eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 25/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
31
2014
252 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„Vitamin B“ für PM – Erfolgsformel der Zukunft?

31
2014
Oliver Steeger
Wer in der GPM ist, vernetzt sich mit anderen Projektmanagern. Gut so! Denn Netzwerke werden im Projektmanagement immer wichtiger, wie Prof. Doris Weßels behauptet. „Sie bilden einen grundlegenden Erfolgsfaktor für das künftige Projektmanagement“, sagt die norddeutsche Fachfrau für Projekt- und Netzwerkmanagement. Der Grund: Projekte werden immer dynamischer und fachlich komplexer. Trotz sorgfältiger Planung werden Projektmanager von Problemen und Schwierigkeiten überrascht. Ohne Unterstützung aus ihren Netzwerken sind sie verraten und verkauft. Hinzu kommt: Besonders schwierige Projekte lassen sich ohnehin nur noch im Netzwerk bearbeiten. Im Interview berichtet Prof. Doris Weßels, wie Projektmanager ihre Netzwerke pflegen, wie Projekte in Netzwerken abgewickelt werden und wie Unternehmen sich auf das „Management by Networking“ einstellen.
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Unter dem Titel „Zukunft der Wissens- und Projektarbeit - Neue Organisationsformen in vernetzten Welten“ ist im Januar 2014 ein von Prof. Doris Weßels herausgegebener Sammelband erschienen. Das für handlungsorientierte Manager und Innovatoren ausgelegte Buch gibt viele Anregungen und Impulse, sowohl aus der Wissenschaft wie auch aus der Unternehmenspraxis. Zudem bietet es eine große Themenvielfalt, die von den aktuellen Trends im Projektmanagement (Heinz Schelle) über die Bedeutung des Generationenwandels für die Projektarbeit (Sabrina Renfer) bis zur Projektfinanzierung in vernetzten Stakeholder-Strukturen (Anja Wiebusch) reicht. Weitere Informationen unter: www.symposion.de „Zukunft der Wissens- und Projektarbeit - Neue Organisationsformen in vernetzten Welten“ 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 Kurz: Es ist nicht immer vorhersehbar, zu welchem Zeitpunkt im Projekt ein Manager welchen Experten zu bestimmten Fragestellungen braucht. Genau dieser Punkt ist das Problem! Projekte werden fachlich immer komplexer und interdisziplinärer. Möglicherweise findet der Projektmanager in seinem Unternehmen keine geeigneten Spezialisten. Und trotzdem muss er die Spezialisten schnell rekrutieren. Wie ihm dies gelingt, ist die alles entscheidende Frage. Bleibt ihm also sein Netzwerk, das über die Grenzen seiner Organisation hinweg reicht. Ich ziehe daraus den Schluss, dass Projektmanager permanent daran arbeiten müssen, die richtigen Verbindungen zu schaffen und zu pflegen - übrigens kontinuierlich und auch in den „Ruhephasen“ zwischen zwei Projekten. Viele Projektmanager sind über Social Media wie Xing, LinkedIn oder Facebook vernetzt. Da hat sich doch eine Menge getan. Langsam! Der Eindruck kann täuschen. Jüngere Menschen - die sogenannte Generation Y - vernetzen sich wie selbstverständlich. Sie stehen virtuell mit ihren Freunden und Kollegen in aller Welt in Verbindung. Morgens am Arbeitsplatz holen junge Mitarbeiter ihr Smartphone aus der Tasche und legen es wie selbstverständlich auf den Schreibtisch. Sie sind immer bereit, eintreffende Nachrichten aus dem Netzwerk zu beantworten. Die ältere Generation hinkt diesem Trend hinterher? Ja. Viele ältere Mitarbeiter scheuen sich vor Social Media und Business Networks. Sie befürchten Gefahren aus dem Internet und sorgen sich um ihre Privatsphäre. Sie argwöhnen, dass ihr Profil in falsche Hände fällt, dass sie anonymen Betrügern aufsitzen oder auch nur zu viel von sich preisgeben. Gestatten Sie einen Einwand. Praktisch jeder Projektmanager dürfte nach einigen Berufsjahren über ein Netzwerk verfügen, wenn er Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen seines Unternehmens im Team hatte. Ob er dieses Netzwerk im Internet oder im Karteikasten mit Visitenkarten pflegt, bleibt ihm überlassen. Grundsätzlich stimme ich zu, aber die Visitenkartensammlung ist weniger dynamisch und bietet nicht die Dialogformen und weitere Vernetzungsoptionen wie die Business-Netzwerke. Wichtig ist in jedem Fall, dass ein eng umrissenes organisationsinternes Netzwerk angesichts der wachsenden Projektherausforderungen zukünftig nicht mehr ausreichen wird. Kontakte müssen die Grenzen der Organisation überschreiten. Vor allem muss dieses Netzwerk einen größeren Stellenwert als Arbeitsinstrument bekommen. Wen ich als Kontakt habe, wie ich diese Kontakte pflege und mein Netzwerk manage - diese Aufgabe muss professionalisiert werden. Manchmal finden sich auf einer Profilseite etwa bei XING oder LinkedIn 500 oder mehr Kontakte. Dieses Netzwerk kann niemand mehr pflegen. Führt nicht die Generation Y als „Netzwerker“ men unnötig macht. Statt sich eilige Hilfe aus dem Netzwerk zu holen, sollten Projektmanager bei der Planung ihre Hausaufgaben machen. Von diesem technokratischen Verständnis werden wir uns verabschieden müssen. Wir sollten uns damit anfreunden, dass wir nur bedingt Herr oder Frau des Geschehens sind - ob wir dies wollen oder nicht. Die Dynamik der Umwelt überholt schlichtweg die sorgfältigen Pläne. Eigentlich nichts Neues. Im Projektmanagement kennen wir agile Vorgehensweisen ... ... und diese agilen Vorgehensweisen sind aus meiner Sicht zur Bewältigung dieser Umweltdynamik recht gut geeignet. Statt das Projekt minutiös durchzuplanen, lässt man sich auf kurzfristige Anpassungen und sinnvolle Umwege ein. Um auf das Netzwerken zurückzukommen: Was hat Netzwerken mit dieser Dynamik zu tun? Netzwerke sind bekanntlich Privatsache. Ob sie wirklich Privatsache sind, werden wir später noch sehen. Was Ihre Frage betrifft: Viele Projektmanager befassen sich vor einem neuen Projekt intensiv mit dessen Risiken. Sie bemühen sich, Risiken früh zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das ist das klassische Risikomanagement. Diese Vorgehensweise stößt an ihre Grenzen. Viele Risiken lassen sich nicht mehr vorhersehen. So werden Projektmanager immer häufiger vor Schwierigkeiten und Probleme gestellt, die sie vorab nicht erfassen konnten und nun ad hoc bewältigen müssen. Meiner Meinung nach müssten wir im Projektmanagement den Fokus viel stärker und vorrangig auf das Chancenmanagement richten. Die Medaille hat zwei Seiten - Chancen und Risiken. Eben! Beide Perspektiven sind durch viel Dynamik gekennzeichnet und müssen entsprechend gemanagt werden. Netzwerke sprengen Firmengrenzen REPORT 4 PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 4 Anzeige Viele Projektmanager bestätigen schon heute: Ohne Unterstützung aus ihren Netzwerken sind sie verraten und verkauft. Foto: apops - Fotolia.com prozität, von der Verhaltensweise der Gegenseitigkeit. Man startet positiv mit einer Vorleistung und erwartet, dass der andere sich ebenso kooperativ verhält. Ich sehe hier auch gewisse Ähnlichkeiten zur sogenannten „Sharing Economy“. Dort geht es nicht um das Besitzen, sondern um das Teilen und Tauschen. Soll sich die Hilfe finanziell oder beruflich für den Helfenden lohnen? Ich glaube, dass häufig die Wertschätzung ausreicht, die mit der Bitte um Hilfe zum Ausdruck kommt. Das heißt: Der Projektmanager muss fähig sein, diese Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Diese Kompetenz ist für das Netzwerkmanagement sehr wichtig. Was braucht es darüber hinaus für erfolgreiches Netzwerken? Die Grundlage sind Vertrauen und Reputation. Der Kontakt muss dem Projektmanager vertrauen können und der Projektmanager wiederum muss dem Kontakt vertrauen können. Die Reputation hängt eng damit zusammen: Wer sich einen guten Ruf im Netzwerk erarbeitet hat, ist vertrauenswürdig. Der Projektmanager muss ein gewisses Standing haben, er muss als fair gelten. Hat er dieses Image, so wird es ihm leicht gelingen, Zutritt zu anderen Netzwerken zu bekommen oder Kontakte in sein Netzwerk zu holen. Vertrauenswürdigkeit - wie kann man diese prüfen? Ganz einfach: Prüfen Sie beispielsweise die Profilseiten in Social Media, schauen Sie sich die Kontakte Ihres Kontakts an, versuchen Sie anonyme Kontaktesammelei das Netzwerken ad absurdum? Ja, dieses Risiko sehe ich auch. Nicht die Menge der Kontakte zählt, sondern die Qualität. Aber wir haben auch unterschiedliche Kategorien von Kontakten, die wir zukünftig sicherlich noch besser differenzieren müssten. Also, was braucht das Netzwerkmanagement im 21. Jahrhundert? Neben der Qualität der Kontakte brauchen Netzwerke beispielsweise einen regelmäßigen Stimulus. Ich muss mich mit meinen Kontakten befassen, ich muss Vertrauen aufbauen und regelmäßig im Netzwerk arbeiten. Meine Kontaktpersonen müssen einen Nutzen darin sehen, sich an dem Netzwerk zu beteiligen und mich im Projekt zu unterstützen. Für sie müssen der Kontakt und vielleicht die sich daraus ergebende Aufgabe interessant sein. Netzwerke funktionieren häufig wie Nachbarschaftshilfe: Ich helfe dir beim Häuslebauen und du hilfst mir. In China sollen die allgegenwärtigen Netzwerke, die „Guanxi“, nach ähnlichem Muster arbeiten. Chinesen haben ein feines Gespür dafür, wem sie eine Gefälligkeit schulden und wer in ihrer Schuld steht. Diese Regel gilt im gewissen Umfang auch hier. Angenommen, ein Projektmanager zieht einen Experten für eine Schwierigkeit im Projekt zurate - was hat der Experte davon? In der Wissenschaft sprechen wir von Rezi- Qualität der Kontakte PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 5 Im Ze berate in ein Sie an FÜR PROJE „Mein Netzwerk und ich“ - Projektmanager der Zukunft kennen immer jemanden, der ihnen bei einem Problem weiterhilft. Oder sie kennen jemanden, der jemanden kennt … Foto: Gennadiy Poznyakov - Fotolia.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 Sie sprechen von Vorleistung. Kann der Schuss nicht nach hinten losgehen - als Versuch, sich anzubiedern? Die Vorleistung darf nicht missverstanden werden als opportunes Verhalten. Sie muss authentisch sein. Plumpes Anbiedern wird schnell enttarnt, weckt Zweifel an der Seriosität des Kontakts und kann Vertrauen zerstören. Schon der Wunsch, sich zu vernetzen, kann als aufdringlich empfunden werden, wenn berechnendes Verhalten unterstellt wird. Merkwürdig! Jeder will sich zum eigenen Nutzen vernetzen - doch berechnend darf dies nicht wirken. Netzwerken lebt also auch vom Spielerischen und Spontanen? Ja, mit Sicherheit. Ein Netzwerk ist nur bedingt planbar. Es hat immer etwas Ungezwungenes an sich. Vernetzung forcieren zu wollen, weckt Misstrauen. Und weil sich Kontakte nicht „erzwingen“ lassen, sollten Projektmanager ihr Netzwerk ständig pflegen, also auch zwischen Projekten. Stehen sie vor einem Problem und brauchen dann händeringend Kontakte, so kann die hektische Suche nach Kontakten schnell misslingen. Sie sprachen eben von Vertrauen. Netzwerke organisieren sich ja selbst, sie sind selten institutionalisiert. Ist es nicht ratsam, auch etwas Vorsicht walten zu lassen? Nicht jeder, der sich freundlich anbietet, führt auch Gutes im Schilde. Diese Balance zwischen Vorsicht und Vertrauen ist ein Grundproblem bei jeder Form von Kooperation. Man muss nicht immer von Schlimmsten ausgehen ... ... etwa von Nepp, Betrug und Bauernfängerei ... Genau! In Netzwerken arbeiten Menschen zusammen, die auch im Wettbewerb zueinander stehen. Dieses Gleichgewicht zwischen Kooperation und Wettbewerb muss man austarieren. Unterstütze ich einen Kontakt, auch wenn er für einen Wettbewerber meines Unternehmens tätig ist? Gewähre ich auch dem Hilfe, der mir beruflich irgendwann einmal gefährlich werden könnte? In Netzwerken hat jeder seine Eigeninteressen, die dem Gemeinsamen zuwiderlaufen können. Behindert der Wettbewerb die Arbeit im Netzwerk? Meiner Ansicht nach nicht. Unter Partnern ist neben der Kooperation auch ein gewisser Wettbewerb förderlich ... ... und wohl auch erforderlich. Wer zu viel im Netzwerk wirtschaftet, sieht sich schnell dem Vorwurf von Begünstigung und Vetternwirtschaft ausgesetzt. An diesem Einwand ist mit Sicherheit etwas dran. Es handelt sich auch um eine Mentalitätsfrage. Die heute in Unternehmen tätige mittlere Generation hat sich häufig dagegen gewehrt, durch „Vitamin B“ oder Seilschaften voranzukommen. Sie wollte sich die Erfolge und Karriereschritte selbst erarbeiten. Beziehungen zu nutzen, war geradezu verpönt. Diese Generation wollte nur durch eigene Leistung glänzen. Vertrauen als Basis die Intensität zu ermitteln, mit welcher der Betreffende sein Netzwerk pflegt. Dann fragen Sie sich natürlich, ob Ihnen der Kontakt nützt, ob Sie den Betreffenden unterstützen wollen und ob die Verbindung die eigene Reputation weiterbringt. Wie kann sich ein Projektmanager in seinem Netzwerk Vertrauen und ein gutes Standing erarbeiten? Er kann sich von vertrauenswürdigen Personen als Kontakt empfehlen lassen, dies ist ein sehr eleganter Weg. Oder er tritt in Vorleistung und bietet Unterstützung an. Vorleistung wirkt immer vertrauensbildend! Manchmal reicht es schon, wenn ich einem Partner in einem Netzwerk einen hilfreichen Kontakt vermittle. Der erste, entscheidende Schritt für erfolgreiches Netzwerken ist mit Sicherheit, auf diese Reziprozität hinzuwirken, dabei selber aktiv zu werden und sich zu überlegen, wie man sich dem anderen zuwenden und in Vorleistung treten kann. „Reputation“ als Erfolgsfaktor REPORT 6 PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 6 Der X-Moment: Wir sind bereit für den nächsten Level. Wird das Projekt gelingen? Sind unsere Prozesse effizient? Können wir diesen Gipfel gemeinsam erreichen? Welche Route sollen wir wählen? Vor uns liegt ein langer Weg, gehen wir’s an! Wird das Team den Wandel mittragen? Im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen Sie. Unsere Experten in sechs Ländern beraten Sie ebenso professionell wie innovativ und begleiten Sie mit großem Einsatz in eine erfolgreiche Zukunft. Effiziente Lösungen und begleitendes Training bringen Sie an Ihr Ziel. FÜR X-MOMENTS, DIE BEWEGEN. www.nextlevelconsulting.eu PROJEKTMANAGEMENT | PROZESSMANAGEMENT | CHANGE MANAGEMENT PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 7 Aufbau und Pflege von Netzwerken müssen professionalisiert werden - durch versierte Netzwerkmanager. Foto: vege - Fotolia.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 verloren gehen. Letztlich berührt das Netzwerken auch das Selbstverständnis einer Organisation. Früher hatte ein Unternehmen feste Grenzen. Kontakte der Mitarbeiter über diese Grenzen hinweg waren selten. Heute ist dies völlig anders. Die Netzwerke der Mitarbeiter tragen dazu bei, dass die Grenzen verschwimmen - oder zumindest offener werden. Manche Manager sehen darin eine Gefahr. Inwiefern eine Gefahr? Früher waren Manager Herren der Tore. Sie bestimmten, für wen sich diese Tore öffneten und was durch diese Tore nach draußen ging. Heute holen Mitarbeiter durch ihre Netzwerke von jenseits dieser Grenze spontan Hilfe oder sogar Partner ins Unternehmen. Schlimmer noch: Manager bekommen dies gar nicht mit. Sie werden nicht um Erlaubnis gefragt. Sie wissen nicht einmal, mit wem sich ihre Mitarbeiter beruflich vernetzen. Deshalb empfinden sie teilweise Netzwerke als bedrohlich. Statt das Netzwerken zu bremsen, sollten Unternehmen es sogar fördern, vermute ich. Organisationen sollten sich öffnen. Sie können sich ohnehin dem Trend nicht verweigern. Sie müssen mitmachen. Es geht gar nicht mehr um die Frage, ob Manager das Netzwerken erlauben wollen oder nicht - es geht letztlich darum, dies zu managen. Also ein neues Führungsverständnis? Richtig. Das Führungsverständnis muss auf Vertrauen setzen, auf Vertrauen in die Organisation und die Mitarbeiter. Manager müssen vertrauensvoll loslassen können. Sie sollten ihr Selbstbild aufgeben, dass sie selbst der einzige Kontaktpunkt ihrer Organisation nach außen sind, also der Single Point of Contact. Sie sollten das Miteinander fördern und den Beteiligten für das Netzwerken Raum geben. Rentiert sich diese Haltung für Unternehmen? Mit Sicherheit! Wissenschaftliche Studien belegen, dass Netzwerke schneller Probleme lösen als eine statische Organisation, die auf klassischem Wege Lösungen sucht. Dies kann man etwa an dem Forschungsvorhaben „Foldit“ erkennen. Bei diesem Projekt handelte es sich um ein experimentelles Computerspiel. Man wollte virtuell die molekulare Struktur bestimmter Proteine optimieren. Die Wissenschaftler wünschten sich Hilfe von außen bei dieser Optimierung. Sie veröffentlichten die Aufgabenstellung und gaben sie in große Communities. Diese haben in Netzwerken zusammengearbeitet und durch spielerische Ansätze bei diesem Forschungsvorhaben Lösungen gefunden, die man bei normaler Vorgehensweise nicht gefunden hätte. Zudem wurde in den Netzwerken eine 18-fach höhere Aktivität festgestellt. Ich finde dieses Projekt absolut faszinierend! Dies mag für Forschungsprojekte gelten. Es lässt sich aber nicht für die Wirtschaft verallgemeinern. Ein Automobilkonzern kann mit Sicherheit nicht die Konstruk- Unternehmen „bremsen“ Netzwerke Inzwischen hat sich dies gewandelt. Die mittlere Generation weiß, dass sie eigentlich ohne Netzwerke kaum noch etwas erreichen kann. Es geht nicht mehr ohne Beziehungen. Deshalb fühlt sich die mittlere Generation so zerrissen zwischen dem Anspruch, auf die eigene Leistung zu setzen, und dem Zwang zum Netzwerken. Dies kann übrigens ein Grund dafür sein, dass sie sich Social Media- und Business-Plattformen zögerlich aufschließt. Ich verbinde mit der Warnung vor Vetternwirtschaft etwas anderes. Unternehmen achten mittlerweile peinlich genau auf die Corporate Governance und die Compliance, also auf ethisch einwandfreie Unternehmensführung und die Einhaltung von Regeln. Überspitzt gefragt: Hat es nicht ein „Geschmäckle“, wenn Projektmanager die Lösung ihrer Probleme über ihr Netzwerk regeln? Typisches Beispiel: Ein Bauprojektmanager hat gute Verbindungen zu Behörden und nimmt den kurzen Amtsweg. Es muss Regeln für das berufliche Netzwerken geben. Nicht alles, was im Netzwerk möglich ist, entspricht dem Gedanken guter und fairer Unternehmensführung. Deshalb werden wir die Spielregeln der Corporate Governance mit Sicherheit auch für die Zusammenarbeit in Netzwerken konkretisieren müssen. Hier sind letztlich die Projektmanager als Führungskräfte gefragt: Sie müssen festlegen, wie ihre Mitarbeiter ihre persönlichen Netzwerke für das Projekt verwenden dürfen. Viele Unternehmen beobachten misstrauisch das Netzwerken ihrer Mitarbeiter. Auf Business-Plattformen werden spielend leicht Verbindungen über die Grenzen der Organisation hinweg geknüpft, manchmal auch direkt zu Wettbewerbern. Befürchten Unternehmen Braindrain? Dass Mitarbeiter in ihrem Netzwerk abgeworben werden? Die Sorge reicht noch viel tiefer als nur bis zur Frage, ob Mitarbeiter durch ihr Netzwerk dem Unternehmen Verdacht der Vetternwirtschaft? 8 REPORT PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 8 Ohne Partner geht es in der Forschung und Entwicklung kaum noch. Sogar die EU macht die Vergabe von Forschungsgeldern davon abhängig, welche Partner sich an dem Forschungsprojekt beteiligen. Foto: kasto - Fotolia.com projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 l 9 kunftsthemen wie „Smarter Planet“ klassische interne Organisationsformen versagen. Man benötigt neue Ansätze - und auch eine neue Qualität von Management und Führung. Die Verdichtung von Raum und Zeit zusammen mit dem benötigten Vernetzungsgrad der Mitarbeiter müssen zwangsläufig auf mehr Selbstorganisation dieser hinauslaufen. Der Manager kann „nur“ noch den Rahmen steuern, etwa durch übergreifende Qualitätsvorgaben. Dieses Führungsverständnis verdeutlichen Sie durch das neue Bild des „X-Shaped“-Managers. Gemeint damit ist: Der Manager der Zukunft wird zu einem Manager des Frameworks, wobei das Framework den Rahmen und die Rahmenbedingungen beschreibt. Der „X-Shaped Manager“ muss die Herausforderung meistern, das vernetzte System in Richtung Erfolg zu stimulieren. Die Unternehmen selbst tun sich mit dieser Herausforderung leichter, wenn sie bereits andere für Partnerschaften geeignete Organisationen und Einzelakteure kennen ... ... und wenn sie in früheren Projekten mit diesen Partnern bereits erfolgreich zusammengearbeitet und danach die Verbindung gepflegt haben. Wenn sie selbst in ihrem Netzwerk über eine gute Reputation verfügen. Dann fällt bei der Entscheidung über eine Zusammenarbeit eine Vernetzte Unternehmen tion von Elektroautos veröffentlichen und eine weltweite Community um Rat fragen. Das vielleicht nicht. Aber der Konzern kann Partner aus seinem Netzwerk an Bord holen. Ein Beispiel aus der Energiewirtschaft: Ein Unternehmen mit Lösungen für regenerative Energie will sich an einem EU-Projekt beteiligen. Dieses Projekt ist EU-weit ausgeschrieben. Es wird in den Richtlinien gefordert, dass der Bewerber auch Partner in anderen EU-Ländern beteiligt. Das Unternehmen muss also mögliche Partner finden. Es muss diese Partner dann an sich binden, um sich auf die Ausschreibung hin bewerben zu können. Gibt es weitere Beispiele dafür? Mir fällt das IBM-Programm „Liquid“ ein, es hat ja Resonanz in der Presse hervorgerufen. IBM versteht sich bereits als fluide Organisation, in ihrer zukünftigen Struktur wird die Vernetzung immer mehr Bedeutung gewinnen. Inwiefern? Die Mitarbeiter sollen sich über eine neue Plattform als „Community“ organisieren und auf die ausgeschriebenen Projekte aktiv bewerben. Dies hat Befürchtungen ausgelöst, es würden Stellen abgebaut - was wiederum das breite Echo in der Öffentlichkeit erklärt. Bei IBM ist sehr offensichtlich, wie durch die kontinuierlich wachsende Komplexität des Geschäftsmodells rund um Zu- „Fluide Organisationen“ PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 9 Komplexe Projekte etwa zur Elektromobilität oder zur alternativen Energiengewinnung können Konzerne nicht mehr alleine stemmen. Sie schließen sich zu Netzwerken zusammen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Foto: Petair - Fotolia.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 Welche Trends meinen Sie? Beispielsweise der mit dem Schlagwort „Connected World“ bezeichnete Trend. Oder die eben besprochene „Shareconomy“. Diese Trends beschreiben das Leben und Arbeiten in vernetzten Welten. So betrachtet verwundert es nicht, dass vernetzte Unternehmen als Knotenelement einer vernetzten Gesellschaft im Sinne einer „Connected Company“ neu interpretiert werden müssen. Nach den Economies of Scope und Scale stehen nun die Economies of Connectivity im Fokus. Unternehmen kooperieren heute viel in Projekten. Dabei schließen sich auch ehemalige Kontrahenten zusammen. Bezeichnende Beispiele hat es jüngst in der Automobilbranche gegeben, etwa bei der Elektromobilität. Für Projektmanager bedeutet dies: Sie müssen in ihren Projekten zunehmend solche Netzwerk-Partnerschaften pflegen und unterschiedliche Partner zur Zusammenarbeit bringen. Kommen neue Aufgaben auf sie zu? Eine große Herausforderung besteht beispielsweise darin, überhaupt die richtigen Partner zu finden, also in der Selektion. Wer könnte als Partner für ein Projekt infrage kommen? Diese Fähigkeit der Selektion von Partnern wird im klassischen Projektmanagement viel zu „Connected Company“ gute Reputation des Einladenden mehr als das Projekt selbst ins Gewicht. Man sagt sich: Greift er die Ausschreibung auf, so wird schon etwas Ordentliches am Ende herauskommen. Er wird das Projekt auf Kurs halten und in einen Hafen bringen, sodass wir am Ende alle davon profitieren. Eingangs sprachen Sie von der enorm dynamischen Welt, in der sich heute viele Projekte und auch Unternehmen bewegen. Die Organisationen müssen sich schnell auf Veränderungen einstellen. Schon heute führen Unternehmen gemeinsam Projekte durch, weil sie sich allein dem Wandel nicht mehr anpassen können. Ich höre zunehmend den Begriff der „fluiden Organisation“. Der Begriff „fluide Organisation“ wird in der Wissenschaft seit einigen Jahren immer häufiger genannt. Fluide Organisationen passen sich synchron dem Wandel ihrer Umwelt an. Sie stehen permanent in bidirektionalem Austausch mit ihrer Umgebung. Sie geben ihrer Umgebung Impulse und nehmen die Impulse aus ihrer Umgebung auf. Was das Netzwerken betrifft: Sie interpretieren sich selbst als Knotenpunkt in einem Netzwerk. Sie interagieren mit anderen Organisationen. Ist das Thema „Netzwerk“ bereits in der Wirtschaft angekommen? Ja, betrachten Sie nur die eingangs erwähnte IBM-Studie! Oder die Trends ... 10 REPORT PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 10 T +49.89.38 666 183 www.TRConcept.eu Ergebnissicherheit durch unsere zertifizierten Projektmanager On Demand. Warum Sie mit uns einen Vorsprung bei Kosten, Leistung, Zeit und Ressourcen haben? Weil wir schnell anpacken. BUSINESS CONSULTING PROJEKT MANAGEMENT AKADEMIE Anzeige Vernetzte Welt: Um „sieben Ecken“ soll jeder jeden kennen. Ein Mythos der Moderne? Foto: MK-Photo - Fotolia Er muss Diskussionen am Laufen halten, Abweichungen erkennen, die Partner immer wieder fokussieren und Richtung Projektziel bewegen. Er muss stimulieren und das Interesse des Teams am eigentlichen Projektziel aufrechterhalten. Damit wären wir bei einem Nachteil von Netzwerken. Sie lassen sich schwieriger fokussieren und steuern. Dies ist in der Tat ein Problem. Netzwerke sind deutlich offener als andere Kooperationen und Arbeitsstrukturen. Ein Netzwerk hat viele Verbindungen ... ... da kann es leicht zur Ablenkung kommen? Selbstverständlich. Die Teilnehmer interagieren spontan und dies setzt Dynamik frei. Netzwerken fehlt der feste Rahmen anderer Organisationsformen wie Unternehmen. Es gibt keinen fest abgesteckten Aktionsradius. Das Netzwerk kann deshalb Eigenleben entwickeln. Wie können Projektmanager mit der Dynamik in Netzwerken umgehen? Durch Loslassen, wie vorhin schon einmal angedeutet. Der Manager muss sich nicht mehr als Macher verstehen, sondern als Botschafter seines Projekts und als Coach seines Netzwerks. Er lässt den Dingen auch mal seinen Lauf. Er gibt seinen Leuten Freiraum - und hofft dann, dass sein Team dies als Wert- Netzwerke stimulieren wenig trainiert. Man geht immer noch davon aus, dass der Projektmanager ein Team zugewiesen bekommt - oder dass er bei der Zusammenstellung seines Teams auf Kollegen in seinem Unternehmen zugreifen kann. Sind die Partner gefunden, schließt sich die nächste Herausforderung an ... Der Projektmanager muss die Zusammenarbeit gestalten und das Miteinander stimulieren. Er versteht sich nicht mehr als Manager eines Projekts, sondern als Manager des Frameworks, der Rahmenbedingungen. Er baut im übertragenen Sinne für sein Projekt ein Haus und sorgt dafür, dass dieses Haus attraktiv ist, genügend Raum bietet, gut ausgestattet ist und allen Beteiligten die Arbeit so produktiv und angenehm wie möglich macht. Dafür muss er Konflikte schlichten können und in gewisser Weise auch Eventmanager sein. Wie bitte? Eventmanager? Ein Projektmanager hat nur selten disziplinarischen Zugriff auf die Mitarbeiter. Er kann eigentlich nichts anordnen, er muss auf anderem Wege die Mitarbeiter dazu bringen, miteinander zu kommunizieren und ihre Aufgaben zu bearbeiten. Diese Aufgabe ist in einem Team, das sich aus Netzwerkpartnern zusammensetzt, noch schwieriger zu lösen. Ein Netzwerk agiert spontan. Man kann im Netzwerk offenbar schnell Unterstützung finden, doch der Eifer kann ebenso schnell wieder erlahmen. Eben! Der Projektmanager muss also darauf achten, dass die Arbeit lebendig bleibt. PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 11 Spezialistensuche in Social Media - längst keine Utopie mehr Foto: olly - Fotolia.com Oliver St 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 Puzzle-Karriere - dies gilt unter Personalmanagern als Makel. Früher waren bruchstückhafte Lebensläufe ein Kritikpunkt, ja. Man unterstellte mangelnde Zielstrebigkeit. Dies ändert sich heute. Menschen mit Puzzle-Karriere erfahren heute mehr Wertschätzung als etwa vor zehn Jahren noch. Manche Personalfachleute machen die Vernetzung von Mitarbeitern heute zum Kriterium bei der Auswahl von Personal. Sie prüfen die Social Media-Profile von Bewerbern. Insbesondere schauen sie darauf, welche Kontakte sie beispielsweise auf Facebook, Xing oder LinkedIn haben. An unserer Hochschule läuft gerade ein EU-Forschungsprojekt unter dem Titel „Wissensmarkt WIN- VIN“. Ich behaupte, dass sich der Marktwert von Bewerbern auch in der Anzahl ihrer externen Beziehungen spiegelt, also in der Aktivität etwa in Business-Netzwerken. Zudem untersuchen wir in dem Forschungsprojekt, wie wir den Reifegrad von Organisationen auch in Bezug auf das Beziehungskapital messen und bewerten können. Netzwerke gelten vielen Menschen heute als persönliche Angelegenheit. Die meisten trennen berufliche und private Netzwerke - was aber immer schwieriger wird. Man spricht heute von entgrenzter Arbeit. Unsere Arbeit und unser Privatleben haben keine klaren Grenzen mehr zueinander. Die Arbeitswelt verschmilzt an vielen Stellen mit dem Privaten, dies erleben wir auch in unseren Netzwerken. Dort verwischen ebenfalls die Grenzen zwischen privaten und beruflichen Netzwerken. Dies dürfte nicht jedem gefallen. Besonders in Deutschland ist die Privatsphäre ein hohes Gut, wie beispielsweise der Datenschutz zeigt. Der FAZ-Herausgeber Frank Schrittmacher hat vor einiger Zeit den Begriff des „digitalen Ich“ in die öffentliche Diskussion gebracht. Wir alle haben ein reales Ich und wir sind gut trainiert, dieses reale Ich zu präsentieren. Darüber hinaus gibt es unser digitales Ich, also das Ich, das wir im Internet präsentieren. Wie können wir die berufliche und private Seite des digitalen Ichs voneinander trennen? Geht dies überhaupt noch? Und: Sind wir in der Lage, unser digitales Ich gut zu präsentieren? Wir geben acht, dass wir uns nicht unglücklich darstellen. Aber ich behaupte, dass wir unser digitales Ich nie zu managen gelernt haben. Wir verhalten uns bestenfalls semiprofessionell gegenüber unserem digitalen Ich. Andererseits: Völlig ohne Netzwerk wären wir in der heutigen Berufswelt verraten und verkauft. Wir sind ja über unser Netzwerk wieder mit dem Netzwerk unserer Kontakte verknüpft. Daraus können sich unglaublich kreative Lösungen entwickeln. Ich persönlich glaube, dass Kreativität als Erfolgsfaktor für die Projektarbeit in fluiden Organisationen drastisch an Bedeutung gewinnt. ■ Vernetzte Mitarbeiter im Vorteil? schätzung auffasst und sich loyal gegenüber dem Projekt und dessen Zielen verhält. Da spielt auch die vorhin angesprochene Reputation des Projektmanagers und seines Unternehmens hinein. Erzwingen kann man diese Loyalität nicht, vor allem nicht bei jüngeren Mitarbeitern. In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel. Die Mitarbeiter können schnell wechseln. Ihnen mangelt es in der Regel nicht an Jobangeboten. Auch in Netzwerken herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Vorhin sagten Sie, ein Projektmanager müsse auch geschickt Konflikte lösen können. Er muss sehr früh Störungen erkennen und dann schnell agieren können. Häufig wird in solchen Projekten virtuell gearbeitet, da gestaltet sich diese Aufgabe besonders schwierig. Das Konfliktmanagement halte ich für eine große Herausforderung. Dazu gehört übrigens auch die Aufgabe, Partner gut miteinander in Kontakt zu bringen, die sich noch nicht kennen. Der Projektmanager muss die richtigen Verbindungen schalten und andere miteinander vernetzen können. Sie sprechen sich für den Einsatz von Projekt-Netzwerkmanagern aus. Diese Projekt-Netzwerkmanager sind Spezialisten dafür, Projekte in Netzwerken zu bearbeiten - quasi Projektmanager mit hoher Netzwerkkompetenz. Diese Projekt-Netzwerkmanager müssen von ihren Kompetenzen her sehr breit aufgestellt und interdisziplinär geprägt sein. Meiner Ansicht nach reicht es nicht, dass sie im breiten Strom von Ausbildung und Qualifizierung mitgeschwommen sind. Diese Leute müssen umtriebig und vielseitig sein. Sie müssen erfahren haben, dass sich diese Offenheit lohnt und eine Bereicherung ist. Wahrscheinlich finden sich solche Projektmanager vor allem unter denen, die eine Puzzle-Karriere haben und keinem geradlinigen Berufsweg folgen. Konflikte früh lösen 12 REPORT PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 12 Herr Professor Sydow, jeder spricht von Netzwerken: Business-Netzwerke, persönliche Netzwerke im Internet, Wissensnetzwerke. Ein neues Trendthema? Prof. Jörg Sydow: Netzwerke sind zweifellos „in“. Sie beschreiben alles Mögliche, wenn es auf Verbindungen ankommt. Umso wichtiger ist es, genau zu benennen, auf welche Art von Netzwerken man sich bezieht. In meiner Forschung geht es ausschließlich um Netzwerke von Organisationen, also um interorganisationale Netzwerke. Bei Organisationen denken Projektmanager häufig an Unternehmen ... ... bei interorganisationalen Netzwerken folglich entsprechend an Unternehmensnetzwerke. Aber mittlerweile geraten beispielsweise Gewerkschaften, Wirtschaftsagenturen oder NGOs als Organisationen in den Fokus - insbesondere mit Blick auf Projekte und Projektmanagement. Auch diese Organisationen propagieren oder betreiben Vernetzung. Denken Sie etwa an die aus den internationalen Gewerkschaftssekretariaten entstandenen Global Union Federations (GUFs). Das sind nichts anderes als globale Netzwerke von Branchengewerkschaften. Jede ihrer Organizing-Kampagnen dürfte als Projekt aufzufassen und entsprechend organisiert sein. Jeder kennt die persönlichen Vorteile, die er aus einem gut gepflegten Netzwerk ziehen kann. Welche Vorteile bieten Netzwerke für Organisationen? Entscheidende Vorteile solcher Netzwerke sind strategische Flexibilität bei gleichzeitig sparsamem Umgang mit Ressourcen, nicht zuletzt auch Kapital. Sparsamer Umgang mit Ressourcen? Die Pflege eines solchen Netzwerks braucht selbst Ressourcen. Sollte man dies nicht gegenrechnen? Gewiss, dieser Punkt darf nicht übersehen werden. Der Aufbau und die Unterhaltung derartiger Netzwerke bedarf sehr wohl bedeutsamer Ressourcen. Hinzu kommen entsprechende Kompetenzen, diese Ressourcen geschickt zu bündeln und für die Netzwerkentwicklung einzusetzen. Aber: Die grundsätzlichen Alternativen zur Vernetzung bedürfen noch größerer Ressourcen. Ohne Netzwerke müssen Organisationen eigene Fähigkeiten aufbauen - entweder durch internes Wachstum oder „Drum prüfe, wer sich bindet …“ Auswahl geeigneter Partner bestimmt Erfolg im Projektnetzwerk Menschen bilden Netzwerke, um gemeinsam große Herausforderungen zu stemmen und davon zu profitieren. Ähnliches gilt auch für Unternehmen, sogar für jede Organisation. Prof. Jörg Sydow (Freie Universität Berlin) erforscht diese interorganisationalen Netzwerke. Eine verblüffende Erkenntnis: Diese Netzwerke zwischen Organisationen profitieren erheblich vom Projektmanagement. In sogenannten Projektnetzwerken verschmelzen die Vorteile von Projekten und Netzwerken. Oliver Steeger Jörg Sydow ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Unternehmenskooperation am Management-Department der Freien Universität Berlin. Gerade von einem viermonatigen Forschungsaufenthalt an der Columbia University in New York zurückgekehrt, widmet er sich in Zukunft stärker der Erforschung der Rolle interorganisationaler Netzwerke beim Management von Disastern. Ein weiteres Forschungsthema ist die Organisation von Kreativität, gerade auch im Rahmen von Projektnetzwerken. Seit mehreren Jahren ist Prof. Jörg Sydow zudem Gastprofessor an der Graduate School of Business der Strathclyde University in Glasgow und lehrt im Rahmen eines Executive MBA-Programms der Wirtschaftsuniversität Wien. Foto: Freie Universität Berlin durch den Erwerb entsprechender Fähigkeiten, indem sie andere Organisationen übernehmen, also Merger & Acquisition (M & A). Netzwerke zwischen Organisationen aufzubauen und zu pflegen ist also unter dem Strich günstiger als andere Wachstumsstrategien? Ja. Heute sind an großen Projekten mehrere Unternehmen beteiligt. Sie arbeiten „auf gleicher Augenhöhe“, ein typisches Beispiel dafür sind Konzernkooperationen für die Entwicklung von Elektromobilität. Meine Frage: projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 l 13 PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 13