eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 23/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2012
235 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Multiprojektmanagement

121
2012
Heinz Schelle
Seidl, J.: Multiprojektmanagement. Übergreifende Steuerung von Mehrprojektsituationen durch Projektportfolio- und Programmmanagement. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011, 226 S., ISBN 978-3-642-16722-5, EUR 49,95
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nommen worden wären. Die drei Verfasser sind der Meinung, dass das Treffen von guten Prognosen nicht nur eine Frage von besserer Kommunikation insbesondere mit den Stakeholdern und der Informationsbeschaffung ist, sondern auch von institutionellen Vorkehrungen, die vor allem dazu beitragen, dass Entscheidungsträger mehr als bisher für ihre Beschlüsse auch Verantwortung tragen müssen. Gedacht ist unter anderem daran, dass offensichtliche Schätzfehler auch Sanktionen nach sich ziehen. Dem Leser wird in diesem Zusammenhang vor allem das Kapitel 10 (Four Instruments of Accountability) empfohlen, in dem vier Instrumente behandelt werden, nämlich: ❑ Transparenz für die Öffentlichkeit, vor allem natürlich wiederum für die Stakeholder, ❑ die genaue und frühe Spezifikation von Anforderungen - eigentlich eine bare Selbstverständlichkeit - statt der sofortigen Betrachtung von technischen Alternativen, ❑ die Erstellung eines umfassenden Regelwerks und ❑ der Einsatz eines bestimmten Anteils von privatem Risikokapital ohne staatliche Garantien. Besonderes Schwergewicht wird auf die Risikoanalyse gelegt, die bei den meisten untersuchten Projekten mangelhaft war. Dieses Ergebnis wird auch von einer Studie der Weltbank bestätigt, die 92 Vorhaben untersucht hat und zu der Folgerung kam, dass nur in einer Handvoll die Risikobetrachtung das Attribut „Best Practice“ verdient. Ein deprimierendes Resultat, wenn man bedenkt, wie viele Bücher und hochgestochene Aufsätze gerade zu diesem Thema in unserer Disziplin in den letzten 20 Jahren publiziert wurden. Flyvberg, Bruzelius und Rothengatter sind natürlich nicht der naiven Meinung, dass man in Megaprojekten alle Risiken vermeiden kann, sie plädieren aber dafür, nicht nur die üblichen Risikoeinschätzungen, die aus schon genannten Gründen davon ausgehen, dass alles optimal läuft, durch frühe Most-Likely-Development-Schätzungen und durch Szenarien zu ersetzen, die vom schlimmsten Fall ausgehen, sondern auch Risikovorsorge zu treffen. Eine Empfehlung, die freilich bei den Entscheidern eine grundlegende Verhaltensänderung voraussetzt. Dies könnte allerdings gefördert werden, wenn sie für ihre Beschlüsse und Planungen auch zur Verantwortung gezogen würden. Da nicht zu erwarten ist, dass Politiker und andere Entscheidungsträger das Buch lesen - hoffentlich wenigstens Verantwortliche in den Landesrechnungshöfen und beim Bundesrechnungshof -, schlage ich vor, daraus zehn eherne Gebote für die Planung von Infrastrukturvorhaben zu destillieren und sie in den Amtsstuben aufzuhängen. Niemand sollte mehr sagen können, er sei nicht gewarnt worden und wäre nicht verantwortlich. Heinz Schelle ■ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 5/ 2012 54 WISSEN Die Arbeit von Jörg Seidl beginnt - dem Verfasser sei es gedankt - mit sauberen Begriffsbestimmungen. Ein Projektportfolio wird definiert als „die Zusammenfassung aller geplanten, genehmigten und laufenden Projekte und Programme eines Unternehmens, einer Organisation oder eines Geschäftsbereichs“. Besonders wichtig ist dabei der Zusatz, der leider in der Literatur oft vergessen wird: „Ein Projektportfolio ist zeitlich nicht befristet.“ Dagegen lautet die Definition eines Programms: „… eine Menge zusammenhängender Projekte und organisatorischer Veränderungsprozesse, die mit dem Ziel aufgesetzt wurden, eine strategische Zielsetzung zu erreichen und einen erwarteten Nutzen für die Organisation zu erreichen.“ Bedeutsam ist auch hier der Zusatz: „Programme sind im Gegensatz zu einem Projektportfolio zeitlich befristet.“ Es folgen weitere zutreffende Definitionen für Multiprojektmanagement (MPM), Programmmanagement und Projektportfoliomanagement sowie aus der DIN 69 901-1 übernommene Anforderungen an ein Projektmanagementsystem, die Formulierung eines lebensfähigen Multiprojektmanagements auf der Basis der Systemtheorie und die Identifizierung der Stakeholder des Multiprojektmanagementsystems. Mein hoffentlich nicht nur frommer Wunsch ist, dass künftige Autoren von Büchern über MPM sich diesen Teil der sehr soliden Arbeit zum Vorbild nehmen und nicht wieder mit eigenen Definitionsbasteleien die Leserschaft verunsichern. Weiter differenziert der Autor nach operativer Projektarbeit, Multiprojektkoordination, operativem MPM, strategischem MPM und normativem MPM. Der letzte Begriff, der zumindest mir bisher nicht vertraut war, umfasst - so Seidl - „die übergreifend geltenden Werte, Normen und Regeln für das Gesamtsystem“. Buchbesprechung Multiprojektmanagement Seidl, J.: Multiprojektmanagement. Übergreifende Steuerung von Mehrprojektsituationen durch Projektportfolio- und Programmmanagement. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011, 226 S., ISBN 978-3-642-16722-5, EUR 49,95 PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 35 Uhr Seite 54 Im Kapitel 2 werden dann die Anforderungen an MPM abgeleitet und zwischen gelösten Problemen (z. B. Vorgehensmodellen), aktuellen Themen (z. B. Projektauswahl und Projektpriorisierung) und künftigen Herausforderungen, so z. B. Kosten- und Liquiditätsmanagementverfahren, wie sie bereits vor vielen Jahren von Lachnit leider ohne großes Echo vorgestellt wurden, unterschieden. Weiter werden Handlungsfelder des MPM angeführt, zum Beispiel die Projektpriorisierung, die projektübergreifende Ressourcenplanung und das Risikomanagement, kulturelle Anforderungen und Anforderungen an das Projektpersonal. Im nächsten Kapitel (3) werden dann Konzepte des MPM, unter anderem mit einer ausführlichen Behandlung von Projektauswahl und Projektbewertung, vorgestellt. Interessant war für mich hier vor allem die werkzeuggestützte Dringlichkeitsanalyse. Bei dem Thema der Projektselektion hätte ich mir allerdings ein wenig mehr Kritik an der üblichen Praxis gewünscht. Der Verfasser geht zwar ganz kurz darauf ein, erwähnt aber nicht, dass formale Verfahren in der Praxis bisher so gut wie keine Rolle spielen. Der systematischen Auswahl von Projekten stellen sich nämlich häufig, zum Beispiel wegen der Gefährdung von „Erbhöfen“, Widerstände entgegen. Gerade in der Auswahlphase spielt die Macht der Organisationsmitglieder eine große Rolle. Das Prestige und die hierarchische Position des Antragstellers, die Orientierung an bereits für ähnliche Vorhaben in früheren Jahren angefallenen Kosten bzw. an Budgetquoten der Vergangenheit und das Prinzip der Lärmminimierung bei der Zuteilung von Ressourcen auf Projekte und Programme sind traditionelle, aber ungeeignete Entscheidungskriterien. Zu knapp ausgefallen sind mir auch die Ausführungen zur Ressourcenallokation, wenn man sie etwa mit den sehr differenzierten und sehr ausführlichen Darlegungen von Heinz Scheuring (Kapitel 4.5.1 Ressourcenmanagement in unserer Loseblattsammlung „Projekte erfolgreich managen“) vergleicht. Scheuring bezeichnet im Übrigen gerade dieses Thema als „Stiefkind der Managementlehre“, das erheblich größere Zuwendung verdient hätte. Weitere Themen des Buches sind Steuerung und Überwachung des Projektportfolios, höchst aktuelle Fragen des Projektnutzens und des Nutzencontrollings des Portfolios und der Umgang mit Abhängigkeiten von Vorhaben. Kapitel 4 ist vor allem der Integration der Abläufe des MPM und der Aufbauorganisation im Unternehmen gewidmet. Hier gefällt mir besonders das von Seidl selbst entwickelte Prozessmodell. Gut gelungen ist auch Kapitel 5 (Werkzeugunterstützung für das Multiprojektmanagement). So ausführlich habe ich das noch nirgends gelesen. Die Erörterungen zum Project Management Office, zurzeit fast so etwas wie ein Modethema, hätte ich mir freilich ein wenig eingehender gewünscht. Den Abschluss bildet Kapitel 6 (Einführung und Weiterentwicklung). Sehr verdienstvoll ist, dass der Autor hier auch Erörterungen zu Reifegradmodellen einbindet und Kriterien für die Güte von Projektmanagementsystemen gemäß DIN 69904 berücksichtigt. Gesamtbewertung: Eine sehr sorgfältige Arbeit zu einem Thema, das immer aktueller wird und das, wie schon angedeutet, die Autoren zukünftiger Werke über Multiprojektmanagement als Maßstab nehmen sollten. Heinz Schelle ■ Projektmanagement-Fachmann GPM® Qualifizierungslehrgang IPMA Level D Die State-of-the-Art-Qualifikation von PM-Profis für PM-Profis aus allen Branchen. Classic Seminar 11 Tage Frankfurt/ Main und Mainz, Start 09.02.2013 Karlsruhe und Ludwigshafen, Start 16.02.2013 Boot Camp D - Kompakt Seminar Mannheim, Start 08.05.2013 Berater, Coaches und Trainer für Projektmanagement Senior Projektmanager GPM® Aufbaulehrgang IPMA Level C/ B Prüfungsvorbereitendes Seminar für praktizierende Projektmanager. Aufbaulehrgang 5 Tage Mannheim, Start 03.12.2012 Projektmanagement mit Microsoft Project Professional - Silver Level Mehr als solide Grundlagen für künftige Profis. Seminar 2 Tage Mannheim 05./ 06.11.2012 10./ 11.12.2012 28./ 29.01.2013 Praxisorientiert für fortgeschrittene Anwender. Seminar 2 Tage Mannheim 12./ 13.11.2012 17./ 18.12.2012 31.01/ 01.02.2013 projektpartner management gmbh fon: 0621 - 17 89 06 - 0 fax: 0621 - 17 89 06 - 18 mail: office@projektpartner.de web: www.projektpartner.de Auch als Kombi-Lehrgang IPMA D+C/ B buchbar! Mannheim, Start 11.02.2013 Projektmanagement mit Microsoft Project Professional - Gold Level l ❙ Söderlund, J.: Pluralism in Project Management: Navigating the Crossroads of Specialization and Fragmentation. In: International Journal of Management Reviews, Vol. 13, 2011, p. 153-176 Wen die Lektüre von Projektmanagementliteratur zunehmend verwirrt, weil die Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen kommen und verschiedene Sichtweisen auf ein Projekt bieten, dem kann jetzt geholfen werden. Der Norweger Söderlund hat 305 Artikel aus unserer Disziplin, die in 30 führenden Managementzeitschriften veröffentlicht wurden, untersucht und sie klassifiziert. Er unterscheidet sieben „Schools of Thought“, die sich mit Projekten und Projektmanagement beschäftigen, darunter den Optimierungsansatz (z. B. Beiträge aus dem Operations Research), den Verhaltensansatz (Behaviour School) und den Entscheidungsansatz (Decision School). Der Hauptzweck dieser Arbeit ist es wohl, ein Projekt und die Probleme, die sich in ihm stellen, aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und damit ein realistischeres Bild für das Management zu gewinnen. Dieses Anliegen ähnelt sehr stark der Absicht, die M. Winter und T. Szczepanek in ihrem Buch „Images of Projects“ verfolgen. (Vergleiche dazu die umfangreiche Besprechung in der Ausgabe 5/ 2011 der projektMANAGEMENT aktuell .) Pluralism in Project Management Anzeige PM_5-2012_1-68: Inhalt 31.10.2012 10: 35 Uhr Seite 55