eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 24/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2013
242 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Kolumne „Ehrlich und Priesberg“

31
2013
Jens Köhler
Die Kolumne möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidung“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2013 44 WISSEN E hrlich sitzt eines Nachmittags abwesend in seinem Büro. Priesberg kommt um diese Zeit häufig vorbei, um sich den duftenden Kaffee aus Ehrlichs Maschine zu ziehen. Vielleicht hat er aber zu viel davon getrunken, und Priesberg fragt besorgt, was los sei. „Ich denke die ganze Zeit an Ellipsen“, antwortet Ehrlich zur Decke starrend. „Die Dinger, bei denen alle Punkte dieselbe Abstandssumme zu den Brennpunkten haben? Und geben sie nicht auch die Form der Planetenbahnen unseres Sonnensystems vor? “, fragt Priesberg ganz erstaunt. „Nein, die meine ich nicht, aber schon sind wir mitten in der Thematik“, schaut Ehrlich, plötzlich hellwach, auf. „Ich meine den Begriff der Ellipse aus der Linguistik, also das Weglassen von Satzteilen und damit des Kontextes, wenn dieses Weglassen nicht überlegt geschieht. Das kann dazu führen, dass durch die verbleibenden Wörter völlig unterschiedliche Begriffe assoziiert werden, wenn sie auf unterschiedliche Kontexte treffen. Aus dem ursprünglichen Satz ‚Der Maler besorgte Farbe und Pinsel, um eine Wand zu streichen‘ kann sehr schnell der Künstler werden, wenn man ‚eine Wand zu streichen‘ weglässt und nur noch von ‚dem Maler, der Pinsel und Farbe besorgt‘ spricht. Dann kann fälschlicherweise auch jemand gemeint sein, der Bilder malt, also ein Künstler.“ Priesberg meint: „Aber das sind doch sicher nur Missverständnisse, die sich von selbst aufklären.“ „Genau das ist der große Irrtum“, insistiert Ehrlich genervt. „Ich habe Situationen in Projekten erlebt, da wunderte man sich, dass nach zwei Jahren Laufzeit unterschiedliche Resultate im Raume standen, beispielsweise ein reiner Datenspeicher versus ein Auswertesystem, das aus klinischen Daten Wissen generiert - völlig unterschiedliche Zielrichtungen. Und wie ist das passiert: Die einen sprachen von Datenbanken, dachten aber nur an die Datenablage, die anderen sprachen auch von Datenbanken, dachten aber nur an die Auswertemethoden.“ Priesberg schluckt und fühlt sich an ein ihm bekanntes Projekt erinnert. „Wieso tappen wir dann immer wieder in diese Falle? “ „Sicherlich gibt es dafür verschiedene Erklärungsmuster. Auf der einen Seite liegt das daran, dass wir darauf getrimmt werden, Botschaften möglichst durch Stichworte darzustellen. Und bei diesen Sprachstummeln geht eben der Sinnzusammenhang häufig verloren.“ Priesberg unterbricht Ehrlich: „Wenn wir diese Sprachstummel, wie du sie nennst, näher betrachten, in welchem Kontext werden sie dann interpretiert und wie findet die Entscheidung für einen bestimmten Kontext statt? “ Projektgeschichten und Fallstudien: Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ Von Ellipsen und Malern Die Kolumne möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidung“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Ehrlich überlegt: „Vielleicht spielt der Halo-Effekt eine Rolle.“ Er grinst und fährt fort: „Wenn ich eine Person oder eine Sache sympathisch (oder unsympathisch) finde, dann spreche ich ihr Eigenschaften zu, die sie (oder die Sache) womöglich gar nicht hat. Wenn ich also an den Maler denke, der Pinsel und Farbe besorgt, um eine Wand zu streichen, und mir Künstler emotional näher sind als Anstreicher, dann ist unser Maler für mich ein Künstler, wenn durch Anwenden der Ellipse der Nebensatz getilgt wird, dass eine Wand zu streichen ist.“ Ehrlich konkretisiert: „In dem von mir erwähnten Projekt haben alle, die sich für Datenspeicherung interessieren, nur die Eigenschaften des Systems berücksichtigt, die zur Datenspeicherung relevant sind. Umgekehrt hat die andere Fraktion nur an die tollen analytischen Tools gedacht. Hinterher kam das böse Erwachen, als die beiden Teile Datenbank und analytische Methoden nicht zusammenpassten. Beide Gruppen haben implizit vorausgesetzt, dass die andere Gruppe wie die eigene denkt und ihre jeweilige Begeisterung teilt. Und was ich hier schildere, ist beileibe kein Einzelfall.“ „Was sind denn Indikatoren, um Ellipsen zu identifizieren? “, fragt Priesberg. „Grundsätzlich geht nichts über moderierte Projektteamsitzungen und die Erarbeitung eines Collective Mind. Als Frühindikator ... wenn die Sprache einen hohen Anteil an ‚Bullet Points‘ hat, ‚alles klar‘ ist und eine vordergründige Zufriedenheit herrscht, dann bin ich sehr misstrauisch.“ „Als Sofortmaßnahme würdest du die Leute an einen Tisch setzen und die Sprachstummel in einen gemeinsamen, zu erarbeitenden Sinnzusammenhang bringen? “, schließt Priesberg. „Ja, das ist ein guter Anfang“, grinst Ehrlich. ■ Autor Dr. Jens Köhler ist bei der BASF SE beschäftigt. Als Projektleiter liegt sein Haupttätigkeitsfeld in der Prozessanalyse sowie der Konzeption, Realisierung und Implementierung von komplexen IT-Systemen in der Forschung. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung der Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams durch die gezielte Beherrschung von Soft Skills und Kommunikations prozessen. Anschrift BASF SE, D-67056 Ludwigshafen, Jens.Koehler@basf.com Jacquel PM_2-2013_1-68: Inhalt 27.03.2013 14: 58 Uhr Seite 44