eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 22/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2011
225 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Images of Projects

121
2011
Heinz Schelle
Winter, M.; Szczepanek, T.: Images of Projects. Gower Publishing Company, ISBN 978-0-566-08716-5, Gower Publishing Ltd., Farnham, Surrey, 2009, 284 S.2 , GBP 42,50, englisch
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2011 l 47 Die faszinierende Quintessenz, die Köhler und Oswald aus ihrer Forschungsarbeit im Kapitel 17 am Ende ziehen, soll dem Leser in etwas gekürzter Form nicht vorenthalten bleiben: „… wir sehen es als fatal an, wenn Menschen ihre sogenannten Schwächen ausmerzen sollen …, um in Rollen zu arbeiten, die ihnen nicht liegen. Das bedeutet, dass diese Menschen nicht typengerecht eingesetzt werden und damit nicht effizient und erfolgreich arbeiten dürfen. Die Hauptaufgabe der Projektführung besteht darin …, die Vorstellungen aller Teammitglieder mithilfe des Collective Mind zu verbinden.“ Die wichtigste Botschaft des Buches besteht also darin, dass Menschen entsprechend ihren Stärken in Projekten einzusetzen sind. Für diese Aufgabe wird ein umfangreiches Instrumentarium geboten. Images of Projects Winter, M.; Szczepanek, T.: Images of Projects. Gower Publishing Company, ISBN 978-0-566-08716-5, Gower Publishing Ltd., Farnham, Surrey, 2009, 284 S. 2 , GBP 42,50, englisch Ich halte dieses Buch, wie schon eingangs betont, für eine der wichtigsten Publikationen der letzten Jahre auf unserem Gebiet, auch wenn ich mit einigen Teilen des Konzepts gewisse Schwierigkeiten habe. Die beiden Autoren sehen, wie der umfangreiche Teil 3 (Applying the Images in Practice) zeigt, die Anwendung ihrer multidimensionalen Betrachtung von Projekten vor allem in der Praxis. Auf diesen Teil des Buches werde ich später eingehen. Ich sehe darüber hinaus jedoch eine reelle Chance, das Konzept der „Images“ auch für eine facettenartige Theorie des Projektmanagements zu nutzen, um das doch einigermaßen verwirrende Bild, das unsere Disziplin zurzeit noch bietet, zu klären. Ich glaube nicht, dass es einmal so etwas wie eine „Grand Unified Theory of Projects“ geben wird, die sich vielleicht manche wünschen, allerdings bin ich der Überzeugung, dass es möglich ist, mithilfe der Betrachtung von Vorhaben mit Projektcharakter aus verschiedenen Perspektiven, wie sie eben Winter und Szczepanek vorschlagen, einen verbindlichen Bezugsrahmen zu schaffen, der es unter anderem auch gestattet, die Beiträge der verschiedenen Disziplinen (z. B. BWL, Systemtheorie, Organisationspsychologie, Betriebssoziologie und Wirtschaftsinformatik) einzuordnen und Lücken in der Forschung zu entdecken. Wie schon angedeutet, ist es das Ziel des Buches, sich der außerordentlich komplexen Realität von Projekten zu nähern und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass alle unsere bisherigen Ansätze, etwa der von PRINCE2 oder des PMBoK, aber auch die Grundkonzeption der ICB 3.0 nur einen sehr begrenzten Ausschnitt der Realität erfassen und somit auch entsprechende Schwächen haben. Den beiden Verfassern zufolge wird Projektmanagement zurzeit immer noch von der gängigen Vorstellung des „Production View“ geprägt. Das bedeutet: Ein bestimmtes Produkt oder ein System soll geschaffen oder verbessert werden. Das soll in der geplanten Zeit und mit den geplanten Kosten unter Erfüllung der erwarteten Qualität und der zugesagten Funktionen geschehen. Frei- 2 Die Autoren beziehen sich im Text immer wieder auf ein Vorgängerbuch. Dabei handelt es sich um „Images of Organizations“ von G. Morgan in der zweiten Auflage von 1997. 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Auf IT-Projekte angewandt bedeutet das zum Beispiel, wie es von GlaxcoSmithKline (Zitat aus dem besprochenen Werk) einmal als Forderung formuliert wurde: „… all IT projects are really business projects with an IT element.“ Oder wie es das Birmingham City Council ausdrückt: „We don’t have IT projects, we have business transformation projects.“ Die Autoren transzendieren die obige, nicht mehr ganz neue Kritik allerdings und schlagen sieben Sichtweisen (Images) vor, die an insgesamt 16 sehr unterschiedlichen, konkreten Projekten aus Großbritannien (darunter sind auch die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2012 in London) eingehend und sehr anschaulich erläutert werden. Soziale Perspektive: Ein Projekt wird als sozialer Prozess angesehen, in den verschiedene Individuen, Gruppen und Organisationen involviert sind. Aus dieser Perspektive resultiert zum Beispiel die Beobachtung und Beschreibung der Interaktionen der Beteiligten, der formalen und informellen Kommunikation und der Netzwerke, die sich im Verlauf des Projekts bilden. Für das besprochene Buch von Oswald und Köhler wurde vor allem dieser „View“ gewählt. Politische Perspektive: Ein Vorhaben kann auch als politischer Prozess betrachtet werden. Das bedeutet unter anderem, dass die Individuen, Gruppen und Organisationen im Projekt nicht nur die Ziele des Projekts, sondern auch eigene verfolgen. Daraus ergeben sich Fragen wie: Wer verfolgt welche Interessen in dem Projekt? Welche versteckten Tagesordnungen (Hidden Agendas) gibt es? Welchen Einfluss und welche Macht haben die verschiedenen Interessengruppen und wie beeinflussen sie das Projekt? Ein konkretes Beispiel für eine derartige, vorwiegend mikropolitische Betrachtungsweise ist der Aufsatz von Nassauer und Reiners „Reformen im Berliner Bildungssektor. Handlungspfade und Restriktionen im Projektmanagement“ in diesem Heft. Die Perspektive der Intervention: Ein Projekt kann - so Winter und Szczepanek - auch als Interventionsprozess gesehen werden. Diese Perspektive macht mir etwas Schwierigkeiten, weil ich die Notwendigkeit dieser Kategorie nicht so recht einsehe. Geprüft wird hier insbesondere, welches Problem durch das Projekt gelöst werden soll und ob Einigung unter den Beteiligten besteht, wie das geschehen soll. Die Verfasser erläutern die Sichtweise der Intervention wieder an einem Beispiel aus dem IT- Bereich: Bei einem geplanten Vorhaben muss zunächst nicht so sehr die Frage gestellt werden, welche Funktionen das zu entwickelnde System haben soll, sondern welche Probleme in einem Unternehmen damit gelöst werden sollen. Allgemeiner gefragt: Verstehen die am Projekt Beteiligten das vorliegende Problem so hinreichend, dass entschieden werden kann, welche(s) Projekt(e) notwendig ist/ sind, um es zu lösen? Die Perspektive des Werts (Value Perspective): Bei dieser Betrachtungsweise wird das Projekt als Wertschöpfungsprozess gesehen. Das Vorhaben sollte für die Organisation Nutzen produzieren. Der Schwerpunkt liegt also auf dem Anwendungserfolg und nicht so sehr auf dem Abwicklungserfolg (in der Zeit, in den Kosten und mit der geplanten Leistung). Damit steht diese Perspektive im besonders deutlichen Gegensatz zum schon erwähnten „Production View“. Die Entwicklungsperspektive: Die wichtigste Fragestellung ist hier: Was muss entwickelt werden, wann und mit welchem Budget? Andere Fragen sind: Welche Key Performance Indicators sind zu benutzen, was sind die Entwicklungsrisiken und welche Werkzeuge braucht man? Die Betrachtungsweise entspricht somit am ehesten der vieler gängiger Lehrbücher. Die Organisationsperspektive: Hier richtet sich das Augenmerk zum Beispiel auf Rollen und Zuständigkeiten, auf Teamstrukturen und Governanceregelungen. Projekte werden als temporäre Organisationen (Zeltorganisation im Gegensatz zur Palastorganisation) angesehen. Daraus leiten sich weitere Themen ab, wie etwa Projektmarketing und Projektsupport. Die Perspektive des Wandels: Schließlich kann man ein Vorhaben auch als einen Prozess des Wandels betrachten. Damit stellt sich zum Beispiel die Frage, welche Widerstände zu erwarten sind und wie man mit ihnen umgeht. Vor allem diese Perspektive findet sich in vielen PM-Konzepten und Vorgehensmodellen nicht. So habe ich bei Informatikstudenten, die von der rauen Wirklichkeit noch wenig mitbekommen hatten, bei der Vermittlung des V-Modells immer wieder erfahren müssen, dass sie auch nach meinen hartnäckigen Fragen gar nicht auf die Idee kamen, dass bei der Systementwicklung möglicherweise Widerstand von Stakeholdern zu erwarten ist, einfach weil die Modellentwickler diese Perspektive schlicht ausgeblendet hatten. Die beiden Autoren empfehlen die praktische Nutzung ihres Ansatzes, für die sie viele einfache Werkzeuge bereitstellen, vor allem aus zwei Gründen: 1. um eine bestimmte, möglicherweise kritische Situation in einem Projekt besser zu verstehen bzw. um bereits bei der Planung eines Vorhabens die verschiedenen Sichtweisen zu berücksichtigen und 2. um die notwendigen Maßnahmen zu finden. Bei der Anwendung des Konzepts in der Praxis unterscheiden Winter und Szczepanek ❑ die selektive Nutzung von Bildern, um eine konkrete Situation in einem Projekt zu klären und eine Lösung zu entwickeln, ❑ die strukturierte, systematische Nutzung und ❑ die gemeinsame Nutzung (Shared Use) durch mehrere Projektbeteiligte. Bei der zuletzt genannten Anwendung wird davon ausgegangen, dass Projektbeteiligte, also zum Beispiel Team, Projektleiter, Lenkungsausschuss und Geschäftsführung, durchaus unterschiedliche innere Bilder von einem Projekt haben können, sich also jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert hat, und das Bilderkonzept dazu benutzt wird, um erst einmal eine gemeinsame Sprache herzustellen und die Unterschiede in den Sichtweisen zunächst offen zu legen. Ich will versuchen, den Grundgedanken des praktischen Teils des Buches an einem einfachen Beispiel, wie ich es selbst immer wieder in der Praxis erlebt habe, zu erläutern. (Winter und Szczepanek selbst bringen sehr viel kompliziertere Fälle.) Darüber könnte das Motto stehen: „Für den, der nur einen Hammer hat, sieht die ganze Welt wie ein Nagel aus“ (Joseph Weizenbaum). PM_5-2011_1-60: Inhalt 08.11.2011 8: 06 Uhr Seite 48