PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Entwicklungsprojekt unter vollen (Höhen-)Segeln
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Oliver Steeger
Klimaschutz auf hoher See: Für viele Unternehmen kein Thema. Anders bei der Hamburger SkySails. Dort haben Ingenieure in einem kühnen Projekt Zugdrachen für Frachtschiffe entwickelt, am Bug befestigte Höhensegel mit der Spannweite eines modernen Verkehrsflugzeugs. Diese Zugdrachen entwickeln eine enorme Kraft und sind weit effizienter als „normale“ Segel. Für dieses Pionierprojekt ehrte die GPM jetzt in Berlin Firmengründer Stephan Wrage. „Dank dieses Projekts hat Deutschland weltweit seine Führungsrolle bei Höhenwindenergie und Zugdrachen gefestigt“, lobte Laudator und Juryvorsitzender Prof. Hasso Reschke. Auch Bundestagsabgeordnete von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gratulierten bei der Übergabe des renommierten Preises.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 l 23 D rachen steigen lassen - diesen Kinderspaß kennt jeder. Und auch die verblüffende Zugkraft des hoch im Wind schwirrenden Drachens ist fest im Erinnerungsschatz. Was, wenn solch ein Drache mit der Spannweite eines Airbus die Kraft hätte, große Frachtschiffe über den Ozean zu schleppen? Dieser Frage folgten Stephan Wrage und sein Team über Jahre. Ein solcher Hightech-Drache könnte im Schiffsverkehr Energie sparen und den Ausstoß von klimaschädigendem Kohlendioxid senken. Gemeinsam mit Thomas Meyer gründete Wrage in Hamburg das Unternehmen SkySails und setzte ein verwegenes Entwicklungsprojekt auf. Heute sind erste Schiffe mit vollautomatischen Zugdrachen unterwegs, die eine Spannweite ähnlich der eines Airbus A321 haben. Am Bug befestigt nutzen diese Höhensegel die besonders ergiebigen Winde in einhundert bis fünfhundert Meter Höhe. Täglich sparen diese „Segel des 21. Jahrhunderts“ auf jedem Schiff viel Treibstoff, umgerechnet den Öl-Jahresbedarf von bis zu fünf Einfamilienhäusern. Außerdem pustet jedes Schiff dreißig Tonnen weniger Kohlendioxid in die Luft über den Ozeanen. Stephan Wrage zählt zu den Vordenkern und Pionieren bei der Nutzung regenerativer Energien. Mit seinen Innovationsprojekten betrat er echtes Neuland. Dafür verlieh ihm die GPM den „Roland Gutsch Project Management Award 2012“, mit dem sie Personen ehrt, die Projekte von gesellschaftlicher Bedeutung durchgeführt und deutschem Projektmanagement Weltgeltung verschafft haben. In Berlin lud sie zur festlichen Verleihung ein. Das Unternehmen SkySails hat längst die Aufmerksamkeit der Politik gewonnen. Drei Bundestagsabgeordnete kamen in den „Hamburger Bahnhof“ und würdigten das Projekt und seinen Manager. „Dank dieses mutigen Projekts hat Deutschland weltweit seine Führungsrolle bei Höhenwindenergie und Zugdrachen gefestigt“, hob Laudator und Juryvorsitzender Prof. Hasso Reschke hervor. „Die CO 2 -Emission der weltweiten Schifffahrt ist größer als die der Bundesrepublik Deutschland“, erklärt Entwicklungsprojekt unter vollen (Höhen-)Segeln GPM verleiht Gutsch-Award in Berlin Klimaschutz auf hoher See: Für viele Unternehmen kein Thema. Anders bei der Hamburger SkySails. Dort haben Ingenieure in einem kühnen Projekt Zugdrachen für Frachtschiffe entwickelt, am Bug befestigte Höhensegel mit der Spannweite eines modernen Verkehrsflugzeugs. Diese Zugdrachen entwickeln eine enorme Kraft und sind weit effizienter als „normale“ Segel. Für dieses Pionierprojekt ehrte die GPM jetzt in Berlin Firmengründer Stephan Wrage. „Dank dieses Projekts hat Deutschland weltweit seine Führungsrolle bei Höhenwindenergie und Zugdrachen gefestigt“, lobte Laudator und Juryvorsitzender Prof. Hasso Reschke. Auch Bundestagsabgeordnete von SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen gratulierten bei der Übergabe des renommierten Preises. Oliver Steeger Stephan Wrage, „wir wollen mit unserem Entwicklungsprojekt beweisen, dass sich Klimaschutz mit den Bedürfnissen der Wirtschaft vereinbaren lässt“. Zehn Jahre Praxiserfahrung hat sein Unternehmen mit Schiffs-Zugdrachen gesammelt. Nun denkt Wrage weiter. Wie kann man mit Höhensegeln - dieser „Basistechnologie“ - Strom aus Windenergie erzeugen? Denn Zugdrachen arbeiten deutlich effizienter als heute gängige Segel und Windräder. Wissenschaftler haben nachgemessen: Segel Preisträger Stephan Wrage zählt zu den Vordenkern und Pionieren bei der Nutzung regenerativer Energien. Foto: Oliver Steeger PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 23 in vierhundert bis fünfhundert Meter Höhe leisten 1.800 Watt je Quadratmeter. Mit diesen Kraftpaketen verglichen, bringen es konventionelle Windräder auf eintausend Watt je Quadratmeter - und Fotovoltaikanlagen auf nicht einmal 120 Watt. Die eigentliche Herausforderung bei diesen Entwicklungsprojekten liegt beim Schritt von Forschung und Versuchsanlagen hin zu serienreifen (und „marktfähigen“) Produkten. Bis vor fünf Jahren lag Stephan Wrage mit seinen Projekten im Plan. Danach - beim Schritt zum Markt hin - kam es immer wieder zu 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 24 REPORT Über neunzig Prozent des Welthandels nutzen den Seeweg, Frachtschiffe gelten als wichtigstes Transportmittel der Welt. Dies zeigt auch Spuren in den Klimabilanzen. Mit einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid pro Jahr belastet die globale Handelsflotte das Klima. Wäre die Schifffahrt ein Land, so würde sie mehr CO 2 emittieren als Deutschland. Langsam rückt sie damit in den Fokus der Klimaschutzdiskussion. So will man bis 2020 zumindest die Schwefelemissionen der Frachtschiffe reduzieren. Experten rechnen damit, dass sich angesichts von Ölpreisen und Emissionsauflagen die Treibstoffkosten in Zukunft für die Schifffahrt verdreifachen werden. Die Betriebskosten der Schiffe werden dann zum größten Teil von den Treibstoffkosten bestimmt. Für viele Reeder liegt die Idee nicht fern, statt Öl oder Diesel wieder auf Wind zu setzen - ein Gedanke, den das Hamburger Unternehmen SkySails schon seit vielen Jahren verfolgt. Nach eigenen Angaben Markt- und Technologieführer für automatisierte Zugdrachensysteme, bietet das Unternehmen Windantriebssysteme für Frachtschiffe an. Die Zugdrachen „made in Germany“ können Treibstoffverbrauch und Emissionen eines Schiffes im Jahresdurchschnitt zwischen 10 und 35 Prozent senken. Das System kann als zusätzlicher Windantrieb auf nahezu allen bestehenden Schiffen und Schiffsneubauten installiert werden. Laut einer Studie des UN-Organs IMO (International Maritime Organization) hat die SkySails-Technologie das Potenzial, pro Jahr etwa 100 Millionen Tonnen CO 2 einzusparen - dies entspricht etwa elf Prozent der deutschen CO 2 - Emissionen. SkySails wurde im Jahre 2001 von Stephan Wrage und Thomas Meyer gegründet. Ende des Jahres 2003 stieg die Oltmann Gruppe als Hauptinvestor ein und stellte die Finanzierung der Technologieentwicklung sicher. Nach erfolgreichem Abschluss der Grundlagenentwicklung 2005 wurde die Technologie schrittweise auf eine Zugdrachenfläche von 160 Quadratmeter skaliert und der Prototyp auf dem 55 Meter langen ehemaligen Tonnenleger „Beaufort“ in den Jahren 2006 und 2007 eingehend getestet. Ende 2007 installierte das Unternehmen zwei Pilotsysteme auf den Frachtschiffen „Beluga SkySails“ der Reederei Beluga Shipping und „Michael A.“ der Reederei Wessels. Ein weiteres Schiff der Reederei Wessels, die „Theseus“, folgte im Sommer 2009. Ende 2008 gewann SkySails die Zeppelin Power Systems, ein Tochterunternehmen der traditionsreichen Zeppelin Gruppe, als strategischen Partner. Seit Beginn der Serienproduktion übernimmt das Gemeinschaftsunternehmen Zeppelin SkySails Sales & Service exklusiv und weltweit den Vertrieb und Service für das SkySails-System. Ende 2010 beteiligte sich der niederländische Großkonzern Royal DSM N.V. an dem Unternehmen. Weitere Informationen: www.skysails.de. SkySails bringt „frischen Wind“ in die Schifffahrt „Dank dieses mutigen Projekts hat Deutschland weltweit seine Führungsrolle bei Höhenwindenergie und Zugdrachen gefestigt“, hob Laudator und Juryvorsitzender Prof. Hasso Reschke hervor. Foto: Oliver Steeger René Röspel, Bundestagsabgeordneter der SPD, gratulierte dem Preisträger und ließ herzliche Sympathie für dessen Projekt erkennen. „Ich schätze ungewöhnliche Ideen und Menschen, die solche Ideen haben“, sagte Röspel. Foto: Oliver Steeger PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 24 boten; der umweltschonendere Treibstoff ist allerdings rund ein Drittel teurer. Solche Einschränkungen können Höhensegel für die Schifffahrt lukrativ machen. „Deutschland will seinen Energieverbrauch auf erneuerbare Energie umstellen“, wandte sich Dr. Valerie Wilms direkt an den Preisträger, „dafür brauchen wir Sie, Herr Wrage.“ Prof. Hasso Reschke würdigte die Leistungen des Innovationsprojekts. Das Projekt habe besonderen Herausforderungen unterlegen. Das Team habe auf seinem schwierigen Weg ständig die Grundvoraussetzungen seines Vorhabens neu schaffen und erhalten müssen. Projektmanager und Team mussten beispielsweise die finanzielle Basis sichern, kritische Stakeholder einbinden, den Projektplan mit hoher Flexibilität verfolgen und das Projektteam in seiner Volatilität stabilisieren. „Wer in einem hochinnovativen Projekt gearbeitet hat, kennt den besonderen Geist dieser Projekte“, erklärte er, „er weiß, dass hier nicht Projektpläne bürokratisch abgearbeitet werden, sondern bei allen Teammitgliedern Kreativität, Flexibilität, Ergebnisorientierung und Durchhaltewillen vorhanden sind.“ So hob Prof. Hasso Reschke insbesondere die Zielbindung, die Effizienz und das Engagement der Beteiligten hervor. Stephan Wrage sieht in seinen bislang nur in der Schifffahrt verwendeten Zugdrachen eine große Chance für die zukünftige Stromerzeugung aus Windenergie. „Höhenwind“ ist das Stichwort. Forschungen zeigen, dass der Energieertrag von Wind in Höhen zwischen 200 und 1.000 Metern um ein Vielfaches ergiebiger als in Bodenprojekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 l 25 Rüdiger Kruse, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg, nannte die neue Technologie eine Bereicherung für die Energiewende. „Es ist klug, mit mehreren technologischen Strategien in die Energiewende zu gehen“, erklärte er. Foto: Oliver Steeger Für Bündnis 90/ Die Grünen gratulierte Bundestagsabgeordnete Dr. Valerie Wilms. „Es fasziniert mich, wie Menschen aus der Beobachtung des Winds solche Ideen und Projekte entwickeln“, erklärte sie. Die Grundprinzipien von Zugdrachen seien lange bekannt, doch erst Stephan Wrage habe mit seinem Projekt den Schatz gehoben. Foto: Oliver Steeger „Rücksprüngen“. „Menschen, die ihrer Zeit voraus sind, haben es nicht immer leicht“, wie es einer der Gäste bei der Preisverleihung auf den Punkt brachte. René Röspel, Bundestagsabgeordneter der SPD, ließ herzliche Sympathie für dieses Projekt und seinen Projektleiter erkennen. „Ich schätze ungewöhnliche Ideen und Menschen, die solche Ideen haben“, sagt er. Solch ein Zugdrache könne ein Beispiel für „Sprunginnovationen“ werden. „Drei Prozent der weltweiten CO 2 -Emissionen entfallen auf den Schiffsverkehr“, erklärte er, „es wäre für den Klimaschutz ein gewaltiger Sprung nach vorn, diese Emissionen zu reduzieren.“ Ähnlich äußerte sich Rüdiger Kruse, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg: „Die Idee hinter diesem Projekt ist bestechend einfach und gut“, sagte er. Es handele sich um eine spannende Technologie, sie bereichere die Energiewende. „Es ist klug, mit mehreren technologischen Strategien in die Energiewende zu gehen“, erklärte er. Für Bündnis 90/ Die Grünen trat die Bundestagsabgeordnete Dr. Valerie Wilms ans Rednerpult. „Es fasziniert mich, wie Menschen aus der Beobachtung des Winds solche Ideen und Projekte entwickeln“, erklärte sie, „etwas Bekanntes wurde neu verstanden.“ Die Grundprinzipien von Zugdrachen seien lange bekannt, doch erst Stephan Wrage habe mit seinem Projekt den Schatz gehoben. Derzeit indes halten sich viele Reedereien zurück, die Zugdrachen auf ihren Schiffen einzusetzen. Der Markt gilt als schwierig, jede Investition werde abgewogen; Treibstoff werde auf den Handelsflotten im Augenblick durch Langsamfahrt gespart. Dennoch sieht Dr. Valerie Wilms gute Chancen, dass sich Zugdrachen verbreiten. Beispielsweise sei in Schutzgebieten in Nordsee und Ostsee der Betrieb mit umweltschädlichem Schweröl ver- Prinzipien von Flugdrachen lange bekannt PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 25 nähe ist. Zugdrachen seien, so Wrage, physikalisch gesehen die leistungsfähigste Form der Windkraftnutzung. Der Drache bewegt sich dynamisch in Form einer „Acht“; so kann er im Vergleich mit einem konventionellen Segel bis zu 25-mal mehr Vortriebskraft erzeugen. Allein die Schifffahrt spart auf diese Weise bei gutem Wind täglich mehrere Tausend Dollar Treibstoffkosten. Die GPM verleiht den „Roland Gutsch Project Management Award“ zum fünften Mal. Der Preis wurde beispielsweise 2007 an Heinz Palme vergeben, den Chef- Projektmanager der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Ähnlich wurden 2008 Ulrich R. Schönfeld und Dr. Karl-Heinz Schützhold als Projektverantwortliche für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche mit dem „Roland Gutsch Project Management Award“ ausgezeichnet. Der Award-Jury gehören neben Projektmanagementexperten auch frühere Preis- Gutsch-Award nach PM-Gründervater benannt träger sowie Persönlichkeiten aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben an. Benannt ist der renommierte Preis nach Roland Gutsch. Der 2009 verstorbene PM-Experte gilt als Gründervater und Vorkämpfer des Projektmanagements in Deutschland. In den frühen 1960er-Jahren hat er die Methoden und Vorgehensweisen des Projektmanagements nach Deutschland gebracht, hier verbreitet und darüber hinaus international gefördert. Zudem wurde 1979 unter seiner Führung der Fachverband GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. gegründet. Er war über viele Jahre Vorstandsvorsitzender der GPM sowie der IPMA International Project Management Association. 1971 initiierte Gutsch in einer Pioniertat einen Fernsehschulungskurs für Projektmanagement, der sich an Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung richtete; sie studierten in drei Wochen die Grundlagen und Arbeitsweisen professionellen Projektmanagements. Obwohl diese Managementdisziplin damals in Deutschland kaum bekannt war, gewann Gutsch rund 20.000 Interessierte für das Angebot. ■ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 26 REPORT Gruppenbild: Drei Bundestagsabgeordnete ließen es sich nicht nehmen, trotz eng geplanter Terminkalender Stephan Wrage zu gratulieren; v. l. n. r.: Rüdiger Kruse (CDU), Dr. Valerie Wilms (Bündnis 90/ Die Grünen), Preisträger Stephan Wrage sowie René Röspel (SPD). Foto: Oliver Steeger Jörg Gre PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 26
