PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2012
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Weiche Faktoren in Projekten: Unvermeidliche Nebensache oder Schlüssel zum Projekterfolg? – Teil 2: Im Kaffeehaus
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2012
Jens Köhler
Mit diesem Beitrag wird eine Folge von fünf Projektgeschichten zur Hinführung zum Thema
„Collective Mind Methode (CMM)“ fortgeführt (vergleiche dazu auch die Rezension in Heft
5/2011 der projektMANAGEMENT aktuell). Die Darstellung der Inhalte erfolgt anhand einfacher Beispiele. Der erste Teil wurde in Heft 1/2012 veröffentlicht, die Teile 3 bis 5 lesen Sie
in den nächsten Ausgaben.
Teil 1: Harte und weiche Faktoren: Unterschiede zwischen harten und weichen Faktoren.
Herausarbeitung der drei wichtigsten Bereiche von weichen Faktoren im Projekt.
Teil 2: Messbarkeit weicher Faktoren: Skizzierung der Wirkungsweise der MBTI-Typologie bei Menschen, Organisationen und Projekttypen.
Teil 3: Projekttemperament und Projektteam: Die vier Projekttemperamente nach der Collective Mind Methode. Warum es wichtig ist, dass sich Projektteam und Stakeholder über das Projekttemperament einig sind. Eventuelle Differenzen geben Hinweise auf mögliche Schieflagen im Projekt.
Teil 4: Der Collective Mind 1: Was ist der Collective Mind (CM), wie ist er aufgebaut und
warum ist er so wichtig?
Teil 5: Der Collective Mind 2: Wie der CM von den weichen Faktoren abhängt und wie durch
einen stabilen CM die Erfolgsfaktoren erfüllt werden können.
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„Im Kaffeehaus“ Heiner Priesberg trifft sich mit Tobias Ehrlich in einem der Kaffeehäuser der Stadt. „Heute wollen wir darüber sprechen, wie man die in Projekten wirkenden drei Einflussbereiche ‚Menschen‘, ‚Aufgabenstellung‘ und ‚Organisation‘ messen, das heißt typisieren kann“, beginnt Ehrlich. „Seit unserem letzten Treffen habe ich eine ungefähre Ahnung, warum das Sinn machen könnte. Vielleicht gelingt es dir ja, mich zu überzeugen und mir sogar in meinem Projekt zu helfen“, entgegnet Priesberg immer noch leicht skeptisch. „Fangen wir bei den Menschen an. Sicherlich hast du schon beobachtet, dass man ähnliche Verhaltensmuster bei verschiedenen Menschen vorfindet. Was wir benötigen, ist eine Methode, diese Verhaltensmuster messen zu können“, setzt Ehrlich fort, „die Erforschung von Typologien zur Beschreibung des Temperaments eines Menschen geht im Prinzip auf die alten Griechen zurück. Aber erst durch C. G. Jung wurde das Thema methodisch aufgegriffen und von anderen bis heute weiterentwickelt. Moderne Typologien sind die Big Five-Typologie und die MBTI-Typologie mit den Erweiterungen nach Keirsey. Für Projekte ist Letztere am besten geeignet, da sie vier messbare, anschauliche Dimensionen besitzt. Sie beschreibt den Grundzustand eines Menschen folgendermaßen: extravertiert oder introvertiert (E-I-Dimension), faktenorientiert oder intuitiv (S-N-Dimension), rational oder einfühlend (T-F-Dimension), urteilend oder wahrnehmungsorientiert (J-P-Dimension).“ „Das ist ja schön und gut“, entgegnet Priesberg, „aber was hat das mit Projekten zu tun? “ „Ganz einfach“, antwortet Ehrlich, „gehen wir in die Praxis. Ich bin nicht umsonst mit dir in dieses Kaffeehaus gegangen.“ Ehrlich winkt dem Kellner zu. Der Kellner, ein junger Mann mit wachem Blick, kommt herbei. „Ich möchte ein Stück Kuchen“, ruft Ehrlich. Der Kellner stutzt und äußert sich nach einiger Zeit in seiner ruhigen Art: „Darf es etwas mit Schokolade oder Obst oder etwas Streuseliges sein? “ „Hm, das hilft mir jetzt auch nicht weiter“, antwortet Ehrlich. Der Kellner überlegt wieder eine Weile und ruft eine Kollegin hinzu. Eine jüngere Frau nähert sich sodann mit festen Schritten. Ohne eine Sekunde zu zögern, legt sie los: „Also meine Herren, wir haben Schwarzwälder Kirsch, Apfelkuchen, Pfirsichtorte und Nusskuchen. Mehr gibt es heute nicht.“ Sie wirkt ungeduldig und drängt auf eine rasche Entscheidung. Im projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 l 49 Jens Köhler Projektgeschichten und -fallstudien Weiche Faktoren in Projekten: Unvermeidliche Nebensache oder Schlüssel zum Projekterfolg? Teil 2: Im Kaffeehaus Mit diesem Beitrag wird eine Folge von fünf Projektgeschichten zur Hinführung zum Thema „Collective Mind Methode (CMM)“ fortgeführt (vergleiche dazu auch die Rezension in Heft 5/ 2011 der projektMANAGEMENT aktuell). Die Darstellung der Inhalte erfolgt anhand einfacher Beispiele. Der erste Teil wurde in Heft 1/ 2012 veröffentlicht, die Teile 3 bis 5 lesen Sie in den nächsten Ausgaben. Teil 1: Harte und weiche Faktoren: Unterschiede zwischen harten und weichen Faktoren. Herausarbeitung der drei wichtigsten Bereiche von weichen Faktoren im Projekt. Teil 2: Messbarkeit weicher Faktoren: Skizzierung der Wirkungsweise der MBTI-Typologie bei Menschen, Organisationen und Projekttypen. Teil 3: Projekttemperament und Projektteam: Die vier Projekttemperamente nach der Collective Mind Methode. Warum es wichtig ist, dass sich Projektteam und Stakeholder über das Projekttemperament einig sind. Eventuelle Differenzen geben Hinweise auf mögliche Schieflagen im Projekt. Teil 4: Der Collective Mind 1: Was ist der Collective Mind (CM), wie ist er aufgebaut und warum ist er so wichtig? Teil 5: Der Collective Mind 2: Wie der CM von den weichen Faktoren abhängt und wie durch einen stabilen CM die Erfolgsfaktoren erfüllt werden können. PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 20 Uhr Seite 49 Raum wirkt es ein paar Grad kühler. „Ich nehme den Schwarzwälder Kirsch“, schließt Ehrlich die Bestellung schnell ab. Nachdem Priesberg und Ehrlich wieder alleine sind, legt Ehrlich los. „Ich habe bewusst die Bestellung unkonkret aufgegeben. Der Kellner, nennen wir ihn Hans, wirkt wie ein introvertiertes, intuitives Temperament, das vermutlich nicht immer sofort entscheiden kann. Indizien dafür sind, dass er lange überlegt, bevor er spricht (I), eine eher abstrakte Antwort gibt, die sich mit Oberbegriffen beschäftigt (N). Seine Kollegin, nennen wir sie Lucy, dagegen wirkt extravertiert. Sie hat keine Berührungsängste, spricht sofort los (E). Weiter wirkt sie faktenorientiert, da sie die verfügbaren Kuchen auflistet (S), und schließlich macht sie auf mich einen entscheidungsfreudigen Eindruck (J) - jetzt siehst du, wie unterschiedliche Persönlichkeiten zusammenwirken: Sie können sich blockieren und zu keinem Ergebnis kommen (Hans und ich) und eine weitere Person kann wie ein Katalysator wirken und zum Ziel führen, in diesem Fall war das Lucy. Und du siehst eine weitere Parallele: In Projektsituationen herrscht häufig Zeit- und Leistungsdruck, sodass die Menschen in ihrem Grundzustand agieren. Wenn man im Vorfeld weiß, wie sich die Menschen in bestimmten Situationen verhalten, kann man sie gleich richtig einsetzen. Gehen wir jetzt zum Einflussbereich ‚Aufgabenstellung‘ über. Stell dir vor, Hans und Lucy haben die Projektaufgabe, einen neuartigen Kuchen zu entwickeln, der vielen Menschen schmecken soll.“ „O.k., ich weiß, worauf du hinauswillst“, unterbricht ihn Priesberg, „das Projekt ‚neuer Kuchen‘ bedarf also eines hohen Missionsgrades, um die Kunden für die neue Geschmacksrichtung zu gewinnen. Da man viele Menschen überzeugen muss, hat das Projekt ein extravertiertes Temperament in der MBTI-Dimension E-I.“ Die Diskussion nimmt an Fahrt auf und Ehrlich übernimmt wieder: „Und da das Kuchenrezept neu sein soll, benötigt das Projekt einen hohen Innovationsgrad, der durch die Intuition geliefert wird. Würde lediglich das alte Rezept abgeändert, dann bedeutet dies, Bekanntes zu übertragen. Das würde dann durch die Größe S angezeigt. Der Innovationsgrad wird also durch die S-N- Dimension bestimmt.“ Priesberg fällt ihm ins Wort: „Wenn das Rezept schließlich fertig ist, muss der Kuchen beworben werden. Dazu reicht es nicht aus, das Rezept mit allen Finessen zu erklären, sondern es müssen schmackhafte Werbebotschaften kreiert werden. Und hier sind wir beim Übermitteln der Botschaft, also beim Abstraktionsgrad, der in der T-F-Dimension zu vermitteln ist (hier F), da ein Geschmackserlebnis schlecht durch rationale Argumente dargestellt werden kann. Die passen besser zu Datenbanken.“ Priesberg seufzt, da er sich an sein Projekt erinnert fühlt. Ehrlich schaut ihn herausfordernd an: „Und wenn das Kuchenrezept bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gefunden werden soll - die Werbeplakate sind bereits gedruckt -, dann benötigen wir einen passenden Zeitplan, das heißt einen hohen Managementgrad in der J-P-Dimension, ausgedrückt durch J (urteilend). Somit haben wir alle Dimensionen, um Projekte zu typisieren: Missionsgrad, Innovationsgrad, Abstraktionsgrad und Managementgrad, typisiert durch die bekannten MBTI-Gegensatzpaare.“ „Und als Letztes“, unterbricht ihn Priesberg, „lassen sich Organisationen wie dieses Kaffeehaus dann sicherlich genauso typisieren.“ Ehrlich antwortet kurz und knapp: „Ja, das stimmt, William Bridges hat ein entsprechendes Schema entwickelt, das auch auf dem MBTI basiert.“ Priesberg zögert plötzlich: „So ganz überzeugt bin ich nicht. Deine Einschätzungen von vorhin beruhten auf Beobachtungen und nicht auf Messungen.“ Ehrlich grinst: „Geeignete Fragebögen liefern die Signaturen für Menschen, Organisationen und Projekte. Unter der Signatur versteht man eine Kombination aus den vier genannten Dimensionen. Die Ergebnisse werden durch Beobachtungen ergänzt, manchmal gibt es Überraschungen. Wenn ich aber weiß, wie sich Menschen und Organisationen bevorzugt verhalten und welche Aufgabenstellung wie eingeordnet werden muss, dann habe ich einen wichtigen Schritt in Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit der weichen Faktoren in Projekten gemacht. Beim nächsten Mal werden wir genau das auf deiner ersten Projektteamsitzung nachvollziehen“, schließt Ehrlich ab. ■ Schlagwörter Kultur, MBTI, Organisationsentwicklung, Persönlichkeit, Soft Skills, temporäre Organisation Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.6 Projektorganisation, 4.1.7 Teamarbeit, 4.1.18 Kommunikation Autor Dr. Jens Köhler hat an der Universität Bonn Physik studiert und dort promoviert. Seit 1999 ist er bei der BASF SE beschäftigt. Als Projektleiter liegt sein Haupttätigkeitsfeld in der Prozessanalyse sowie der Konzeption, Realisierung und Implementierung von komplexen IT-Systemen in der Forschung. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung der Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams durch die gezielte Beherrschung von Soft Skills und Kommunikationsprozessen. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Anschrift BASF SE GV/ WH-C6 D-67056 Ludwigshafen E-Mail: Jens.Koehler@basf.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2012 50 WISSEN Managementkompetenz erwerben: www.cqa.de Anzeige Mey PM_2-2012_1-68: Inhalt 28.03.2012 12: 20 Uhr Seite 50
