PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2013
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Von Projektkrisen und mathematischer Logik
51
2013
Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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P riesberg trifft sich mit Tobias Ehrlich, um über Projektkrisen zu sprechen. Ehrlich schaut mehrfach auf die Uhr, denn der überpünktliche Priesberg ist schon seit einer Viertelstunde überfällig. „Du kommst immer zu spät! “, ruft Ehrlich ernsthaft, als Priesberg schließlich den Raum betritt. Priesberg schaut ihn verärgert an: „Wieso, jetzt komme ich einmal unpünktlich, und schon sieht es so aus, dass ich ein Trödler bin.“ „Haha, reingefallen“, ruft Ehrlich. „Dies war zugegebenermaßen ein nicht ganz fairer Trick, dich in eine alltägliche Kommunikationsfalle zu führen, nämlich die unvorsichtige Verwendung von Quantoren wie ‚immer‘, ‚nie‘ und ‚alle‘.“ Priesberg schaut ihn fragend an. Ehrlich fährt fort: „Überleg dir mal folgende Situation: In einem IT-System funktioniert eine Komponente erst nach, sagen wir mal, dreimaligem Nachbessern. Ich denke, du wirst mir zustimmen, dass nicht wenige Menschen sagen werden: ‚Die Komponente ist immer defekt‘.“ Ehrlich legt nach: „Vielleicht sagen diese Menschen auch: ‚Niemals wird diese IT-Anwendung funktionieren und alle anderen IT-Anwendungen sind besser‘.“ „Na und, dann fragt man halt mal nach; sicher stellt sich dann heraus, was das wirkliche Problem war, weswegen also die Komponente dreimal nicht funktionierte und es sich ansonsten um ein gutes Computerprogramm handelt“, entgegnet Priesberg in angeregtem Zustand, „… wollten wir nicht über Projektkrisen sprechen? “ „Und schon sind wir mitten drin“, Ehrlich gibt sich alle Mühe, sich ein lautes Lachen zu verkneifen, um den armen Priesberg nicht völlig auf die Palme zu bringen, und fährt fort: „Stell dir mal vor, die Komponente des IT-Systems geht in einer Projektkrise dreimal kaputt, und schon reden die Leute davon, das System sei ‚immer‘ kaputt. So, und jetzt enthalten die Entscheider, die womöglich in der Krise unter Zeitdruck über die Zukunft des Systems entscheiden müssen, genau diese verzerrte Information, nämlich dass das System immer kaputt sei. Dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung gegen das System hoch, da man ja etwas, das immer kaputt ist, nicht benötigt.“ Priesberg kratzt sich am Kopf „Das heißt doch, schon im normalen Gespräch zwischen Kollegen Wert auf eine hohe sprachliche Genauigkeit legen zu müssen, also möglichst auf diese Quantoren zu verzichten, und ganz besonders natürlich bei Entscheidungsvorbereitungen in Krisensituationen.“ „Ja natürlich, und jetzt kommt es noch besser“, legt Ehrlich nach: „Eine genaue Formulierung eines Sachverhalts kostet Energie. Und genau die fehlt uns in Krisen, weil wir dann durch mentale Schreckenszenarien, die uns durch den Kopf gehen, blockiert sind.“ „Kann es sein, dass die Anwendung dieser Quantoren im Alltag im wörtlichen Sinn vielleicht sogar unmöglich ist, da alle Objekte in unserer Umgebung endlich sind? “, resümiert Priesberg. „Jep, so ist es. Versuche einmal die Fälle herauszufinden, bei denen ‚immer‘, ‚nie‘ und ‚alle‘ Gültigkeit im eigentlichen Sinne haben“, konstatiert Ehrlich. Priesberg grübelt: „Mir fallen da nur Beispiele aus der Mathematik ein. Gerade Zahlen lassen sich immer durch zwei teilen, nie sind Primzahlen größer zwei gerade und alle Dreiecke im euklidischen Raum haben eine Winkelsumme von 180°.“ „Und weshalb bist du dir so sicher? “, grinst Ehrlich. „Ganz einfach“, kontert Priesberg, „weil man es beweisen kann.“ Ehrlich springt vom Stuhl auf: „Genau das ist der Punkt: Wann immer man einen Quantor zur Vereinfachung eines Sachverhalts verwenden möchte, sollte man vorher ‚beweisen‘, ob der Quantor in einem bestimmten Kontext näherungsweise gültig ist. Falls das nicht gelingt, sollte man die Sache ausführlich formulieren und in den Kontext einbetten. Beispielsweise ist es im Dezember im Durchschnitt immer kälter als im Juli …“, Priesberg fällt Ehrlich ins Wort, „… und auch nur, wenn man sich auf der Nordhalbkugel der Erde befindet. Erst wenn allen Beteiligten Letzteres klar ist, kann man auf den Hinweis der Nordhalbkugel verzichten.“ „Wichtig ist, dass man sich bewusst ist, dass eine präzise Formulierung mentale Energie kostet und diese gerade in Krisen rar ist. Schafft man dies, dann ist das der Beitrag, um in der Krise einen kühlen Kopf zu bewahren“, unterstreicht Ehrlich. ■ Autor Dr. Jens Köhler ist bei der BASF SE beschäftigt. Als Projektleiter liegt sein Haupttätigkeitsfeld in der Prozessanalyse sowie der Konzeption, Realisierung und Implementierung von komplexen IT-Systemen in der Forschung. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung der Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams durch die gezielte Beherrschung von Soft Skills und Kommunikations prozessen. Anschrift BASF SE, D-67056 Ludwigshafen, Jens.Koehler@basf.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2013 34 WISSEN Projektgeschichten und Fallstudien Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ Von Projektkrisen und mathematischer Logik Die Kolumne möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidung“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Jacquel PM_3-2013_1-64: Inhalt 03.06.2013 6: 20 Uhr Seite 34
