl rund 1.000 Projektanträge zugrunde, diesen Anträgen 10.000 Konzepte - und diesen wiederum eine Million Ideen. Unternehmen können doch nicht eine Million Ideen fördern? Eben deshalb brauchen sie ein Ideenportfoliomanagement, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem Projektportfoliomanagement hat. Brauchbare Ideen müssen 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2011 10 REPORT Aktuelles zum Thema „Project Management Offices“: Am 24. Oktober 2011 - einen Tag vor dem Projektmanagement Forum - veranstaltet die GPM erstmals ihren „PMO-Tag“. Konzipiert ist die Veranstaltung als Dialogplattform für Experten, die Project Management Offices (PMO) betreiben oder die Einführung eines PMO noch vor sich haben. So werden Praktiker aus renommierten Unternehmen und Organisationen verschiedenster Couleur darlegen, wie ein erfolgreiches PMO aufgebaut und gestaltet werden kann, das zu Organisation und Situation passt. Als Keynote-Speaker der eintägigen Veranstaltung sind Prof. Hans Georg Gemünden (Technische Universität Berlin) sowie Arno Walter (Commerzbank, Bereichsvorstand Group Organisation) vorgesehen. Komplettes Programm inklusive Anmeldung: www.pm-forum.de Das „PMO“ auf den Punkt gebracht PM_4-2011_1-68: Inhalt 22.08.2011 11: 24 Uhr Seite 10 ausgewählt, die ausgewählten müssen gemäß der Strategie gewichtet werden. High-Performer verfügen über gute Prozesse, um die guten Ideen zu selektieren und zu priorisieren. Sie verschaffen sich damit eine werthaltige Ideenbasis. Diese Ideen setzen sie gezielt in Projekte um. Viele Unternehmen behaupten von sich, sie hätten genug gute Ideen … Sie mögen Ideen haben. Doch diese Ideen sind nicht immer werthaltig, nur wenige versprechen Gewinn. High-Performer indes konzentrieren sich auf ihre werthaltigen Ideen. Deshalb können sie übrigens auch beim Projektportfolio größere Risiken eingehen. Sie setzen möglichst nur gewinnversprechende Ideen um. Dies macht das Projektportfolio widerstandsfähig! Wie darf ich mir das Ideenmanagement genau vorstellen? Gutes Ideenmanagement setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. High-Performer betreiben Ideenmanagement nicht blind. Sie kennen den Bedarf und die Trends ihrer Märkte. Sie wissen, welche Felder sie strategisch besetzen oder ausbauen wollen. Damit haben sie auch ein Raster für die Bewertung der Ideen. Bei der Bewertung und Priorisierung der Ideen folgen sie gezielt bestimmten Suchfeldern … Wer seine Ideen nach bestimmten Kategorien oder Rastern auswählt, dürfte den Aufwand reduzieren. Richtig! Wobei sich der Aufwand nicht allein durch die Suchfelder reduziert. Hinzu kommt auch eine formalisierte Bewertung nach definierten Prozessen, nach bestimmten Kriterienkatalogen und mit verständlichen Tools. Wichtig ist ein weiterer Erfolgsfaktor: Die Bewertung wird transparent vorgenommen, dies ist für die innovationsfreundliche Kultur sehr wichtig. Innovationsfreundliche Kultur? Ohne eine kreative Kultur wird Innovationsmanagement nicht gelingen. Unsere Studien zeigen, dass High- Performer sich offen gegenüber den Ideen ihrer Mitarbeiter und anderer Gruppen zeigen. Sie stellen ihren Mitarbeitern beispielsweise Zeit und ein kleines Budget bereit, um vielversprechenden Ideen zu folgen und sie weiter auszuarbeiten. Entscheidend ist zudem ein weiterer Punkt: Die besten Unternehmen haben einen durchgängigen Workflow aufgebaut, der von der Idee über das Konzept, den Projektantrag bis hin zur Projektrealisierung reicht. Bei diesen Unternehmen werden Ideenportfolio und Projektportfolio in großem Maße integriert. Neben diesem Innovationsmanagement haben Sie in Ihrer aktuellen Studie einen zweiten Schwerpunkt gesetzt. Es geht um das Risikomanagement. Dies verwundert mich ein wenig. Das Thema Risikomanagement ist im Projektmanagement seit vielen Jahren Allgemeingut. Wie kommt es zu diesem Schwerpunkt? Risikomanagement hat eine starke Tradition, dies ist wahr. Aber wir sprechen in unserer Studie nicht vom Risikomanagement in Einzelprojekten. Uns geht es um Risikomanagement für Projektportfolios. Da wird es spannend! Als wissenschaftlich erwiesen gilt, dass man mit einer geschickten Mischung von Projekten einen bestimmten Ertrag bei geringeren Risiken erwirtschaften kann. Auch hier die Frage, was die High-Performer anders machen als die Low-Performer. Wir haben zwei Erfolgsfaktoren ermittelt. Erstens: High-Performer kennen die Risiken ihrer Portfolios. Sie haben also eine höhere Risikotranspararenz. Zweitens können sie die Risiken besser bewältigen. Erstaunlich ist, dass beide Erfolgsfaktoren ungefähr gleich stark wirken. Der erste Erfolgsfaktor, nämlich die Risiken des Portfolios kennen - was machen die High-Performer dabei genau anders? Einerseits haben sie einen fundierten, ausformulierten Prozess für die Ermittlung von Risiken. Sie gehen systematisch vor. Und andererseits verfügen sie über eine offene Risikokultur. Mitarbeiter tun sich in diesen Unternehmen leichter mit dem Umgang mit Risiken. Sie können besser auf Risiken hinweisen. Risikoverantwortliche können offen und ehrlich über „ihr“ Risiko sprechen. Mit ihren Hinweisen wird sorgfältiger umgegangen. Man ist sich in diesen Unternehmen auf allen Ebenen der Bedeutung von Risiken und der Notwendigkeit von Risikomanagement bewusst. Die Risiken von Einzelprojekten sind recht einfach zu ermitteln. Wie sieht es mit den Risiken ganzer Portfolios aus? Beispiele für Portfoliorisiken sind systematische Risiken, die sich über die gesamte Projektlandschaft erstrecken und quasi von Projekt zu Projekt weitergegeben werden können. Können auch Risiken aus Einzelprojekten kumulieren? Freilich! Länderrisiken gehören beispielsweise zu solchen Risiken. Wer derzeit viele Projekte im politisch unruhigen arabischen Raum durchführt, steht vor solch einem Problem. Ein weiteres Beispiel für Risiken im Portfolio sind die Interdependenzen zwischen Projekten. Ein Projekt hängt von einem anderen ab, ein Projekt spielt in ein anderes hinein - Risiken dieser Art sind gemeint. Veränderungen in einer Projektlandschaft mit hohen Interdependenzen können einen Dominoeffekt auslösen … Kann ein Project Management Office, das Multiprojektmanagement betreibt, überhaupt solche Risiken ermitteln und Vorsorge treffen? Nein, wahrscheinlich nicht. Das PMO ist gefordert, wenn es beispielsweise um schnelle Ursachenforschung bei strukturellen Fehlern geht. Doch mit Strukturrisiken ist das PMO überfordert. Es wird dafür Spezialisten beauftragen, die im Umgang mit Strukturrisiken geübt und erfahren sind. Wir dürfen die PMOs nicht mit immer neuen Aufgaben belasten. Im Rahmen des Projektportfoliomanagements sorgen die PMOs zum einen dafür, dass die Beurteilung der Projekte treffsicherer wird und dass die Portfolio-Entscheidungen mit besseren Informationen unterlegt werden. Zum anderen unterstützen sie die Aufdeckung und Ausnützung von Synergien zwischen Projekten und das rechtzeitige Erkennen von Engpässen. Diese Aufgaben weisen hohe Synergien zu den Serviceaufgaben für die Projektleiter auf. ■ projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2011 l 11 PM_4-2011_1-68: Inhalt 22.08.2011 11: 24 Uhr Seite 11