eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 23/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2012
234 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

The Value of Project Management

101
2012
Martin Haberstroh
Thomas, J./Mullaly, M.: Researching the Value of Project Management. PMI Publishing, Newtown, Pennsylvania 2008, ISBN 978-1-933890-49-4, 458 Seiten, USD 34,95
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2012 48 WISSEN Dieses Buch behandelt ein Topthema: Welchen Wert hat Projektmanagement für Organisationen? Lohnt es sich für Organisationen, in die Implementierung von Projektmanagement zu investieren, speziell im Vergleich zu anderen Vorhaben (z. B. Lean Management, Qualitätsmanagementoffensive)? Diese Frage ist nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von großer Bedeutung, wenn Projektmanagementimplementierungen unter einem hohen Rechtfertigungsdruck stehen. Was dieses Buch auszeichnet, ist eine groß angelegte empirische Studie, um Antworten auf die Frage „Welchen Wert hat Projektmanagement für Organisationen? “ zu ergründen. Diese Studie wurde von Mai 2005 bis Juni 2008 von einem aus 48 Personen bestehenden internationalen Forscherteam durchgeführt. Die beiden Hauptautoren sind die Professorin Janice Thomas von der Athabasca University (USA) und der Unternehmensberater Mark Mullaly (USA). Die empirische Studie basiert auf einer Stichprobe von 65 weltweit verteilten Organisationen aus verschiedenen Branchen. Diese Organisationen kommen zum Beispiel aus Skandinavien, Nordamerika, Serbien, Russland, Lettland, Brasilien, China, dem Mittleren Osten und auch Deutschland. Die Branchen sind zum Beispiel Beratung, Kommunikation, IT, Bildung, Produktion, Forschung und Finanzen. Im Folgenden möchte ich speziell auf die großzahlig quantitative Analyse dieser Befragung eingehen, die ein besonderer Mehrwert dieses Forschungsberichts ist. Die eingesetzten statistischen Verfahren sind im Wesentlichen Faktorenanalysen und stufenweise multiple Regressionen. Aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von vorherigen Studien (speziell Fragebögen/ Messinstrumente) wurden diese statistischen Verfahren explorativ eingesetzt. Eine der zentralen Schlussfolgerungen in diesem Buch ist: „Insgesamt sind wir sehr sicher, die eindeutige Aussage treffen zu können, dass Projektmanagement Wert für die Organisationen schafft.“ Die Klarheit dieser Aussage sollte jedoch nicht dazu verleiten, einfache Ergebnisse bei der empirischen Analyse zu erwarten. Vielmehr zeigt sich ein äußerst facettenreiches und komplexes Bild über den Wert von Projektmanagement in Abhängigkeit vom Kontext der jeweiligen Organisation. Bei der statistischen Analyse wird der Wert von Projektmanagement mit nicht weniger als 15 Arten (bzw. Variablen) erfasst: 1. Wunsch nach Veränderung, 2. Zufriedenheit der Projektmanager, 3. Zufriedenheit der Kunden, 4. Abgestimmtheit mit dem Rest der Organisation, 5. Abgestimmtheit innerhalb des Projektmanagements, 6. Gute Projektmanagementpraktiken, 7. Gutes Projektmanagement (ohne Projektmanagementpraktiken), 8. Bessere Prozessresultate, 9. Bessere Projektergebnisse, 10. Bessere Unternehmensergebnisse, 11. Wachstum und Reputation, 12. Unternehmenskultur, 13. Verbessertes Personalmanagement und Lebensqualität, 14. Abgestimmtheit mit der Strategie und 15. Neue Dienstleistungen und geringere Mitarbeiterfluktuation. Nicht weniger facettenreich wird die Implementierung von Projektmanagement in den Organisationen erfasst: 1. Umfassendes Projektmanagementtraining, 2. Informeller Austausch (Lunch & Learn), 3. Fernunterricht mit Abschluss/ Zertifikat, 4. Intern und maßgeschneidert, 5. Standardisierte Trainings, 6. Angepasst und extern, 7. Langfristiges Training, 8. Kurzfristiges Training, 9. Umfassende Tools, 10. Ressourcenmanagement, 11. Kostenmanagement, 12. Klare Rollen und Training, 13. Trainierte Experten, 14. Traditionelle Treiber (z. B. Zeit-/ Wettbewerbsdruck), 15. Strategische Treiber, 16. (Organisations-)Interne Treiber, 17. PM-Kompetenz/ Autorität, 18. Umsetzungsorientiertes Project Management Office, 19. Methodenorientiertes Project Management Office. Dies verdeutlicht ein weiteres Ergebnis der Studie: Was unter Projektmanagement(-implementierungen) verstanden wird, variiert zwischen den Organisationen. Die weiteren 19 Variablen des Kontexts für die Projektmanagementimplementierungen möchte ich den Lesern hier ersparen. Natürlich ist von Interesse, welche Art von Projektmanagementimplementierung den Wert positiv beeinflusst. Wenn man sich auf die Projektmanagementimplementierungen konzentriert, die zumindest mit drei der 15 Wertarten positiv zusammenhängen (abzüglich der negativen Zusammenhänge), dann sind folgende sechs Projektmanagementimplementierungen relevant: 1. Standardisierte Trainings, 2. Langfristige Trainings, 3. Strategische Treiber, 4. Interne Treiber, 5. PM-Kompetenz/ Autorität und 6. Methodenorientiertes Project Management Office. Persönlich finde ich dieses Ergebnis der stufenweisen Regression nicht wirklich überzeugend, da zum Beispiel erstens diese von mir selbst gewählte Grenze für „wertvolle Projektmanagementimplementierungen“ eher niedrig ist und zweitens bei dem zentralen Wert „Bessere Projektresultate“ zwar statistisch signifikante Zusammenhänge mit sieben Projektmanagementimplementierungen vorliegen, von denen leider jedoch sechs negativ sind und nur das „Methodenorientierte Project Management Office“ positiv ist. Zudem werden eine Reihe weiterer negativer Zusammenhänge zwischen verschiedenen Projektmanagementimplementierungen und den Wertarten berichtet. Buchbesprechung The Value of Project Management Thomas, J./ Mullaly, M.: Researching the Value of Project Management. PMI Publishing, Newtown, Pennsylvania 2008, ISBN 978-1-933890-49-4, 458 Seiten, USD 34,95 PM_4-2012_1-72: Inhalt 22.08.2012 14: 04 Uhr Seite 48 Dennoch: Gemäß den Interviews geben alle befragten Organisationen an, dass das, was sie unter Projektmanagement verstehen, Wert für sie schafft. Dies wird damit erklärt, dass für die Organisationen jeweils eine sehr spezifische Passung („Fit“) aus Projektmanagementimplementierung, Kontext und jeweils angestrebtem Wert vorliegen muss. Eine statistische Analyse solcher Zusammenhänge ist generell nicht einfach und eine Stichprobe von 65 Organisationen ist hierfür auch zu gering. Dieses Buch ist ein englischsprachiger Forschungsbericht mit einem hohen Anteil an statistischen Analysen und anderen forschungsmethodischen Ausführungen. Es ist strukturiert und sachlich geschrieben. Zwar werden auch Aussagen und Beispiele von den 65 Unternehmen eingeflochten. Lebendig geschriebene, inspirierende Fallbeispiele dominieren jedoch nicht. Wenn man gezielt nach interessanten Aspekten sucht, kann man jedoch sicher interessante Inhalte finden. Beispielsweise, dass keine der befragten Organisationen die klassische Wertkennzahl „Return on Investment (ROI)“ verwendet oder die Diskussion von „Werttrends“ durch Projektmanagementimplementierungen. Dieses Buch ist ein sehr wertvoller Zwischenbericht, aber sicherlich nicht ein Abschlussbericht hinsichtlich der zentralen Frage „Welchen Wert hat Projektmanagement für Organisationen? “. Fundiert ist es durch eine groß angelegte, internationale empirische Studie. Für Wissenschaftler im Projektmanagement und wissenschaftlich interessierte Personen ist dieses Buch auf jeden Fall zu empfehlen. Wünschenswert sind empirische Studien, die auf diesen Befunden aufbauen und weiter gehende Antworten geben. Martin Haberstroh ■ Buchbesprechung Wenn die Wahrheit das Geschäft stört Irrgang, J.: Tatort Projekt. Wenn die Wahrheit das Geschäft stört. Wiley-Verlag Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-50661-3, 253 S., EUR 16,90 Vor vielen Jahren bekam ich einmal einen recht unhöflichen Brief eines enttäuschten Lesers unserer Zeitschrift. Er beschwerte sich, dass wir keine Artikel über fehlgeschlagene Projekte bringen. Ich gab ihm recht und machte den Vorschlag, dass wir eine eigene Rubrik mit dem Arbeitstitel „Hall of Shame“ aufmachen. Der erste Beitrag - so mein weiterer Vorschlag - sollte von seiner Firma kommen, die - so meine Vermutung - doch auch nicht nur erfolgreiche Projekte habe. Ich habe nach meinem Brief nichts mehr von dem Beschwerdeführer gehört. Seit seiner Klage hat sich nicht viel geändert. Analysen von Projektmisserfolgen sind immer noch sehr selten. Die wenigen Beispiele, so die Studie von P. Mertens (Fehlschläge bei IT-Großprojekten der Öffentlichen Verwaltung. Universität Erlangen-Nürnberg, Wirtschaftsinformatik I, Arbeitspapier 1/ 2009) und die Untersuchung zum Denver International Airport (Kerzner, H.: Applied Project Management. Best Practices on Implementation. New York 2000, S. 482 ff.), zeigen, was man aus derartigen Arbeiten lernen könnte, blieben aber bis zum heutigen Tag Ausnahmen. Überdies sind sie von Projektexternen geschrieben worden. Das ist bei dem vorliegenden Buch ganz anders. Die Autorin, eine Unternehmensberaterin mit interessantem beruflichem Werdegang und sehr viel Erfahrung beim Aufbau von Kundenservice-Centern, war selbst an dem Vorhaben maßgeblich beteiligt - ob als Coach oder als Teilprojektleiterin, wurde im Vorhaben nie so ganz geklärt - und hat ihre Erfahrungen in der Form eines Tagebuchs so ausführlich beschrieben, dass man durchaus Development GmbH An Eleco plc Company www.astadev.de powerproject PM_4-2012_1-72: Inhalt 22.08.2012 14: 04 Uhr Seite 49