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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
31
2013
242 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Der lange Weg zur Industrialisierung der Elektromobilität

31
2013
Jörg Greiteneyer
Hans H. Jung
Der Artikel beleuchtet die wichtigsten Prozesse für Automobilhersteller, Zulieferer und Energieversorger auf dem Weg zur Industrialisierung der Elektromobilität. Zudem zeigt er Erfolgsfaktoren auf, um den Übergang von der Pilotphase in die Massenmarktphase zu meistern und die Marktpotenziale auszuschöpfen. Basis für die Bewertung bildet das Effizienzmodell „Mobilität der Zukunft“: Es zielt darauf ab, die Regelkreise von Wertschöpfungsmodellen für Hersteller, Zulieferer und Energieanbieter zu optimieren.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 l 27 WISSEN S chon so manche als zukunftsträchtig gelobte Technologie landete in der Geschichte der großen Errungenschaften auf einem Nischenplatz. Das lag meist nicht daran, dass die Idee an sich schlecht war oder es an Marktpotenzial mangelte. Vielmehr scheiterte es an der Umsetzung: Zu lange Entwicklungszeiten, zu hohe Kosten, mangelnde Kooperation zwischen den Beteiligten, ineffiziente Prozesse, fehlende beziehungsweise zu späte Standardisierung oder Qualitätsprobleme führten dazu, dass sich die Innovationen nicht durchsetzen konnten. Die Stolpersteine auf dem Weg zur Industrialisierung und zum Massenmarkt sind zahlreich. Genau vor dieser Bewährungsprobe stehen derzeit Automobilhersteller, Zulieferer und Energieversorger beim Thema Elektromobilität. Das Marktpotenzial ist durchaus vielversprechend: 65 bis 70 Prozent der Gesamtjahresfahrleistung sind Kurzstrecken [1] und könnten schon heute rein elektrisch gefahren werden. Weniger überzeugend sind jedoch die Zulassungszahlen von 2011. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden in Deutschland weniger als 2.000 Fahrzeuge mit reinem E-Antrieb zugelassen. Die meisten davon fahren im Rahmen von Pilotprojekten. Eine weitere erstaunliche Erkenntnis fördern die Anmeldungen des KBA zutage: Die erfolgreichsten Modelle der 2011 angemeldeten Elektrofahrzeuge stammen nicht von deutschen Automobilherstellern, die allesamt mit grünem Image werben. Mit Vollgas auf den Markt - oder doch besser im Schritttempo? Dennoch, auch hierzulande schreitet die industrielle Fertigung von Elektrofahrzeugen voran. Zwar sieht die nationale Plattform Elektromobilität (NPE), bestehend aus Spitzenvertretern aus Industrie, Politik, Wissenschaft, Verbänden und Gewerkschaften, in ihrem aktuellen Fortschrittsbericht den Schwerpunkt derzeit noch auf Forschung und Entwicklung. Doch schon bald wird sich der Fokus in Richtung Prozessumsetzung und Vermarktung verschieben: Nachdem Politik und Wirtschaft klare Zukunftsbilder der Mobilität für 2020 entworfen haben, gilt es nun für die Marktteilnehmer, die erarbeiteten Konzepte umzusetzen. Ziel ist es, für jeden Markt und jeden Kunden ein optimales Angebot zum richtigen Zeitpunkt bereitzustellen. Die Automobilhersteller gehen davon aus, dass mittelfristig sowohl konventionelle als auch alternative Antriebskonzepte parallel bestehen werden. Es lohnt sich Der lange Weg zur Industrialisierung der Elektromobilität Das laute Trommeln um das leise Fahren hat nachgelassen, dem ersten Hype folgt nun die Bewährungsphase: Beim Thema Elektromobilität sind die Akteure gefordert, die von Politik und Wirtschaft festgelegten Ziele wirtschaftlich umzusetzen. Wie dies gelingen kann, welche Handlungsfelder und Prozesse dies betrifft, zeigt dieser Beitrag. Jörg Greitemeyer, Hans H. Jung daher, neben neuen Technologien wie der Elektromobilität auch das Potenzial von herkömmlichen CO 2 -reduzierten Motorkonzepten sowie innovative Geschäftsmodelle wie Carsharing genauer zu evaluieren. Zusätzlich gilt es, neue Geschäftsfelder wie Batterieleasing zu betrachten. Experten zufolge wird dieser Zweig allein in Deutschland bis 2020 ein zusätzliches Finanzierungsvolumen von vier bis fünf Milliarden Euro erreichen. Nur so können die Marktplayer im Rennen um die individuelle und nachhaltige Mobilität von morgen erfolgreich durchstarten. Neue Prozesse: Die fünf Handlungsfelder für die Zukunft der Mobilität Für die erfolgreiche Umsetzung der erarbeiteten Konzepte wurde im Rahmen einer aktuellen Studie der Managementberatung UNITY AG aus der Reihe Opportunity „Elektromobilität - Neue Prozesse für Unternehmen und Kunden“ das Effizienzmodell „Mobilität der Zukunft“ entwickelt. Es unterstützt Unternehmen beim Denken in neuen Dimensionen über die bisherige Lieferkette hinweg. Durch das Verknüpfen von funktionalen Wertschöpfungsfeldern erhalten die Verantwortlichen eine Gesamtsicht auf aktuelle und geplante Vorhaben. Innovations-, Beschaffungs-, Fertigungs- und Marktausgangsprozesse lassen sich nach diesem Modell über sogenannte „Stage-Gates“, also logische Abschnitte, gezielt steuern. Dadurch können die Anbieter Fahrzeugprojekte und Mobilitätsangebote je nach Marktsituation beschleunigt vermarkten oder zurückstellen. Sind die Strukturen und Prozesse in allen Regelkreisen nach einem modularen Prinzip angelegt, lassen sich die unterschiedlichen Wertschöpfungsalternativen flexibel umsetzen. Der Artikel beleuchtet die wichtigsten Prozesse für Automobilhersteller, Zulieferer und Energieversorger auf dem Weg zur Industrialisierung der Elektromobilität. Zudem zeigt er Erfolgsfaktoren auf, um den Übergang von der Pilotphase in die Massenmarktphase zu meistern und die Marktpotenziale auszuschöpfen. Basis für die Bewertung bildet das Effizienzmodell „Mobilität der Zukunft“: Es zielt darauf ab, die Regelkreise von Wertschöpfungsmodellen für Hersteller, Zulieferer und Energieanbieter zu optimieren. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 27 Das Effizienzmodell „Mobilität der Zukunft“ umfasst neue Prozesse für die fünf entscheidenden Handlungsfelder und deren Herausforderungen: 1. Geschäftsmodelle und Produktplanung: Erweiterung der immer kürzeren Produktzyklen um technische Lösungen und innovative Geschäftsmodelle; Frühaufklärungsprozess für die wirtschaftlich erfolgreiche Vermarktung eines vordefinierten, breiteren Spektrums an Mobilitätsangeboten 2. Entwicklung und Planung: Entwicklung und Absicherung aller relevanten technologischen Alternativen; Steuerung und Planung aller wertschöpfenden Prozesse im eigenen Unternehmen und mit Partnern unter Berücksichtigung der Entwicklungen am Markt 3. Beschaffung und Qualität: Integration neuer Zulieferer, Geschäftspartner sowie neuer Materialien und Komponenten; verstärkte Nachhaltigkeit der individuellen Mobilität, die Ökologie und Ökonomie in Einklang bringt 4. Produktion und Logistik: Erhöhte Produktion und Montage technischer Systembausteine und Varianten in einem internationaleren Umfeld, um Flexibilität und Nachhaltigkeit in der Wertschöpfung zu steigern 5. Vertrieb und Service: Kurzfristige Reaktion auf gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, Ressourcenverfügbarkeit sowie lokale Lebens- und Mobilitätsumstände; Ausrichtung aller wertschöpfenden Prozesse auf den Markt für den erfolgreichen Vertrieb konventioneller und alternativer Antriebskonzepte in etablierten Märkten, Schwellenländern oder rapide wachsenden Megacitys Sechs Treiber beeinflussen die zukünftige Entwicklung „Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen“ - diese Aussage des griechischen Philosophen Sokrates beschreibt die große Herausforderung für die Player auf dem Automobilmarkt sehr treffend. Denn aus heutiger Sicht existieren unterschiedliche Zukunftsbilder der individuellen, nachhaltigen Mobilität. Wichtige Weichenstellungen nimmt zum einen der Gesetzgeber vor. Im Jahr 2015 wird beispielsweise EU-weit die E6-Abgasnorm, die verschärfte Grenzwerte vorsieht, in Kraft treten. Ein weiteres Kriterium, das den zukünftigen Weg prägen wird, ist die wirtschaftliche Situation, von der die tatsächliche Umsetzung der möglichen Zukunftsszenarien in den nächsten Jahren stark abhängt. Das bedeutet für die Automobilhersteller vor allem eines: Sie müssen bereits heute viele der möglichen Schlüsseltechnologien von morgen beherrschen, und zwar auf industriellem Niveau. Die Studie definiert sechs Treiber, welche die zukünftige Entwicklung der Mobilität maßgeblich beeinflussen werden: politische, ökonomische, soziokulturelle, technische, ökologische und rechtliche. Die diskontinuierliche Entwicklung der Rahmenbedingungen fordert von den Unternehmen die Fähigkeit, rasch auf lokale Nachfrageänderungen zu reagieren und ihre Produktionspläne und -programme flexibel anzupassen. Das kann für die Automobilhersteller auch bedeuten, mit neuen Geschäftsmodellen wie Carsharing in die Rolle eines Mobilitätsdienstleisters zu schlüpfen. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 28 WISSEN Abb. 1: Mit dem Effizienzmodell „Mobilität der Zukunft“ können Automobilhersteller, Zulieferer, Stromerzeuger und -anbieter die Regelkreise von Wertschöpfungsmodellen optimieren; Quelle: UNITY AG PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 28 während des Crashtests hohe Wellen. Grund dafür war ein beschädigtes Kühlsystem der Batterie. Der Vorfall ist exemplarisch für eine große Herausforderung: Technologien mit unausgereiften Übergangsprozessen von Forschung zu Serienentwicklung führen zu negativen Imageeffekten und zu einbrechenden Verkaufszahlen. Sie gefährden damit den Geschäftserfolg. General Motors bekam im Frühjahr 2012 die Folgen mangelnder Nachfrage bereits zu spüren und musste sogar einen mehrwöchigen Produktionsstopp einlegen. Eine weitere Herausforderung liegt in den mangelnden Standards, etwa für internationale Ladestecker. Sie erschweren die Absicherung innovativer Lösungen zusätzlich. Alle Beteiligten integrieren Die Unsicherheiten enden allerdings nicht beim Crashtest. Sie setzen sich in den bisher eher untypischen Kooperationspartnerschaften fort, etwa zwischen Automobil- und Kunststoffherstellern sowie der Elektronikbranche. Sie erfordern große Anpassungsfähigkeit auf allen Seiten. In der Praxis bedeutet das, zentrale Prozesse im Bereich Beschaffung und Qualität anzupassen. Zukunftsprognosen zeigen, dass Lieferanten zu Entwicklungspartnern auf Augenhöhe werden, da sie das notwendige Know-how zu Elektromotoren, Batterien und neuen Materialien mitbringen. Die Automobilhersteller sind verstärkt auf das Wissen ihrer Zulieferer angewieprojekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 l 29 Uli Hoeneß Präsident FC Bayern München Dr. Reinhard Sprenger Führungsexperte und Bestsellerautor Klaus Grewe Projektkoordinator der Olympischen Spiele 2012 in London Andreas Steinle Geschäftsführer Zukunftsinstitut am 15. und 16. Mai 2013 in Frankfurt/ Main Sichern Sie sich jetzt Ihren Platz f r das spannendste Event in 2013. Unsere Top-Referenten zeigen Ihnen, wie die Transformation bew hrter Methoden in die Praxis gelingen wird. www.xperience-xchange.de Anzeige Mut zur Lücke? Nicht bei der Absicherung! Die Automobilindustrie sieht im Leichtbau die ideale Lösung, um den schwindenden Ölressourcen zu begegnen und den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Mit dem Gewicht des Fahrzeugs sinken auch Spritverbrauch und CO 2 -Emmissionen. Gerade bei der Elektromobilität spielen neue, leichte Materialien aufgrund der bisher relativ geringen Batterieleistung eine besonders große Rolle. Doch für eine innovative Leichtbauarchitektur müssen die Entwickler Neuland bei den verwendeten Materialien betreten. So weisen beispielsweise neue, hochfeste Verbundwerkstoffe ein völlig anderes Verhalten im Crashfall auf als Stahlkarosserien. Die Konsequenz: Es bedarf neuer Prozesse, um rechnerinterne Absicherungsmodelle für dieses Verhalten zuverlässig zu integrieren. Die Studie kommt zu der Erkenntnis, dass die Standardentwicklungsprozesse von Herstellern vor allem darauf ausgelegt sind, die Fahrzeuge über den Lebenszyklus eines Modells hinweg und von Motorengeneration zu Motorengeneration zu optimieren. Für die schnelle und pragmatische Entwicklung von marktfähigen Elektroautos sind sie deshalb unter Umständen zu inflexibel. Fehlen diese Absicherungsprozesse, können die Kinderkrankheiten der Neuentwicklungen schnell die Euphorie für die Elektromobilität trüben. So schlug beispielsweise Ende 2011 der Brand bei einem Chevrolet Volt PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 29 sen - weshalb sie die Zusammenarbeit intensivieren werden. Um bedeutende Wertschöpfungsschritte nicht zu verlieren, werden sie vermehrt in Beteiligungen investieren. Dass diese Entwicklung wahrscheinlich ist, zeigt der Bieterwettbewerb von BMW und VW um Anteile am Leichtbauunternehmen SGL Carbon, einem Hersteller für robuste Karbonfasern. Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe sind für Autobauer hochattraktiv, können sie doch mit 100 Kilogramm Gewichtseinsparung 3,5 Gramm CO 2 einsparen. Auch nachdem das Fahrzeug vom Band gelaufen ist, kommen neue Partner ins Spiel. Elektroautos sowie Verkehrs-, Strom- und IKT-Netze werden künftig zusammenwachsen. Die Experten der NPE sind sich sicher: Die Elektromobilität kann erst dann in der Breite Einzug halten, wenn es eine systemübergreifende Strom- und Verkehrsinfrastruktur gibt. Bei der Entwicklung intelligenter Stromnetze (Smart Grids) müssen viele Beteiligte eng und vor allem effizient zusammenarbeiten. Das zeigt das Beispiel des Stromtankens an einer öffentlichen Ladestation ganz deutlich: Hier sind Nutzer, Fahrzeughersteller, Stromanbieter, Ladestationsbetreiber und Finanzdienstleister involviert. Ein reibungsloser Prozess hinter dem Tankvorgang setzt den abgestimmten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien seitens aller Parteien voraus. Nachhaltigkeit: Gut für Umwelt, Budget und Image Die Automobilbranche arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, Schadstoffe und Verbrauch zu reduzieren - sowohl im Produktionsprozess als auch beim Betrieb der hergestellten Fahrzeuge. Ökologische und soziale Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette, Produktverantwortung und ein schonender Umgang mit Ressourcen zahlen sich nicht nur für die Umwelt aus, wie ein Kundenbeispiel der UNITY AG zeigt: Die Experten analysierten und definierten den Wertstrom eines Automobilzulieferers neu, um die Produktionsprozesse zu optimieren. Weiterhin gestaltete das Unternehmen seine Arbeitsplätze nach der 5S-Methode, sodass die Arbeit störungsfrei ablaufen kann, lange Transportwege oder Wartezeiten vermieden werden und das Arbeitsumfeld sicher, sauber und übersichtlich ist. Darüber hinaus erstellten die Berater Regularien zur Nachhaltigkeit. Die Umsetzung dieser Schritte führte dazu, dass die Produktionskosten um 21 Prozent sanken, während sich die Produktivität um 20 Prozent erhöhte. Gewinnbringend sind Nachhaltigkeit und schlanke Prozesse auch unter dem Aspekt der Vermarktung. Die Herausforderung liegt darin, ökologisches Fahrverhalten zu einem positiven emotionalen Erlebnis für den Nutzer werden zu lassen - und zwar so, dass sich die eigene Marke vom Wettbewerb differenziert. Für die Automobilhersteller gilt es, ihre Markenleitbilder um die energieeffiziente Mobilität zu erweitern und die Aspekte Nachhaltigkeit und Verantwortung positiv in ihre Positionierung einzubinden. Innovationen bei den Vertriebs- und Serviceprozessen sind gefragt. Doch aufgrund der zunehmenden Heterogenität der Empfänger funktioniert die Kommunikation nach einem Einheitskonzept nicht mehr. Instrumente wie Social Media, „Out of Home Marketing“, Eventmarketing und die Organisation von Pilotprojekten können helfen, aktuelle und potenzielle Kunden mit den neuen Elektrofahrzeugen in Kontakt zu bringen. Sowohl für Marketing als auch für Vertrieb gilt: Die kundengerichteten Prozesse werden neben den von Kunden wahrnehmbaren Produkt- und Dienstleistungseigenschaften wesentlich über den Erfolg der Elektromobilität entscheiden. Nur ihre konsequente Weiterentwicklung stellt sicher, dass sie einen Beitrag zur wirtschaftlichen Vermarktung leisten wird. Wie Nachhaltigkeit in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel Audi: Der Automobilkonzern baut eine 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 30 WISSEN Abb. 2: Die exemplarischen Zukunftsbilder zeigen, welche Alternativen für den weltweiten Automobilmarkt bis 2030 denkbar sind; Quelle: UNITY AG PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 30 ganze Kette von nachhaltigen Energieträgern auf. Er beschränkt sich nicht darauf, Ökostrom von Dritten zu kaufen, sondern steigt direkt in die Stromerzeugung ein und beteiligt sich am Bau von Offshore-Windrädern in der Nordsee. Ein Teil des Windstroms soll von einer Anlage genutzt werden, die per Elektrolyse Wasserstoff herstellt. Dieser kann künftig als Energiequelle für Brennstoffzellenfahrzeuge dienen. Alternativ lässt sich aus dem Wasserstoff Methan herstellen. Dieses ist chemisch mit Erdgas identisch und kann Verbrennungsmotoren antreiben [2]. Fazit: Auf dem richtigen Weg In den kommenden Jahren sind die Player am Automobilmarkt gefragt, alternative Strategie- und Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu bewerten. Darin liegt eine wesentliche Kompetenz, um die Chancen des derzeitigen Umbruchs erfolgreich zu nutzen. Die Basis dafür liefert eine flexible Portfoliomanagementarchitektur. Nach einem modularen Prinzip angelegt, lassen sich daraus je nach Marktkonstellation die vielversprechendsten Wertschöpfungsalternativen zeitnah realisieren. Doch wo große Chancen winken, warten auch Risiken. Die steigende Komplexität der Technologien erfordert neue Prozesse und Methoden für eine funktionale und konzeptionelle Absicherung. Nur so lässt sich die wachsende Anzahl von Risiken in immer kürzer werdenden Zeiträumen beherrschen. Eine effiziente und nachhaltig wirksame Umsetzung von innovativen Geschäftsmodellen und Produktideen erfordert ein konsequentes Prozessmanagement. Dabei gilt es, die vorhandenen Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Kennzahlensysteme helfen, die tatsächliche Effizienz der neuen Prozessorganisationen nachzuweisen. Eine klimaneutrale Ausrichtung der automobilen Wertschöpfung von „Well to Wheel“ beeinflusst die Produktionsstrategie und erfordert vor allem eine nachhaltige Prozess-Performance. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie auf einen Blick ❑ Die Elektrifizierung von Antrieben hat das Pilotstadium verlassen. Die Branche ist nun gefordert, in Strukturen und Prozesse für eine wirtschaftliche Vermarktung in größeren Stückzahlen zu investieren. ❑ Es gilt, neue, auf den Markt zugeschnittene Kompetenzen aufzubauen oder durch Partnermodelle zu ergänzen. Strategische Frühaufklärung trägt dazu bei, Marktsynchronität in den Zielregionen sicherzustellen. ❑ Neue, im Reifegrad der Forschung befindliche Materialien und Komponenten führen dazu, dass im Serienentwicklungsprozess Absicherungslücken geschlossen werden müssen. ❑ Zusätzliche Partner für Informationstechnologien im und um das Fahrzeug müssen in neuartige Zusammenarbeitsmodelle integriert werden. ❑ Die Beschaffung neuer Materialien und Fertigungstechnologien erfordert verbesserte zentrale Prozesse im Bereich Beschaffung und Qualität. ❑ Die Integration von veränderten Produktionsprozessen und die Verknüpfung interkontinentaler Logistik für neue Antriebe stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. ❑ Die klimaneutrale Ausrichtung des Elektromobils und der kompletten automobilen Wertschöpfung von „Well to Wheel“ hat Einfluss auf die Produktionsstrategie und erfordert konsequentes nachhaltiges Wirtschaften. ❑ Das Markenimage muss gezielt zu einem Einklang zwischen Ökologie und Ökonomie aufgebaut werden, um aktuelle und neue Zielgruppen in der Kauf- und in der Nutzungsphase zu erreichen. ❑ Für attraktive E-Mobilitätsangebote aus Kundensicht und deren wirtschaftliche Vermarktung bedarf es innovativer Vertriebs- und Serviceprozesse. ❑ Die Industrialisierung der Elektromobilität erfordert eine Effizienzsteigerung in allen Bereichen der automobilen Wertschöpfung. ■ Literatur [1] http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 2579/ umfrage/ durchschnittlich-pro-jahr-mit-kfz-gefahrenekilometer/ (Stand: 7.11.2012) [2] Das e-gas Projekt von Audi - Power-to-Gas im Verkehrssektor. Pressemitteilung Audi AG, Ingolstadt, 12. Mai 2012 Schlagwörter Effizienzmodell, Elektromobilität, Geschäftsmodell, Industrialisierung, Mobilität der Zukunft, Nachhaltigkeit, Prozesse Elemente der NCB 3.0: 4.1.3 Projektanforderungen und Projektziele, 4.1.11 Projektphasen, 4.3.2 Programmorientierung Autoren Jörg Greitemeyer ist seit 2002 als Berater und aktuell als Senior- Geschäftsfeldleiter Automotive bei der Managementberatung UNITY tätig. Als Experte für Projektmanagement verfügt er insbesondere im Bereich Initiierung, Planung und Steuerung von Projekten und Programmen zur Strategieumsetzung sowie im Coaching von PMOs über langjährige Erfahrung. Prof. Dr. Hans H. Jung ist seit 2011 Senior Manager bei der Managementberatung UNITY und leitet das Team des Competence Centers „Strategische Unternehmensführung“ an den Standorten München und Stuttgart. Zuvor war er mehrere Jahre als Manager und Be rater für Premium- Automobilhersteller im In- und Ausland tätig. Seit 2012 ist er zudem Professor für das Lehrgebiet Marketing an der Munich Business School in München. Anschrift der Autoren UNITY AG Dachauer Straße 65 D-80335 München Tel.: 0 89/ 13 01 00 65-11 Fax: 0 89/ 13 01 00 65-19 E-Mail: Joerg.Greitemeyer@unity.de, Hans.Jung@unity.de www.unity.de projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 l 31 PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 55 Uhr Seite 31