eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 23/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
51
2012
233 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Mit Methode zum Team

51
2012
Wieland Cichon
Christian Greiner
Holger Günzel
Fehlende Methodik im Projektmanagement und keine Teambildung, so muss ein Projekt scheitern. Dabei bedingen sich Methodik und Teambildung und können sich synergetisch ergänzen. Vorgehensmodelle, Tools und Werkzeuge sind an die unternehmensspezifischen Erfordernisse anzupassen und weiterzuentwickeln. Ein Projektmanagement-Customizing ist notwendig. Dieses orientiert sich an den fachlichen Erfordernissen, den vorhandenen Kompetenzen, an dem Reifegrad der Organisation und der Personen. Wie das geht und welche Schritte dafür nötig sind, wird in diesem Artikel beschrieben.
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1. Ein ganz alltägliches Problem im Projektmanagement Die folgende Situation beschreibt - als Einführung und zur Sensibilisierung - ein alltägliches Problem in nicht wenigen Projekten: Ein mittelständisches Unternehmen der Metallverarbeitung, kein OEM, sondern ein Komponentenzulieferer mit mehreren Fertigungsstandorten im In- und Ausland, will eine ERP-Software einführen. Die Ausgangslage ist, dass die vorhandene Software eigenentwickelt ist und über einen Zeitraum von 15 Jahren immer wieder an die spezifischen Erfordernisse angepasst wurde. Die vorhandene Lösung ist gut, aber - was den Datenaustausch mit den Kunden, die Anpassung an neue gesetzliche Anforderungen und die Mengenskalierbarkeit betrifft - an ihre Grenzen gestoßen. Die (neue) ERP-Software soll helfen, das Unternehmen auf eine neue Technologiebasis zu stellen. Vom Ansatz ist das richtig, aber: ❑ Im Bewusstsein, dass alle Prozesse dem Standard entsprechen, und im Bestreben, eine schnelle Einführung zu erreichen, die auch weniger kostet, wird sofort mit der Realisierung begonnen. Ein Fehler, der sich dramatisch rächen soll. Das gesamte Umfeld wird nicht analysiert, weder die Fragestellung, wie sich das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren am Markt positionieren will, noch die Frage, was in den Prozessen wirklich Standard ist und was nicht, wird untersucht. ❑ Ebenfalls fehlt jeglicher Ansatz eines Prozess-Redesigns. Eine Geschäftsprozessanalyse könnte versteckte Potenziale aufzeigen, um Kosten zu senken und Fehler zukünftig zu vermeiden. Auch die Qualität der Stammdaten für eine Migration wird nicht betrachtet. ❑ Es fehlt die Festlegung, wer für Prozesse, insbesondere wenn diese werksübergreifend oder buchungskreisübergreifend sind, verantwortlich ist und als Ansprechpartner dient. Im weiteren Verlauf ist dieser organisatorische Rahmen nicht vorhanden. ❑ Das gesamte Umfeld, die Rahmenbedingungen und die Auftragsklärung sind letztlich nicht in das Projekt eingegangen, ebenso wenig Risiken, Stakeholder-Interessen und vieles mehr, was in einer methodischen Vorgehensweise als standardmäßig angesehen wird. Vielmehr werden diese Phasen - im Interesse einer (scheinbar) schnellen Implementierung - übersprungen. In die Realisierung sind das firmeninterne Team (aus Mitarbeitern der verschiedenen Fachabteilungen und der IT) eingebunden, ein externer Beratungspartner mit fest angestellten Beratern (die teilweise auch in anderen Projekten tätig sind und deshalb nur tageweise arbeiten) sowie eine Vielzahl von „eingekauften“ freien Beratern, die für Spezialthemen zuständig sind. Dass es bei einer solchen Konstellation - viele, heterogene Personen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Erwartungen und Zielen - unabdingbar ist, eine Teambildung anzustreben, dürfte einleuchten. Nur so können die Personen eine Sprache sprechen, sich verstehen, Konflikte konstruktiv lösen und an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Aus Zeitgründen wird auch dies nicht gemacht. Sich auf einheitliche Methoden und Werkzeuge schon früh in der Planungsphase festzulegen, um die inhaltliche und soziale Komplexität eines solchen Projekts zu kanalisieren, ist ein Muss. Umso mehr wird das Fehlen eines einheitlichen Reporting- und Monitoring-Instrumentariums zur Katastrophe, als man sich zu lange darauf konzentriert, nur den Status quo zu übertragen. Man ist rein funktional fokussiert und verliert die letztlich entschei- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 24 WISSEN Mit Methode zum Team Eine integrierte Methode zur Teambildung im Projektmanagement Schlechte oder unklare Methodik im Projektmanagement und fehlende Teambildung, jedes für sich allein ist schon kritisch, die Mixtur beider aber lässt jedes Projekt scheitern. Beispiele gibt es dafür zuhauf. Dabei bedingen sich Methodik und Teambildung und können sich synergetisch ergänzen, um High Performer im Projektmanagement zu werden. Der Schlüssel dazu ist die unternehmensspezifische Anpassung und Weiterentwicklung der Methoden und Werkzeuge, ein Projektmanagement-Customizing, das sich nicht an Moden orientiert, sondern an fachlichen Erfordernissen und vorhandenen Kompetenzen, das den individuellen Reifegrad berücksichtigt und Raum für Entwicklung schafft. Wie das geht und welche Schritte dafür nötig sind, wird im Folgenden beschrieben. Wieland Cichon, Christian Greiner, Holger Günzel Fehlende Methodik im Projektmanagement und keine Teambildung, so muss ein Projekt scheitern. Dabei bedingen sich Methodik und Teambildung und können sich synergetisch ergänzen. Vorgehensmodelle, Tools und Werkzeuge sind an die unternehmensspezifischen Erfordernisse anzupassen und weiterzuentwickeln. Ein Projektmanagement-Customizing ist notwendig. Dieses orientiert sich an den fachlichen Erfordernissen, den vorhandenen Kompetenzen, an dem Reifegrad der Organisation und der Personen. Wie das geht und welche Schritte dafür nötig sind, wird in diesem Artikel beschrieben. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 57 Uhr Seite 24 dende Integration der Funktionen aus den Augen. Die Planung und das Monitoring haben anfangs keinerlei Szenarien für Prozesse definiert, die laufende Steuerung des Fertigstellungsgrades (einer integrierten Lösung) kann deshalb nicht erfolgen. Als Konsequenz verzögert sich die Systemeinführung beträchtlich, es erfolgt keine simultane Implementierung an allen Standorten - wie beabsichtigt -, sondern schrittweise mit allen daraus resultierenden Schnittstellenproblemen. Die insgesamt höheren Kosten werden begleitet von zunehmend unzufriedenen und frustrierten Mitarbeitern und Beratern. Alles, was man zu Beginn nie erwartet hatte, tritt als Worst Case ein. Die Ursache war der Start, die Planung, eine fehlende Projektmanagementvorgehensweise, die sich letztlich in einer schwachen inhaltlichen Methodik widerspiegelt. Als Resümee kann man festhalten: Am Anfang war das Problem und die Ursache ist der Mensch! 2. Das Problem: Defizite in der PM-Methodik und mangelnde Teambildung Der skizzierte Fall lässt sich verallgemeinern und auf eine abstraktere Ebene heben, um grundsätzliche Probleme und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies sollen die folgenden Zeilen deutlich machen. Dabei soll die Position des Projektmanagers herausgegriffen werden, um anhand seiner Rolle und Aufgabe die unterschiedlichen Faktoren zu beleuchten. Für eine allgemeine Beschreibung des Sachverhaltes sei auf [1], [3] und [5] verwiesen. Der Projektmanager ist immer wieder mit folgender Situation konfrontiert: Ihm war das Problem von Anfang an klar, ebenso der Auftrag an das Projektteam und die einzelnen Schritte und Arbeitspakete. Von Beginn an hatte er eine Vorstellung vom Ergebnis. Und dann passierte Folgendes: Die Mitarbeiter hatten ihn falsch verstanden, sie hatten ein anderes Problemverständnis und das Ergebnis passte nicht zu dem ursprünglichen Auftrag. Die Folgen waren ❑ Unstimmigkeiten, weil jeder sich missverstanden gefühlt hat, ❑ zusätzlich erforderliche Energie, um das Ganze wieder zu kanalisieren, und ❑ zeitlicher Mehraufwand, der eine zweite Schleife in der Projektabwicklung erforderte. Damit sich solche Fehler nicht wiederholen, sind einige Ursachen einer solchen Krise zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen: ❑ Der Projektleiter und die Mitarbeiter sind im Projektablauf in ganz verschiedenen Phasen. Während der Projektleiter die Auftragsklärung, die Ziele und den Zweck, das Ergebnis und die Rahmenbedingungen „schon hinter sich hat“ und sich mit der Planung, den Meilensteinen und kritischen Faktoren beschäftigt, sind die Mitarbeiter noch ganz am Anfang. Für die Mitarbeiter ist das gesamte Projekt noch unscharf, sie kennen weder Ziel noch Zweck und haben keine Vorstellung, wie am Ende das fertige Produkt aussehen wird. Ähnlich wie in vielen Change-Projekten sind alle Beteiligten auf eine gemeinsame Ausgangsbasis zu stellen, damit sie nicht mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten losmarschieren und voneinander unabhängig arbeiten. Erst wenn diese Basis geschaffen ist, können weitere, abgestimmte Schritte getan werden. Professional MBA Project & Process Management Taught in English by top professors and industry experts, enabling you to master challenging projects successfully. Duration: 18 months part-time (blocked modules) Location: Vienna, Austria Next Start: October 2012 Contact: WU Executive Academy pmba_ppm@wu.ac.at +43-1-313 36-5421 www.executiveacademy.at/ pmba PMBA_PPM projektmgmt-aktuell 116x297+5mm_2012_sw.indd 1 12.12.2011 16: 32: 41 PMBA_PPM projektmgmt-aktuell 116x297+5mm_2012_sw.indd 1 12.12.2011 16: 32: 41 PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 57 Uhr Seite 25 ❑ Der Projektleiter darf in der Zusammenarbeit nicht den Fehler machen, seine eigenen Vorstellungen und Ergebnisse auf die Mitarbeiter zu übertragen. Er spiegelt seine Erkenntnisse auf die Mitarbeiter, ohne deren Vorwissen und Kenntnisse genau zu kennen. Wahrscheinlich werden 80 Prozent der Erwartungen nicht erfüllt. Eine Projektleitung muss hier ansetzen und eine gemeinsame Basis für das miteinander Arbeiten und die Kommunikation schaffen. Alle Beteiligten müssen Inhalte und Begriffe in gleicher Weise verwenden und eine gemeinsame Sprache sprechen. Diese Probleme irritieren, denn das Thema Projektmanagement fehlt in keinem Trainings- und Fortbildungsprogramm. Kurse dazu gibt es im Überfluss, wer Methoden und PM-Tools sucht, wird von der Angebotsfülle erschlagen. Allerdings werden oft banale Dinge, die eine große Wirkung haben und die in Projekten eine hohe Sprengkraft besitzen, leider nur unzureichend beachtet: ❑ Methoden und Werkzeuge werden häufig übernommen, weil diese auf dem Markt propagiert werden, gerade modern sind und „toll“ klingen, letztlich aber nicht zum Unternehmen/ Projekt, seiner aktuellen Kultur und dem individuellen Reifegrad passen. Schließlich werden sie oft mehr schaden als nutzen, weil die Proliferation Verwirrung stiftet und zu viele Methoden nicht miteinander vereinbar sind. Eine Alternative zu dieser Vielfalt sind individualisierte Vorgehensweisen, die die eigenen Stärken herausheben und weiterentwickeln - diese müssen entwickelt werden. Denn weniger ist mehr: Es ist effektiver, fünf Werkzeuge/ Methoden zielgerichtet anzuwenden und nutzen zu können, als 30 verschiedene zu kennen, aber nicht einsetzen zu können. ❑ Mündige, kritische und eigenverantwortliche Projektmitarbeiter liefern bessere Ergebnisse als ein starres Anwenden der „besten“ Methode durch Technokraten. Ein agiles Projektmanagement, das auf Selbstorganisation und Selbststeuerung setzt, weil das Umfeld komplex und dynamisch ist, wird sich auf das Lernen und Weiterentwickeln fokussieren und die individuellen Methoden verbessern. ❑ Die fundamentalen Fehler werden am Anfang gemacht. Der Wunsch, schnelle Erfolge zu sehen (vgl. [4]), darf nicht die gesamte Projektlaufzeit determinieren und schließlich diese verzögern. Jede Minute, die zu Beginn investiert wird, wird sich im weiteren Verlauf zigfach rentieren. Es ist deshalb rechtzeitig Hilfestellung für das Projektteam bereitzustellen. Man darf nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dies wiegt umso schwerer, als viele Projektleiter geneigt sind, das Fragen um Unterstützung als Inkompetenz und mangelnde Managementfähigkeiten zu bewerten, nicht als Zeichen der Stärke und des Erkennens von Handlungsbedarf. Als Konsequenz wird eine Korrektur im Ablauf immer weiter hinausgeschoben, bis die Gesamtsituation wirklich kritisch ist und die Ampel dunkelrot aufblinkt. Dass der Auftraggeber oder das Topmanagement einen eigenen Beitrag dazu leisten, braucht nicht extra betont zu werden. ❑ Damit ist ein weiterer wichtiger Punkt beleuchtet: die Kommunikations- und Konfliktkultur. Werden die Mitarbeiter gefragt, wie der Stand des Projekts ist, werden in 99 Prozent der Fälle nur positive Aussagen kommen, auch wenn dem einzelnen Mitarbeiter schon längst klar ist, dass Termine nicht eingehalten werden können und das Ergebnis nicht den Erwartungen entsprechen wird. Hier gilt es, die richtige Ansprache an die Projektmitarbeiter (intern und extern) zu finden. Indirekte Fragen und das bewusste Wahrnehmen von schwachen Signalen sind dabei wirksame Möglichkeiten, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und anzusprechen. Eine solche Kultur sucht nach Lösungen, nicht nach Schuldigen. Der Konflikt soll produktiv genutzt werden, um die Leistung zu verbessern. ❑ Dazu gehört auch, den Konflikt im Gespräch nicht zu scheuen, nicht locker zu lassen, wenn Meetings ohne feste Ergebnisse beendet werden sollen, sondern immer konkrete Schritte, Eigenschaften und Termine einzufordern. Das Fragen und Hinterfragen (Was will der Kunde/ Auftraggeber wirklich? / Was ist das eigentliche Problem? ) will und muss gelernt sein. Der Projektmitarbeiter muss sich trauen und kann nur in einem solchen kritischen Dialog dazu kommen, nicht mehr an der Oberfläche zu kratzen und nur die Symptome zu sehen, sondern die tieferen Ursachen zu erkennen und eine klare Diagnose abzuleiten. Letztlich dient dieses Vorgehen dazu, einen Reifegrad im Projektmanagement zu erreichen, der eine Differenzierung zu anderen erlaubt und die Projekt-Performance signifikant steigert. ❑ Kennen heißt nicht können, immer wieder stellt man dies fest. Jeder Mitarbeiter hat diverse Kurse besucht. Er kennt die Grundsätze der Planung, er weiß, was kritische Erfolgsfaktoren sind, wie man Meilensteine festlegt, wie man in Konflikten kommunizieren soll usw. Und was ist die Realität: Man setzt es nicht um! 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 26 WISSEN Einladung zur Diskussion ❙ Vor einigen Tagen erhielten wir die obige interessante und wichtige Anfrage, mit der sich unseres Wissens die Literatur noch nicht beschäftigt hat. Wir laden Sie deshalb ein, uns dazu Ihre Erfahrungen und Meinungen mitzuteilen. Die besten Antworten fassen wir dann mit Namensangaben des Einsenders in der nächsten projekt- MANAGEMENT aktuell zusammen. Senden Sie Ihren Kommentar bitte an die E-Mail-Adresse h.schelle@gaponline.de. Wir bedanken uns jetzt schon für Ihr Engagement. Muss ein Projektmanager die Branche und das Produkt seines Projekts gut kennen, um erfolgreich zu sein? B i t t e b e a c h t e n ! PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 57 Uhr Seite 26 Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, fest steht aber: Auch Üben will gelernt sein. Im Projektmanagement muss man weg vom rein kognitiven und hin zum Erfahrungslernen, zum Umsetzen und konkreten Erfahren. Nur so werden die Mitarbeiter richtig planen und steuern und praktisches (im Gegensatz zu theoretischem) Projektmanagement können. Ein einsatz- und anwendungsorientiertes Training ist der Schlüssel dazu. Das alles bedeutet, dass stets auf einer inhaltlichen und auf einer Beziehungsebene zu arbeiten ist, um Projekte und alle Beteiligten in dieselbe Erfolgsrichtung zu bringen, und zuletzt natürlich auch auf einer methodischen Ebene, damit das Ganze strukturiert und geplant abläuft und das Rad nicht jedes mal neu erfunden werden muss. Es ist offensichtlich, dass ein solches Vorgehen zu Beginn eines Projekts auch dazu geeignet ist, die Teambildung zu fördern. Jedes Mitglied wird von Anfang an auf die Ziele eingeschworen, der Gesamtkontext und der Auftrag sind allen klar, die verwendeten Begriffe sind verbindlich und akzeptiert festgelegt, alle Teammitglieder haben eine gemeinsame Sprache und Sichtweise, auch die Spielregeln im Projekt sind bekannt. Ein solches Vorgehen schweißt das Team zu Beginn zusammen. Die interne Arbeitseffizienz wird von Anfang an hoch sein, weil interne Transaktionskosten minimiert werden. Auf Basis dieser Erkenntnis haben die Autoren mit einem Industriepartner ein Pilotprojekt realisiert, in dem die nachfolgende Vorgehensweise prototypisch getestet worden ist. 3. Methode: Projektphasen, Ziele, Inhalte, Methoden und Werkzeuge Im Folgenden wird eine Methode beschrieben, mit der unternehmensspezifisch geeignete Tools auf die projektspezifischen Erfordernisse angepasst werden können. Bei Bedarf können Detailbeschreibungen, die eine konkrete Umsetzung zeigen, von den Autoren angefordert werden. Zu Beginn sind die einzelnen Phasen festzulegen, für die Vereinbarungen getroffen werden sollen. (Diese Festlegung ist ein Rahmen, der flexibel an das Unternehmen angepasst werden kann. Die vorgeschlagenen Module haben sich allerdings bewährt und sollen einen Vorgabecharakter haben.) Die Projektvorbereitung, das Projektumfeld, die Grenzen sowie die Rahmenbedingungen sind ein vielfach unterschätztes Thema, das einen hohen Einfluss auf den Erfolg und die Umsetzung der Ergebnisse hat. Kooperation und Kommunikation nach innen und außen sind in ihrer Funktion als kritische Erfolgsfaktoren wahrzunehmen und zu organisieren. Das Umfeld ist ein Bereich, der vor der eigentlichen Projektarbeit zu gestalten ist. Für die Mitarbeiter heißt dies, ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Deshalb hat diese Phase für alle Beteiligten eine hohe Bedeutung, weil eine enorme Hebelwirkung erzielt werden kann. Die Klärung des Auftrags ist für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar zu machen, denn hier werden oft Fehler gemacht, die sich später nur schwer korrigieren lassen. Es geht darum, das (Kunden-)Problem richtig zu verstehen und es in einen Projektauftrag zu „gießen“. Für den Zweck („Wozu dient das Projekt? “) der Aktivitäten ist eine gemeinsame Basis aufzubauen. Dabei sind das Endergebnis („Was wollen wir am Ende erreicht haben? “), das sich der Kunde vorstellt, und die dazugehörigen kritischen Erfolgsfaktoren zu klären, der Zeitrahmen ist festzulegen und notwendige Meilensteine sind abzustimmen. Mitarbeiter und Projektleiter haben eine gemeinsame Basis für ihr Verständnis von Projekt und Anforderungen zu schaffen. Unstimmigkeiten und Interpretationen sind zu vermeiden. Je klarer Rahmenbedingungen und Projektauftrag spezifiziert sind, umso leichter wird im Anschluss die eigentliche Projektarbeit, die Erfüllung der Kundenerwartungen und die Projektakzeptanz, weil es klar definierte Erfolgsfaktoren gibt. Die Mitarbeiter können sich das Ergebnis vorstellen und ihre Arbeit daran ausrichten. Die Projektleitung kann besser Zeit und Ressourcen planen, weil Ergebnisklarheit herrscht. Am Ende sind das Testen und die Abnahme eine Routine, weil definierte Ergebnisse als Vergleichsmaßstab vorliegen. Die Projektplanung soll die Ressourcen, den Faktor Zeit und die Qualität so operationalisieren, dass die gesetzten Projektziele erreicht werden und die Effizienz in der Abwicklung sichergestellt ist. Dafür sind Ziele messbar zu machen und klar zu definieren. Sie sollen realistisch und mit einem Zeitbezug versehen sein. Dies gilt für Ergebnisziele ebenso wie für Vorgehensziele. Die nächste Phase im Projektgeschäft ist die Organisation der täglichen Projektarbeit, das Tagesgeschäft. Das zeitnahe, realistische und an den Zielen orientierte Controlling soll den Projekterfolg sicherstellen. Dafür wurde am Anfang das Ergebnis mit Erfolgskriterien festgelegt. Neben „harten“ Berichtsgrößen sind auch „weiche“ Faktoren zur Früherkennung von Problemen („schwache Signale“) zu berücksichtigen. Das Projektmanagement kann dadurch wie mit einem Radar Hindernisse voraussehen und den Kurs anpassen. Am Ende eines jeden Projekts sollte ein Projekt-Review stehen, dem leider viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Denn es werden am Anfang und am Ende die meisten und schwerwiegendsten Fehler gemacht, die sich nur schwer korrigieren lassen. Um einen höheren Reifegrad in der Projektmanagementkompetenz zu erreichen, sind die Stärken und Schwächen einer Projektarbeit zu reflektieren, ist Positives zu dokumentieren und anderen zugänglich zu machen. Letztlich geht es darum, diese Erfahprojekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 l 27 Anzeige PM_3-2012_1-52: Inhalt 31.05.2012 10: 09 Uhr Seite 27 rungen auf spätere Projekte zu übertragen. Dies betrifft Methoden und Werkzeuge, individuelle Fertigkeiten und Fähigkeiten, den eigenen Organisationsgrad. Nachdem die einzelnen Projektphasen skizziert sind, soll die Tabelle 1 verdeutlichen, wie sich das Konzept insgesamt zusammensetzt. Für jede Projektphase sind die Ziele und der Zweck, warum man diese Phase macht, nochmals zu erarbeiten und zu beschreiben. Dies erfolgt immer auf die ganz konkrete Projektsituation bezogen und beschreibt spezifisch den Zweck. Beispiel kann die Festlegung auf einen Berichtsstandard sein, ebenso eine verbindliche und realistische Planung, die von allen Betroffenen akzeptiert wird. Aus dem Ziel und Zweck leiten sich dann die Inhalte und konkreten Ergebnisse für ein Projekt ab. Es gibt auch hier keine fertigen Antworten „von der Stange“, vielmehr sind diese Punkte immer projektspezifisch zu erarbeiten. Dies können im Einzelnen sein: Wie sollen Teammeetings organisiert werden? Welche Namenskonventionen gibt es? Wie werden bestimmte Kenngrößen berechnet? Wann soll eine Eskalation stattfinden? usw. Die verwendeten Werkzeuge stellen sicher, dass eine Nachvollziehbarkeit und Verbindlichkeit geschaffen wird, dass man eine Sprache spricht und dass die Dokumentation sichergestellt ist. Die konkrete Ausgestaltung kann nur im situativen Kontext für die konkrete Unternehmung und das konkrete Projekt erfolgen. Daher sollen die Beispiele als Anregungen verstanden werden, um einen ersten Anhaltspunkt zur Entwicklung einer individuellen Vorgehensweise und Methode zu haben. (Die vorgestellte Methode kann auf die Bereiche Risk Management oder den Umgang mit Change Requests jederzeit angepasst werden.) 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 28 WISSEN Phasen Ziele und Zweck Inhalte und Ergebnis Methoden und Werkzeuge Projektvorbereitung und Projektumfeld ❑ Bewusstmachen ❑ Wachrütteln ❑ Sensibilisieren ❑ Kennenlernen ❑ Projektvertrag ❑ Kommunikationsregeln ❑ Selbstverpflichtung ❑ Mindmapping ❑ Mentoring und Coaching ❑ Checklisten und Referenzprojekte ❑ technische Plattformen Auftragsklärung ❑ gemeinsame Sicht auf das konkrete Kundenproblem ❑ Inhalt und Umfang ❑ Rahmenbedingungen ❑ Baseline ❑ Checklisten ❑ Projektvertrag ❑ Visualisierungsinstrumente ❑ Kreativitätstechniken Projektplanung ❑ realitätsnahes Abbild des zukünftigen Handelns ❑ Einbindung der Mitarbeiter ❑ Akzeptanz und Identifikation ❑ Projektstrukturplan mit Arbeitspaketen ❑ Zeitplanung ❑ Priorisierung im Sinne eines kritischen Pfades ❑ Meilensteine ❑ Planungssoftware ❑ Dokumentationen ❑ Referenzprojekte ❑ Außenperspektive durch externe Sicht Projektrealisierung und -controlling ❑ zeitnahe und richtige Informationen über Verzögerungen, Qualitäts- und Kostenprobleme erhalten ❑ Informationen, um tiefere Ursachen von Abweichungen zu erkennen ❑ Verlässlichkeit ❑ qualitative Beratung und Kommentierung ❑ Einigkeit über verwendete Controlling Tools ❑ Informationsbedarfe, Datenquellen und Granularität ❑ Metriken ❑ Eskalationsregeln ❑ akzeptierte Medienbrüche ❑ Abstimmungslogiken ❑ Controlling Software ❑ Klare Kommunikationsstruktur und -regeln ❑ Reporting ❑ Frühindikatoren und Erkennen „schwacher“ Signale Projekt-Review ❑ Bewusstsein entwickeln, aus Verbesserungspotenzialen zu lernen ❑ Fehler zukünftig vermeiden und sich entwickeln ❑ Lessons Learned Dritten zugänglich machen ❑ Organisatorische Form des Reviews (individuelle Feedback-Gespräche, Jour fix etc.) ❑ Inhalte des Reviews (z. B. interne Kommunikation, gruppendynamische Entwicklungen etc.) ❑ Art der Dokumentation ❑ Institutionalisierung ❑ Feedback-Gespräche ❑ Review-Agenda ❑ Peer Groups ❑ Mentoring ❑ Wikis, Info-Blogs und Foren Tab. 1: Projektphasen und deren Ziele, Inhalte und Ergebnisse sowie Methoden und Werkzeuge PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 57 Uhr Seite 28 4. Integration … Alle diese Strukturierungen sind für ein Projekt sinnvoll, sie werden die Tagesarbeit erleichtern und die Zusammenarbeit verbessern. Allerdings werden die Ergebnisse singulär bleiben. Das bedeutet, dass sie dem einzelnen Projekt, dem einzelnen Mitarbeiter und der Projektleitung genutzt haben. Größere Ausstrahlungseffekte bleiben allerdings aus. In einem ersten Ansatz macht dies Sinn, um die Mitarbeiter und die Organisation nicht zu überlasten. Erste, schnelle Erfolge lassen sich so erzielen, allerdings wird die Nachhaltigkeit aller Aktivitäten nicht hoch sein. Deshalb sollte man anstreben, in einem zweiten Schritt größere Ausstrahlungseffekte zu erzielen. Dazu ist die Integration des Konzepts in die Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung anzustoßen. Dieser Integrationsgedanke soll nachfolgend skizziert werden. … in ein Continuous Project Management Development Ein Ziel für eine immer höhere PM-Leistungsfähigkeit ist die nachhaltige Verbesserung des PM-Reifegrads. Eine kontinuierliche Entwicklung hin zu akzeptierten Indikatoren, zu steuerbaren Lern- und Verbesserungsprozessen und zu definierten Ergebnissen jeder Stufe setzt dabei eine Konstanz voraus, ein kontinuierliches Streben nach Verbesserung. Im laufenden Projektgeschäft sowie nach Projektende sind in regelmäßigen, institutionalisierten Review-Phasen die Stärken und Schwächen zu analysieren und die Ursachen herauszuarbeiten, um den erreichten Stand zu stabilisieren und die Vorbereitungen für die nächsthöhere Stufe im Reifegradmodell zu erreichen. Dadurch wird eine laufende Verbesserung der Werkzeuge, der Methoden und der Vorgehensweise erreicht. Die Entwicklung und Verbesserung richten sich an den Erfordernissen des Unternehmens aus, an seiner Kultur und Kompetenz, an seiner Organisation und Strategie, seiner Technologie und seiner Bereitschaft und Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln. Ein solcher Ansatz hat den Vorteil einer evolutionären Entwicklung, die von innen kommt, im Gegensatz zu einer revolutionären, die von außen kommt und von oben oktroyiert wird. … in das Wissensmanagement Das erworbene Wissen ist ein Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor, gerade im Projektgeschäft. Umso unverständlicher ist es, dass dieses Wissen viel zu häufig rein personenbezogen ist, anderen nicht zugänglich gemacht wird und letztlich mit dem einzelnen Mitarbeiter kommt und geht. Das Wissen „versandet“, ein Produktionsfaktor wird nicht genutzt. Ein Wissensmanagement reduziert Suchzeiten. Daneben wird die Kommunikation in Gang gesetzt. Gerade diese Kommunikation fehlt häufig, die Mitarbeiter fühlen sich nicht ernst genommen, ihre Erfahrungen und Bedenken werden nicht gehört, ihre Meinung ist nicht wichtig. Die Konsequenzen kann sich jeder vorstellen, wenn man sich selber in diese Position versetzt. Werkzeuge und Methode zwingen zur Kommunikation, das miteinander Reden ist der Schlüssel zum Erfolg, diese Tools sind der fehlende Anstoß. Leider wird dies erfahrungsgemäß in einer Vielzahl von Projekten zu spät als Problem wahrgenommen, die fehlende Teambildung am Projektanfang kann am Ende nicht mehr nachgebessert werden. 5. Teambildung am Projektanfang Die vorgestellte Methode macht schon zu Beginn die Ziele deutlich, zeigt Widersprüche und unterschiedliche Interpretationen auf, schafft eine Basis für einen konstruktiven Dialog und schweißt die Teammitglieder dadurch zusammen. Erst dann, wenn diese Phase einvernehmlich geklärt ist, wenn hinreichende Klarheit bei allen Beteiligten besteht, kann der nächste Schritt getan werden. Auf der Grundlage gemeinsamer Ziele lassen sich Pläne und Meilensteine erstellen. Gemeinsame Werkzeuge und Methoden schaffen eine Vergleichbar- Anzeige PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 57 Uhr Seite 29 keit, anhand derer die Mitarbeiter miteinander kommunizieren können. 6. Fazit und Schlussfolgerungen Den Autoren ist bewusst, dass sich erfolgreiche Teamarbeit aus einer Vielzahl von Faktoren zusammensetzt. Eine eindimensionale Erklärung ist zu einfach und deshalb falsch. So wird die richtige Personalauswahl schon lange vor einem Projekt in der Rekrutierung getroffen. Allerdings überrascht es immer wieder, wie oft Projekte auch mit guten, motivierten Mitarbeitern scheitern. Der beschriebene Ansatz kann dazu beitragen, eine Struktur in die Projektarbeit zu bringen, eine Struktur, die verständnisvolle Kommunikation fördert, die ein gegenseitiges Verständnis sichert, die die Einbindung aller sicherstellt, die Identifikation mit Projektzielen ermöglicht und somit eine Basis schafft, auf der alle Beteiligten arbeiten können. Methoden und Werkzeuge, Dokumentationen und Vorgehensweisen sind primär Hilfsmittel, um über eine Kommunikation zu einer höheren Projekteffizienz zu kommen und am Ende zu einem höheren Reifegrad in der Projektarbeit. Die Methode ist dabei die Brücke vom Kennen zum Können. Die Umsetzung theoretischen Wissens in die Unternehmenspraxis wird durch die systematische Vorgehensweise erzwungen. ■ Literatur [1] Akkermans, H./ Helden, K. van: Vicious and virtuous cycles in ERP implementation: A case study of interrelations between critical success factors. In: European Journal of Information Systems 11, 2002, S. 35-46 [2] Cichon, W./ Greiner, C./ Günzel, H.: Unternehmensspezifisches Projektmanagement - Ein Weg zur Akzeptanzsteigerung: Anforderungen an Methode und Trainings. In: Günzel, H. (Hrsg.): Unternehmenswerte steigern. Forum Betriebswirtschaft München, München 2009 [3] Engel, C./ Quadejacob, N.: Fünf Erfolgsfaktoren für Projekte. GPM & PAConsulting, Projekt Magazin 1/ 2008 [4] Hengl, H. T.: Softwerker erkennen den Wert kürzerer Einführungszeiten. Konradin ERP-Studie, 2009 [5] Umble, E. J./ Haft, R. R./ Umble, M. M.: Enterprise resource planning: Implementation procedures and critical success factors. In: European Journal of Operational Research 146, 2003, S. 241-257 Schlagwörter Customizing, Projektorganisation, Projektphasen, Teambildung, Wissensmanagement Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.3 Projektanforderungen, 4.1.6 Projektorganisation, 4.1.7 Teamarbeit, 4.1.16 Überwachung und Steuerung, 4.1.18 Kommunikation, 4.1.20 Projektabschluss Autor Prof. Dr. Wieland Cichon war als Management- und SAP-Berater tätig. Seit 1995 ist er Professor an der Hochschule München. Autor Prof. Dr. Christian Greiner ist bei namhaften Unternehmensberatungen für Knowledge-Management und Portallösungen verantwortlich. Seit 2003 ist er Professor an der Hochschule München. Weiterhin ist er Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Themen der Wirtschaftsinformatik. Autor Prof. Dr. Holger Günzel ist seit 2007 Professor an der Hochschule München. Zwischen 2001 und 2007 war er bei der IBM Unternehmensberatung und IBM Global Business Services in der Beratung von internationalen Projekten als Führungskraft und Senior Managing Consultant tätig. Anschrift der Autoren Hochschule München Fakultät für Betriebswirtschaft Am Stadtpark 20, D-81234 München E-Mail: Wieland.Cichon@hm.edu Christian.Greiner@hm.edu Holger.Guenzel@hm.edu 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2012 30 WISSEN „Ich habe nützliche Tipps in einem Training der Haufe Akademie erhalten! “ „Wie schaffst Du es, dass alle Mitglieder Deines Projektteams an einem Strang ziehen? “ Zukunft im Kopf. Mehr Informationen unter www.haufe-akademie.de/ projektmanagement Anzeige PM_3-2012_1-52: Inhalt 29.05.2012 12: 57 Uhr Seite 30