PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.„Drum prüfe, wer sich bindet ...“
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Oliver Steeger
Menschen bilden Netzwerke, um gemeinsam große Herausforderungen zu stemmen und davon zu profitieren. Ähnliches gilt auch für Unternehmen, sogar für jede Organisation. Prof. Jörg Sydow (Freie Universität Berlin) erforscht diese interorganisationalen Netzwerke. Eine verblüffende Erkenntnis: Diese Netzwerke zwischen Organisationen profitieren erheblich vom Projektmanagement. In sogenannten Projektnetzwerken verschmelzen die Vorteile von Projekten und Netzwerken.
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Für Projektnetzwerke ist die Aussicht auf weitere Zusammenarbeit nach Projektende typisch. Bestätigt wurde diese Erkenntnis jüngst durch Untersuchungen bei Forschungs- und Entwicklungskonsortien in der Halbleiterindustrie. Foto: Mark Bohmeier - Fotolia.com 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 noch einmal durch unsere Untersuchungen bestätigt, die die Koordination internationaler Forschungs- und Entwicklungskonsortien in der Halbleiterindustrie - insbesondere im Sematech-Konsortium - beleuchtet haben. Netzwerke arbeiten bekanntlich sehr dynamisch und spontan. Wie kann ein Projektmanager die Arbeit in einem Netzwerk steuern? Welche Grundsätze sollte er beachten? Interorganisationale Netzwerke unterliegen in der Tat einer größeren Dynamik als Organisationen. Das gilt insbesondere für die bereits angesprochenen Projektnetzwerke. Diese werden in der Literatur manchmal auch als „Dynamic Networks“ bezeichnet. Dynamik spiegelt sich bei diesem Typus vor allem in der Aufnahme neuer Mitglieder, aber auch im Ausscheiden früherer Organisationen aus dem Netzwerk. Dieser Selektion und auch De-Selektion muss das Management, auch das Projektmanagement, viel Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen. Selektion, also die Auswahl der Partner, gilt als wichtiger Erfolgsfaktor ... Richtig. Wir unterscheiden verschiedene Funktionen des Netzwerkmanagements. Neben der Selektion handelt es sich um die Regulation von Netzwerken, um die Allokation und Evaluation. Der Selektion wird ein besonderes Vorsteuerungspotenzial zugeschrieben. Mit anderen Worten: Die Wahl der „richtigen“ Netzwerkpartner erleichtert die Formulierung und Implementierung geeigneter Netzwerkregeln sowie die Allokation und Reallokation von Aufgaben, Ressourcen und Verantwortlichkeiten im Netzwerk. Auch gelingt durch die Evaluation von Nutzen und Kosten die Zusammenarbeit im Netzwerk besser. Die Auswahl der richtigen Partner hängt davon ab, wie gut die Partner sich kennen, sich vertrauen - und was sie für die Zukunft noch an gemeinsamen Projekten erwarten. Vorhin sprachen Sie vom Schatten der Zukunft. All dies muss dann, so vermute ich, im Management berücksichtigt werden. Richtig, dies ist vor allem beim Netzwerk von interorganisationalen Projekten sowie von Projektnetzwerken entscheidend. Das Projektmanagement darf sich nicht mit dem Management des gerade laufenden Projekts begnügen, sondern muss frühere wie zukünftige Projekte und Partnerkonstellationen mit in den Blick nehmen. Projektmanagement wird hier also zum Netzwerkmanagement. Dieses Netzwerkmanagement ist übrigens etwas ganz anderes als das mittlerweile schon recht gut erforschte Management von Projektportfolios. Sprechen wir über die Schwierigkeiten. An welchen Schwierigkeiten kann Projektarbeit in Netzwerken scheitern? Netzwerke können aus vielen Gründen scheitern, ähnlich übrigens wie auch die alternativen Strategien des internen und externen Wachstums. Das Projektmanagement wie auch das Netzwerkmanagement müssen dem entgegenwirken. Darauf will ich hinaus: Wie entgegenwirken? Zum Beispiel durch kluge, auch gemeinschaftliche Selektion der richtigen Netzwerkpartner, durch ange- Wie muss das Projektmanagement beschaffen sein, damit die Zusammenarbeit in solchen Projekten gelingt? In der Tat gewinnen Projekte zwischen Organisationen - also interorganisationale Projekte oder auch Projektnetzwerke - immer mehr an Bedeutung. Die Schwierigkeit ist: Anders als beim internen Wachstum sowie dem Wachstum durch M & A kann die Koordination hier nicht auf Hierarchie setzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine projektbezogene und damit temporäre oder um wiederkehrende Zusammenarbeit etwa zwischen Kunden und Lieferanten handelt. Die Koordination kann nicht einmal - eine meiner Lieblingsformulierungen - im Schatten der Möglichkeit zur hierarchischen Weisung erfolgen. Diese Möglichkeit fehlt derartigen Arrangements. Was bedeutet dies für das Projektmanagement? Das Management interorganisationaler Projekte oder ganzer Projektnetzwerke hat diese Unmöglichkeit hierarchischer Weisung in jedem Fall zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb ist die gerade für Projektnetzwerke charakteristische wiederkehrende Zusammenarbeit so wichtig: Man kennt sich in seinen unterschiedlichen Fähigkeiten und Motivationen. Dann kann auch der „Schatten der Zukunft“, wie ich dies nenne, seine Wirkung entfalten. Schatten der Zukunft? Was darf ich darunter verstehen? Für Projektnetzwerke ist die Aussicht auf weitere Zusammenarbeit nach Projektende typisch. Diese Aussicht ist mit „Schatten der Zukunft“ gemeint. Diese Aussicht erleichtert die aktuelle Zusammenarbeit erheblich. Diesen Effekt haben bereits unsere Studien in der deutschen Film- und Fernsehproduktion Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre gezeigt. Kürzlich wurde dies 14 REPORT PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 14 PROJEKTMANAGEMENT AUF ‚SPITZEN‘-NIVEAU Seit 2005 ist der PRINCE2®-Tag Deutschland das jährliche Highlight der Projektmanagement-Szene. Präsentiert von einem hochkarätigen Expertenmix, stellt die erste nationale Tagung für Best Practice Management-Methoden aktuellste Entwicklungen und innovative Ansätze in den Fokus. In diesem Jahr lautet das Motto: „Entscheiden mit PRINCE2®: So bekommt Management Methode“. Echtes ‚Spitzen‘-Niveau erreicht der PRINCE2- Tag Deutschland jedoch nicht nur mit seinen Inhalten. Über die große Fensterfront der Früh Lounge im 6. Stock der Traditionsbrauerei Früh bietet sich ein spektakulärer Blick auf die beiden Turmspitzen des Kölner Doms. 9. PRINCE2®-Tag Deutschland, 22. Mai 2014, Früh Lounge, Köln Weitere Informationen und Anmeldung: www.prince2tag.de PRINCE2® ist ein eingetragenes Warenzeichen der AXELOS Limited. www.qrp.de Anzeige projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 l 15 hüten. Durch die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse lassen sich manche Fehlentwicklungen vermeiden. Welche Zukunftstrends erwarten Sie in puncto Netzwerke? Ich erwarte, dass interorganisationale Netzwerke weiter an Bedeutung gewinnen. Dies gilt auch und gerade für Projektnetzwerke, in denen sich die Vorteile von Projekten und Netzwerken verbinden. Ich hoffe, dass gleichzeitig die Fähigkeiten des Managements zur Steuerung dieser ganz besonderen Sozialsysteme steigen werden. Die PM-Forschung wie auch die Netzwerkforschung können dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. ■ Literatur [1] Sydow, J./ Duschek, S.: Management interorganisationaler Beziehungen - Netzwerke, Cluster, Allianzen. Kohlhammer, Stuttgart 2011 [2] Sydow, J./ Duschek, S. (Hrsg.): Netzwerkzeuge. Tools für das Netzwerkmanagement. Springer Gabler, Wiesbaden 2013 [3] Koch, J./ Sydow, J. (Hrsg.): Organisation von Temporalität und Temporärem. Springer Gabler, Wiesbaden 2013 [4] Sydow, J./ Wirth, C. (Hrsg.): Organisation und Strukturation. Springer VS, Wiesbaden 2014 messene Formulierung und Implementierung geeigneter Netzwerkregeln, durch angepasste Allokation und Reallokation von Aufgaben, Ressourcen und Verantwortlichkeiten sowie durch probate Evaluation des Netzwerks. In diesem Zusammenhang sprechen Sie gerne vom „Netzwerkzeug“? Mit „Netzwerkzeug“ bezeichne ich bestimmte Tools. Sie können das effiziente und effektive Management des Netzwerks unterstützen, jedoch nicht ersetzen. Ich habe gerade zusammen mit einem Hamburger Kollegen einen Sammelband zu diesem Thema herausgegeben. Grundsätzlich gilt: Beim Netzwerkmanagement ist man mit der Tool-Entwicklung noch lange nicht so weit wie beim Projektmanagement. Sie betonen, dass diese Tools das Management unterstützen, nicht aber ersetzen können. Was ist damit gemeint? Netzwerke sind - wie übrigens auch Projekte - vor allem soziale Systeme. Diese Systeme gilt es sorgfältig und an die jeweilige Situation angepasst zu steuern. Deshalb sollte man bei der Entwicklung technisch-technokratischer Tools vielleicht nicht zu weit gehen und sich vor unkritischem Einsatz mancher dieser Instrumente PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 15 Herr Schaser, der Innenminister kam persönlich zur Inbetriebnahme. Kamerateams liefen durch die neue Leitzentrale. Fotografen bauten sich auf. Am Tag danach war viel Freundliches in den Medien über Ihr Projekt zu lesen und zu hören. Was mich interessiert: Wie kommt es zu dem Interesse an der Einweihung einer landesweit tätigen Einsatzleitzentrale der Polizei? Andreas Schaser: Die Einsatzleitzentrale in Erfurt bildet das Herzstück der landesweiten Polizeireform. In der Zentrale laufen künftig alle Polizeinotrufe des Landes auf, von hier werden die Einsätze der Polizei gesteuert. Diese Zentrale aufzubauen ist Ziel unseres Projekts. Man hört, dass jährlich rund 360.000 Notrufe erwartet werden. In der neuen Leitzentrale nehmen nun dreizehn Beamte je Schicht die Notrufe entgegen und veranlassen Hilfe. Insgesamt achtzig Kräfte sind hier rund um die Uhr im Einsatz. Richtig. Vorher wurden die Notrufe regional bei den sieben Landespolizeiinspektionen oder deren nachgeordneten Dienststellen bearbeitet. Dies hat sich grundlegend geändert. Ein Ziel der Polizeireform war es, die Aufgaben von Koordinierung und Verwaltung zu bündeln - nämlich in der Landespolizeidirektion mit Sitz in Erfurt. Damit ist die Polizei jetzt effizienter organisiert. Was heißt dies konkret? Die Notrufe werden an einem Standort zusammengeführt, so können die Einsätze nun landesweit koordiniert werden. Beispiele dafür gab es bisher nur in den Stadtstaaten, etwa in Hamburg. Für einen Flächenstaat wie Thüringen ist dies deutschlandweit ein Novum. Welche Vorteile bietet dieses Verfahren für den Bürger? Ein großer Vorteil für den Bürger ist die landesweite Steuerung. So kann immer das Fahrzeug mit dem schnellsten Anfahrtsweg beauftragt werden. Gerade bei Notrufen spielen ja wenige Minuten eine große Rolle. Ein weiterer Vorteil: Es ist deutlich weniger Personal für die Annahme und die Disposition von Notrufen erforderlich. Bisher wurden für die Bearbeitung von Notrufen dezentral immer mindestens zwei Beamte pro Notrufzentrale an den Telefonen benötigt. Notruf 110 - jetzt hat Erfurt übernommen! Pünktlichkeit dank Projektmanagement: Die Einsatzleitzentrale wurde „scharf geschaltet“ „Polizeinotruf - was kann ich für Sie tun? “ Wer den Notruf 110 wählt, braucht schnell Hilfe. In Thüringen laufen ab diesem Jahr die Polizeinotrufe landesweit zentral zusammen. Eine neue Einsatzleitzentrale in Erfurt sorgt rund um die Uhr dafür, dass die Beamten schnell den Einsatzort erreichen. Das Herzstück dieser Leitzentrale: Ein IT-System hilft der Polizei, den Anrufer zu lokalisieren, das nächste Einsatzfahrzeug zu finden und die Polizeibeamten vor Ort mit Informationen zu versorgen. Zweieinhalb Jahre lang hat ein Projektteam die Zentrale entwickelt, aufgebaut und auf den Tag pünktlich „scharf geschaltet“. Der Innenminister des Landes drückte vor TV-Teams und Pressefotografen den roten Startknopf. Im Interview berichtet Andreas Schaser von der Projektleitung über dieses Vorhaben - und zeigt, wie professionelles Projektmanagement öffentliche Projekte voranbringen kann. Oliver Steeger Andreas Schaser ist Abteilungsleiter für Informations- und Kommunikationstechnik im Landeskriminalamt Thüringen. In der Abteilung werden die polizeilichen Anwendungen und Systeme für die Thüringer Polizei entwickelt, betreut und betrieben. Er wechselte 2010 zur Polizei. Davor war er als IT-Manager für die Deutsche Post DHL tätig und hat dort verschiedene Großprojekte geleitet - so auch den Aufbau der IT-Landschaft für das DHL-Drehkreuz am Flughafen Halle/ Leipzig, wo er nach Inbetriebnahme auch die IT-Leitung innehatte. Andreas Schaser hat mit unterschiedlichen Methoden wie dem V-Modell, der PMI-Methodik und mit PRINCE2 gearbeitet, unter anderem bei Softwareentwicklungen, internationalen SAP-Rollouts und Organisationsprojekten im Anschluss an Mergers & Acquisitions. Foto: Pressestelle LPD 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 2/ 2014 16 REPORT PM_2-2014_1-68: Inhalt 26.03.2014 11: 39 Uhr Seite 16