PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Return of Invest (ROI) von Projektmanagement
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Marc Lappe
Konrad Spang
Der Beitrag präsentiert ein Modell für die Ermittlung des ROI von Projektmanagement. Gegenüber existierenden Ansätzen wird ein holistischer Nutzenansatz zugrunde gelegt. Auf Literaturbasis wurden qualitative und quantitative Nutzendimensionen für Projektmanagement ermittelt, die sowohl die Projektals auch die Organisationsebene abdecken. Diese werden entsprechenden Kostendimensionen für den Betrieb und für die Weiterentwicklung des Projektmanagementansatzes gegenübergestellt. Anhand einer Fallstudie wird exemplarisch der Ablauf der Anwendung und Berechnung des Modells dargestellt und eine konkrete Nutzen- und ROI-Bestimmung vorgenommen und
diskutiert. Diese kann Unternehmen als Orientierung dienen.
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Einführung: Notwendigkeit der Nutzenfrage Projektmanagement findet in den Unternehmen seine Anwendung sowohl bei der Einzelprojektsteuerung als auch bei der Steuerung der gesamten Projektlandschaft im Rahmen des Multiprojektmanagements oder Projektportfoliomanagements. PM eignet sich so als probates Mittel zur Beherrschung komplexer Aufgaben [14] sowie als Instrument zur Umsetzung und Steuerung des organisatorischen Wandels (Organisational Change) in Unternehmen [9, 10, 11]. Die Frage nach dem Nutzen, den Projektmanagement stiftet, kann in mehrere Aspekte aufgelöst werden: Wie lässt sich eine Investition in die Einführung, den Betrieb oder den Ausbau des Projektmanagements wirtschaftlich rechtfertigen? Gibt es ein optimales Maß an Projektmanagement oder wäre ein Unternehmen gar ohne Projektmanagement erfolgreicher? Welche Einflussgrößen gibt es und wie stark beeinflussen diese den Erfolg von Projektmanagement? Während für die fachlich Verantwortlichen der Nutzen des Projektmanagements meist außer Frage steht, hinterfragt das Management diesen in Zeiten wachsenden wirtschaftlichen Drucks immer häufiger. Dies geschieht im Streben nach organisatorischer Effizienz [21], jedoch auch aus Sorge vor möglicher Überregulierung oder Fehlleitung [7]. Bevor fortgesetzt Gelder für Betriebsbzw. Erweiterungsinvestitionen von Projektmanagement bewilligt werden, muss der Nutzen zunehmend in Wirtschaftlichkeitsberechnungen klar nachvollziehbar argumentiert werden [24, 27]. Insofern müssen Projektmanagementverantwortliche Fragen beantworten, ob ein weiteres Beibehalten von hohen Projektmanagementausgaben erforderlich ist, ein höheres „Niveau“ an Projektmanagement sinnvoll erreicht werden kann bzw. ob Projektmanagement überhaupt rentabel eingeführt bzw. (weiter) betrieben werden kann: Wissenschaftliche Studien zeigen eine übliche Rekonfiguration bis hin zur Desinvestition der PM-Ansätze in Verbindung mit einem Project Management Office in Unternehmen alle zwei bis drei Jahre [1, 2, 22]. Um den Entscheidungsprozess für projektmanagementbezogene Investitionen objektiver und rationaler zu gestalten, wird im Folgenden ein Modell für die ROI-Ermittlung von Projektmanagement in Unternehmen vorgestellt. Anhand eines Unternehmensdatensatzes von 260 abgeschlossenen Projekten über einen Zeitraum von neun Jahren wird mithilfe des Modells der Zusammenhang zwischen getätigten PM- Kosten und -Investitionen und dem dadurch gestifteten Nutzen untersucht. Modell zur ROI-Ermittlung von Projektmanagement Zur Betrachtung der Erfolgshaftigkeit von Projektmanagement wird diese zunächst in die Hauptdimensionen „Kosten von Projektmanagement“ und „Nutzen von Projektmanagement“ unterteilt. Diese können, wie im Folgenden beschrieben, weiter differenziert werden. (Abb. 1, Tab. 1) a) Kosten von Projektmanagement: Der organisatorische Rahmen, innerhalb dessen Projekte abgewickelt werden, sowie der genutzte PM-Ansatz verursachen Kosten für den „Betrieb“ (u. a. Personalkosten, Standardisierungskosten, institutionalisierte Kosten für Schulungen u. a.) im Unternehmen [17, 25]. Diese werden nachfolgend mit „Kosten der PM-Organisation“ bezeichnet. Sie lassen sich in Prozess-, Personal- und Infrastrukturkosten gruppieren. Ebenfalls verursachen Maßnahmen, die der PM-Optimierung, -Professionalisierung und allgemein der PM-Reifegradsteigerung dienen, Investitionskosten. Diese werden nachfolgend als „Investitionen in PMprojekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 l 23 WISSEN Return on Invest (ROI) von Projektmanagement Projektmanagement (PM) hat sich über verschiedene Evolutionsschritte [8] als Managementmethode etabliert. Trotz der Anwendung und einer über die Jahre gewachsenen Verbreitung von Projektmanagement in den Unternehmen stellt sich nach wie vor die Frage, welchen nachweisbaren wirtschaftlichen Nutzen Projektmanagement tatsächlich stiftet. Nachfolgend wird ein Modell für die Ermittlung des ROI von Projektmanagement präsentiert. Anhand einer Fallstudie wird exemplarisch der Ablauf der Anwendung und Berechnung des Modells dargestellt und eine konkrete Nutzen- und ROI-Bestimmung vorgenommen und diskutiert, sodass Unternehmen diese für die eigene Nutzenbewertung/ ROI-Bestimmung ihrer PM-Implementierung/ ihres PM-Ansatzes bzw. geplanter Investitionen nutzen können. Marc Lappe, Konrad Spang Der Beitrag präsentiert ein Modell für die Ermittlung des ROI von Projektmanagement. Gegenüber existierenden Ansätzen wird ein holistischer Nutzenansatz zugrunde gelegt. Auf Literaturbasis wurden qualitative und quantitative Nutzendimensionen für Projektmanagement ermittelt, die sowohl die Projektals auch die Organisationsebene abdecken. Diese werden entsprechenden Kostendimensionen für den Betrieb und für die Weiterentwicklung des Projektmanagementansatzes gegenübergestellt. Anhand einer Fallstudie wird exemplarisch der Ablauf der Anwendung und Berechnung des Modells dargestellt und eine konkrete Nutzen- und ROI-Bestimmung vorgenommen und diskutiert. Diese kann Unternehmen als Orientierung dienen. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 23 Optimierung“ bezeichnet. Sie lassen sich ebenfalls in Prozess-, Personal- und Infrastrukturkosten gruppieren. Ferner werden durch die PM-Implementierung bzw. den PM-Ansatz Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise des Projektmanagements der einzelnen Projekte gemacht. Projektmanagementkosten, die bei den Projekten anfallen (z. B. für Projektleitung, Statusmeetings, Lenkungsausschüsse), werden nachfolgend als „Institutionalisierte PM-Kosten der Projekte“ bezeichnet [6, 26]. b) Nutzen von Projektmanagement: Projektmanagement entfaltet einen Nutzen, der als seine Erfolgswirkung auf Ergebnisgrößen betrachtet werden kann. Die ökonomisch wirksamen Effekte lassen sich allgemein in qualitative sowie quantitative Effekte unterteilen. Die quantitativen Effekte wiederum lassen sich in direkt monetär quantifizierbare Größen (hier: Kosteneinsparungen, Effizienz- und Rationalisierungsgewinne) und indirekt monetär quantifizierbare Größen (Zeitgrößen) unterscheiden, welche hier als Struktur dienen [6, 18, 26]. Um aus der Vielzahl der in der Literatur genannten Aspekte relevante Nutzendimensionen zu ermitteln, wurden ausgehend von Quellen, die sich dediziert mit der Erfolgswirkung von Projektmanagement befassen, per Inhaltsanalyse mögliche Nutzendimensionen extrahiert, diese anschließend codiert und per Frequenzanalyse ausgewertet. Als relevante Nutzengruppen mit höchster Häufigkeit der Nennungen in den ausgewerteten Literaturbeiträgen konnten so ermittelt werden (rel. Häufigkeit der Nennungen in Klammern): Systematik (23 %), Wettbewerbsfähigkeit (17 %), Transparenz (16 %), Mitarbeiterzufriedenheit/ Mitarbeitermotivation (9 %), Zeiteinsparung/ Termintreue (9 %), Kosteneinsparung/ Kostentreue (8 %), Effizienz (7 %), Kundenzufriedenheit/ Kundenorientierung (7 %), Rationalisierung (5 %). c) Return on Investment: Durch den Vergleich von Kosten von Projektmanagement versus Nutzen von Projektmanagement lässt sich die Vorteilhaftigkeit bzw. der Return on Investment von Projektmanagement greifbar machen. Der ROI von Projektmanagement ergibt sich als ROI von PM = Netto-Nutzen von PM - 1 Kosten des PM Die Kosten von Projektmanagement gemäß Tabelle 1, welche hier erfasst werden, liegen in der Einheit EUR vor und sind somit direkt im Unternehmen ermittelbar. Anders verhält es sich bei der Bestimmbarkeit des Nutzens. Hier lassen sich die qualitativen Dimensionen, wie unter anderem Systematik und Transparenz, in der Regel nicht direkt, sondern nur unter Zuhilfenahme von Indikatoren bestimmen. Die hier genannten Indikatoren dienen als Anhaltspunkte, die aus der Literatur extrahiert, jedoch nicht weiter geprüft wurden. Die Wertausprägungen der Nutzendimensionen werden als Niveau zwischen (1 - sehr niedrig) und (10 - sehr hoch) erfasst [19]. Da den Werten keine Messeinheit zugrunde liegt, müssen die Indikatoren gewichtet in die Nutzendimensionen eingehen. Die Nutzendimensionen selbst gehen wiederum gewichtet in den zusammengefassten qualitativen Nutzen ein. Als Nettonutzen wird die Veränderung des Nutzenniveaus bzw. die Nutzensteigerung zwischen zwei Betrachtungszeitpunkten bezeichnet. Bestimmung des ROI von Projektmanagement am Praxisbeispiel Die Nutzenbzw. ROI-Bestimmung von Projektmanagement wurde am Beispiel eines Versicherungsunternehmens durchgeführt, das Projektmanagement institutionalisiert vor ca. zehn Jahren eingeführt hat. Begleitet durch den Aufbau eines Projektmanagement Office, wurden eine einheitliche PM-Methodik erarbeitet, grundlegende PM-Prozesse zur Projektbeantragung, zum Ressourcenmanagement, Change Management, Projektabschluss sowie für das Projektportfoliomanagement (Priorisierung, Kapazitätsmanagement) definiert und im Unternehmen etabliert. Darüber hinaus wurde ein Schulungsprogramm eingeführt, das eine zielgerichtete Ausbildung von Projektmitarbeitern und Projektleitern ermöglicht und nach Absolvierung relevanter Schulungen in einen „Projektführerschein“ mündet. Parallel wurde mit dem Projektmanagement Office eine Aufbauorganisation geschaffen, die hauptamtlich den PM-Ansatz im Unternehmen verantwortet, pflegt und weiterentwickelt. Die Projektmanagementimplementierung wurde für die ROI-Bestimmung über einen Zeitraum von neun Jahren betrachtet und begleitend wurden 260 Projekte, die im gleichen Zeitraum durchgeführt wurden, hinsichtlich Kosten-, Aufwands- und Termineinhaltung sowie Zielerreichung untersucht. Im Unternehmen wurden die Kosten gemäß Tabelle 1 über das Controlling und Rechnungswesen als Kostenstellenkosten des Projektmanagement Office bzw. als Projektkosten im Falle von Investitionen in Optimierungsmaßnahmen erfasst. Als Kosten der PM-Organisation wurden so Kosten des Betriebs des Projektmanagements 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 24 WISSEN Abb. 1: ROI-Modell von Projektmanagement (eigene Darstellung) PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 24 projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 l 25 Kosten des Projektmanagements Nutzen des Projektmanagements Kosten der PM-Organisation Prozesskosten ❑ Kosten für die Erstellung von Prozessbeschreibungen, Methoden, PM-Handbüchern ❑ Maßnahmen zur Etablierung der Prozesse, Methoden im Unternehmen ❑ Beratungskosten ❑ Prozessbetriebskosten für das Projektmanagement, falls nicht über Personalkosten zugeordnet ❑ Governancekosten ❑ Gremienkosten Personalkosten ❑ Personalkosten für PMO-Mitarbeiter als Einheit für Betrieb der PM-Infrastruktur ❑ Personalkosten für PMO-Mitarbeiter als Institution für PM-Methoden, -Standards und Governance ❑ Personalkosten für PMO-Mitarbeiter als Beratungs- und Unterstützungsfunktion für Projekte ❑ Personalkosten für PMO-Mitarbeiter als verantwortliche Stelle für das Projektportfoliomanagement ❑ Aus- und Weiterbildungskosten für Projektmitarbeiter, Projektleiter, Management sowie PMO-Mitarbeiter mit PM- Bezug Infrastrukturkosten ❑ Arbeitsplatzkosten für Mitarbeiter eines PMO ❑ Hardware- und Softwarekosten (Lizenzgebühren, Wartungskosten) für PM-Software Qualitativ Systematik ❑ Verbesserte Planungs- und Prognosequalität ❑ Klare, standardisierte Prozesse, Vorgehensweisen, -methoden und Tools ❑ Verbesserte Projektsteuerung und Multiprojektkoordination ❑ Bessere und frühzeitigere Erkennung von Gefahren und Risiken Transparenz ❑ Klare Verantwortlichkeiten/ Zuständigkeiten ❑ Verbesserter Informationsaustausch/ verbesserte Kommunikation ❑ Transparenz über Kapazitäten, Restaufwände, Budget Effizienz ❑ Weniger Abstimmungsprobleme ❑ Verbesserte Engpassoptimierung von knappen Ressourcen Wettbewerbsfähigkeit ❑ Verbesserte Geschäftsperformance ❑ Verbesserte Reaktion auf Geschäftschancen ❑ Verbesserte Marktpositionierung und Abgrenzung von Wettbewerbern ❑ Bessere Ausrichtung auf Unternehmensziele/ -strategie ❑ Verbesserter Know-how-Transfer/ verbessertes Wissensmanagement Mitarbeiterzufriedenheit/ -motivation ❑ Weniger Konflikte mit Mitarbeitern/ geringere Personalfluktuation ❑ Höhere/ zielgerichtete Mitarbeiterqualifizierung Kundenzufriedenheit/ -orientierung ❑ Höhere Kunden-/ Partnerzufriedenheit ❑ Höhere Kundenorientierung Investitionen in PM-Optimierung Prozesskosten ❑ Weiterentwicklung/ Ergänzung/ Ausbau von Prozessbeschreibungen, Methoden, Projektmanagement-Handbüchern ❑ Verfeinerung von Methoden, z. B. zur Aufwandsschätzung ❑ Maßnahmen zur Erweiterung des Geltungsbereichs des PM-Ansatzes Personalkosten ❑ Aus- und Weiterbildungskosten für Projektmitarbeiter, Projektleiter, Management sowie Mitarbeiter eines Projektmanagement Office im Rahmen eines dedizierten Qualifizierungsprogramms ❑ Kosten für eine PM-Zertifizierung Infrastrukturkosten ❑ Hardware- und Softwarekosten für PM-Software (bei Softwarewechsel, Releasewechsel) Quantitativ Kosteneinsparung ❑ Reduzierte Nachbesserungen, Fehlerkosten ❑ Verringerte Projektkosten Rationalisierung ❑ Verbesserte Personaleinsatzplanung Zeiteinsparung ❑ Pünktliche, schnellere Projektergebnisse und kürzere Time-to-Market ❑ Kürzere Projektlaufzeiten ❑ Verbesserte, schnellere Entscheidungsprozesse Inst. PM- Kosten der Projekte ❑ Planungskosten ❑ Überwachungskosten ❑ Verfahrens- und Koordinationskosten ❑ Gremienkosten Tab. 1: Kosten und Nutzen von Projektmanagement PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 25 in Form von Controlling- und Coaching-Aufwänden, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Portfolioboard-Sitzungen usw. als Prozesskosten erfasst. Als Personalkosten hingegen wurden Schulungskosten für PMO-Mitarbeiter erfasst. Anteilige Arbeitsplatzkosten für die PMO-Mitarbeiter wurden als Sachkosten auf eine separate Kostenstelle des Projektmanagement Office zusammengefasst und als Infrastrukturkosten berücksichtigt. Als Investitionskosten in die PM-Optimierung ergaben sich Kosten für die Erstellung eines PM-Handbuchs sowie Formulare für Projektantrag, Projektänderung, Projektabschluss und Statusbericht. Darüber hinaus ebenfalls datenbankgestützte Ansätze um Formularinhalte automatisiert zu verdichten und auszuwerten. Diese wurden als Prozesskosten zusammengefasst. Als Personalkosten konnten Aus- und Weiterbildungskosten für Projektmitarbeiter, Projektleiter, Management sowie Mitarbeiter eines Projektmanagement Office im Rahmen eines unternehmensweit aufgesetzten Qualifizierungsprogramms, bestehend aus verschiedenen, aufeinander aufbauenden Modulen, als Kosten für externe Schulungsunternehmen bzw. anteilige Personalkosten der Schulungsteilnehmer, eingehen. Als Infrastrukturkosten gingen ferner Kosten für die Verbesserung und Automatisierung des Berichtswesens für eine datenbankbasierte Lösung ein, mit der das bisherige Controlling über Excel abgelöst wurde. Als institutionalisierte PM-Kosten der Projekte sind anteilige Kosten für die Rollenausübung der Projektleiter/ Teilprojektleiter für Projektplanung, -durchführung, -controlling eingegangen. Zusammenfassend konnten die in Tabelle 2 dargestellten Kosten für die einzelnen Jahre ermittelt werden. Der Nutzen von Projektmanagement wurde zunächst qualitativ über die zuvor genannten Nutzendimensionen Systematik, Transparenz, Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz, Mitarbeiterzufriedenheit/ -motivation und Kundenzufriedenheit/ -orientierung bestimmt. Durch die Abteilung Unternehmensentwicklung wurden die Niveaus der einzelnen Dimensionen pro Jahr aus unternehmensinternen Metriken sowie Protokollen von vergangenen Strategie- und Unternehmenszielklausuren über eine zehnstufige Skala (mit 1 - sehr niedrig bis 10 - sehr hoch) ermittelt. So konnte ein Anstieg des Systematisierungsniveaus um 6 Punkte ermittelt werden, was unter anderem in Zusammenhang mit der Einführung eines PM-Handbuchs sowie der Etablierung eines Schulungsprogramms stehen dürfte. Das Transparenzniveau konnte ebenfalls um 6 Punkte gesteigert werden, was unter anderem mit den zuvor genannten Maßnahmen sowie der Einführung einer Datenbanklösung für schnellere Auswertungen und einen Gesamtüberblick über die Projektelandschaft stehen dürfte. Das Effizienzniveau konnte um 3 Punkte gesteigert werden, was unter anderem mit einer Straffung von vorhandenen Vorgehensweisen und Prozessen im PM und einer insgesamt verbesserten Engpassoptimierung von Personalressourcen gesehen werden kann. Das Niveau der Wettbewerbsfähigkeit konnte um 2 Punkte gesteigert werden, wobei jedoch der Einfluss von ablauf- und aufbauorganisatorischen Veränderungen des PMs hierauf einen eher geringen Einfluss haben dürfte. Das Niveau der Mitarbeiterzufriedenheit konnte um 1 Punkt gesteigert werden. Auch hier ist der Einfluss des PMs auf den Mitarbeiter nur eingeschränkt zu sehen, da die Mitarbeitermotivation vor allem auch von der Führungskultur und vom Arbeitsklima abhängt, ebenso wie von der Würdigung von Projekterfolgen durch Linienmanager. Die positive Veränderung erklärt sich unter anderem auch durch die Einführung eines PM-Qualifizierungsprogramms, welche für die Mitarbeiter ebenfalls einen „externen“ Marktwert besitzt. Das Niveau der Kundenorientierung konnte um 2 Punkte gesteigert werden. Der Verlauf erklärt sich im Unternehmen im Wesentlichen durch externe Effekte, wie die Einführung neuer Tarifmodelle, die sich auf die Absatzzahlen ausgewirkt haben. Zusammenfassend und im Vergleich zu weiteren Unternehmen zeigen sich hohe Nutzeneffekte insbesondere bei den Dimensionen Systematik und Transparenz, mäßige Nutzeneffekte für die Dimensionen Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und Kundenorientierung. Geringe Effekte zeigen sich für die Dimension Mitarbeitermotivation, was zunächst überrascht, jedoch mit dem begrenzten Einfluss auf den Mitarbeiter in Matrixorganisationen zu erklären ist. Der quantitative Nutzen wird durch die Auswertung der Projektdaten (260 Projekte) ermittelt. So werden für die Größe „Kosteneinsparungen“ vor allem Einsparungen resultierend aus besserer Planung/ Schätzung und straffem Projektmanagement und -controlling ermittelt. Diese zeigen sich in der Differenz zwischen Ist-Gesamtkosten und Plan-Gesamtkosten. In die Gesamtkosten fließen Sachkosten (hierunter fallen bezogene Dienstleistungen, Reisekosten, Seminar- und Weiterbildungskosten, Werbekosten sowie sonstige Sachkosten) und Investitionen (hierunter fallen Hardwareinvestitionen, Standard-Softwareinvestitionen, Spezial-Softwareinvestitionen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Anschaffungsnebenkosten und geringwertige Wirtschaftsgüter) sowie Personalkosten ein. Die Plan-Gesamtkosten werden im Falle von Change Requests, die durch den Len- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 26 WISSEN Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Total Kosten der PM-Organisation (T € ) Investitionen in PM- Optimierung (T € ) Institutionalisierte PM- Kosten der Projekte (T € ) 8 20 200 31 40 306 49 44 343 65 43 357 67 42 351 71 58 357 72 86 422 71 99 426 72 105 399 505 537 3.161 Total (T € ) 228 377 436 465 460 485 579 596 576 4.203 Tab. 2: Kosten von Projektmanagement PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 26 kungsausschuss genehmigt worden sind, revidiert und bilden hier die Bezugsgröße. Als Rationalisierungseinsparungen werden im Wesentlichen eine optimierte Anordnung und Auslastung der verfügbaren Kapazitäten sowie die Reduktion von Bürokratieaufwänden durch einen schlanken PM-Ansatz verstanden. Durch den zielgerichteten Einsatz von Personalressourcen zeigen sich Rationalisierungsgewinne durch die Differenz aus (revidiertem) Plan-Aufwand und Ist- Aufwand (analog zu den Kosten). Die Aufwandsdifferenz, gemessen in Personentagen, wird monetarisiert durch Multiplikation mit dem internen Personalverrechnungssatz. Die Personalkosten sind zwar als wertmäßige Kosten in den Gesamtkosten bereits enthalten. Die hier erzielten Einspareffekte stellen jedoch zusätzliche kalkulatorische Gewinne dar, die sich in einer geringeren/ höheren Personalbindung (vom Einsatzvolumen her) in den Projekten zeigt. Bei geringerer Personalbindung entsteht dem Unternehmen ein Nutzen durch gewonnene Flexibilität im weiteren Personaleinsatz (z. B. Einsatz in einem nächsten Projekt, Erhöhung des Projektdurchsatzes), wohingegen eine höhere Personalbindung gegenüber der geplanten eine Einbuße an Flexibilität bedeutet, die zu kalkulatorischen Kosten führt, da bei gleicher Personalkapazität weniger Projekte durchgeführt werden können. Als Zeiteinsparung wird die Verkürzung von Projektlaufzeiten durch systematische Planung, Aufteilung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben und deren zeitlich optimierte Anordnung verstanden. Zudem ergibt sich eine höhere Termintreue durch bessere Früherkennung von Risiken und Gefahren im Projektcontrolling. Die Zeiteinsparung zeigt sich am Vergleich von (revidierter) Plan- Projektdauer und Ist-Projektdauer in Tagen. Jeder Tag der ermittelten Zeitdifferenz wird gemäß dem „Times Saving Times Salary“(TSTS)-Verfahren [20] als Opportunitätskosten angesetzt. Hierzu wird eine Bonus-Malus- Regelung angesetzt, die davon ausgeht, dass an jedem durch ein verfrühtes Projektende „frei“ werdenden Tag das Projektteam alternativ an einem anderen Projekt arbeiten könnte. Die kalkulatorischen Kosten hierfür werden dem verfrüht beendeten Projekt „gutgeschrieben“. Im Falle des verspäteten Endes werden für jeden Tag der Terminüberziehung ebenfalls kalkulatorische Kosten für die zusätzliche Personalbindung „belastet“. Um einen Vergleichswert für die kalkulatorischen Personalkosten zu erhalten, wird die durchschnittliche Personalbindung (d. h. wie viele Mitarbeiter werden durchschnittlich pro Tag der Projektdauer eingesetzt) aus Ist- Aufwand zu Ist-Dauer berechnet. Die Zeiteinsparung ergibt sich dann monetarisiert als Differenz aus Ist-Dauer und (revidierter) Plan-Dauer, multipliziert mit der durchschnittlichen Personalbindung sowie dem internen Personalverrechnungssatz. Zusammengefasst ergibt sich der quantitative Nutzen gemäß Tabelle 3. Der ROI von Projektmanagement ergibt sich nun allgemein als N qu BW Nqn ROI von PM = BW K + BW I + BW p + BW K + BW I + BW p Hierbei fasst N qu den zuvor ermittelten gewichteten und kumulierten qualitativen Nutzen als gewichtete Nutzenniveauänderung zusammen. N qn entspricht dem kumuprojekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 l 27 MSc Project Management Der Studiengang wurde zukunftsorientiert entwickelt mit Führungskräften und Vorständen von großen und mittelständischen Unternehmen sowie Experten aus der Wissenschaft. __ Akademische Leitung: Prof. Dr. Heinz Schelle __Flexibel: 18 - 24 Monate berufsbegleitend __Projektmanagement mit unternehmerischer Kompetenz __Specials Internationale Projektarbeit: 4 Länder - 3 Kontinente Branchen- und funktionsbezogene Vertiefungsrichtungen __MBA & MSc: Zwei Titel mit dem ‘MBA ’ (akkreditiert) optional Upgrade akademisch fundiert & praxisorientiert mit Qualitätssiegel MSc Project Management Sie zeigen, was in Ihnen steckt! 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So ist die Differenz aus Plan- und Ist-Werten 11.402 Tage, was bedeutet, dass die Projekte 11.402 Tage länger gedauert haben als geplant. In der Detailbetrachtung zeigt sich jedoch, dass sich die Termintreue als Verhältnis zwischen Ist-Dauer und Plan-Dauer über den Betrachtungszeitraum sukzessiv verbessert (1,49 im Jahr 2002 zu 1,05 im Jahr 2010). Würde man davon ausgehen, dass ohne den Einfluss von PM die Termintreue auf dem Niveau von 1,49 verblieben wäre, wäre die Terminüberschreitung mit 22.032 Tagen annähernd doppelt so groß. In absoluten Zahlen zeigt sich zwar somit eine deutliche Terminüberschreitung, die jedoch ohne ein verbessertes PM deutlich größer gewesen wäre, wenn die Termintreue auf altem Niveau verblieben wäre. Somit schmälert der monetarisierte (Dis-)Nutzen in seiner Höhe den quantitativen Nutzen deutlich. Neben der einfachen Addition der Nutzenwerte ist es daher sinnvoll, die Gewichtung der Zusammensetzung des quantitativen Nutzens in Abgleich mit den Unternehmensdaten zu bewerten. Im Expertenworkshop zeigte sich, dass in der Wichtigkeitswahrnehmung des Unternehmens eine Schwerpunktbildung insbesondere auf 1. Qualität, 2. Aufwand und 3. Kosten liegt, jedoch nicht primär auf der Betrachtung von Terminen. Das rührt daher, dass sich das Unternehmen im Wesentlichen durch die Qualität der auf den Markt gebrachten Produkte von anderen unterscheidet. Daher müssen die Projekte eine entsprechend hohe Zielerreichung aufweisen (mit der gleichfalls Qualitätseigenschaften festgeschrieben werden), da diese maßgeblich für den Markterfolg sind. An nachgelagerter Stelle stehen Aufwand und Kosten. Die Termineinhaltung wird, außer bei regulatorischen Projekten mit gesetzlichen Auflagen, nicht bewertet. Der quantitative Nutzen wird daher so berechnet, dass lediglich Kosteneinsparungen (Gewicht 1,0) und Rationalisierung (Gewicht 1,0) eingehen und Zeiteinsparung (Gewicht 0) unberücksichtigt bleibt, um der individuellen strategischen Stoßrichtung des Unternehmens gerecht zu werden. In Abbildung 2 wird deutlich, dass der Barwert der Nutzenzahlungsreihe größer ist, als der der Kostenzahlungsreihe. Bis ins Jahr 2004 wächst der Nutzen deutlich stärker als die Kosten. Ab 2005 flacht der Nutzenzuwachs ab. 2007 und 2009 steigt der Nutzen dann wieder mindestens ebenso stark wie die Kosten. Der Nutzen ist hier als Differenz von Plan- und Ist-Werten definiert. In den Anfangsjahren der PM-Implementierung (2002 bis 2004) haben sich durch eine geringe Termin-, Aufwands- und Kostentreue der Projekte große Abweichungen zwischen Plan- und Ist-Werten ergeben, die als Nutzenpotenzial „gehoben“ werden konnten. Insofern ist der Hebeleffekt der PM-Investition in diesen Jahren besonders hoch. In den Jahren ab 2005 steigt sukzessive die PM-Reife und es stellen sich Verbesserungen in Bezug auf die Termin-, Aufwands- und Kostentreue ein, sodass tendenziell die Abweichungen zwischen Plan- und Ist- Werten immer kleiner werden, was sich in einer abflachenden Nutzenkurve zeigt. Einzelne Großprojekte können den ermittelten Nutzen bei starken Abweichungen sogar negativ werden lassen (so die Umstellung des Vertragssystems mit einem Gesamtprojekt-Budgetanteil von 30 % im Jahr 2009). Da der Nutzen jeweils höher ist als die Kosten, ergibt sich insgesamt ein deutlicher Nutzenüberschuss. Die Berechnung des ROI ergibt mit 0,3264 eine positive Verzinsung von 32,64 Prozent, womit die Investition aus ökonomischer Sicht insgesamt vorteilhaft ist. Da der angesetzte Kapitalzins mit 0,08 angenommen wurde, ergibt sich eine höhere Verzinsung des Kapitals im Vergleich zur Alternativanlage bei einer Bank zu 8 Prozent. In Abhängigkeit vom gewählten Zinssatz ändert sich auch der ROI. So beträgt er für einen Zins von 3 Prozent (was derzeit ca. dem mittleren Kapitalmarktzins für zehnjährige Anleihen entspricht) noch 0,1814 und für einen Zins von 10 Prozent sogar 0,3851. Fazit Projektmanagement ist in der letzten Dekade in den meisten Unternehmen fester Bestandteil geworden und wird als zentrales Werkzeug zur Strategieimplementierung [15] und als komparativer Wettbewerbsvorteil betrachtet [16, 23]. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen, da zum Beispiel Themen wie das Innovationsmanagement, mit einer für Unternehmen wachsenden und langfristigen Bedeutung [12], zunehmend mit dem Projektmanagement - als Instrument der Umsetzung und Entwicklung von Innovationen zu Produkten - verzahnt werden [13]. Projektmanagement war und ist dabei verschiedenen Unternehmenseinflüssen aus- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 28 WISSEN Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Total Kosteneinsparungen (T € ) Rationalisierung (PT) Rationalisierung (T € ) Zeiteinsparung (Tage) Zeiteinsparung (T € ) 458 67 20 - 761 - 400 2.153 505 152 - 1.321 - 433 967 141 42 - 925 - 256 - 67 1.037 311 - 2.539 - 454 - 262 697 209 - 1.522 - 368 188 - 438 - 131 - 1.311 - 666 284 424 127 - 1.561 - 279 - 604 583 175 - 1.275 - 297 307 934 280 - 186 - 65 3.424 3.950 1.185 - 11.402 - 3.218 Total (T € ) 79 1.872 753 - 211 - 421 - 610 131 T € - 726 523 1.391 Tab. 3: Quantitativer Nutzen von Projektmanagement PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 28 gesetzt, die den Stellenwert und die Bedeutung des Projektmanagements im Unternehmen mal hoch ausfallen lassen, aber auch schrumpfen oder gänzlich wegbrechen lassen können. Neben externen Faktoren tragen insbesondere interne Faktoren (z. B. Wechsel im Management, Unternehmensübernahmen/ -verkäufe, Reorganisationen) und kontextbezogene Faktoren (z. B. Unternehmenspolitik, PM-Commitment der Organisation und Verantwortung für Projekte/ Projektergebnisse) dazu bei, dass Projektmanagement und die damit verbundenen Kosten in Unternehmen regelmäßig hinterfragt werden [3]. Typische Überlegungen hierbei sind: ❑ Lassen sich organisatorische Verantwortungen für PM-Aspekte (z. B. Einzelprojektmanagement und Multiprojektmanagement) aus verschiedenen Abteilungen organisatorisch bündeln? ❑ Ist der PM-Ansatz zu bürokratisch, überreguliert, erzeugt er zu viel Overhead? ❑ Ist die personelle Ausstattung einer Projektmanagementabteilung/ eines Project Management Offices zu hoch/ zu niedrig? ❑ Passt der Fokus des Projektmanagements noch zu aktuellen Herausforderungen des Unternehmens? Im Rahmen dieser Arbeit wurde daher ein Modell zur ROI-Ermittlung von Projektmanagement vorgestellt, das die Bewertung der PM-Implementierung/ des PM-Ansatzes bzw. damit verbundener Kosten für Initiierung, Erhaltung und Ausbau unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (d. h. quantitativ) in Bezug auf die Projektebene sowie unter prozessualen und kontextuellen Gesichtspunkten (d. h. qualitativ) in Bezug auf die Organisationsebene ermöglicht. projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 l 29 Abb. 2: ROI-Gewichtung des quantitativen Nutzens gemäß Unternehmensstrategie PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 29 Die Komponenten des Modells, das heißt die im Rahmen der ROI-Ermittlung zu betrachtenden Dimensionen, wurden aus der Literatur abgeleitet und im Rahmen eines Expertenworkshops in einem Versicherungsunternehmen (56,7 % Zustimmung) und Expertengesprächen in zwei weiteren Versicherungsunternehmen (90 % Zustimmung) bestätigt. Die ermittelten Nutzeneffekte zeigten sich in Veränderungen der den einzelnen Nutzendimensionen zugeschlüsselten Variablen im Zeitverlauf. Zur Erklärung der Nutzeneffekte konnte Projektmanagement bzw. der im Unternehmen praktizierte PM- Ansatz als Hauptexplanans (Rang 1) vor Einflüssen aus Unternehmenspolitik (Rang 2), Personalpolitik (Rang 3) und optimierten Verfahren außerhalb des PMs (Rang 4) im Rahmen einer Expertenbefragung ermittelt werden. Durch die Expertengespräche zeigte sich, dass die Nutzenwahrnehmung zwischen den Befragten sehr heterogen ist bzw. breit streut. So konnten als weitere Nutzendimensionen (jeweils mit einer Nennung) (verringerte) Abhängigkeiten der Projekte, Effektivität durch Priorisierung, einheitliche Spielregeln für alle Beteiligten, (verbesserte) Opportunitätsentscheidungen, (höhere) Planungsgenauigkeit, (verbesserte) Risikotransparenz, Verbesserung der Unternehmensführung, Reduktion der Anzahl nicht abgeschlossener Projekte, (höhere) Entscheidungsqualität und Verbesserung der PM-Kultur ermittelt werden. Die Nutzenentfaltung und -wahrnehmung hängt dabei, neben unterschiedlichen Blickwinkeln durch verschiedene Hierarchiepositionen und Aufgabenbereiche der Befragten, ebenfalls von unternehmenskontextuellen (u. a. der strategischen Ausrichtung, Wettbewerbsposition, Kundenbeziehung) und -kulturellen Aspekten (Organisations- und Führungskultur, Projektmanagementkultur - d. h. wie Projektmanagement im Unternehmen wahrgenommen und betrachtet wird) sowie nationaler Kultur ab [17, 5]. Bei der im Fallbeispiel vorgestellten ROI-Bestimmung wurde deutlich, dass die Höhe des ermittelten ROI abhängig ist vom gewählten Controllingansatz (d. h. welche Kosten- und Nutzengrößen fließen nach welchem Bewertungsansatz ein), vom Unternehmenskontext (d. h. der strategischen Zielsetzung, mit der einzelne Größen, z. B. Kosteneinsparung oder gegebenenfalls Zeiteinsparung, gewichtet werden) sowie vom zugrunde gelegten Zinssatz. Die kumulative Gegenrechnung von Kosten und Nutzen zeigte im Fallbeispiel zunächst keinen positiven ROI (< 0). Erst nach Anwendung einer gemäß der strategischen Unternehmenszielsetzung erfolgten Fokussierung auf Kosteneinsparung unter Auslassung von Termineffekten konnte ein positiver ROI (> 0) bestimmt werden, der zu einer Rendite von 1 : 1,33 EUR oder 132.646 EUR pro 100.000 investierten EUR führt. In die Berechnung fließen dabei auf der Nutzenseite Kosteneinsparungen (durch gestiegene Kostentreue), Rationalisierungseffekte (durch gestiegene Aufwandstreue) und Zeiteinsparungen (durch gestiegene Termintreue) ein, die wie beschrieben gewichtet wurden. Die ROI-Bestimmung für Projektmanagement in Unternehmen ist diffizil und setzt voraus, dass die hierfür benötigten Daten erfasst werden. So scheitert die ROI- Ermittlung in der Praxis regelmäßig an eben fehlenden Daten bzw. mangelndem Interesse an den möglichen Ergebnissen [17]. Ein mangelndes Interesse an konkreten ROI-Berechnungen wird neben einer gewissen Irrelevanz für rein projektorientierte Unternehmen (Projektmanagement ist hier Teil des Geschäftsmodells) ebenfalls durch die Angst vor Verantwortung und Messbarkeit bei den PM-verantwortlichen Stellen begründet, da hierdurch Erwartungen bezüglich der Realisierung von Einsparungen, Effizienzsteigerung, Kostenreduktionen und Nutzenrealisierung provoziert werden können [17]. Unternehmen, die diese nicht scheuen, können somit den Nachweis des Nutzens ihres PM-Ansatzes erbringen. ■ Literatur [1] Aubry, M./ Hobbs, B./ Thuillier, D.: Organisational project management: An historical approach to the study of PMOs. European Academy of Management (EURAM 2007) Conference. In: International Journal of Project Management, Jg. 26, Heft 1/ 2008, S. 38-43 [2] Aubry, M./ Hobbs, B./ Thuillier, D.: The contribution of the project management office to organisational performance. In: International Journal of Managing Projects in Business, Jg. 2, Heft 1/ 2009, S. 141-148 [3] Aubry, M./ Müller, R./ Hobbs, B./ Blomquist, T.: Project management offices in transition. IRNOP 2009 in Berlin. In: International Journal of Project Management, Jg. 28, Heft 8/ 2010, S. 766-778 [4] Brandt, T.: Erfolgsmessung im Projektmanagement. Wirkung und Nutzen sicher beurteilen. Symposion Publishing, 1. 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Anschrift Campana & Schott Realisierungsmanagement GmbH Gräfstraße 99 D-60487 Frankfurt am Main Autor Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Projektmanagement an der Universität Kassel. Vor seiner Berufung war er über 20 Jahre in Ausführung, Consulting und Projektmanagement von Infrastrukturprojekten tätig. Forschungsschwerpunkte liegen bei Projektoptimierung, Risikomanagement und partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in der Bau- und Automobilindustrie. Anschrift Universität Kassel Lehrstuhl für Projektmanagement D-34109 Kassel projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 l 31 Wichtigster Schwerpunkt in der Erwachsenenbildung 2012 ist das Thema „Projektmanagement“. Deutsche Firmen suchen im Augenblick dringend qualifizierte Mitarbeiter - vor allem Projektleiter (m/ w). Viele Projekte werden derzeit geplant und sollen die Unternehmenszukunft sichern. Schlüssel dazu sind geschulte Projektleiter (m/ w) und schnell handelnde Projektteams. Prolog-Trainer (m/ w) machen Ihre Teams fit in und an Echtprojekten ohne Schulungs- und Seminaraufwand: In Kick off-Meetings können Führungskräfte die Erfolge messen. Wir freuen uns auf Ihren Kontakt. Nicole Hobbie · Prolog GmbH · Georgstraße 76 · 26349 Jaderberg Telefon 04454 8221 · Fax 04454 532 · E-Mail: info@prolog.de · www.prolog.de Gelebtes Projektmanagement Prolog-Trainer: Berufserfahrung in Projektmethodik seit über 30 Jahren Anzeige PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 18 Uhr Seite 31