eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 25/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2014
251 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Holistisches Projektmanagement (Beginn S. 57, Fortsetzung S. 56)

11
2014
Borgert, Stephanie: Holistisches Projektmanagement. Vom Umgang mit Menschen, Systemen und Veränderung. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2012, 186 S., Hardcover: ISBN 978-3-642-25701-8, EUR 44,95, E-Book (PDF): ISBN 978-3-642-25702-5, EUR 34,99
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2014 l 57 Die vorliegende Rezension reflektiert eine Themenbündelung, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen mag: Holismus als geisteswissenschaftlich orientierte, auf Ganzheitlichkeit ausgerichtete Lehre in direkter Verbindung mit anwendungsausgerichtetem Projektmanagement. Zwei zunächst isoliert gültige, funktionsfähige Prinzipien mit akademischer Relevanz sollen zu einem neuen Denk- und Verhaltensansatz verschmelzen und innovative Vorgehensweisen im Projektmanagement ermöglichen. Das Buch „Holistisches Projektmanagement“ gliedert sich strukturell dabei in Workstreams (Arbeitsbereiche), die in Form der schwerpunktartigen Leitthemen „Mensch“, „System“ und „Kommunikation“ sowie „Veränderung und Lernen“ Differenzierungen aufweisen. Auf 182 Seiten - ergänzt um ein Abschlussinterview zur empirischen Festigung ausgewählter Thesen - wird kontinuierlich das folgende Leitthema als Ausgangsbasis behandelt: Management komplexer Zusammenhänge. Das Eröffnungskapitel - Kick-off (Beteiligte, Inhalt, Ablauf) - führt sachlich auf ein vielfältiges Themencluster, welches sich aus „Projekt als System“, „Kommunikation als Instrument“, „Bedeutung von Emotionen“ sowie „Lösungsorientierungsansätze im Sinne von Denkrichtungen“ formt. Im folgenden Kapitel 2 fokussiert die Autorin den Workstream „Der Mensch“; hier werden Erkenntnisse der interdisziplinär ausgerichteten Neurowissenschaften platziert, die Erklärungszusammenhänge zur grundsätzlichen, menschlichen Entscheidungsfähigkeit widerspiegeln. Dabei erfährt die in den Wirtschaftswissenschaften kritisch gewertete Entscheidungsfigur des streng rational handelnden „Homo Oeconomicus“ im Kontext normativer Entscheidungstheorie ein durchaus tiefgründiges und erklärungsintensives Bewertungsspektrum. Transferiert auf eine Projektsituation im Unternehmensalltag soll diese vertiefte Wissensbasis bewusstes Verhalten und Reagieren im Projektkontext - auch bereits in der Phase einer konzeptionellen, mehrdimensionalen Abstraktion bei Projektideenfindung - qualitativ anreichern. In eine Perspektive in Richtung „Systembetrachtung“ wirken ausgewählte Aspekte der Systemtheorie und des Konstruktivismus im Projektmanagement verstärkend ein. Der Begriff „System“ fungiert als zentrales Kriterium, leidet aber an einer ausreichenden Begriffspräzision und lässt zudem einen adäquaten Bezugsrahmen zur betriebswirtschaftlich relevanten Organisationslehre vermissen. Sukzessive erweitert sich indes der Bezugsrah- Buchbesprechung Holistisches Projektmanagement Borgert, Stephanie: Holistisches Projektmanagement. Vom Umgang mit Menschen, Systemen und Veränderung. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2012, 186 S., Hardcover: ISBN 978-3-642-25701-8, EUR 44,95, E-Book (PDF): ISBN 978-3-642-25702-5, EUR 34,99 men der Systemtheorie auf seine elementaren Bestandteile der „Vernetzung“, „Rückkopplung“, „Dynamik“, „Kybernetik“, „Regelkreise“ und deren iterative Vorgehensweise. Ein kurzer Verweis auf namhafte Autoren innerhalb systemtheoretischer Überlegungen (Niklas Luhmann und Hans Ulrich) erfolgt überraschenderweise nicht. Das Kapitel 4 konzentriert sich inhaltlich auf die Arbeitsbereiche der „Kommunikation“, der „Veränderungsdynamik“ sowie des „Lernens“. Argumentativ gestützt durch Ansätze des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) und deren Ebenendarstellung werden subjektive Erfahrung des Menschen sowie eine höchst persönliche Wahrnehmungsdimension erwähnt, die menschliche Interaktivität und Reaktionsmuster bewusst betonen. Konsequenter Umgang mit NLP- Ansätzen führt unter anderem zu bewussterem Umgang mit Lernen und Erfahrungen, die auch im Projektmanagement hohe Bedeutung genießen und als Erfolgskontrollgrößen wertvolle Beiträge zur Evaluation einer Gesamtprojektlage leisten. Der thematisierte Spezialaspekt des Holismus erweitert diesen Ansatz um „Kommunikation“ als zentral bedeutsame und wirkungsreiche Komponente im Projektmanagement, um handelnde Personen bewusst gezielt miteinander zu vernetzen. Im abschließenden Kapitel 5 vollzieht sich eine kompakte Themenkonzentration auf die originäre Kernthematik des Buches: Besonderheiten des holistischen Projektmanagements. Der primär relevante Anwendungsbezugsrahmen beruht auf neurologischen Ebenen (Zugehörigkeit, Identität, Werte, Fähigkeiten, Verhalten, Kontext) und kann in Form gezielter Strategiearbeit zu manifestierten Projektarbeitsgrundlagen werden. Somit liegt ein genereller Ansatz vor, um Entscheidungsvorbereitungen zu treffen, mittels gruppendynamischer Ansätze Lösungsfindungsprozesse anzustoßen und diese im Team qualifiziert zu erörtern. Mit eingeschlossen ist eine bewusste Rückkopplungsfunktion, mit der auftretende Konflikte über geordnetes Feedback ins System zurückgegeben werden können. Als aussagekräftiges Fazit bleibt festzuhalten, dass ein Projekt als komplexes dynamisches System für alle Projektbeteiligten idealerweise vollständige Transparenz liefert und dabei aktiv involvierte Projektmitarbeiter Potenziale entfalten. Zweckbestimmende Rahmenbedingungen bilden sich dabei aus Interventionen, Haltungen und einem Menschenbild, in dem der Mensch, das System und Aktivitäten wie Kommunikation, Veränderung und Lernen gezielt ineinandergreifen. Ob reales, komplexes Projektmanagement in dieser Konstellation tatsächlich umsetzungsfreudiger und erfolgreicher verläuft, bleibt indes Fortsetzung auf S. 56 PM_1-2014_1-72: Inhalt 30.01.2014 13: 22 Uhr Seite 57 dass sich vor allem Kompetenzelemente aus dem Kompetenzbereich „PM-technische Kompetenzen“ am besten durch den Einsatz von Social Media-Anwendungen unterstützen lassen. Hierunter fallen Kompetenzelemente wie zum Beispiel: Teamarbeit, Problemlösung, Risiken und Chancen, Änderungen, Information und Dokumentation oder Kommunikation. Es erstaunt nicht, dass dies alles Kompetenzelemente sind, welche die Themen Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordination in ihren Prozessschritten beinhalten. ■ Literatur [1] O’Reilly, T.: Was ist Web 2.0? 2008, www.oreilly.de/ artikel/ web20_trans.html., Stand: 6.10.2013 [2] Ulutas, G.: Was ist Social Media? - Alles Online Marketing. 2012, http: / / alles-online-marketing.de/ was-ist-socialmedia, Stand: 6.10.2013. [3] Buhse, W.: Enterprise 2.0. 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Masterarbeit, 2013, https: / / dl.dropboxusercontent. com/ u/ 48398123/ Anwendungskatalog.xlsx, Stand: 6.10.2013 Schlagwörter Effizienz und Effektivität, Einsatzmöglichkeiten, Erfolgsfaktoren, Messbarkeit, Projektmanagement, Social Media, Web 2.0 Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.6 Projektorganisation, 4.1.8 Problemlösung, 4.1.16 Überwachung und Steuerung, Berichtswesen, 4.1.17 Information und Dokumentation, 4.1.18 Kommunikation, 4.2.3 Selbststeuerung Autor Pascal Ruppen hat in der Schweiz Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Wallis studiert und absolvierte den Master of Advanced Studies in Project Management an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Der zertifizierte Senior Project Manager arbeitet bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft und ist dort für die erfolgreiche Durchführung von IT-Großprojekten verantwortlich. Anschrift Hohmadpark 1 CH-3604 Thun Tel.: ++41/ 78/ 6 01 18 79 E-Mail: Pascal.Ruppen@gmail.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 1/ 2014 56 WISSEN Fortsetzung von S. 57 der persönlichen Beurteilung und Erfahrung des Lesers überlassen. Konstruktive Verbesserungsansätze für eine Neuauflage des Buches orientieren sich in Richtung der redaktionellen Darstellungsform: Mehr gedankliche Abschnittsabsätze sowie eine direkte Quellenreferenzbildung bei zentralen Aussagen helfen dem Leser, das sehr anspruchsvolle Themenspektrum aus verschiedenen sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen beherrschbarer miteinander zu verbinden. Ein konkreter Vorschlag lautet beispielsweise, direkt in der Bucheinleitung die zentralen Themenfacetten in visueller Form zu präsentieren, über einen „Mind Mapping-Ansatz“ betrachtungsrelevante Teilfacetten aus der Themenkomplexität zu fokussieren und somit die für den Leser sehr hohe Abstraktion zu reduzieren. Inhaltlich bildet das rezensierte Buch zweifelsfrei eine innovative Perspektivenerweiterung und macht deutlich, dass insbesondere Projekte ausreichende Freiheitsgrade benötigen, um nicht verfrüht wesentliche Entscheidungsoptionen zu eliminieren: Hier können die erläuterten Ansätze aus dem holistischen Projektmanagement tatsächlich wertvolle Unterstützungen liefern. Ralf Kühl ■ PM_1-2014_1-72: Inhalt 03.02.2014 10: 20 Uhr Seite 56