PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2011
225
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Projektmanagement
121
2011
Heinz Schelle
Bea, F. X.; Scheurer, S.; Hesselmann, S.: Projektmanagement. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz mit UTB/Lucius & Lucius, München 2011,
ISBN 978-3-8252-2388-5, 796 S., EUR 34,90
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2011 48 WISSEN lich gewinnt in den letzten Jahren eine ganz andere Sichtweise zunehmend an Boden. Projekte werden als Vehikel zur Schöpfung von Werten bzw. Nutzen in der Organisation angesehen, eine Auffassung, die über das oben skizzierte Ziel hinausgeht und im Buch auch immer wieder aufgriffen wird. Auf IT-Projekte angewandt bedeutet das zum Beispiel, wie es von GlaxcoSmithKline (Zitat aus dem besprochenen Werk) einmal als Forderung formuliert wurde: „… all IT projects are really business projects with an IT element.“ Oder wie es das Birmingham City Council ausdrückt: „We don’t have IT projects, we have business transformation projects.“ Die Autoren transzendieren die obige, nicht mehr ganz neue Kritik allerdings und schlagen sieben Sichtweisen (Images) vor, die an insgesamt 16 sehr unterschiedlichen, konkreten Projekten aus Großbritannien (darunter sind auch die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2012 in London) eingehend und sehr anschaulich erläutert werden. Soziale Perspektive: Ein Projekt wird als sozialer Prozess angesehen, in den verschiedene Individuen, Gruppen und Organisationen involviert sind. Aus dieser Perspektive resultiert zum Beispiel die Beobachtung und Beschreibung der Interaktionen der Beteiligten, der formalen und informellen Kommunikation und der Netzwerke, die sich im Verlauf des Projekts bilden. Für das besprochene Buch von Oswald und Köhler wurde vor allem dieser „View“ gewählt. Politische Perspektive: Ein Vorhaben kann auch als politischer Prozess betrachtet werden. Das bedeutet unter anderem, dass die Individuen, Gruppen und Organisationen im Projekt nicht nur die Ziele des Projekts, sondern auch eigene verfolgen. Daraus ergeben sich Fragen wie: Wer verfolgt welche Interessen in dem Projekt? Welche versteckten Tagesordnungen (Hidden Agendas) gibt es? Welchen Einfluss und welche Macht haben die verschiedenen Interessengruppen und wie beeinflussen sie das Projekt? Ein konkretes Beispiel für eine derartige, vorwiegend mikropolitische Betrachtungsweise ist der Aufsatz von Nassauer und Reiners „Reformen im Berliner Bildungssektor. Handlungspfade und Restriktionen im Projektmanagement“ in diesem Heft. Die Perspektive der Intervention: Ein Projekt kann - so Winter und Szczepanek - auch als Interventionsprozess gesehen werden. Diese Perspektive macht mir etwas Schwierigkeiten, weil ich die Notwendigkeit dieser Kategorie nicht so recht einsehe. Geprüft wird hier insbesondere, welches Problem durch das Projekt gelöst werden soll und ob Einigung unter den Beteiligten besteht, wie das geschehen soll. Die Verfasser erläutern die Sichtweise der Intervention wieder an einem Beispiel aus dem IT- Bereich: Bei einem geplanten Vorhaben muss zunächst nicht so sehr die Frage gestellt werden, welche Funktionen das zu entwickelnde System haben soll, sondern welche Probleme in einem Unternehmen damit gelöst werden sollen. Allgemeiner gefragt: Verstehen die am Projekt Beteiligten das vorliegende Problem so hinreichend, dass entschieden werden kann, welche(s) Projekt(e) notwendig ist/ sind, um es zu lösen? Die Perspektive des Werts (Value Perspective): Bei dieser Betrachtungsweise wird das Projekt als Wertschöpfungsprozess gesehen. Das Vorhaben sollte für die Organisation Nutzen produzieren. Der Schwerpunkt liegt also auf dem Anwendungserfolg und nicht so sehr auf dem Abwicklungserfolg (in der Zeit, in den Kosten und mit der geplanten Leistung). Damit steht diese Perspektive im besonders deutlichen Gegensatz zum schon erwähnten „Production View“. Die Entwicklungsperspektive: Die wichtigste Fragestellung ist hier: Was muss entwickelt werden, wann und mit welchem Budget? Andere Fragen sind: Welche Key Performance Indicators sind zu benutzen, was sind die Entwicklungsrisiken und welche Werkzeuge braucht man? Die Betrachtungsweise entspricht somit am ehesten der vieler gängiger Lehrbücher. Die Organisationsperspektive: Hier richtet sich das Augenmerk zum Beispiel auf Rollen und Zuständigkeiten, auf Teamstrukturen und Governanceregelungen. Projekte werden als temporäre Organisationen (Zeltorganisation im Gegensatz zur Palastorganisation) angesehen. Daraus leiten sich weitere Themen ab, wie etwa Projektmarketing und Projektsupport. Die Perspektive des Wandels: Schließlich kann man ein Vorhaben auch als einen Prozess des Wandels betrachten. Damit stellt sich zum Beispiel die Frage, welche Widerstände zu erwarten sind und wie man mit ihnen umgeht. Vor allem diese Perspektive findet sich in vielen PM-Konzepten und Vorgehensmodellen nicht. So habe ich bei Informatikstudenten, die von der rauen Wirklichkeit noch wenig mitbekommen hatten, bei der Vermittlung des V-Modells immer wieder erfahren müssen, dass sie auch nach meinen hartnäckigen Fragen gar nicht auf die Idee kamen, dass bei der Systementwicklung möglicherweise Widerstand von Stakeholdern zu erwarten ist, einfach weil die Modellentwickler diese Perspektive schlicht ausgeblendet hatten. Die beiden Autoren empfehlen die praktische Nutzung ihres Ansatzes, für die sie viele einfache Werkzeuge bereitstellen, vor allem aus zwei Gründen: 1. um eine bestimmte, möglicherweise kritische Situation in einem Projekt besser zu verstehen bzw. um bereits bei der Planung eines Vorhabens die verschiedenen Sichtweisen zu berücksichtigen und 2. um die notwendigen Maßnahmen zu finden. Bei der Anwendung des Konzepts in der Praxis unterscheiden Winter und Szczepanek ❑ die selektive Nutzung von Bildern, um eine konkrete Situation in einem Projekt zu klären und eine Lösung zu entwickeln, ❑ die strukturierte, systematische Nutzung und ❑ die gemeinsame Nutzung (Shared Use) durch mehrere Projektbeteiligte. Bei der zuletzt genannten Anwendung wird davon ausgegangen, dass Projektbeteiligte, also zum Beispiel Team, Projektleiter, Lenkungsausschuss und Geschäftsführung, durchaus unterschiedliche innere Bilder von einem Projekt haben können, sich also jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert hat, und das Bilderkonzept dazu benutzt wird, um erst einmal eine gemeinsame Sprache herzustellen und die Unterschiede in den Sichtweisen zunächst offen zu legen. Ich will versuchen, den Grundgedanken des praktischen Teils des Buches an einem einfachen Beispiel, wie ich es selbst immer wieder in der Praxis erlebt habe, zu erläutern. (Winter und Szczepanek selbst bringen sehr viel kompliziertere Fälle.) Darüber könnte das Motto stehen: „Für den, der nur einen Hammer hat, sieht die ganze Welt wie ein Nagel aus“ (Joseph Weizenbaum). PM_5-2011_1-60: Inhalt 08.11.2011 8: 06 Uhr Seite 48