eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 24/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2013
244 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Mal andersrum gefragt: Ergebnisse einer Studie zu Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit

101
2013
Stephen Rietiker
Steffen Scheurer
Andreas Wald
Im Gegensatz zu vielen Studien, die Erfolgsfaktoren für das Projektmanagement untersuchen, haben wir drei Fragen zu Problemen in der Projektarbeit gestellt: Welches sind die häufigsten in der Projektarbeit auftretenden Probleme, wie stark beeinflussen diese Probleme den Projekterfolg und wie schwierig ist es, diese Probleme zu lösen? Die Beantwortung dieser Fragen soll einen fokussierten Einsatz der vorhandenen Mittel zur Lösung der dringlichsten Probleme ermöglichen. Die Ergebnisse einer Online-Befragung von 151 Personen zeigen, dass die am häufigsten auftretenden Probleme nicht notwendigerweise auch die schwerwiegendsten oder die am schwersten zu lösenden Probleme sind. Einige Ergebnisse weichen von den Aussagen der traditionellen Erfolgsfaktorenforschung ab.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2013 l 33 1 Erfolgsfaktoren und Probleme der Projektarbeit Die Suche nach Erfolgsfaktoren hat eine lange Tradition in der Projektmanagementforschung. Die Ergebnisse reichen von der Auflistung einzelner, generischer Erfolgsfaktoren bis zu komplexen Modellen, die eine situative Wirkungsweise der Faktoren in Abhängigkeit von Kontextbedingungen postulieren. Häufig genannte Erfolgsfaktoren sind beispielsweise der Führungsstil des Projektmanagers, Unterstützung durch das Topmanagement, eine funktionierende Kommunikation und die stringente Anwendung von Planungstools [2, 1, 3]. Neben der Vielzahl der unterschiedlichen Faktoren macht es auch die Vielzahl der unterschiedlichen Kriterien, die zur Messung des Projekterfolgs herangezogen werden, schwierig, eindeutige Gestaltungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten. Wir haben uns deshalb dazu entschieden, anstelle von Erfolgsfaktoren Probleme (Misserfolgsfaktoren) in der Projektarbeit zu untersuchen und dabei konkret drei Fragen gestellt: 1. Welches sind die häufigsten in der Projektarbeit auftretenden Probleme? 2. Wie stark beeinflussen diese Probleme den Projekterfolg? 3. Wie schwierig ist es, diese Probleme zu lösen? Die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht die Entwicklung von theoretisch möglichst fundierten Lösungsansätzen für die am häufigsten auftretenden und die schwerwiegendsten Probleme. Dadurch lassen sich knappe Ressourcen in der Projektpraxis effektiver einsetzen. 2 Die Studie Die Studie basierte auf einem standardisierten Online- Fragebogen, der über die Newsletter von GPM und spm/ Mal andersrum gefragt: Ergebnisse einer Studie zu Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit Viele Forschungsarbeiten zum Projektmanagement zielen darauf ab, Erfolgsfaktoren zu identifizieren, die möglichst unabhängig von der Branche und der Projektart wirken. Wir haben uns umgekehrt die Frage gestellt, welche Probleme im Rahmen der Projektarbeit am häufigsten auftreten und wie diese den Projekterfolg beeinflussen. Die im vorliegenden Beitrag präsentierten Ergebnisse einer Studie zu Problemen (Misserfolgsfaktoren) können als Basis für die Entwicklung von Lösungsansätzen dienen, die sich auf die häufigsten und sich besonders negativ auswirkenden Probleme konzentrieren. Stephen Rietiker, Steffen Scheurer, Andreas Wald SGO, Social Networks, Internet-Blogs und persönliche Kontakte verteilt wurde. Neben allgemeinen Angaben zu Unternehmen, Projekten und individuellen Attributen wurden die Befragten gebeten, die drei oben genannten Fragen zu beantworten. Dazu wurden insgesamt 55 Einzelprobleme beschrieben (Items), die jeweils einer von sieben Themenkategorien zugeordnet waren: 1. Projektvorbereitung und Vertragsgestaltung 2. Projektziele und Projektplanung 3. Projektleitung/ Projektumsetzung/ Steuerung 4. Projektteam und interne Zusammenarbeit 5. Zusammenarbeit mit externen Akteuren 6. Komplexität 7. Rahmenbedingungen des Projektmanagements Darüber hinaus konnten die Befragten in jeder der vorgegebenen Kategorien sowie ergänzend zum Multiprojektmanagement weitere Probleme nennen. Die Befragten nahmen die Einschätzungen anhand von Fünferskalen (1 = selten/ keinen Einfluss/ einfach, 5 = sehr Im Gegensatz zu vielen Studien, die Erfolgsfaktoren für das Projektmanagement untersuchen, haben wir drei Fragen zu Problemen in der Projektarbeit gestellt: Welches sind die häufigsten in der Projektarbeit auftretenden Probleme, wie stark beeinflussen diese Probleme den Projekterfolg und wie schwierig ist es, diese Probleme zu lösen? Die Beantwortung dieser Fragen soll einen fokussierten Einsatz der vorhandenen Mittel zur Lösung der dringlichsten Probleme ermöglichen. Die Ergebnisse einer Online-Befragung von 151 Personen zeigen, dass die am häufigsten auftretenden Probleme nicht notwendigerweise auch die schwerwiegendsten oder die am schwersten zu lösenden Probleme sind. Einige Ergebnisse weichen von den Aussagen der traditionellen Erfolgsfaktorenforschung ab. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 33 häufig/ sehr großen Einfluss/ sehr schwierig) vor. Insgesamt nahmen 151 Personen an der Befragung teil. Tabelle 1 zeigt die Zusammensetzung der Stichprobe differenziert nach der Branchenzugehörigkeit, der Projektart und dem Übermittlungsmedium des Fragebogens. In der Stichprobe sind Unternehmen aus sehr unterschiedlichen Branchen vertreten, wobei eine deutliche Mehrheit von Beratungsunternehmen und Unternehmen aus der IT- und Softwarebranche an der Befragung teilgenommen haben, während sich nur vergleichsweise wenige Vertreter von Chemie- und Pharmaunternehmen beteiligt haben. Hinsichtlich der Projektart halten sich externe Projekte, die für Kunden durchgeführt werden, sowie (organisations-)interne Projekte in etwa die Waage. Bei den internen Projekten sind IT-Projekte mit 20,8 Prozent am häufigsten in der Stichprobe vertreten, gefolgt von Organisationsprojekten (17,7 %). Anzumerken ist, dass nicht alle Teilnehmer den gesamten Fragebogen ausgefüllt haben, sondern ein jeweils rückläufiges Antwortverhalten im Verlaufe der Befragung zu beobachten war, das der Länge des Fragebogens geschuldet ist. Im Durchschnitt haben jeweils 104, 83 und 80 Befragte die Teilfragen zu den Fragen 1, 2 und 3 (siehe oben) beantwortet. Neben Fragen zu Problemen der Projektarbeit haben wir Fragen zu den Eigenschaften der Projekte gestellt, die von den Befragten durchgeführt werden. Dabei zeigt sich, dass die Befragten ihre Projekte mehrheitlich als sehr komplex wahrnehmen, sowohl was den fachlichen Inhalt betrifft als auch die fachliche Heterogenität der Beteiligten (Mittelwerte jeweils 4,08). Zudem gehen die Projekte mit einem hohen Risiko einher (Mittelwert 3,46) und haben dementsprechend einen nur mäßigen Wiederholungsgrad (Mittelwert 2,54). Bei den Fragen nach dem Erfolg der Projekte (Abb. 1) wurde zwischen dem Projektmanagementerfolg (Zielerreichung bezüglich Zeit, Kosten, Ergebnis) und dem Projekterfolg, im Sinne der Zufriedenheit von Kunden, (internen) Auftraggebern/ Sponsoren und den Projektmitarbeitern, unterschieden. Die durchgeführten Projekte werden mehrheitlich als erfolgreich wahrgenommen. Dabei ist zu beobachten, dass bezüglich des Projektmanagementerfolgs der Zielerreichungsgrad beim Ergebnis (Mittelwert 3,9) höher ist als bei der Zeit und den Kosten. Dies entspricht dem häufig zu beobachtenden Sachverhalt, dass Projekte in der Regel (erfolgreich) zu Ende geführt werden und im Ergebnis ihr Ziel erreichen, dies aber mit einer Überschreitung des Budgets und zeitlichen Verzögerungen einhergeht. Ein differenziertes Bild ergibt sich auch hinsichtlich der Zufriedenheit der am Projekt Beteiligten. Externe Kunden sowie interne Auftraggeber und Sponsoren sind im Durchschnitt zufriedener (Mittelwerte 3,73 und 3,70) als die unmittelbar im Projekt arbeitenden Projektmitarbeiter und Projektleiter (Mittelwerte 3,20 und 3,26). 3 Die häufigsten Probleme in der Projektarbeit Die fünf am häufigsten sowie die fünf am seltensten auftretenden Probleme sind in Tabelle 2 eingetragen. Das mit großem Abstand (Mittelwert 3,75) häufigste Problem fällt in die Kategorie „Rahmenbedingungen des Projektmanagements“ und besteht darin, dass das Topmanagement das Projektcontrolling nicht zur übergeordneten Unternehmenssteuerung nutzt. Damit wird das in mehreren konzeptionellen Arbeiten thematisierte Problem der mangelnden Verbindung zwischen Strategie und Projekten auch empirisch bestätigt [4]. Konkret kann sich das Problem beispielsweise darin äußern, dass ein 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2013 34 WISSEN Branche in % Projektart in % Fragebogen via in % Automobil 7,4% Anlagenbau 3,7% Beratung 22,8% Bauindustrie 4,4% Chemie 2,2% Finanzdienstleistungen 5,9% IT/ Software 14,7% Maschinenbau 4,4% Pharma 0,7% Öffentliche Unternehmen 11,0% Telekommunikation 5,1% Sonstige 17,6% Projekte für externe Kunden 47,7% Intern: FuE-Projekte 10,8% Intern: Investitionsprojekte 3,1% Intern: IT-Projekte 20,8% Intern: Organisationsprojekte 17,7% GPM Newsletter 40,4% SGO/ spm Newsletter 7,3% Social Networks 7,3% Internet-Blog 8,6% Persönlicher Kontakt 22,5% Sonstiges 13,9% n = 151 Gesamt 100,0% Gesamt 100,0% Gesamt 100,0% Tab. 1: Zusammensetzung der Stichprobe Abb. 1: Projekterfolg und Projektmanagementerfolg (Mittelwerte) 5,00 4,00 3,00 2,00 1,00 3,20 3,90 3,05 3,57 3,73 3,70 3,20 3,26 Ziel Kosten Ziel Ergebnis/ Qualität Ziel Zeit Ziel Gesamtergebnis Zufr. Kunden (extern) Zufr. Sponsoren/ Auftraggeber Zufr. Projektmitarbeiter Zufr. Projektleiter PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 34 Projekt, das zur Umsetzung einer (Teil-)Strategie beiträgt, zwar als erfolgreich bewertet wird, was den Projektmanagementerfolg (Zeit, Ziel, Budget) und die Zufriedenheit der Stakeholder betrifft, das Projektcontrolling jedoch keine Informationen dazu liefert, inwiefern das Projekt tatsächlich inhaltlich dazu beigetragen hat, die Strategie umzusetzen. Die Ursache des Problems kann auch sein, dass ein wirksames Projektcontrolling schlichtweg fehlt. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, da Projekte zunehmend zur Strategieumsetzung eingesetzt werden [6]. Auf die strategiebezogene Problematik folgen zwei eher operative Probleme des Projektmanagements: unvollständige Projektressourcenpläne aus der Kategorie Projektziele/ -planung (Mittelwert 3,49) und ein mangelhaftes personenbezogenes Veränderungsmanagement (Kategorie Projektleitung/ -umsetzung/ Steuerung). Dies ist insbesondere in Bezug auf die Projektressourcenplanung erstaunlich, da die existierenden Projektmanagementstandards zu dieser Frage ausführliche Vorgaben beinhalten und ein professionelles Projektmanagement mit den entsprechenden Tools umgehen können sollte. Auf Platz 4 in der Rangliste der am häufigsten auftretenden Probleme liegt eine mangelhafte Machbarkeitsanalyse im Rahmen der Projektplanung, und auf dem fünften Platz liegen Probleme, die sich durch Veränderungen der Kundenanforderungen ergeben. Insgesamt lassen sich die am häufigsten auftretenden Probleme daher keiner eindeutigen Kategorie zuordnen, sondern treten sowohl während der Projektplanung als auch während der Durchführung auf und betreffen projektinterne Akteure, die Rahmenbedingungen und externe Akteure. Bezüglich der selten auftretenden Probleme lässt sich beobachten, dass Probleme, die sich aus der Zusammensetzung der Projektteams sowie der Zusammenarbeit ergeben, eher selten vorkommen. So gehören das Fehlen regelmäßiger Treffen des Projektteams, eine zu hohe kulturelle Diversität, mangelnde Teamfähigkeit und Motivation von Teammitgliedern sowie zu wenig Kontakt zum Project Steering Committee zu den am seltensten genannten Problemen. projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2013 l 35 Tab. 2: Häufige und seltene Probleme Rang Kategorie Problem n Mittel 1 2 3 4 5 Rahmenbedingungen Projektziele und Projektplanung Projektleitung/ -umsetzung/ Steuerung Projektziele und Projektplanung Zusammenarbeit mit externen Akteuren Topmanagement nutzt das Projektportfoliocontrolling nicht zur Steuerung der gesamten Unternehmensentwicklung Unvollständiger Projektressourcenplan Das personenbezogene Veränderungsmanagement ist mangelhaft Mangelhafte/ nicht systematische Machbarkeitsanalyse im Projektvorfeld Probleme durch Veränderungen der Anforderungen seitens des Kunden 102 106 104 106 97 3,75 3,49 3,49 3,47 3,46 51 52 53 54 55 Komplexität Projektteam und interne Zusammenarbeit Projektteam und interne Zusammenarbeit Zusammenarbeit mit externen Akteuren Projektleitung/ -umsetzung/ Steuerung Komplexität aufgrund zu hoher interkultureller Diversität Mangelnde Teamfähigkeit Mangelnde Motivation von Teammitgliedern Kein regelmäßiger Kontakt zum Project Steering Committee Es werden keine regelmäßigen Treffen des Projektteams abgehalten 103 104 104 97 105 2,59 2,54 2,51 2,40 2,06 Sichern Sie Ihren Erfolg durch unsere Expertenteams aus China und Taiwan. Wir sind Profis in PM-Beratung, Echtzeit-Controlling, Führungs-Coaching, Team-Bildung und interkulturellem Training. www.huang-jaumann.de MANAGEMENT KNOW-HOW FÜR CHINA-PROJEKTE China-Projekte effektiv durchführen. Wir zeigen den Weg. Anzeige PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 35 4 Auswirkungen der Probleme auf den Erfolg der Projekte Die Häufigkeit des Auftretens eines Problems geht nicht notwendigerweise mit dem Ausmaß der negativen Auswirkung desselben einher. So können beispielsweise selten auftretende Probleme das Projekt sehr negativ beeinflussen, während die negativen Folgen eines häufiger vorkommenden Problems möglicherweise eher gering sind. Korreliert man die Mittelwerte der Häufigkeit mit den Mittelwerten des Ausmaßes der Beeinflussung des Projekterfolgs, ergibt sich ein nur mäßiger Korrelationskoeffizient von r = 0,397 (Pearson). Tabelle 3 zeigt die Probleme mit den gravierendsten Auswirkungen sowie die Probleme, die sich am geringsten auf den Erfolg der Projekte auswirken. Interessanterweise handelt es sich bei den drei schwerwiegendsten Problemen „Unklare Projektziele oder mangelnde Kommunikation der Projektziele“ (Mittelwert 3,94), „Änderungen in der Aufgabenstellung nicht systematisch erkannt/ berücksichtigt“ (Mittelwert 3,86) und „Mangelhafte/ nicht systematische Machbarkeitsanalysen im Projektvorfeld“ (Mittelwert 3,80) um Probleme, die sich eigentlich durch die konsequente Anwendung von existierenden Projektmanagementstandards sowie den Einsatz entsprechender Tools vermeiden ließen. Dies ist einerseits ermutigend, da grundsätzlich auf existierende Lösungen zurückgegriffen werden kann, andererseits weist dies auf einen bestehenden Bedarf an Projektmanagementschulungen und Zertifizierungen hin. Die Ursache für unklare Projektziele oder deren mangelnde Dokumentation ist in der Praxis häufig im sozialen Aspekt der Projektarbeit angesiedelt und hat mehr mit zwischenmenschlicher Kommunikation zu tun als mit Standards und Tools; auch diesem Umstand kann mit Schulung oder Coaching begegnet werden. Als ebenfalls sehr schwerwiegende Probleme werden die mangelhafte Kommunikation innerhalb des Projektteams sowie Probleme durch Veränderung der Anforderungen seitens der Kunden (Mittelwert jeweils 3,73) genannt. Von allen Einzelfragen weist diejenige zur Machbarkeitsanalyse im Projektvorfeld die höchste Korrelation zwischen der genannten Häufigkeit (Rang 4) und der Beeinflussung des Projekterfolgs (Rang 3) am oberen Ende der Skala auf, das heißt hier sollten vordringlich Lösungsansätze entwickelt werden. Zu den weniger schwerwiegenden Problemen zählen mit „Kein systematisches Lieferantenmanagement“ und „Kein regelmäßiger Kontakt zum Project Steering Committee“ (Mittelwert jeweils 2,97) zwei Probleme aus der Kategorie „Zusammenarbeit mit externen Akteuren“. Von allen Einzelfragen weist diejenige zum Kontakt des Projekts zum Steering Committee die höchste Korrelation zwischen der genannten Häufigkeit (Rang 54) und der Beeinflussung des Projekterfolgs (Rang 52) am unteren Ende der Skala auf. Darüber hinaus werden die negativen Auswirkungen unvollständiger Projektkostenpläne (Mittelwert 2,95), nicht einheitlicher PM-Softwaresysteme zur Unterstützung des PM (Mittelwert 2,88) und Komplexität aufgrund zu hoher kultureller Diversität (Mittelwert 2,72) als vergleichsweise gering wahrgenommen. Das Ergebnis zu den fehlenden einheitlichen PM-Softwaresystemen könnte Anlass sein, die Toolfrage in Zukunft vermehrt in den Hintergrund treten zu lassen. 5 Schwer und einfach zu lösende Probleme Die fünf am schwersten und die fünf am leichtesten zu lösenden Probleme in der Projektarbeit sind in Tabelle 4 aufgeführt. Auffällig bei den Befunden ist dabei, dass sich alle schwer zu lösenden Probleme in der konkreten Projektarbeit entweder aus den ungenügend gestalteten Rahmenbedingungen des Projektmanagements oder aus dem besonderen Komplexitätssachverhalten des betrachteten Projekts ergeben. Damit sind die unmittelbaren Ein- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2013 36 WISSEN Tab. 3: Starker und schwacher Einfluss auf den Erfolg der Projekte Rang Kategorie Problem n Mittel 1 2 3 4 5 Projektziele und Projektplanung Projektleitung/ -umsetzung/ Steuerung Projektziele und Projektplanung Projektteam und interne Zusammenarbeit Zusammenarbeit mit externen Akteuren Unklare Projektziele oder mangelnde Dokumentation der Projektziele Änderungen in der Aufgabenstellung nicht systematisch erkannt/ berücksichtigt Mangelhafte/ nicht systematische Machbarkeitsanalyse im Projektvorfeld Mangelhafte Kommunikation innerhalb des Projektteams Probleme durch Veränderungen der Anforderungen seitens des Kunden 85 83 86 81 77 3,94 3,86 3,80 3,73 3,73 51 52 53 54 55 Zusammenarbeit mit externen Akteuren Zusammenarbeit mit externen Akteuren Projektziele und Projektplanung Rahmenbedingungen Komplexität Kein systematisches Lieferantenmanagement Kein regelmäßiger Kontakt zum Project Steering Committee Unvollständiger Projektkostenplan Keine einheitlichen PM-Softwaresysteme zur Unterstützung des PM Komplexität aufgrund zu hoher interkultureller Diversität 77 78 85 84 82 2,97 2,97 2,95 2,88 2,72 Proz Pro PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 36 flussmöglichkeiten des Projektteams selbst auf diese Problemstellungen eingeschränkt. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Rahmenbedingungen, in denen ein konkretes Projekt abläuft. Hier fällt auf, dass das am häufigsten genannte Problem - das Topmanagement nutzt das Projektcontrolling nicht zur übergeordneten Unternehmenssteuerung - zugleich auch als das am schwersten zu lösende Problem eingeschätzt wird (Mittelwert 3,68). Als nahezu ebenso schwer lösbare Projektprobleme werden zwei weitere Rahmenbedingungen des Projektmanagements gesehen: So wird mangelnde Autonomie und Entscheidungsbefugnis im Projekt sowie der zu niedrige Stellenwert des Projektmanagements im Unternehmen mit jeweils demselben Mittelwert von 3,55 an dritter bzw. an vierter Stelle genannt. Hieraus lässt sich auch empirisch die zunehmend wichtiger werdende Rolle des Topmanagements in Bezug auf ein funktionierendes Projektmanagement ablesen [6]. Dies betrifft sowohl die systematische Einbindung des Projektmanagements in die strategische Unternehmenssteuerung als auch die Klärung der organisatorischen Einordnung des Projektmanagements und seiner Bedeutung für das Unternehmen. Als zwei weitere schwer lösbare Projektprobleme erweisen sich die im Projekt aufkommende Komplexität aufgrund externer Änderungsdynamik (Mittelwert 3,60) und die Komplexität aufgrund der zu hohen Anzahl von projektinternen Parteien (Mittelwert 3,53). Demgegen- Tab. 4: Schwierigkeitsgrad der Problemlösung Rang Kategorie Problem n Mittel 1 2 3 4 5 Rahmenbedingungen Komplexität Rahmenbedingungen Rahmenbedingungen Komplexität Das Topmanagement nutzt das Projektportfoliocontrolling nicht zur Steuerung der gesamten Unternehmensentwicklung Komplexität aufgrund zu hoher externer Änderungsdynamik im Projekt Die Projekte haben nicht genügend Autonomie und ausreichend Entscheidungsbefugnis Projektarbeit hat keinen hohen Stellenwert im Unternehmen Komplexität aufgrund zu hoher Anzahl projektinterner Parteien 79 80 80 80 81 3,68 3,60 3,55 3,55 3,53 51 52 53 54 55 Projektziele und Projektplanung Projektleitung/ -umsetzung/ Steuerung Projektziele und Projektplanung Projektziele und Projektplanung Projektleitung/ -umsetzung/ Steuerung Unvollständiger Projektterminplan Die Dokumentation ist mangelhaft Unvollständiger Projektablaufplan Unzureichendes Kick-off-Meeting zur Zielpräzisierung mit Projektmitgliedern Es werden keine regelmäßigen Treffen des Projektteams abgehalten 81 81 81 81 80 2,58 2,54 2,51 2,41 2,06 Prozessorientiertes Projektmanagement - CONTACT ProductDays 2013 Integrierte Produktdaten, synchronisierte Prozesse. 17. und 18. September, Augsburg 24. und 25. September, Düsseldorf Jetzt kostenlos anmelden: www.contact-software.com Anzeige PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 37 über werden Probleme, die sich überwiegend im Rahmen der Projektplanung und -abwicklung ergeben, als weniger schwer lösbar eingeschätzt. Naturgemäß haben der Projektmanager und sein Team auf diese Probleme auch direkte Einflussmöglichkeiten. So werden ein unvollständiger Projektterminplan, mangelhafte Projektdokumentation, ein unvollständiger Projektablaufplan, ein unzureichendes Kick-off-Meeting zur Zielpräzisierung mit den Projektmitgliedern sowie keine regelmäßigen Treffen des Projektteams zwar als Problemstellungen erkannt, aber auch als relativ leicht lösbare Projektprobleme eingeordnet. 6 Branchen- und projektartspezifische Befunde Die Rangfolgen der Häufigkeit der auftretenden Probleme und ihrer Auswirkungen und Lösbarkeit sind relativ konstant über die gesamte Stichprobe. Trotzdem lassen sich einige projektarten- und branchenspezifische Besonderheiten beobachten. Betrachtet man nur die externen Projekte, d. h. Projekte, die für einen externen Auftraggeber durchgeführt werden, sind Veränderungen der Kundenanforderungen im Projektverlauf das am häufigsten auftretende Problem (Mittelwert 3,72). Daneben ist eine mangelhafte oder nicht vollständige Stakeholderanalyse im Projektvorfeld ein sehr häufiges Problem (Mittelwert 3,44). Bei Projekten für interne Auftraggeber kommen unvollständige Projektressourcenpläne (Mittelwert 3,70) und eine unklare Definition der Rollen und Schnittstellen zwischen Stammorganisation und den projektgebundenen Teilen der Organisation besonders häufig vor (Mittelwert 3,63). Ein Vergleich der am stärksten in der Stichprobe vertretenen Branchen zeigt, dass es auch hier einige spezifische Probleme gibt. Bei Projekten in der IT/ Softwarebranche sind Probleme durch Veränderungen der Anforderungen seitens des Kunden (Mittelwert 3,75) sowie die Komplexität aufgrund einer zu hohen Anzahl projektinterner Parteien (Mittelwert 3,50) die am häufigsten auftretenden Probleme. Dementsprechend sind agile Projektmanagementmethoden, die insbesondere für Projekte mit einer hohen Komplexität und Veränderungsdynamik geeignet sind, ursprünglich auch im Bereich der Softwareentwicklung entstanden [5]. Ähnlich gelagert sind die Probleme in der Automobilbranche. Hier sind die Komplexität aufgrund zu hoher interner Änderungsdynamik im Projekt (Mittelwert 4,00) und Probleme durch Veränderungen der Anforderungen seitens des Kunden (Mittelwert 3,88) die am häufigsten auftretenden Probleme. In Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor spielen hingegen Probleme, die sich aufgrund von Komplexität und Dynamik ergeben, eine geringere Rolle. Hier steht die mangelnde Steuerung durch das Projektcontrolling, sowohl in strategischer (Mittelwert 4,00) als auch in operativer Hinsicht (Mittelwert 3,89), im Vordergrund. 7 Fazit Auch wenn die organisatorischen Rahmenbedingungen für Projektarbeit in der Wahrnehmung der Studienteilnehmer den Erfolg der Projekte nicht sehr negativ beeinflussen, sollte die Spitzenposition in der Nennung der Häufigkeit und die Dreifachnennung bei den am schwersten zu lösenden Problemen Anlass genug sein, diesen Punkt ernst zu nehmen. Insbesondere das Fehlen eines wirksamen Projektcontrollings und die entsprechenden Auswirkungen auf die Unternehmenssteuerung sind ein Indiz dafür, dass Projekte nach wie vor zu wenig in den Gesamtkontext der Gesamtorganisation eingebettet sind. Schulung und Zertifizierung von Projektleitern allein genügen hier nicht. Die Zertifizierung von Organisationen könnte ein zusätzlicher Hebel sein. Vor allem als Begleitmaßnahme zur Weiterentwicklung des systemischen Zusammenwirkens von Projekten und Umfeld, zum Beispiel über die Thematisierung des Stellenwerts von Projekten in der Organisation oder eine Diskussion zur Ausstattung der Projektleiter mit Macht. Da Projekte komplexe, soziale Systeme sind, ist hier insbesondere die Bewusstseinsbildung in den Führungsetagen der Unternehmen von Bedeutung. Manches deutet jedenfalls darauf hin, dass die Lösungen für die Probleme im Projektmanagement keinesfalls nur im Projektmanagement selbst zu finden sind! Die zuvor angesprochenen Rahmenbedingungen sind in der ICB 3.0 den PM-Kontextkompetenzen zuzuordnen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich vereinzelte Probleme im Bereich der PM-technischen Kompetenzen befinden und mehrere den Verhaltenskompetenzen zugeordnet werden können. Als Schlussfolgerung sollte in der Qualifizierung vermehrt auf Elemente wie Zusammenarbeit, Kommunikation und Wertschätzung eingegangen werden. Die präsentierten Ergebnisse der Studie können als Basis für die Entwicklung von Lösungsansätzen verwendet werden, die sich auf die häufigsten und sich besonders negativ auswirkenden Probleme konzentrieren. Danksagung Die Studie entstand aus der Zusammenarbeit der Autoren im Rahmen der GPM Fachgruppe „Neue Perspektiven in der Projektarbeit“. Wir bedanken uns bei allen Mitgliedern der Fachgruppe für viele wertvolle Anregungen. Unser besonderer Dank gilt Sandra Dierig, die uns ihre umfangreichen Vorarbeiten zu diesem Thema zur Verfügung gestellt hat. ■ Literatur [1] Fortune, J./ White, D.: Framing of project critical success factors by a systems model. In: International Journal of Project Management, Vol. 24, 2006, No. 1, pp. 53-65 [2] Hyväri, I.: Success of Projects in Different Organizational Conditions. In: Project Management Journal, Vol. 37, 2006, No. 4, pp. 31-41 [3] Ika, L. A.: Project Success as a Topic in Project Management Journals. In: Project Management Journal, Vol. 40, 2009, No. 4, pp. 6-19 [4] Schelle, H.: Projektmanagement und Unternehmensstrategie. In: Wagner, R. (Hrsg.): Projekt als Strategie - Strategie als Projekt. Trends, Potenziale, Perspektiven. GPM, Nürnberg 2009, S. 24-37 [5] Schwaber, K. : Scrum im Unternehmen. Microsoft Press Deutschland, Unterschleißheim 2008 [6] Wald, A./ Wagner, R./ Schneider, C.: Mit Projekten Unternehmen erfolgreich führen: Zur strategischen Bedeutung des Projektmanagements. In: Der Betriebswirt, 53. Jg., 2012, H. 4, S. 15-20 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2013 38 WISSEN PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 38 Schlagwörter Misserfolgsfaktor, Problem, Projekt, Projektmanagement Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.1 Projektmanagementerfolg Autor Stephen Rietiker, Dipl.-Wirtsch.-Inf., ist geschäftsführender Partner der november ag. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Leitung und Sanierung von komplexen Projekten, Aufbau von PMOs, Project Health Checks und Verbesserung der organisationalen Kompetenz im Projektmanagement. Er leitet die GPM Fachgruppe „Neue Perspektiven in der Projektarbeit“. Nebenberuflich engagiert er sich als Dozent für Projektportfoliomanagement und Professionalisierung des Projektmanagements im Master-Studiengang „MAS in Project Management“ der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Anschrift november ag Mühlebühl 7 CH-9100 Herisau Tel.: ++41/ 79 414 3353 E-Mail: Stephen.Rietiker@november.ch Autor Prof. Dr. Steffen Scheurer vertritt das Lehrgebiet „Rechnungswesen und Controlling“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen. Zudem ist er der Wissenschaftliche Leiter des berufsbegleitenden MBA-Studiengangs „Internationales Projektmanagement“ an derselben Hochschule. Er ist Autor zahlreicher Artikel und Mitautor eines Lehrbuchs zum Thema „Projektmanagement“. Zudem ist er in der GPM in verschiedenen Forschungsprojekten engagiert. Darüber hinaus hat er über 20 Jahre Beratungserfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Unternehmensführung und Controlling und ist Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Scheurer GmbH & Co. KG. Anschrift Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Parkstraße 4 D-73312 Geislingen Tel.: ++49/ 7 33 12 25 12 E-Mail: Steffen.Scheurer@hfwu.de Autor Prof. Dr. Andreas Wald ist Dekan für Forschung und Professor für Management und Strategie an der European Business School Paris sowie Visiting Professor an der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen temporäre Organisationen, organisatorische Netzwerke und Innovation. Er ist Mitherausgeber der Buchreihe „Advanced Project Management“ sowie Autor einer Vielzahl von Aufsätzen zum Projektmanagement. Seine Arbeiten erscheinen unter anderem in wissenschaftlichen Zeitschriften wie Project Management Journal, International Journal of Project Management und International Journal of Project Organisation and Management. Anschrift European Business School Paris 37/ 39 Boulevard Murat F-75016 Paris Tel.: ++33/ 1 55 18 77 77 E-Mail: andreaswald@ebs-paris.com projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2013 l 39 Damit Sie bei Projektabschluss nicht am Ende sind. Intensiv-Seminare zu Projektmanagement: «Agiles Projektmanagement für Innovationsvorhaben» vom 25. - 26. September 2013; «Projektmanagement II - Projektleitung und Teamführung» vom 2. - 4. Oktober 2013; «Process Engineering mit Lean (Six) Sigma» vom 24. - 25. Oktober 2013. Informationen und Anmeldung sowie alle weiteren Themen finden Sie unter: www.bwi.ch Anzeige PM_4-2013_1-76: Inhalt 22.08.2013 10: 42 Uhr Seite 39