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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wo Kopfschütteln „Ja!“ heißen kann – oder auch nicht ...
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Oliver Steeger
Indien steht im Schatten von China – zumindest aus westlicher Perspektive. Doch das Schwellenland setzt zum Sprung an. Über eine Milliarde Menschen bilden einen attraktiven Markt. Indien verfügt über hoch qualifizierte Spezialisten, was Projektmanagern aus dem Westen entgegenkommt: Viele Inder sprechen ausgezeichnetes Englisch. Auch im Arbeitsalltag scheinen sie sich vielen westlichen Usancen angepasst zu haben. Doch Vorsicht! Diese Vertrautheit kann trügen – und schnell zur Falle werden. „Indien ist ein vielschichtiges, für Europäer häufig verwirrendes Land“, erklärt Vejn Sredic, der in Indien über mehrere Jahre ein Industriebauprojekt mitgeleitet hat. Interkulturelle Fettnäpfchen sind schnell übersehen. Wer in Indien ein Projekt startet, sollte ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Respekt mitbringen. Geduld, so Vejn Sredic, ist die vielleicht wichtigste Tugend in Indien.
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Indien ist rund neunmal größer als die Bundesrepublik Deutschland. In dem Land leben rund 1,2 Milliarden Menschen. Die Bevölkerungsdichte übertrifft Deutschland um ein Drittel. Vejn Sredic: Dies sind die im Westen bekannten Fakten. Weniger bekannt ist, dass sich die Mentalität von Nordindern und Südindern erheblich unterscheidet. Dass viele verschiedene offizielle Sprachen gesprochen werden; die Angaben zur genauen Zahl schwanken. Dass diese Angaben zur Zahl der Sprachen schwanken, sagt auch etwas über Indien aus. Indien ist weitaus vielschichtiger, als man im Westen annimmt, dies wird unterschätzt. Augenblick! Aus Indien heimgekehrte Projektmanager berichten, dass im Arbeitsalltag vieles bekannt und vertraut wirkt. Auch der Umgang mit indischen Partnern und Mitarbeitern gestaltet sich harmonisch. Mit der Büroatmosphäre machen sich Europäer in der Regel schnell vertraut. Der Umgang mit den Menschen ist sehr angenehm. Auch die Büros selbst, die ich gesehen habe, wirken ausgesprochen freundlich. Gemessen daran wirkt die Atmosphäre in deutschen Büros eher glatt und kalt. Man sieht in indischen Arbeitsräumen beispielsweise Frauen mit eingeflochtenen Blumen im Haar. Menschen aus dem Westen fühlen sich hier schnell wohl. In Indien wird viel Englisch gesprochen. Indien gilt von der Bevölkerungszahl her als weltgrößtes englischsprachiges Land. Europäern kommt dies entgegen, da die im internationalen Einsatz gefürchteten Sprachbarrieren wegfallen. Dies dürfte europäischen Managern das Leben und Arbeiten in Indien erleichtern. Langsam! Es ist richtig, dass die Verständigung dank weitverbreiteter Englischkenntnis in Indien verhältnismäßig einfach ist. Doch diese vermeintliche Einfachheit kann auch trügen. projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 l 3 REPORT Wo Kopfschütteln „Ja! “ heißen kann - oder auch nicht … Gelassenheit und soziale Kompetenz für Projektmanagement in Indien Indien steht im Schatten von China - zumindest aus westlicher Perspektive. Doch das Schwellenland setzt zum Sprung an. Über eine Milliarde Menschen bilden einen attraktiven Markt. Indien verfügt über hoch qualifizierte Spezialisten, was Projektmanagern aus dem Westen entgegenkommt: Viele Inder sprechen ausgezeichnetes Englisch. Auch im Arbeitsalltag scheinen sie sich vielen westlichen Usancen angepasst zu haben. Doch Vorsicht! Diese Vertrautheit kann trügen - und schnell zur Falle werden. „Indien ist ein vielschichtiges, für Europäer häufig verwirrendes Land“, erklärt Vejn Sredic, der in Indien über mehrere Jahre ein Industriebauprojekt mitgeleitet hat. Interkulturelle Fettnäpfchen sind schnell übersehen. Wer in Indien ein Projekt startet, sollte ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Respekt mitbringen. Geduld, so Vejn Sredic, ist die vielleicht wichtigste Tugend in Indien. Oliver Steeger Vejn Sredic (30) war von April 2007 bis Mai 2012 als Berater bei der MBtech Group GmbH & Co. KGaA tätig. Er betreute verschiedene Projekte zu Produktionsoptimierung, Fabrikplanung, Produktentstehung und Projektmanagement im In- und Ausland. Der gelernte Maschinenbaumechaniker und studierte Wirtschaftsingenieur ist der jüngste zertifizierte Senior Projektmanager der GPM (IPMA Level B). Vejn Sredic war in Indien über drei Jahre für das Projektmanagement der Werksplanung, Bauausführung und Industrialisierung in einem Greenfield-Projekt eines traditionsreichen Automobilkonzerns verantwortlich. Foto: privat Trügen - inwiefern? In Russland beispielsweise brauchen Projektmanager in der Regel einen Dolmetscher, ähnliches kann auch für China gelten. Der Dolmetscher wird - wenn er seine Arbeit gut macht - nicht nur das gesprochene Wort übersetzen, sondern auch Gestik, Mimik oder anderes einbeziehen. PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 3 Stichwort: nonverbale Kommunikation? Nicht nur. Ein Beispiel: In vielen Ländern wird nicht direkt verneint, wie wir dies tun. Das klar ausgesprochene „Nein“ gilt dort als unhöflich … … beispielsweise in China. … auch in Indien. Man verneint überhaupt nicht, bestenfalls indirekt. Ein guter Dolmetscher wird dies in der Übersetzung berücksichtigen. Er wird vielleicht auch unser direktes, viele Asiaten vor den Kopf stoßendes „Nein“ landestypisch abmildern. Der Kernpunkt ist: Auch wenn man in Indien mit dem vertrauten Englisch gut kommunizieren kann, laufen Europäer Gefahr, die vielen interkulturell bedingten Zwischentöne zu überhören. Ihnen kann also vieles entgehen. Europäer sind gewissermaßen interkulturell nicht auf der Hut? Ja, im gewissen Sinne. Hinzu kommt: Inder sind im Allgemeinen sehr anpassungsfähig und verfügen teilweise über ein beachtliches Einfühlungsvermögen. Viele Inder lernen unglaublich schnell - in jeder Hinsicht. Sie passen sich dem im Westen üblichen Verhalten an, zumindest in der Arbeitswelt. Man gab westlichen Reisenden immer wieder den Hinweis, dass Männer in Indien Frauen nicht die Hand geben. Hat sich daran etwas geändert? Dieser Hinweis ist ein gutes Beispiel für diese Anpassung, auf die ich anspiele! In vielen Unternehmen gilt diese Regel nicht mehr so strikt … Inder sehr anpassungsfähig … zumindest nicht für Europäer. Wie auch immer! Ich möchte auf Folgendes hinaus: Inder kommen dem westlichen Verhalten ein Stück weit entgegen. Projektmanager sollten nie vergessen, dass es sich dabei häufig um Anpassung handelt. Diese Anpassung hat Grenzen, und hinter diesen Grenzen können Fettnäpfchen lauern. Wie sehen Inder ihre deutschen Kollegen? Deutsche gelten als pünktlich, sachlich und diszipliniert. Man bewundert deutsche Autos und andere Produkte „made in Germany“. Deutsche gelten als begnadete Techniker. Ein freundliches Urteil. Wo Licht ist, findet sich bekanntlich auch Schatten … Inder sagen auch, dass Deutsche unflexibel sind, unnahbar, starrsinnig und reserviert. Man beklagt ihre direkte Art und vermisst Diplomatie. Deutsche gelten als unflexibel? Ja, man unterstellt uns nicht selten, dass wir nur schwarz-weiß sehen. Dass wir perfektionistisch urteilen und viele Zwischentöne nicht erkennen. Dass deutsche Manager also nur das Alles-oder-nichts- Prinzip kennen und ihre Ziele schwer den jeweiligen Gegebenheiten anpassen können? Ein bezeichnendes Beispiel aus dem Alltag: In Europa klagt man, wenn die Bahn eine halbe Stunde zu spät kommt. In Indien sieht man Züge, bei denen mehr Menschen auf den Waggondächern sitzen als in den Waggons. Solche Züge kommen unpünktlich, freilich. Im Westen würde angesichts solcher Schwierigkeiten der gesamte Zugverkehr zusammenbrechen. Der Deutsche respektiert also nicht, dass der Zugverkehr überhaupt funktioniert. Ein Beispiel von einer Baustelle: Die Bauarbeiten haben mitunter nicht die aus dem Westen bekannte Qua- Deutsche Manager im Spiegel der Inder 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 4 REPORT Baustelle in Indien: Projektmanager stehen in Indien vor vielen interkulturellen Herausforderungen. Foto: privat So kennt man Indien: Das Taj Mahal, das weltbekannte Mausoleum, dessen Bau vermutlich 17 Jahre dauerte und das 1648 fertiggestellt wurde. Foto: privat PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 4 lität. Vielleicht klappt nicht alles auf Anhieb. Vielleicht machen Inder mehr Fehler als ihre Kollegen in Europa - auch solche Fehler, die in Deutschland undenkbar sind. Ich habe erlebt, dass Dächer bei der Montage nicht ausreichend befestigt wurden. Aber: Eine dringend benötigte Baugrube wird notfalls auch über Nacht ausgehoben, häufig mit einfachen Mitteln. In Deutschland wäre so etwas ebenfalls undenkbar. So bewunderungswürdig dies ist - es dürfte für Projektmanager schwierig sein, in solch einer wenig berechenbaren Umgebung ihre Arbeit zu tun. Sollen sie ihre Ziele aufgeben? Seine Ziele darf ein Projektmanager nicht aus den Augen verlieren. Er sollte allerdings erspüren und erfragen, was in Indien möglich ist - und die Ziele diesen Möglichkeiten anpassen. Umwege und Verzögerungen sollten Projektmanager von vornherein mit einplanen. Also keine „harten“ Ziele … Doch! Harte Ziele sind unabdingbar. Projektmanager sollten in Indien den besten Fall, den schlechtesten Fall und einen realistischen Fall einplanen, also in Alternativen denken. Allerdings müssen in gewissen Fällen manche harten Ziele teilweise aufgeweicht werden. Aufgeweicht - inwiefern? Ich habe den Eindruck, dass Projekte in Indien eher „fließen“ statt statisch, wie am Anfang geplant, vorangetrieben zu werden. Die Festlegungen vom Anfang werden schnell zur Makulatur. Dies hat nichts mit mangelnder Ergebnisorientierung zu tun. Im Gegenteil, häufig sind Inder ergebnisorientierter und anpassungsfähiger als Europäer! Mir scheint die Herangehensweise anders zu sein. Dies gilt, wie zu hören ist, auch für Projektpläne. Terminpläne, Budgetpläne und andere Planungen sollten mit einer gewissen Vorsicht bewertet werden. Sie sind nicht so durchgängig und verbindlich, wie wir es in Deutschland gewohnt sind. Was sollte ein Projektmanager, der nach Indien kommt, also tun? Ich würde nicht sofort mit Zieldefinitionen und Planungen starten. In Indien kann man lernen, viel Zeit in die Startphase eines Projekts zu investieren, sich einzufinden, die Partner und Menschen kennenzulernen, sich in die Menschen hineinzuversetzen und in die Arbeitskultur einzufühlen - also mit den Mitarbeitern und Partnern eine Vertrauensbasis zu finden. Also zu echtem Teamgeist kommen? Selbstverständlich. Jeder kennt und nutzt das Wort „Team“. Diesen Begriff muss man nach meiner Beobachtung in Indien besonders intensiv mit Leben füllen. Vor allem sollte man auf seine eigenen Stereotypen und Vorurteile achten. Sie können den zwischenmenschlichen Beziehungen zu indischen Mitarbeitern und Partnern im Wege stehen. Indische Projekte „fließen“ Manche Europäer vergleichen Indien mit China. Dabei schneidet Indien alles andere als gut ab. Chinesen, heißt es, seien geschäftstüchtiger und strebsamer als Inder. Dies ist so ein Stereotyp. Solche von Europäern mitgebrachten Vorurteile sind im Miteinander sehr hinderlich. - Im Übrigen halte ich diese Meinung über Inder für sehr gewagt. Ich bin völlig anderer Ansicht. Wir werden meiner Meinung nach noch sehen, wie Indien an China wirtschaftlich vorbeizieht. Wir werden da aus europäischer Perspektive mit Sicherheit noch einige Überraschungen erleben. Vielleicht nicht in den nächsten fünf Jahren, wohl aber langfristig! Nochmals zu den Vorurteilen. Sie müssen ja nicht gleich negativ gefärbt sein. Bei vielen Deutschen haben die farbenprächtigen Bollywood-Filme nachhaltigen Eindruck hinterlassen - und zwar einen guten Eindruck. Man sieht Indien als exotisch, freundlich, sympathisch. Auch dies sind Stereotypen. Wer in Indien länger lebt und arbeitet, wird schnell auch andere Seiten des Landes kennenlernen. Beispielsweise das Kastensystem, das viele Deutsche als ungerecht und anachronistisch empfinden. Es heißt, dass jemand aus einer niedrigen Kaste niemals jemanden aus einer höheren Kaste führen darf. Man muss aber mit diesem Thema „Kasten“ sehr vorsichtig sein … … weil dies in Indien ein Tabuthema für Gespräche ist? Man spricht in Indien nicht über Kasten. Ausländer sollten sich hüten, danach zu fragen. Ich will jedoch auf etwas anderes hinaus: Für Außenstehende wie uns ist das Kastensystem kaum durchschaubar, deshalb empfiehlt es sich, sich mit seinem Urteil zurückzuhalten. Wir sehen das Kastensystem in der Regel zu einfach - als eine Art starre Rangordnung. In Wirklichkeit ist die Sache deutlich komplexer. Nach langem Zögern habe ich gewagt, zwei indische Freunde zu fragen. Auch sie konnten mir Vergleich mit China „hinkt“ projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 l 5 Indische Mitarbeiter werden sehr „eng“ geführt. Sie erwarten Anweisung und Hilfe bei ihren Aufgaben. Foto: privat PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 5 meine Frage nach dem Kastensystem nicht genau beantworten. Beide haben es mir unterschiedlich erklärt. Mitunter wird die Komplexität beispielsweise von Gesten unterschätzt. Viele Menschen aus dem Westen tun sich schwer damit, dass Inder mit Kopfschütteln nicht verneinen, sondern bejahen. Das Kopfschütteln ist mit unserem Nicken nicht zu vergleichen. Der Inder schüttelt nicht mit dem Kopf, wenn wir nicken würden. Was hat es mit dieser Geste genau auf sich? Erstens, man wackelt in Indien mit dem Kopf, wenn man sagen möchte, dass man seinen Gesprächspartner versteht, dass man dem Gesagten folgt, dass man vielleicht auch Gesagtes akzeptiert. Von Zustimmung in Sinne unseres „Ja! “ oder „Einverstanden! “ kann da keine Rede sein. Insofern ist die Geste nicht mit unserem Kompliziertes Kopfschütteln Nicken vergleichbar. Zweitens, ich habe verschiedene Formen dieser Geste beobachtet. Wird das Kopfwackeln von einem feinen Lächeln begleitet, so signalisiert die Geste Freude. Was ich damit sagen will: Sich Indien mit pauschalen Deutungsmustern und Verhaltensregeln zu nähern - dies ist riskant. Trotzdem können gewisse Daumenregeln hilfreich sein. In vielen Ländern Asiens gilt der Gesichtsverlust als besonders schwerwiegend. Auch sachlich gehaltene Kritik wird anders aufgefasst als im Westen. Grundsätzlich richtig! Ein Europäer sollte nie einen Inder vor anderen direkt kritisieren oder gar demütigen. Die Grenze zum Gesichtsverlust ist schnell überschritten. Ich habe übrigens nie erlebt, dass ein Inder einem Europäer „das Gesicht genommen hätte“, indem er ihn kritisiert. Dies erleichtert kaum die Zusammenarbeit. Projektmanager brauchen sachliche Kritik, Hinweise auf Fehler oder Informationen über ungünstige Entwicklungen im Projekt. Offenheit ist essenziell für die Projektkommunikation. Ein Inder wird in der Regel einem Vorgesetzten nicht widersprechen. Er wird auch berechtigte und der Sache dienende Einwände zurückhalten, vielleicht sogar Informationen verschweigen, die den Vorgesetzten in ein schlechtes Licht bringen können. Damit müssen Projektmanager rechnen - zumindest anfangs. Erst mit der Zeit, wenn das Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Manager gewachsen und gefestigt ist, wird der Mitarbeiter sich öffnen. Dann wird sich der Mitarbeiter zumindest ein Stück weit mit Einwänden, Kritik oder Feedback vorwagen. Anders gewendet: Wer auf offene Kommunikation in Indien angewiesen ist, muss die Beziehungsebene intensiv pflegen und geduldig sein. Anderenfalls misslingt die Projektkommunikation. Richtig! Einfühlungsvermögen, Geduld und Respekt sind die vielleicht wichtigsten Tugenden, die man mitbringen sollte nach Indien. Gelegentlich ist von westlichen Projektmanagern zu hören, denen früher oder später der Geduldsfaden gerissen ist. Die Folgen sind fatal. Verliert ein Mitarbeiter das Gesicht, so lässt sich der Schaden vielleicht nicht wiedergutmachen. Manchmal sind die Anlässe trivial. Ist aber einmal das Porzellan zerschlagen, treffen Entschuldigungen und Wiedergutmachung auf taube Ohren. Problematisch wird es für den Projektmanager, wenn er sich durch den Fauxpas von Informationen abschneidet, wenn die Zusammenarbeit auf Dauer getrübt ist und der Gedemütigte anschließend kaum noch Projektinformationen weiterreicht. Andererseits - die Geduld von westlichen Projektmanagern kann in Indien auf eine schwere Probe gestellt werden. Viele Mitarbeiter sind hoch engagierte Spitzenkräfte. Sie leisten perfekte Arbeit. Andere dagegen erscheinen bestürzend unqualifiziert und unbeholfen. Managern reißt der Geduldsfaden 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 6 REPORT Straßenszene in Indien: Das von der Bevölkerungszahl her weltgrößte englischsprachige Land steht vor dem Sprung in die Weltliga der Wirtschaftsnationen. Foto: privat Land der Wunder: Manchmal entstehen Baugruben im „Hauruckverfahren“ über Nacht. Foto: privat PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 6 Es gibt kaum ein „Mittelfeld“, also normal qualifizierte Kräfte … Zugespitzt gesagt, die allermeisten indischen Mitarbeiter fallen entweder in die Kategorie „brillant“ oder „fachlich schwach“. Die einen denken nicht nur zwei Schritte im Voraus, sondern gleich vier oder fünf. Die anderen scheinen sogar für leichteste Aufgaben Anleitung und Motivation zu brauchen. Werden wir doch bitte konkret: Welchen Führungsstil erwarten Inder? Zunächst einmal: Indische Unternehmen sind stark hierarchisch geprägt. Hierarchien werden ohne Weiteres akzeptiert. Der Vorgesetzte hat immer recht. Jungen Führungskräften wird man in Indien kaum begegnen. Vorgesetzte haben ein gewisses Alter und eine gewisse Seniorität; manchmal erinnern sie auch an Vaterfiguren. Vaterfiguren - geht dies nicht etwas zu weit? Nein, dies geht nicht zu weit. Junge Inder sind bereit, sich von ihren Vorgesetzten persönlich formen zu lassen. Sie wünschen und erwarten dies sogar. Die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Manager ist weitaus persönlicher gestaltet als in Deutschland. Zwischenmenschliches spielt im indischen Arbeitsleben eine große Rolle. Viele indische Kollegen finden zu privaten Freundschaften - was in Deutschland bekanntlich selten ist. Deshalb bauen geschickte westliche Projektmanager in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft in Indien zunächst Beziehungen zu ihren Mitarbeitern und Partnern auf. Sie stellen sich auf die Menschen ein, sie hören zu, ohne besserwisserisch aufzutrumpfen. Nochmals zum Führungsverhalten. Der Manager genießt in Indien großen Respekt, sagten Sie eben. Der Respekt ist stark ausgeprägt. Man kann sofort erkennen, wer in einer Gruppe von Indern der Vorgesetzte ist. Die Anrede, das Verhalten der Mitarbeiter machen dies sofort deutlich. Wie wirkt sich dies auf die Mitarbeiterführung aus? Anweisungen beispielsweise werden mit einem „Yes, Sir! “ entgegengenommen. Die Stimme wird dabei im angenehmen Klang gehalten. Diskussionen mit Führungskräften gelten, wie gesagt, als respektlos. Auf einem anderen Blatt steht allerdings, ob die Aufgaben dann auch umgehend wie gewünscht bearbeitet werden. Aha? Projektmanager erleben, dass indische Mitarbeiter eine ihnen übertragene Terminaufgabe mit einem respektvollen „Yes, Sir! “ entgegennehmen. Wider Erwarten kommt der Mitarbeiter zum vereinbarten Termin mit halb fertiger Arbeit oder gar leeren Händen. Oder er kommt gar nicht, auch möglich! Was bedeutet dies für die Praxis? Projektmanager sollten ihre Erwartungen bei der Vergabe von Aufgaben verdeutlichen und auch Zwischenschritte der Mitarbeiter bei der Aufgabenerfüllung über- Ausgeprägtes Hierarchiedenken prüfen. Mehr noch: Entscheidungen und Anweisungen der Vorgesetzten gelten in Indien bei manchen Mitarbeitern - vor allem bei weniger qualifizierten - als Bringschuld des Vorgesetzten. Ein Vorgesetzter geht also von sich aus auf seine Mitarbeiter zu und zeigt ihnen genau, was er von ihnen will und erwartet? So ist es! Das bei uns verbreitete, eigenständige Arbeiten ist in Indien schwach ausgeprägt. Bei uns verbreitete Führungsinstrumente wie die Zielvereinbarung funktionieren selten. Ein Mitarbeiter wird sich kaum an seine Vorgesetzten wenden, Fragen stellen und Informationen einholen. Der Vorgesetzte muss seine Erwartungen genau erklären und Anweisungen geben, wie er diese umgesetzt sehen will. Einige westliche Führungskräfte kritisieren Inder für das in ihren Augen unbefriedigende Qualitätsverständnis. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass indische Mitarbeiter die Qualität erbringen, die man mit ihnen vorher genau besprochen hat. Man muss in Indien Mitarbeiter also sehr eng führen? Mit Sicherheit. Viel kontrollieren, viel nachhaken - auch dann, wenn die Erwartung an den Mitarbeiter auf der Hand liegt und die Anweisungen dem Manager sonnenklar erscheinen. Und wenn Manager wegen Fehlern kritisieren, sollten sie stets die Beziehung zu ihrem Mitarbeiter im Auge halten und an die Gefahr des Gesichtsverlusts denken. Vorhin sprachen Sie von Vorurteilen und davon, dass es viele hoch qualifizierte Spitzenkräfte in Indien gibt … … Spitzenkräfte, die sogar ihre westlichen Kollegen in den Schatten stellen. Solche Leute wird man selbstverständlich nicht eng führen müssen. Indische Mitarbeiter „eng“ führen projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 l 7 Freundliche Menschen in exotischer Umgebung: Bollywood-Filme haben auch im Westen das Indienbild geprägt - und viele Vorurteile zementiert. Foto: privat PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 7 Gilt diese Regel der engen Führung nicht nur für Mitarbeiter, sondern auch für ganze Projekte? Auch Projekte werden in Indien enger geführt als in Deutschland. Beispielsweise werden Ergebnisse auf Baustellen täglich abgefragt - zumindest sollten sie engmaschig abgefragt werden! Läuft etwas unerwartet aus dem Ruder, kann man schnell gegensteuern. Die mitunter hektische Betriebsamkeit auf den Baustellen kann trügen. Ich habe mir für Indien angewöhnt, mich mit meinem Team morgens und abends etwa eine Viertelstunde lang zu besprechen. Wir haben die Tagesarbeit erörtert; so konnte ich steuern und Ergebnisse abfragen. Solche kurzen Intervalle würden in Deutschland als Gängelung, als Misstrauen der Projektleitung aufgefasst. In Indien ist dies also anders? Solange die Beziehungsebene gepflegt wird, wird dieser Führungsstil in Indien problemlos akzeptiert. Besserwisserei, Ungeduld und Kritik vor versammelter Mannschaft machen Schwierigkeiten, nicht Kontrolle und enge Führung. Stichwort Motivation: Wie motiviert man Mitarbeiter in Indien? Gehalt spielt eine wesentliche Rolle. Inder rechnen mit regelmäßigen, am besten jährlichen Gehaltssteigerungen. Wer das Unternehmen wechselt, erwartet kräftige Aufschläge auf sein bisheriges Gehalt; ein Plus von zwanzig bis dreißig Prozent ist keine Seltenheit. Darüber hinaus spielen Status, Aufstiegschancen und das Renommee des Arbeitgebers eine große Rolle für die Motivation. Deutsche Automobilunternehmen stehen als Arbeitgeber in Indien sehr hoch im Kurs. Auf diesen Rahmen hat der Projektmanager selbst wenig Einfluss. Was kann er persönlich zur Motivation seiner Mitarbeiter beitragen? Freundliches, harmonisches Arbeitsklima sowie Lob und Anerkennung motivieren Inder stark. Motivation durch freundliches Klima Darin unterscheiden sie sich wenig von deutschen Mitarbeitern … Viele Inder wollen an ihrem Arbeitsplatz lernen und sich ein breites Wissen aneignen. Lerneifer und Wissensdurst sind stärker ausgeprägt als in Deutschland. So brennen viele indische Mitarbeiter auf Auslandsaufenthalte. Unternehmen, die solche Aufenthalte bieten können, sollten diese Motivationschance nutzen. In vielen asiatischen Ländern werden Verhandlungen anders geführt als im Westen. In Deutschland beispielsweise kommt man bekanntlich schnell auf den Punkt. In Indien fährt man bei Verträgen - und generell bei Absprachen - deutlich mehr Schleifen als im Westen. Das „Ja“ hat in Indien viele Schattierungen. Vom einfachen „Ich habe verstanden“ bis hin zu „einverstanden“ gibt es viele Nuancen. Auch das „Yes, Sir“, das man in Besprechungen immer wieder hört, meint selten eine direkte Zustimmung. Und ein direktes „Nein“ wird man selten hören. Inder verneinen - wenn überhaupt! - indirekt und äußerst höflich. Was ist zu tun in solchen Situationen? Nachfragen! Wie versteht der Gesprächspartner die Absprachen? Was wird er als Nächstes tun? Welche praktischen Konsequenzen zieht er aus dem Besprochenen? Es heißt, Projektmanagement bestehe zu einem großen Teil aus Kommunikation. Meiner Beobachtung nach trifft dieser Satz besonders für Indien zu. Gilt diese Regel auch für Vertragsverhandlungen? Bei Vertragsverhandlungen redet man so lange miteinander, bis wirklich keine Frage mehr offen bleibt. Dies dauert deutlich länger als in Deutschland; die Gespräche nehmen mehrere Schleifen und brauchen mehr Besprechungstermine. Es wird viel „durch die Blume“ gesprochen. Insbesondere bei Vertragsverhandlungen sollten westliche Projektmanager auf Zwischentöne und versteckte Botschaften achten. Am Ende zählt immer das geschriebene Wort. Aber - es kann sein, dass auch ein Vertrag in Indien nicht viel hilft. Wie bitte? Ein Vertrag hilft nicht viel? In Indien darf Verträgen nicht völlig blind vertraut werden. Mir ist ein Beispiel bekannt, bei dem der Staat einem Unternehmen Bauland zugesichert hat, das teilweise Privatpersonen gehörte. Vieles scheint in Verträgen geregelt, und trotzdem kommt es zu Ungenauigkeiten und Unstimmigkeiten. Dies kann erhebliche Planungsänderungen, Terminverzüge und Zusatzkosten zur Folge haben. Also auf der Hut bleiben? Vor allem die indientypischen Usancen kennen. Beispiel Recruiting: Projektmanager werden überrascht sein über die Zahl der Bewerber, deren Unterlagen exakt zur ausgeschriebenen Stelle passen. Vermutlich sind viele Unterlagen geschönt? Sie sind so gestaltet, dass sie zur Stellenanzeige exakt passen. Da weisen manche 30-Jährige höchst beein- „Ja“ ist nicht gleich „Ja! “ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 8 REPORT Hohe soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen sind im indischen Projektalltag unverzichtbar. Foto: privat PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 8 druckende Lebensläufe vor. Diese Praxis scheint in Indien weit verbreitet. Es wird akzeptiert, dass sich Bewerber um jeden Preis im rechten Licht darstellen wollen. Für Projektmanager heißt dies, die Angaben zu prüfen und nachzufragen. Möglicherweise hilft es auch, nicht nur einen Personalspezialisten, sondern auch einen Fachspezialisten an der Seite zu haben, der die richtigen Fragen stellt. Ähnliches soll für Lieferanten gelten … Bei den Vorbereitungsgesprächen und Vertragsverhandlungen schicken Lieferanten ihre besten Mitarbeiter. Beratungsgesellschaften entsenden Topleute. Möglicherweise kommen dann zur Abwicklung der Aufträge blutige Anfänger. Anderes Beispiel: Die Hierarchiestufen und vor allem die Titel in Indien unterscheiden sich von denen in Deutschland. In Indien scheint jeder Manager zu sein. Wer den Titel „Project Manager“ führt, würde in Deutschland möglicherweise als „Sachbearbeiter“ gelten. Das kommt häufig vor. Also eine gehörige Portion Misstrauen bei Verträgen, Absprachen, Bewerbungen und Titeln? Misstrauen nicht, aber Vorsicht und Prüfung. Ich will damit sagen: Projektmanager aus dem Westen sollten Angaben genauestens hinterfragen. Auch bei Selbstverständlichkeiten. Sie sollten exakt angeben, was sie wollen und erwarten - und sicherstellen, dass dies bei ihren Verhandlungspartnern richtig angekommen ist. Auch Vorsicht bei Verträgen dies wird als Bringschuld verstanden. Und noch etwas: Projektmanager sind gut beraten, wenn sie für Verhandlungen ausreichend Zugeständnisse einplanen. Für Verhandlungen braucht man nach meiner Beobachtung in Indien mehr Flexibilität als in Deutschland. In asiatischen Ländern wie China spielen Netzwerke eine große Rolle. Außerhalb der Netzwerke Stehende haben kaum eine Chance, sich Gehör zu verschaffen und ihre Interessen durchzusetzen. Ist dies in Indien ähnlich? Ja, Netzwerke sind sehr wichtig - gerade im Umgang mit Behörden. Wie können Projektmanager diese Netzwerke bilden? Ich denke, Projektmanager haben wenig Chancen, diese Netzwerke selbst zu bilden. Da braucht man einheimische Partner - und zwar direkt vor Ort. Es ist sinnlos, auf die Netzwerke eines südindischen Partners für ein Projekt in Nordindien zu hoffen. Der Partner muss am Standort gut vernetzt sein, muss beispielsweise die Leute in dortigen Behörden kennen. Dabei müssen natürlich diverse Richtlinien und Regeln beachtet werden. Ich meine damit unter anderem auch die Compliance. Netzwerke verschaffen wichtige Verbindungen. Welche Rolle spielen die Netze darüber hinaus? Die informelle Kommunikation spielt in indischen Unternehmen eine weitaus größere Rolle als in Deutschland. Wer in Netzwerken eingebunden ist, erhält wichtige Informationen. Stichwort „Flurfunk“? Ja, so kann man dies verstehen. Wobei dieser Flurfunk immer auf einer Hierarchieebene bleibt, also kaum zu Vorgesetzten durchdringt. Solche Gemeinschaften muss sich ein Projektmanager aus dem Westen erschließen. Zum einen kommt er an Informationen, zum anderen kann er dafür sorgen, dass gut über ihn gesprochen wird. Er kann also mit der Zeit sein Standing verbessern. Dafür muss er ein Stück weit dem Bedürfnis der Inder nach zwischenmenschlicher Harmonie entgegenkommen, sich also von seiner persönlichen Seite zeigen, freundschaftliche Verhältnisse pflegen. Auch hier: Vertrauensbasis als Schlüssel zu Erfolg? Mit Sicherheit! Der Projektalltag hat bekanntlich seine rauen Seiten. Wie gehen Inder mit Konflikten um? Anders als wir! In Deutschland spricht man eine deutliche Sprache, benennt vielleicht einen Schuldigen und diskutiert dann in Krisensitzungen mögliche Lösungen. In Indien geht man anders vor. Aha? Wie? Bei Konflikten achtet man darauf, dass keine Partei ihr Gesicht verliert. Es dauert lange, bis man einen Konflikt überhaupt benennt. Konflikte werden häufig … Netzwerke in Indien projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 l 9 Lebensfreude pur - Schnappschuss mit indischen Kindern Foto: privat PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 9 … unter den Teppich gekehrt? Ja. Sie werden lange überhört, übersehen und übergangen. Auch erkennen Europäer nicht die Versuche der frühzeitigen Schlichtung, oder sie reagieren falsch auf diese Versuche. Im Stillen versucht man gegenzusteuern. Kommt ein Konflikt dann doch zur Sprache, haben die Diskussionen häufig nicht die scharfen Töne, die wir kennen? Kommt auf den Fall an! Ich habe indische Vorgesetzte beobachtet, die ihre Mitarbeiter auch mal vor versammelter Mannschaft niedermachen. In anderen Fällen haben Inder gerne und viel die Gemeinsamkeiten der Parteien betont und das Positive der verschiedenen Meinungen hervorgehoben. Lösen Inder Konflikte im Allgemeinen konstruktiver als wir? Vielleicht! Man geht aufeinander zu; es gibt vielleicht weniger Verlierer bei Konflikten. Solche Lösungen brauchen natürlich Zeit. Konfliktgespräche dauern länger als bei uns. Anders gefragt: Haben uns Inder in diesem Punkt etwas voraus? Ich denke, nicht nur in diesem Punkt. Ich habe beobachtet, dass Inder generell flexibler denken und arbeiten als wir. Ist bei uns beispielsweise das Änderungsmanagement in einem Projekt implementiert, dann bleibt man bei den Prozessen. In Indien kann es sein, dass solch fest implementierte Prozesse nötigenfalls nochmals verändert und angepasst werden. In Deutschland wäre eine solche Änderung deutlich komplizierter. Konfliktmanagement in Indien Das freundliche, harmonische, auf Gesichtwahrung ausgerichtete Verhalten kann Nachteile haben. Mitunter wünschen sich Projektmanager klare, offene Kommunikation, um Probleme rechtzeitig zu erkennen. Droht in Indien die Gefahr, dass Projektmanager von Schwierigkeiten in ihren Projekten zu spät erfahren? Solange die Vertrauensbasis zwischen Mitarbeitern und Managern nicht stabil ist, werden sich Mitarbeiter scheuen, Probleme und Fehler zu melden. Welche Indizien können auf Schwierigkeiten hindeuten? Bei welchen Signalen sollten Projektmanager hellhörig werden? Indikatoren sind häufig ausbleibende Antworten auf Fragen. Auch wenn Antworten ungenau sind, wenn der Projektmanager im Nebel stochert, kann dies Schlechtes bedeuten. Je weniger und ungenauer die Aussagen sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Dachstuhl des Projekts schon in Flammen steht? Ich würde in solchen Fällen nachhaken. Denken Sie an die Bringschuld! Zum Abschluss ein kleiner Indien-Knigge. Was ist üblich in Indien? Ich rate - wie vorhin gesagt - zur Vorsicht mit Pauschalregeln und Stereotypen. Indien befindet sich im Wandel, insbesondere die Arbeitswelt. Und für Europäer ist Indien bestimmt kein leichtes Pflaster. Ich habe großen Respekt vor westlichen Kollegen, die teils über viele Jahre in Indien leben und arbeiten. Sie müssen nicht nur den Arbeitsalltag meistern, sondern auch mit den Hürden des Alltags und des Privatlebens zurechtkommen. Gibt es nicht doch ein paar goldene Regeln für diesen Alltag? In Indien wird viel mit den Fingern gegessen. Zumindest tun das die Inder. Bei Geschäftsessen werden aber häufig auch - wie im Westen - Messer und Gabel benutzt. Heißer Tee wird geschlürft. Es wird Whiskey getrunken, was man von der britischen Lebensart übernommen hat. Eines ist mir aufgefallen: Inder laden gerne Kollegen ein, häufig sehr spontan. Diesen Einladungen sollte man folgen. Sie sind nicht, wie bei uns häufig, aus Höflichkeit ausgesprochen. Was man noch wissen sollte: Der gemütliche Teil eines Abends findet vor dem Essen statt, nicht wie bei uns nach dem Essen. Nach Ende des Essens löst sich die Gesellschaft schnell auf. Was sollte man sich als Europäer in Indien auf keinen Fall erlauben? Es gibt einiges, das nicht erwünscht oder unüblich ist. Man isst beispielsweise nicht mit der linken Hand, sie gilt als unrein. Mit der linken Hand sollte man übrigens auch keine Visitenkarten oder Geschenke überreichen. Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit oder das Zusammenleben vor der Ehe werden nicht akzeptiert. Und was Inder überhaupt nicht mögen: besserwisserische, respektlose Ratschläge zum indischen Alltag! ■ Warnsignale in Projekten 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 10 REPORT Baustart für eine neue Fabrik „auf der grünen Wiese“: Viele europäische Unternehmen rüsten sich, den indischen Markt zu bedienen. Vor allem deutsche Autos sind in Indien hoch begehrt. Foto: privat Im Ze berat in ein Sie an FÜR PROJE PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 54 Uhr Seite 10
