PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Pst ... schon gehört? Der Glaube an die Statistik ist ungebrochen
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Jacqueline Irrgang
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E s ist Montagmorgen, 8.58 Uhr. Die Sonne scheint und Konrad, seines Zeichens Projektcontroller, blickt zufrieden aus dem Fenster. Hoch oben im 35. Stock hat er einen herrlichen Rundblick über die Dächer der Großstadt. Das Erinnerungssignal seines Monitors reißt ihn aus seinem Tagtraum. Es ist 9.00 Uhr. Kennzahlenzeit! Er lässt den Blick noch einmal über die Großstadt schweifen, bevor er seine Aufmerksamkeit auf den Monitor lenkt. Alle Teilprojekte haben ihre Kennzahlen geliefert. „Das ist preußische Pünktlichkeit, wie ich sie liebe“, murmelt er vor sich hin und zieht genüsslich an seiner Zigarre. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Teilprojekt 1 hat einen CPI (Cost Performance Index) von 1,0 und auch der SPI (Schedule Performance Index) steht auf 1,0. Also alles im Plan. Was für ein Ergebnis! Der Teilprojektleiter hat hier mal wieder super gegen die Baseline gemanagt. Bei diesen guten Zahlen hat Konrad allen Grund sich zufrieden in seinen englischen Ledersessel zurückzulehnen und noch einmal an seiner Zigarre zu ziehen. „Na, dann sind die Teilprojekte 2 und 3 bestimmt genauso gut“, denkt er bei sich und will gerade den Ampelstatus auf Grün setzen. Doch was ist das? Wieso liefert das Testmanagement aus der 1. Etage unterschiedliche Ergebnisse? Im Teilprojekt 2 wurde das neue Produkt „Riester- Rente“ getestet und jetzt berichtet, dass ein Testfall mit 10.000 Versicherungsverträgen erfolgreich getestet und ein Erfüllungsgrad von 80 Prozent erreicht wurde. Das heißt der Testfall ist fast abgeschlossen. Dieses Teilprojekt hat es sich sehr einfach gemacht. Es hat einfach das Produkt „Riester-Rente“ über alle 10.000 Versicherungsverträge gestülpt ohne Rücksicht auf den einzelnen Vertrag. Quasi mit der Gießkanne gearbeitet. Wenn dann noch Fehler auftauchen, ist das nicht das Problem der Tester, denn sie sollten ja nur testen, ob am Ende das Produkt „Riester-Rente“ rauskommt. Im Teilprojekt 3 wurde das neue Produkt „Betriebliche Altersvorsorge“ getestet und berichtet, dass ebenfalls 10.000 Versicherungsverträge überprüft wurden. Mit dem Unterschied allerdings, dass jeder einzelne Versicherungsvertrag auch ein Testfall war. Die Verantwortlichen haben sich die Mühe gemacht und jeden einzelnen Vertrag auf Plausibilität getestet und dabei sind 2.000 Versicherungsverträge durch das Raster gefallen. Der Erfüllungsgrad liegt hier zwar auch bei 80 Prozent, aber die Zahl 2.000 wirkt eben psychologisch höher als die Zahl 80. Allerdings hat Konrad diese kleine, aber feine Information nicht. Denn er sitzt oben im 35. Stock und kontrolliert seine Projekte sauber nach Kennzahlen. So sieht er nur, dass es einen Testfall gab und der hat einen Erfüllungsgrad von 80 Prozent erreicht. Kopfschüttelnd sitzt Konrad vor den Zahlen und fragt sich verwundert: „Wie kann es sein, dass 2.000 Testfälle ,failed‘ sind? Und das obwohl das Teilprojekt 3 einen fähigen Teilprojektleiter hat, der Begriffe wie ,passed‘, ,not passed‘, ,failed‘, ,no run‘ oder ,not completed‘ kennt. Natürlich erfasst er auch die Defects mit ,Priority‘ und ,Severity‘ wöchentlich und vergleicht diese. Da hätte er doch frühzeitig die Backlogs erkennen können, oder? “ Konrad kommt ins Grübeln. Tja, lieber Konrad. Was nutzt dir die denglische Mathematisierung, in der Kennzahlen streng nach einem Algorithmus ermittelt werden? Garniert mit englischen Abkürzungen sollen sie das gesprochene Wort ersetzen. Das kann doch nicht in deinem Sinne sein, oder? Mein Fazit: Zahlen sind für die Steuerung von großen Projekten notwendig und wichtig. Ein Mehr an Kennzahlen verbessert jedoch nicht unbedingt die Qualität der Projektsteuerung. Und noch was: Zu viel Zigarrenrauch gefährdet die Gesundheit. Zu viel Zahlengläubigkeit gefährdet das Projekt. ■ Autorin Jacqueline Irrgang managt mit Herz und Verstand Projekte und hat sich auf Kundenservice spezialisiert. Sie ist studierte Wirtschaftsinformatikerin, diplomierter systemischer Coach sowie Executive Interimsmanagerin und schaut auf über 30 Jahre Projektarbeit zurück. Nach dem Motto „Projektmanagement mal ganz anders“ hat sie das Buch „Tatort Projekt“ veröffentlicht. Ihr Lebensprojekt: Sie möchte Service-Päpstin von Deutschland werden. Anschrift E-Mail: J.Irrgang@ccq.de projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2013 l 35 Projektgeflüster Pst … schon gehört? Der Glaube an die Statistik ist ungebrochen Jacqueline Irrgang PM_3-2013_1-64: Inhalt 03.06.2013 6: 20 Uhr Seite 35