PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Mit „Begleitgruppen“ alle Stakeholder für die neue Tram gewonnen
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Oliver Steeger
In München fahren sie noch, auch in Berlin und in Düsseldorf: Straßenbahnen. Anderenorts sind die Trams jedoch aus dem Stadtbild verschwunden. Sie galten Anfang der 1970er-Jahre als schwerfällig und altmodisch. Deshalb mussten sie dem Autoverkehr weichen. Heute denken Verkehrsplaner um, und die Straßenbahn steht vielerorts vor einer unerwarteten Renaissance. Neue Tramprojekte mit modernen Trassen und Bahnen entstehen vor allem in Frankreich und in Spanien. Auch die Schweiz erweckte die Straßenbahn wieder zum Leben. Die Glattalbahn verbindet neuerdings Zürich mit dem Flughafen Zürich-Kloten. Gesamtprojektleiter Dr. Andreas Flury berichtet im Gespräch über die Hintergründe des Projekts, über das schwierige Stakeholdermanagement – und darüber, wie seine Bahn zum Wachstumsmotor einer ganzen Region wurde.
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 16 REPORT Herr Dr. Flury, über viele Jahrzehnte gehörten Straßenbahnen zum Bild vieler Städte. Neuerdings stehen die Straßenbahnen vor einer Renaissance. Bestehende Linien werden sorgsam erhalten. Mancherorts - wie bei Ihnen im schweizerischen Glattal - entstehen ganz neue Straßenbahnlinien. Wie kommt es zu dieser Wiederkehr eines eigentlich totgesagten Verkehrsmittels? Dr. Andreas Flury: Der Leidensdruck auf den Straßen hat zugenommen - sowohl in den Stadtzentren als auch im urbanen Gürtel um das Zentrum herum. Viele Straßen sind hoffnungslos überlastet. Wir brauchen effiziente, leistungsfähige Verkehrssysteme. Mit dieser Begründung - mangelnde Effizienz - hat man Straßenbahnen vielfach abgeschafft. Sie schienen vielen Verkehrsplanern unmodern und wirkten wie ein Klotz am Bein des Autoverkehrs. Busse galten als deutlich leistungsfähiger und flexibler. Im Vergleich mit Bussen haben Straßenbahnen zwei bestechende Vorteile. Erstens nehmen sie mehr Fahrgäste auf. Die Kapazität eines Gelenkbusses liegt bei rund einhundert Personen, die der Straßenbahn bei 240 Personen. Diese Größe bedeutet einen wirtschaftlichen Vorteil. Wir brauchen beispielsweise weniger Fahrer. Zweitens müssen Busse im Rhythmus des Straßenverkehrs mitfahren. Ist der Verkehr dicht, können sie häufig nicht die Fahrpläne einhalten und Anschlüsse erreichen. Augenblick! Auch Straßenbahnen können im Stau stehen … Nicht, wenn die Bahnen eine eigene Trasse etwa am Rand oder in der Mitte der Straße haben. Die eigene Trasse erhöht die Geschwindigkeit und Pünktlichkeit der Bahnen enorm. Die klassischen Trams in Zürich verkeh- Mit „Begleitgruppen“ alle Stakeholder für die neue Tram gewonnen Schweizerisches Verkehrsprojekt bringt Renaissance für Straßenbahnen In München fahren sie noch, auch in Berlin und in Düsseldorf: Straßenbahnen. Anderenorts sind die Trams jedoch aus dem Stadtbild verschwunden. Sie galten Anfang der 1970er-Jahre als schwerfällig und altmodisch. Deshalb mussten sie dem Autoverkehr weichen. Heute denken Verkehrsplaner um, und die Straßenbahn steht vielerorts vor einer unerwarteten Renaissance. Neue Tramprojekte mit modernen Trassen und Bahnen entstehen vor allem in Frankreich und in Spanien. Auch die Schweiz erweckte die Straßenbahn wieder zum Leben. Die Glattalbahn verbindet neuerdings Zürich mit dem Flughafen Zürich-Kloten. Gesamtprojektleiter Dr. Andreas Flury berichtet im Gespräch über die Hintergründe des Projekts, über das schwierige Stakeholdermanagement - und darüber, wie seine Bahn zum Wachstumsmotor einer ganzen Region wurde. Oliver Steeger Dr. Andreas Flury (61) ist Gesamtprojektleiter der Glattalbahn sowie Direktor der VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG. Nach einer Berufslehre zum Vermessungszeichner holte er die Matura nach und studierte an der ETH Zürich Kulturingenieurswesen. Anschließend wirkte er als Oberassistent an der ETH und verfasste eine Dissertation zum Thema „Erfolgskontrolle an durchgeführten Strukturverbesserungen im ländlichen Raum“. Ab 1987 arbeitete er als Geschäftsleitungsmitglied in einem größeren Ingenieurunternehmen in Basel, vorwiegend in der Leitung des Stadtautobahnprojekts Nordtangente. Bevor Andreas Flury am 1. Januar 1998 bei der VBG die Gesamtprojektleitung der Glattalbahn übernahm, führte er zusammen mit einem Partner fünf Jahre lang ein Umwelt- und Managementbüro. Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 16 ren auf der Straße mit rund 15 Stundenkilometern, unsere Glattalbahn indes erreicht eine Beförderungsgeschwindigkeit von durchschnittlich 26 Stundenkilometern. Viele Autofahrer befürchten, dass solche eigenen Trassen oder Sonderspuren die Straßen weiter verengen. Solche Befürchtungen und Ängste sind mir gut bekannt. Als wir die Glattalbahn entwickelt haben, haben wir sie häufig gehört. Die geplante Bahn werde den Individualverkehr noch weiter hemmen, hieß es damals. Es gilt jedoch, den Gesamtverkehr zu betrachten und unter diesem Gesichtspunkt zu handeln. Man kann Straßenbahnen heute gut ins Verkehrsgesamtsystem integrieren, dies haben wir mit der Glattalbahn bewiesen. Auch andere Beispiele etwa aus Straßburg zeigen, dass solche Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer zu einer Win-win- Situation führen. Im Übrigen: Als wir die Glattalbahn projektiert haben, mussten wir gegenüber dem Kanton Zürich nachweisen, dass die gesamtverkehrliche Leistungsfähigkeit auch mit der Straßenbahn erhalten bleibt. Wir hatten anhand von Simulationen die Verträglichkeit zu belegen - auch unter der Voraussetzung, dass die Glattalbahn grundsätzlich Priorität im Straßenverkehr haben soll. Die Glattalbahn, deren Bau Sie als Gesamtprojektleiter realisiert haben, ist fast 13 Kilometer lang und verbindet Zürich mit dem Flughafen Kloten. Wie viele moderne Straßenbahnen hat sie eine eigene, sieben Meter breite Trasse in der Straßenmitte. Die Trasse ist grün bewachsen; viele Fahrgäste meinen, die Bahn fährt auf Rasen. Auch die Bahntechnik wie Oberleitungen und Masten sowie die Stationen gelten als ästhetisch gestaltete „Hingucker“, als „stylish“. Was man allerdings nicht sofort erkennt: Mit der Glattalbahn verbindet sich im gewissen Sinne ein Projekt zur Stadtentwicklung und Standortförderung. Das Einzugsgebiet unserer Bahn liegt zwischen der Kernstadt Zürich und dem Flughafen Zürich-Kloten. Die Bahn erschließt ein Gebiet mit außerordentlich hoher Attraktivität für die globalisierte Wirtschaft. Es lohnt sich für weltweit tätige Unternehmen also, sich im Umland des Flughafens anzusiedeln. So ist es. Seit Fertigstellung der Bahn investiert die Wirtschaft kräftig. In die zu Fuß erreichbaren Gebiete links und rechts der Bahn fließt jährlich eine Investitionssumme, die der Gesamtinvestition der gesamten Glattalbahn entspricht. Wie gesagt, jährlich! Gab tatsächlich die Erschließung durch die Bahn den entscheidenden Ausschlag für die Unternehmen? Nun, die Zeiten sind ohnehin günstig für Investitionsgüter. Immobilien sind gesuchte Objekte vor allem von institutionellen Anlegern. Die Bereitschaft ist groß, in Gewerbeimmobilien zu investieren. Allerdings haben wir beobachtet: Anfangs, als wir noch vage und im Konjunktiv über unsere Stadtbahnpläne gesprochen haben, blieben auch die Pläne der Unternehmen vage. Nach der 13 Kilometer auf eigener Trasse kantonalen Volksabstimmung über den Kredit für den Bau der Bahn wuchsen die Investitionen kräftig. Die Entscheidung zum Bahnbau hat zweifellos einiges bewegt. Sprechen wir über Ihr Projektmanagement. Die Gesamtstrecke der Glattalbahn haben Sie als Ganzes geplant. Beim Bau jedoch sind Sie in drei Etappen vorgegangen und haben die Bahn stückweise in Betrieb genommen, so das erste Teilstück im Jahr 2004. Wie kam es zu dieser Strategie? Wollten Sie aus der Erfahrung der vorangegangenen Etappe für die nächste Etappe lernen? Ja, dies auch. Wir haben uns als lernende Organisation verstanden. Am Ende einer Etappe haben wir im Team einen Workshop durchgeführt. Wir haben unsere Vorgehensweise reflektiert und uns gefragt, was wir bei der nächsten Etappe anders und besser machen werden. Doch dieser Lerneffekt war nur ein hilfreicher Nebenaspekt. Der Hauptgrund für die etappenweise Vorgehensweise lag auf politischem und auf ökonomischem Feld. Aha? Wir haben vorhin über Fragen der Akzeptanz von Straßenbahnen gesprochen. Mögliche Bedenken gegen den Bau einer solchen Bahn kann man am besten zerstreuen, indem man den Menschen die funktionierende Bahn zeigt und die Vorfreude auf Weiteres weckt. Indem die verschiedenen Anspruchsgruppen und die Öffentlichkeit live den Nutzen und die Verträglichkeit kennenlernen. Wir wollten allen Beteiligten - also unseren Stakeholdern und der Öffentlichkeit - möglichst rasch eins zu eins die Vorteile der Glattalbahn zeigen. Welche ökonomischen Gründe standen hinter der Entscheidung? Unsere Investition - immerhin insgesamt 550 Millionen Franken für das Kernprojekt - sollte möglichst rasch einen Beitrag an die Betriebskosten liefern. Akzeptanz für die Bahn sichern projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 l 17 Die Glattalbahn am Flughafen Zürich-Kloten. Die Bahn hat zu Investitionen und Arbeitsplätzen geführt - ein Programm zur Wirtschaftsförderung! Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 17 Stichwort „Return on Investment“? Exakt, darum geht es. Auf den bereits betriebenen Teilstücken konnte sich die Investition wieder einspielen. Wenn die Wirtschaft Investitionsprojekte durchführt, ist der „Return on Investment“ zumeist das oberste Ziel. Anders bei kommunalen Projekten. Wirtschaftlichkeit spielt eine Rolle, gewiss. Hinzu treten aber noch andere Ziele. Am Ende muss man ein halbes Dutzend von Zielen in Einklang bringen. In der Tat hatten wir es mit mehreren Zielen zu tun, die wir ausbalancieren mussten. Wir sind von dem klassischen, recht bekannten Nachhaltigkeitsdreieck ausgegangen: also von Sozialverträglichkeit, Umweltverträglichkeit und wirtschaftlicher Verträglichkeit. Diesem Dreieck haben wir drei weitere Aspekte hinzugefügt, nämlich Gebrauchstauglichkeit sprich Funktionalität, Sicherheit sowie Dauerhaftigkeit. Wir hatten also ein Sechseck von Zielen oder Werten, die durch unser Projekt verfolgt werden sollten. Kompliziert! Kann man in der Projektpraxis überhaupt mit solch einem Sechseck arbeiten? Wir haben unsere Planungen an diesen sechs Zielen geprüft und versucht, unser Projekt so in Balance zu bringen, dass allen Zielen Genüge getan wird. Ist die wirtschaftliche Lösung auch sozialverträglich und funktional? Wie wirkt sich Umweltverträglichkeit auf die Dauerhaftigkeit aus oder auf die Gebrauchstauglichkeit? Wie sieht dieses Ausbalancieren in der Praxis aus? Betrachten wir dies am Ziel der Dauerhaftigkeit, der Langlebigkeit der Glattalbahn. Wir haben uns bei der Konzeption und Planung der Trasse von den Lebenszykluskosten leiten lassen. Aus diesem Grund haben wir uns beispielsweise für eine feste Fahrbahn entschieden. Unsere Trasse hat ein armiertes Streifenfundament aus Beton, darauf sind die Schwellen fest montiert, darauf Projektziele ausbalanciert wiederum die Gleise. Diese Konstruktion haben wir bis zum Schienenkopf mit einem Granulat aufgefüllt, das einen leichten Humusanteil enthält. Dieses Granulat haben wir dann begrünt. Solche Lösungen sind technisch schwieriger umzusetzen als normal auf Schotter ruhende Bahngleise. Dies gilt vor allem für Kunstbauten wie Brücken und Tunnel. Unsere Bahn führt über zwei Viadukte, der eine 1.200 Meter lang, der andere 800 Meter. Beide Viadukte wurden wie die übrige Trasse gebaut, also mit fester Fahrbahn, ohne Schotter für den Gleisoberbau. Wie aber baut man einen Übergang zur Brücke ohne Schotter? Dafür braucht man komplizierte Schienenauszüge. Dies war technisch in der Tat sehr anspruchsvoll. Vor allem auch nicht billig … … aber auf den Lebenszyklus der Bahn hin gesehen die wirtschaftlichste Lösung! Die Bauinvestition in solch einen festen Gleiskörper ist höher als für einen klassischen Gleisoberbau. Unter Berücksichtigung der Lebenszykluskosten über dreißig Jahre ist die feste Fahrbahn die wirtschaftlichste Lösung. In der Regel wird der Bau von Straßenbahnen, der ja ins Ressort des städtischen Tiefbaus fällt, von Behörden durchgeführt. Anders bei Ihnen: Der Regierungsrat des Kantons hat Sie als Verkehrsunternehmen beauftragt, die Glattalbahn zu bauen. Mit dem Auftrag verbunden war auch ein Vertrauensvorschuss an Sie. Mit Sicherheit! Die VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG ist als Managementorganisation aufgebaut. Wir managen mit unseren vierzehn Mitarbeitern unsere 50 Linien, die eigentliche Fahrleistung wird durch Transportbeauftragte ausgeführt. Diese Organisation war seit 1998 auch mit der Leitung des Gesamtprojekts betraut. Wir mussten beweisen, dass wir solch ein Vorhaben bewältigen können, dass wir der Aufgabe gewachsen waren und das Geforderte leisten können. Wir hatten nicht einmal ein Referenzprojekt, wie sie beispielsweise die Schweizerischen Bundesbahnen oder die Deutsche Bahn in großer Zahl vorweisen können. Was hat den Kanton dazu bewogen, Ihr Unternehmen zu beauftragen? Dahinter steht auch folgende Strategie: Die Verkehrsbetriebe Glattal sind eine Aktiengesellschaft. Die Aktien werden von den Gemeinden und dem Kanton gehalten … … und da diese Gemeinden auch einflussreiche Stakeholder Ihres Projekts sind, hoffte man, dass Sie eine enge Beziehung zu den Gemeinden und damit auch zu den Anwohnern herstellen können? Ein einheimischer, gut bekannter Betrieb genießt Bürgernähe und Vertrauen, dies ist sein Vorteil. Die Akzep- Ohne Schotter im Gleisbett Viele Stakeholder eingebunden 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 18 REPORT Für die Pendler im Glattal bei Zürich ein mittlerweile gewohnter Anblick: Die Glattalbahn kommt! Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 18 tanz wäre vielleicht anders gewesen, wenn das Projekt etwa von den Verwaltungsstellen des Kantons Zürich aus durchgeführt worden wäre. Ein Straßenbahnbauprojekt braucht viel, viel Akzeptanz bei den Anspruchsgruppen. Die Einbeziehung der vielen Stakeholder bildete eine wesentliche Herausforderung unseres Projekts - angefangen bei politischen Gremien, Behörden und Organisationen über Leistungserbringer und Ingenieurbüros bis hin zu den Anrainern rechts und links der Trasse und natürlich auch den Fahrgästen. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Dialog mit den Beteiligten und Betroffenen im Prozess ganz entscheidend ist für den Erfolg. Sprechen wir über Akzeptanz und Stakeholdermanagement. Methoden für die Einbindung von Interessengruppen werden im Projektmanagement seit langer Zeit diskutiert. Wie sind Sie vorgegangen? Wir haben mit Begleitgruppen gearbeitet. Jede Gemeinde hat eine Gruppe gebildet, die einen Querschnitt durch die jeweiligen Anspruchsgruppen zog, also Vertreter des örtlichen Gewerbes oder der Anwohner versammelte. Die Gruppen, die von unserem Projekt berührt waren, sahen sich in der Gruppe vertreten. Ähnlich, wie ein Parlament einen Querschnitt durch die Bevölkerung ziehen soll? Es ging uns in der Tat um ein Abbild der Bevölkerung vor Ort, um eine bewusst gemischt zusammengesetzte Gruppe. Was die Zusammenarbeit mit diesen Begleitgruppen betrifft: Alle raumrelevanten Entscheidungen, etwa Trassenführung, Haltestellen oder Ähnliches, haben wir erst dem Verwaltungsrat zum Entscheid unterbreitet, nachdem wir mit den Begleitgruppen in langen Abendsitzungen die jeweils beste Lösung gefunden projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 l 19 Der Bau von Viadukten stellte das Projektteam vor besondere Herausforderungen. Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG „Projekte scheitern nicht an Technik, sondern an Menschen.“ Wie steht es um den Faktor Mensch in Ihren Projekten? Ich biete Ihnen Projekt-Team- Entwicklung Mit Persönlichkeit auch schwierige Vorhaben steuern Solveidos ® Projektcoaching Robert Flachenäcker PMP® Telefon: 0 6708 - 63 95 60 mobil: 0160 - 97 66 84 23 @ www.solveidos.de Einfach Anzeige PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 19 haben. So haben wir auch vor der öffentlichen Planauflage beispielsweise die Grundeigentümer an der Entwicklung beteiligt und ins Boot geholt. Wie weckt man bei diesen Begleitgruppen Akzeptanz für solch ein Infrastrukturprojekt? Wir haben versucht, unsere Idee der Straßenbahn mit all ihren Vorteilen und ihrem Nutzen so konkret wie möglich vorzustellen. Wir haben vielfach nicht erklärt, sondern gezeigt. Dazu zwei Beispiele. Das erste Beispiel ist: Wir haben Masterpläne entwickelt, auf denen wir nicht nur die Bahnplanung etwa mit ihrer Trasse, ihren Haltestellen und ihrer Technik zeigen, sondern auch darlegen, wie das ganze Areal um diese Anlage herum gestaltet werden kann. Quasi eine für den Laien nachvollziehbare Gesamtansicht. Sie haben also eine Idee für Städtegestaltung deutlich über Ihre eigene Bahn hinaus entwickelt? Ja. Damit hatten wir ein Dialoginstrument in der Hand. Wir konnten anhand der Masterpläne eine Vision entwickeln, wie dieser Raum künftig aussehen kann unter Berücksichtigung der Vorstellungen, die etwa die Gemeinde oder der betroffene Grundeigentümer hat. Wir konnten Bilder entwickeln und zeigen, wie sich die geplante Bahn in eine mögliche Gestaltung einfügt und wie die direkte Umgebung der Bahn weiterentwickelt werden kann. Mit einem Wort: Sie haben bei dem Dialog mit den Stakeholdern weit über ihre Bahn hinaus gedacht. Also mehr als nur die sieben Meter breite Bahntrasse mit ihren Haltestellen im Blick gehabt. Ja! Im Sinne einer Investition in die Zukunft haben wir uns entschlossen, über die Trasse hinaus an die gesamte Straße zu denken - mindestens von Hausfassade zu Hausfassade. Dies hat dann sogar so weit geführt, dass Das Konzept der „Begleitgruppen“ man uns bisweilen beauftragt hat, neben der Glattalbahn auch den gesamten öffentlichen Raum zu gestalten. Wir haben also einiges in der Nachbarschaft der Bahn mitgebaut, das gar nicht zu unserem eigentlichen Projekt gehörte. Obgleich wir nicht die Absicht hatten, über unser Bahnprojekt weitere Projekte zu gewinnen. Vorhin sprachen Sie von einem zweiten Beispiel dafür, wie Sie recht abstrakte Pläne zum Bau einer Straßenbahn plastisch vermittelt haben … Wir sind etwa mit den Begleitgruppen nach Straßburg gefahren, um dort moderne Straßenbahnlösungen zu zeigen. Solch ein Besuch überzeugt mehr als jeder Plan. Besichtigen, ausprobieren, die Erfahrungen anderer studieren - dies hilft enorm, Pläne zu verstehen, die Vision eines Projekts nachzuvollziehen und den Nutzen des Vorhabens zu erkennen. Ein schöner Nebeneffekt übrigens war, dass wir uns dabei in den Gruppen persönlich besser kennengelernt haben, etwa beim gemeinsamen Mittagessen. Dies hilft ungemein bei der Diskussion. Mancher Projektmanager scheut solchen Aufwand bei Stakeholdermanagement und Öffentlichkeitsarbeit. Gutes Stakeholdermanagement kann aufwendig sein. Auch für Öffentlichkeitsarbeit sind Budgets zu veranschlagen. Wir haben uns von Profis begleiten lassen. Trotz des Aufwands - es wäre ein Fehler, auf diese Öffentlichkeitsarbeit zu verzichten. Welche Aufgabe hatte die Öffentlichkeitsarbeit? Es geht darum, durch Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit positive Bilder von unserem Projekt zu vermitteln und Vorfreude auf die Bahn zu wecken - gewissermaßen den Nutzen zu antizipieren. Die Menschen der Region fragen sich: Welchen Nutzen bringt die Bahn in meinem täglichen Leben? Wird sie meinen Alltag bereichern - und wenn ja, wie? Diesen Nutzen in die Breite zu tragen, ist nicht immer einfach … Zugegeben! Aber diese Schwierigkeit darf nicht davon ablenken, bestmöglich zu zeigen, welches Angebot geschaffen wird, wie sich dieses Angebot auf Verbindungen und Fahrtzeiten im öffentlichen Nahverkehr auswirkt. Neben dem Stakeholdermanagement - wo lagen andere Herausforderungen beim Projektmanagement? Eine weitere Herausforderung bildete das Terminmanagement. Die etappenweise gebauten Teilstrecken konnten wir nur zum allgemeinen, jährlichen Fahrplanwechsel in Betrieb nehmen. Allein zum Fahrplanwechsel kann ein neues Angebot in den bestehenden Fahrplan integriert und die Anschlüsse etwa zu Bussen und zur Eisenbahn optimiert werden. Es stellte sich also regelmäßig die Frage: Schaffen wir es bis zum geplanten Ter- Die Vorteile der Bahn „zeigen“ Management von Terminen und Risiken 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 20 REPORT Gleisbauarbeiten für die neue Straßenbahn Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 20 minfenster? Man baut heute ohne Winterpause. Die Zeit zwischen Dezember und Februar wird als Bauzeit kalkuliert. Was aber, wenn ein intensiver Winter mit strengem Frost die Terminplanung durcheinanderbringt? Solch ein enges Terminkorsett erzwingt neben exakter Terminsteuerung auch stringentes Risikomanagement. Völlig richtig! Wir haben nach klassischen Methoden die Risiken und Chancen unseres Vorhabens ermittelt und bewertet. Auch die Chancen? Neben den Risiken haben wir auch die Chancen gründlich analysiert. Ein Beispiel: Wir hatten 72 Verdachtsfälle für Altlasten auf der Strecke. Hätte sich jeweils der Verdacht bestätigt, so hätte man das belastete Gelände zunächst sperren und die Altlasten vorschriftskonform entsorgen müssen, im Extremfall sogar mit Schutzanzügen. All dies bedeutet Umweltrisiken und Kosten. Wir haben für solche Risiken vorgesorgt und sie ständig überwacht. Was nun die Chancen betrifft: Wir haben auch für den Fall geplant, dass sich der Verdacht nicht bestätigt. Wie wollen wir diese Entlastung nutzen? Wie gehen wir damit um, dass ein „verdächtiges“ Gebiet doch unbelastet ist und wir dort früher als erwartet mit den Arbeiten beginnen können? Kurz: Wie nutzt das Team solche Chancen, die sich im Projektverlauf immer wieder ergeben? Ein anderes Beispiel: Wir hatten es mit Instrumenten der Raumplanung im Städtebau zu tun, etwa mit Gestaltungsplänen und Quartierplänen. Solche Pläne müssen politische Gremien passieren. So etwas kann bekanntlich dauern … Wir haben für diese Verfahren eine bestimmte Zeit vermutet und diese Schätzwerte unseren Terminplänen zugrunde gelegt. Die Frage nach den Risiken: Was aber tun wir, wenn solch ein Plan länger im politischen Prozess hängen bleibt? Die Frage nach den Chancen: Was, wenn politisch über den Plan schneller als vermutet entschieden wird? Was machen wir also bei Verzögerungen … … oder halt bei Verfrühungen? Richtig! Vorhin sprachen Sie von der Organisation Ihres Unternehmens. Sie beschäftigen vierzehn Mitarbeiter. Gemessen an der Größe, der Bedeutung und den Herausforderungen Ihres Bahnbauprojekts wirkt Ihre Organisation verhältnismäßig klein. Man darf nicht vergessen: Ihrem Unternehmen obliegt ja das Management der Buslinien als eigentliche Aufgabe. Das Projekt kam hinzu zum Tagesgeschäft. Wie haben Sie Ihr Projekt auf die Organisation umgelegt? Dies war in der Tat eine Herausforderung unseres Projekts - übrigens nicht so sehr wegen der Mitarbeiterzahl. Interdisziplinäres Arbeiten projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 l 21 Ein klassisches Verkehrsmittel auf moderner Trasse: Statt das Gleisbett mit tristem Schotter zu füllen, werden die Trassen heute begrünt … Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 21 Die Herausforderung hat sich auf anderem Feld ergeben: Solch ein Projekt erfordert interdisziplinäres Arbeiten. Beispielsweise Bahntechniker, Tiefbauspezialisten, Juristen, PR-Fachleute und Stadtplaner müssen zusammenwirken. Dennoch dürfte solch ein Projekt für ein kleines Unternehmen ein „ordentlicher Brocken“ sein. Wie haben Sie die Projektorganisation aufgebaut? Während der intensiven Projektphasen waren drei Mitarbeiter besonders stark eingebunden. Andere Mitarbeiter waren größtenteils für das Tagesgeschäft zuständig, teils für das Projekt. So hat zum Beispiel die Leiterin Marketing und Kommunikation auch Aufgaben aus dem Projekt übernommen und als Ansprechpartnerin für die Öffentlichkeit mitgewirkt. Also durchaus Doppelrollen? Selbstverständlich. Als Gesamtprojektleiter hatte ich mich um das Tagesgeschäft zu kümmern, ich bin ja Direktor des Unternehmens und für beide Bereiche zuständig. Wir haben Stabsstellen gegründet, die ich als Gesamtprojektleiter geführt habe. Eine Stabsstelle hat mithilfe externer PR-Fachleute die Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet und umgesetzt. Eine weitere Stabsstelle hatte professionelles Projektmanagement zur Aufgabe; sie wurde durch Mitarbeiter eines spezialisierten Büros besetzt. Die dritte Stabsstelle bearbeitete Juristisches, etwa den Kauf des notwendigen Grund und Bodens für die Bahn. Die vierte Stabsstelle war mit der Gestaltung befasst, beispielsweise mit Aufgaben von der städtebaulichen Integration bis hin zum Design von Masten und Haltestellen. Eine weitere Stabsstelle gab es mit den Schwerpunkten Umwelt und Baubegleitung. In Ihren Stabsstellen saßen nicht nur eigene Mitarbeiter und Berater von außen, sondern auch Vertreter anderer Organisationen … Ja, etwa von den Schweizerischen Bundesbahnen oder vom Kanton Zürich als Straßeneigentümer. Welchen Vorteil hatte es, diese Vertreter direkt ins Team zu holen? Bei einem Straßenbauprojekt gibt es zahlreiche Schnittstellen. Etwa beim Bau des Übergangs von der Straßenbahn-Haltestelle zum Bahnhof der Bundesbahn entstehen viele Schnittstellen zu anderen Organisationen und Unternehmen. Diese Schnittstellen müssen ständig abgestimmt werden. Was gibt es Besseres, als die Leute wie ein Bindeglied im eigenen Team zu haben, um unkompliziert mit ihnen die fälligen Abstimmungen vorzunehmen? Sie haben die Aufgaben durch die Einrichtung von Stabsstellen deutlich getrennt. Besteht nicht die Gefahr, dass die einzelnen Stabsstellen zunächst an die Belange ihres Ressorts denken und dann erst an das Gesamtprojekt? Kooperation zwischen den Fachleuten 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 22 REPORT Die Stille am Tunnelausgang trügt: Die Glattalbahn fährt im dichten Takt - und ist gut mit Bus und Bahn im Züricher Gebiet verknüpft. Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 22 Die einzelnen Fachdisziplinen müssen bei einem Projekt wie dem Bau der Glattalbahn außerordentlich gut zusammenarbeiten. Es genügt beispielsweise nicht, einen Architekten im Team zu haben, der am Rande auch noch etwas von Umweltbelangen versteht. Man braucht einen hervorragenden Architekten und einen hervorragenden Fachmann für Umweltfragen, und beide Spezialisten müssen intensiv kooperieren. Vorhin haben Sie das Stichwort „interdisziplinäres Arbeiten“ genannt. Interdisziplinäres Arbeiten muss bei einem Infrastrukturprojekt zur Selbstverständlichkeit werden. Nur: Wie kann man dem Team beibringen, sich interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Gewohnheit zu machen? Es braucht einerseits die richtigen Köpfe und andererseits geeignete Strukturen. Wir haben für jeden Mittwochnachmittag eine interdisziplinäre Gesprächsrunde in „Werkstattstimmung“ eingerichtet. Unter der Moderation des Leiters der Stabstelle Gestaltung wurden die einzelnen Bauwerke diskutiert - in Anwesenheit von Vertretern aller Fachrichtungen. Ingenieure, Architekten, Juristen, Umweltwissenschaftler, Bahntechniker und Stadtplaner saßen zusammen. Jeder konnte aus seiner Fachsicht beispielsweise Einwände erheben oder nachverfolgen, ob seine Hinweise bei der Planung berücksichtigt werden. Die Spezialisten müssen willens sein, überhaupt die Argumente anderer Disziplinen zu verstehen, die Bedenken und Einwände zu respektieren und sich in die Argumente anderer Disziplinen hineinzudenken. So muss sich der Jurist in Baupläne einlesen, und der Planer muss sich mit rechtlichen Gedankengängen befassen. Wir haben die Spezialisten entsprechend ausgewählt. Ein Gestalter sagte von sich aus, er könne die Architektur nur planen, wenn er die damit zusammenhängende Bahntechnik verstanden habe. Solche Leute brauchten wir! Der Wille, Fachfremdes zu lernen, war bei allen Beteiligten ausgeprägt. Sie sagten: Entsprechend ausgewählt - dies heißt? Die Mandate wurden nach den Vorgaben des öffentlichen Beschaffungswesens erteilt. Bei Auswahlgesprächen haben wir bewusst auch kritische Fragen gestellt und beobachtet, wie die Kandidaten auf diese Fragen reagieren. Nicht nur Referenzen und die Angebote auf Papier haben über die Auftragsvergabe entschieden, sondern auch der persönliche Auftritt, die Präsentation und die Reaktion auf unsere Fragen. Zu Projektbeginn haben wir sogar einen Arbeitspsychologen zu den Gesprächen hinzugezogen als teilnehmenden und beratenden Beobachter. Fachkompetenz und Methodenkompetenz bestimmen in der Regel die Auswahl von Teammitgliedern und externen Spezialisten. Welche Kriterien sollten darüber hinaus eine Rolle spielen? Gleichermaßen Selbstkompetenz und soziale Kompetenz. Dazu gehört etwa die Pflege der Beziehungsebene zu anderen Menschen. Solche Fähigkeiten sind nicht Die schwierige Auswahl von Teammitgliedern jedem Ingenieur oder Architekten in die Wiege gelegt. Einige verstehen sich gut darauf, andere weniger gut. Um nochmals auf die Anspruchsgruppen zu sprechen zu kommen: Verlässlichkeit ist für das Stakeholdermanagement enorm wichtig. Die Menschen wollen nicht Worte hören, sondern Taten sehen. Das heißt für die Auswahl von Mitarbeitern? Mitarbeiter des Projekts müssen auch als Botschafter nach außen auftreten können. Angenommen, auf einer Baustelle wird morgens um zwei Uhr eine Fußgängerbrücke rückgebaut, um Platz für Neubau zu schaffen. Der Lärm ist gewaltig. Dies darf mir als Vertreter, als Botschafter des Projekts nicht gleichgültig sein. Da ist vorausschauende Sensibilität für die Anliegen der Anwohner gefordert, für deren Ruhebedürfnis in der Nacht. Konkret? In der Nähe der Eisenbahn hatten wir durchaus Situationen, in denen nur nachts gearbeitet werden konnte. Dies haben wir vorher den Anwohnern bekannt gegeben ... … was doch wenig nutzt. Ob die Anwohner mit oder ohne Ankündigung um den Schlaf gebracht werden … Langsam! Wir haben die Arbeiten so aufgeteilt, dass zwischendurch immer wieder stille Nächte waren. Wir haben genau angekündigt, wie wir versuchen, auf die Bedürfnisse der Anwohner Rücksicht zu nehmen. Wir haben den Dialog präzise geführt. Ich war selbst nachts auf der Baustelle, um mich zu überzeugen, wie sich die Lärmsituation entwickelt, und mich dann etwaiger Beschwerden selbst anzunehmen. Wenn man den Lärm selbst erlebt hat, kann man ganz anders argumentieren. Wir haben bislang viel über Stakeholdermanagement gesprochen, also über externe Kommunikation. Ähnlich essenziell für den Projekterfolg ist auch die interne Kommunikation. Informationen müssen im Team fließen. Wie haben Sie die interne Kommunikation in Ihrem Projekt organisiert? Wesentliches Instrument für Kommunikation und Führung waren unsere monatlichen Gesamtprojekt- Koordinationssitzungen. An diesen regelmäßigen, zentralen Meetings haben die Chefs aller Leistungserbringer teilgenommen. Bei diesen Sitzungen wurde das Projekt aus Gesamtsicht besprochen. Diese Plattform hat viel dazu beigetragen, die einzelnen Bereiche zu vernetzen und Informationen fließen zu lassen. Auch haben die Sitzungen zum gegenseitigen Verständnis der Disziplinen beigetragen. Also klassische Gesprächsrunden als Dreh- und Angelpunkt für Information? Ja. Diese Sitzungen haben mir die Sicherheit gegeben, dass das ganze Team auf dem richtigen Kurs ist. Auch Mitarbeiter auch „Botschafter“ des Projekts Sitzungen für die „Gesamtsicht“ projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 l 23 PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 23 habe ich gesehen, wann ich korrigierend eingreifen muss. Solche Sitzungen sind sehr anstrengend, nach vier Stunden intensiver Diskussion mussten wir schon mal frische Luft schnappen … Welche Kommunikationswege haben Sie noch in Ihrem Projekt aufgebaut? Neben dieser zentralen Sitzung auf der Ebene des Gesamtprojekts gab es - jeweils auf einzelne Bauobjekte bezogen - die bereits erwähnten Sitzungen am Mittwochnachmittag. Die Mittwochnachmittage waren somit grundsätzlich freizuhalten. Darüber hinaus hatten wir eine weitere regelmäßige, wöchentliche Besprechung, nämlich einen „Jour fixe“ mit den Führungsverantwortlichen unseres Projekts. Weshalb diese zusätzliche dritte Gesprächsrunde? In dieser Sitzung ging es darum, schnell Entscheidungen in der Projektführung und im Projektmanagement zu fällen und Probleme zu lösen - wobei ich den Begriff „Probleme“ auf unserer Sitzung ungern gehört habe. Ich habe meine Führungsverantwortlichen - etwa die Leiter von Stabsstellen oder Teilprojektleiter - dringend gebeten, mir keine Probleme, sondern Lösungen in die Sitzungen zu bringen. Konkret: Wer ein Problem hatte, war aufgefordert, dieses Problem vor der Sitzung zu analysieren und einen Antrag für eine Lösung zu formulieren, über den gesprochen werden konnte. Also die klassische Entscheidungsvorlage? Die klassische Entscheidungsvorlage. Darauf basierend haben wir in unserer Runde höchstens noch Verständnisfragen geklärt und dann entschieden, sofern die Entscheidung nicht in die Kompetenz des Verwaltungsrats fiel. Der Auftrag an die Teilnehmer dieses Jour fixe war also, nicht Fragen mitzubringen, sondern gleich auch Antworten, idealerweise begründete Anträge als Antworten. Lösungen vorschlagen statt Probleme melden So etwas mag bei internen Mitarbeitern funktionieren. Wie sieht es aus, wenn externe Beteiligte an den Sitzungen teilnehmen, beispielsweise Führungskräfte aus beauftragten Unternehmen? Auch von diesen Beteiligten erwarte ich Lösungsvorschläge und nicht nur Fragen und Bitten um Entscheidung. Dahinter steht eine bestimmte Grundhaltung. Meine Auftragnehmer sollen sich nicht als Befehlsempfänger verstehen. Ich erwarte von ihnen, dass sie für den Besteller und für das Gesamtprojekt mitdenken. Sie sollen in der Lage sein, in ihrem Metier selbst Anträge aus ihren Fragen und aufgetretenen Problemen abzuleiten - und zwar Anträge im Sinne des Auftraggebers. Haben Sie bei Ihrem Projekt einen ähnlichen Ansatz auch für das Konfliktmanagement entwickelt? Wir haben immer versucht, einvernehmliche Lösungen herbeizuführen. Bei Konflikten mit von uns beauftragten Unternehmen haben wir uns darauf geeinigt, diese Konflikte vor eine Schlichtungsstelle zu tragen. Also im allseitigen Einvernehmen den Schlichterspruch zu suchen, bevor die Sache vor Gericht geht? So ist es! Die Schlichtungsstelle hat übrigens den Wunsch geäußert, dass wir uns auch ohne aktuellen Anlass halbjährlich zusammenfinden. Weshalb dies? Alle Parteien sollten zurückschauen und sehen, wo sie nun genau stehen. Dies verstehe ich nicht. Wo soll der Vorteil liegen? Wurde zu diesem Termin kein Problem oder Konflikt aus der Vergangenheit gemeldet, so galt die Vergangenheit in Frieden abgeschlossen. Dieser Termin also als „Last Call“ für Probleme … Ja. Nach diesem Gespräch wussten wir, dass niemand mehr aus der Vergangenheit ein neues Problem melden würde. Danach konnte niemand mehr alte strittige Punkte neu auf den Tisch bringen, beispielsweise bei dem nächsten Treffen sagen, er habe beim letzten Mal noch etwas vergessen. Dies wurde von allen als Spielregel akzeptiert. Diese regelmäßigen Treffen auch ohne Anlass haben übrigens einen weiteren Vorteil. Welchen Vorteil? Die Termine sind ja allen bekannt. Drei oder vier Wochen vor diesem Termin erreichte mich mitunter ein Anruf und die Bitte, im Vorfeld dieses Treffens ein Problem auszuräumen … … also der Wunsch, die Schlichtungsstelle erst gar nicht anzurufen, sondern selbst einen Konflikt aus der Welt zu schaffen? Fakt ist, dass wir nie einen Konflikt vor die Schlichtungsstelle gebracht haben oder dass der Streit gar vor Gericht gegangen ist. Alles konnte im Rahmen der dialogorientierten Zusammenarbeit gelöst werden. ■ Einvernehmliche Konfliktlösung 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 24 REPORT Haltestelle als „Hingucker“: Die Bahnanlagen sind optisch gefällig gestaltet. Foto: VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG Lutz Bec PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 32 Uhr Seite 24