PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wie „Tandems“ das weltweit verstreute Projektteam zusammenbringen
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Oliver Steeger
Virtuelle Teamarbeit: Nicht wenige Projektmanager haben sich daran die Finger verbrannt. Ihre über mehrere Standorte verteilten Projektteams fanden nicht zur Zusammenarbeit. Die Kommunikation und Abstimmung über das Internet funktionierte nicht. Es fehlte an Teamgeist und Schwung im Projekt. „Virtuelle Projekte kann man nicht mit herkömmlichem Management leiten“, erklärt Prof. Guido Hertel, Wirtschaftspsychologe an der Universität Münster. Über Länder und Kontinente verteilt arbeitende Teams werden anders geführt als Teams, die sich täglich im Großraumbüro begegnen. Vertraute Signale bleiben aus, bekannte Steuerungsmechanismen funktionieren nicht. Schon für die Teambildung gelten andere Regeln. Im Interview erklärt Prof. Guido Hertel, wie Projektmanager kreativ mit virtuellen Projekten umgehen, wie Unternehmen sie unterstützen können – und weshalb es mehr virtuelle Projekte gibt, als die meisten denken.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 3 REPORT Mit virtueller Projektführung und Teamarbeit haben auch gestandene Projektmanager bereits schlechte Erfahrungen gesammelt. Sie brachten die auf mehrere Standorte verteilten Mitarbeiter nicht in Gleichklang - und verloren die Kontrolle über ihr Vorhaben. Solche Erfahrungen sprechen sich herum. Nicht wenige Projektmanager sehen die virtuelle Zusammenarbeit skeptisch. Ist die virtuelle Zusammenarbeit in Projektteams wirklich so problematisch, wie sie häufig dargestellt wird? Prof. Guido Hertel: Bei der virtuellen Zusammenarbeit kommt es zu vielfältigen Schwierigkeiten, dies steht außer Zweifel. Der Grund dafür ist: Es handelt sich um eine qualitativ völlig neue Zusammenarbeit. In vielen Unternehmen fehlen dafür die Rahmenbedingungen - und dies macht dann die Probleme. Also nicht die virtuelle Zusammenarbeit bildet das Problem, sondern der Rahmen, in dem sie stattfindet? Richtig! Man versucht, diese neue Form der Kooperation mit den bekannten Mitteln der Teamführung zu bewältigen. Dabei kann es zu Schwierigkeiten kommen - also zu Konflikten, mangelnder Abstimmung, schlechter Motivation oder fehlender Verbindlichkeit. Was zum Beispiel ist anders? Vor allem müssen fehlende Informationen über die jeweils aktuelle Situation der anderen Teammitglieder kompensiert werden. Virtuelle Teams müssen auf diese neue Art der Zusammenarbeit vorbereitet werden. Virtuelle Arbeit braucht also Zeit für den Anlauf, sie regelt sich nicht von allein. Wie „Tandems“ das weltweit verstreute Projektteam zusammenbringen Bei virtuellen Projekten versagt herkömmliches Management Virtuelle Teamarbeit: Nicht wenige Projektmanager haben sich daran die Finger verbrannt. Ihre über mehrere Standorte verteilten Projektteams fanden nicht zur Zusammenarbeit. Die Kommunikation und Abstimmung über das Internet funktionierte nicht. Es fehlte an Teamgeist und Schwung im Projekt. „Virtuelle Projekte kann man nicht mit herkömmlichem Management leiten“, erklärt Prof. Guido Hertel, Wirtschaftspsychologe an der Universität Münster. Über Länder und Kontinente verteilt arbeitende Teams werden anders geführt als Teams, die sich täglich im Großraumbüro begegnen. Vertraute Signale bleiben aus, bekannte Steuerungsmechanismen funktionieren nicht. Schon für die Teambildung gelten andere Regeln. Im Interview erklärt Prof. Guido Hertel, wie Projektmanager kreativ mit virtuellen Projekten umgehen, wie Unternehmen sie unterstützen können - und weshalb es mehr virtuelle Projekte gibt, als die meisten denken. Oliver Steeger Prof. Dr. Guido Hertel hat Psychologie und Soziologie an der Universität Gießen studiert und war anschließend unter anderem an den Universitäten Heidelberg (Promotion), Mannheim, Kiel (Habilitation) sowie der Michigan State University (USA) tätig. Von 2004 bis 2008 war er Professor für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Würzburg. Seit 2008 ist er Leiter der Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster (OWMs). Forschungsschwerpunkte seiner Arbeit sind neben Führung und Training virtueller Kooperation unter anderem Motivationsmanagement in Teams, Electronic Human Ressource Management sowie demografische Veränderungen in Organisationen. Zudem berät Prof. Guido Hertel auch Organisationen. E-Mail: GHertel@uni-muenster.de, www.uni-muenster.de/ owms/ Foto: privat PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 3 Konkret? Virtuelle Arbeit muss unterstützt werden. Ein Beispiel: Die über verschiedene Standorte verteilten Mitarbeiter sollten - wenn irgend möglich - zu einem Kick-off- Meeting zusammenkommen. In dem Meeting wird die Zusammenarbeit besprochen.Wie werden Aufgaben und Rollen im Team verteilt? Wie gehen die Mitarbeiter etwa mit Konflikten um? Welche Kommunikationswege gibt es? Außerdem ist es für Mitarbeiter hilfreich, die anderen Teamkollegen persönlich kennenzulernen. Unternehmen setzen doch gerade auf Videokonferenzen und andere Kommunikationstechniken, um Mitarbeitern diese Reisen zu ersparen. Wenn Mitarbeiter ihre Kollegen nur vom Telefon her kennen, entgehen ihnen wichtige Informationen - Kontextinformationen, wie wir diese nennen. Der Mitarbeiter aus Deutschland weiß nicht, wie sein Kollege in Frankreich arbeitet, welchen Rahmenbedingungen er unterliegt, ob er vielleicht in einem weiteren Projekt tätig ist, das gerade in Terminproblemen steckt. Muss man dies wissen? Ja! Nur so können sich die Mitarbeiter wirklich verstehen. Angenommen, ein Kollege in den USA beantwortet seit drei Tagen nicht die dringende Mail aus Deutschland. Der deutsche Mitarbeiter vermutet: Der Kollege ist nachlässig, faul - oder schlimmstenfalls gar nicht an diesem Projekt interessiert. Dabei wird in den USA gerade das Bürogebäude saniert, und der Krach hemmt die Produktivität. Diese Kontextinformation kann einen möglichen Konflikt entschärfen. Deshalb: Den fehlenden Kontext herzustellen, ist eine Hauptaufgabe im Management virtueller Projekte. Der Projektmanager muss für den Informationsaustausch sorgen - also dafür, dass seine Mitarbeiter wissen, welche Arbeitsbedingungen bei ihren Kollegen am anderen Standort herrschen und was sich dort ereignet. Hilfreiche „Kontextinformationen“ Sprechen wir über die Telekommunikationstechnik. Sie hat sich rasant weiterentwickelt. Heute stehen für den täglichen Informationsaustausch „Alleskönner“ zur Verfügung. Meistens handelt es sich um komplette Softwarelösungen, sie decken fast jeden erforderlichen Kommunikationsweg ab. Dies beginnt bei Mail und Chat, reicht über Whiteboard-Anwendungen und endet bei komplexen Konferenztools und Videotelefonie. Wie wirkt sich diese Technologie auf das virtuelle Projektmanagement aus? Diese technologische Entwicklung hat ja erst die virtuelle Teamarbeit ermöglicht. In der Wissenschaft verstehen wir unter virtueller Zusammenarbeit die Kooperation der Teams vorwiegend mithilfe von elektronischen Medien. Moment! Manche sehen die Ursache für den Trend zu virtueller Arbeitsweise in der Globalisierung. Die Globalisierung ist mit Sicherheit ein Treiber dieses Trends. Sie bringt auch neue Chancen und Schwierigkeiten in diese Arbeitsweise hinein, daran besteht kein Zweifel. Doch wissenschaftlich betrachtet gehören weder Globalisierung noch interkulturelle Unterschiede zur Definition virtueller Arbeitsweise - ich kann also virtuelle Kooperation auch innerhalb eines Landes oder einer Region finden. Ist diese Unterscheidung für den Praktiker so wichtig? Ja! Wenn die verwendete Technologie darüber bestimmt, ob ein Team virtuell arbeitet, dann haben wir es in der Praxis wesentlich mehr mit Virtualität zu tun, als dies Projektmanager annehmen. Häufig arbeiten Teams auch dann virtuell, wenn sie zwar im gleichen Gebäude sitzen, aber für die Kommunikation vorwiegend elektronische Medien nutzen wie Chat-Systeme, E-Mails oder Groupware-Anwendungen. Hinzu kommt ein weiterer Punkt, der ebenfalls häufig missverstanden wird: Für den Grad der Virtualisierung spielt es keine Rolle, welche Kommunikationswege angeboten werden, sondern welche das Team tatsächlich nutzt. Aha? Ein Beispiel aus einem zurückliegenden Beratungsprojekt: Ein internationaler Konzern hatte sich zum Ziel gesetzt, dass seine Mitarbeiter im Einkauf, die auf verschiedene Standorte verteilt sind, besser zusammenarbeiten. Das Unternehmen stellte ihnen sehr aufwendige Technologie zur Verfügung, ausgefeilte Groupware-Systeme mit gemeinsamen Datenbanken, Kalendersystemen, Web-Conferencing und Desktop Sharing. Wir haben die Mitarbeiter befragt, welche Systeme sie wirklich in ihrer täglichen Arbeit nutzen. Die Antwort: Sie telefonieren, korrespondieren mit E-Mails - und treffen sich notfalls persönlich. Die aufwendigeren Technologien waren nicht in den Alltag integriert. Diese Integration ist eine wesentliche Managementaufgabe bei virtueller Zusammenarbeit. Anderenfalls kann diese Arbeitsweise nicht ihre Vorteile entfalten. Technologie entscheidet 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 4 REPORT Das Projekt im Laptop: Virtuelle Zusammenarbeit bietet Projektmanagern Chancen, aber auch Herausforderungen. Foto: apops - Fotolia.com PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 4 Apropos Vorteile beim virtuellen Arbeiten. Anders als viele Projektmanager sehen Sie Chancen durch virtuelles Arbeiten. Diese Arbeitsform ist in einigen Punkten der herkömmlichen Zusammenarbeit überlegen … Sofern sie richtig umgesetzt wird, ja. Diese Einschränkung ist wichtig. Ich spreche deshalb von dem Potenzial, effektiver zusammenzuarbeiten. Um welche Potenziale handelt es sich? Ein einfaches Beispiel: Virtuelle Arbeitsweise kann helfen, ein gutes Team von Spezialisten zusammenzustellen. Was hat virtuelles Arbeiten mit der Teamzusammenstellung zu tun? Ganz einfach: Unternehmen können aus dem Vollen schöpfen und Spezialisten manchmal auch weltweit in Projekte einbinden. Sie sind nicht auf die Mitarbeiter angewiesen, die gerade am Standort des Projekts arbeiten. Unternehmen können darüber hinaus die Zeitzonen ausnutzen und an einem Projekt rund um die Uhr arbeiten. Wird in Deutschland Feierabend gemacht, geht es in den USA weiter? Richtig. Außerdem bietet virtuelles Arbeiten dem Einzelnen ein hohes Maß an Autonomie. Er kann verschiedene Aufgaben parallel bearbeiten und darüber frei bestimmen. Potenziell kann er sogar Projektarbeit und Privatleben besser miteinander vereinbaren. Dies kommt vor allem bei der jüngeren Generation gut an. Aber, wie gesagt, diese Chancen sind an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Erfüllen Projekte diese Voraussetzungen nicht, bleiben die Chancen ungenutzt. Man sagt, virtuelles Arbeiten sei bei einigen Aufgaben dem Face-to-Face-Arbeiten sogar deutlich überlegen. Man kann bestimmte Aufgaben virtuell besser lösen als vor Ort am Konferenztisch. Stimmt dies? Elektronisch vermittelte Zusammenarbeit führt zu ganz konkreten Prozessvorteilen, dies ist richtig. Mitarbeiter können wesentlich sachorientierter zusammenarbeiten. Statusunterschiede treten zurück, die Kooperation gestaltet sich partizipativer. Ein Beispiel für Prozessvorteile sind die beliebten Brainstorming-Sitzungen. Aus der Forschung wissen wir, dass Gruppen, die zur Ideenentwicklung zusammensitzen, erstaunlich wenig kreativ sind. Die klassische Brainstorming-Sitzung ist eher ungeeignet für die Ideensuche. Langsam, bitte! Bedeutet dies, dass Mitarbeiter einzeln kreativ arbeiten können, in der Gruppe aber ihre Leistung sinkt? Brainstorming führt in Gruppen zu weniger Ideen, als wenn dieselbe Zahl an Personen alleine Ideen entwickelt, dies ist seit Jahren gut belegt. Ein Grund für den Nach- Statusunterschiede treten zurück Chancen virtueller Teamarbeit teil von konventionellem Brainstorming in Gruppen ist, dass sich die Teammitglieder gegenseitig in ihrem Gedankenfluss - und damit in ihrer Kreativität - stören, auch wenn sie es selbst nicht merken. Durch sogenanntes Electronic Brainstorming kann dieser störende Effekt des Teams reduziert werden, ohne dass mögliche Vorteile des Teams verloren gehen, wie etwa gegenseitige Anregung. Bei der virtuellen Entwicklung von Ideen arbeitet jedes Gruppenmitglied ungestört ... ... und nur dann, wenn es nicht weiterkommt, schaltet das Mitglied die Gruppe zu und sucht neuen Input. Diese elektronisch unterstützte Methode ist sehr effektiv und hilft, Blockaden zu vermeiden. Damit kommt man deutlich weiter als mit den klassischen Brainstorming- Sitzungen. Sie sprachen vorhin von der Autonomie der Mitarbeiter. Virtuelle Kooperation erlaubt selbstbestimmte Arbeitsweise. Ich vermute allerdings, dass diese Autonomie einigen Managern gegen den Strich geht. Sie fürchten, die Kontrolle zu verlieren. Sie können nicht zugleich an jedem Standort ihres Projekts sein und nach dem Rechten sehen. Anders gesagt: Sie müssen ihren Mitarbeitern stark vertrauen. Den wenigsten fällt dieses Vertrauenkönnen leicht. Dies ist in der Tat eine Hürde, und es bringt gleichzeitig einen Vorteil mit sich. Einen Vorteil? Wie darf ich dies verstehen? Wir haben mit der virtuellen Arbeitsweise historisch gesehen einen großen Sprung in kurzer Zeit gemacht. Die Entwicklung der menschlichen Psyche hängt diesem Sprung quasi hinterher. Wir haben immer noch Normen im Kopf, wie Menschen zusammenarbeiten sollen, wie Vertrauen und Sicherheit entstehen. Diese Normen stammen aus einer Zeit, in der man die elektronischen Medien nicht kannte. Wir müssen also den Umgang mit diesen Medien gewissermaßen auf einer tieferen Ebene neu lernen. Konkret: Wir entscheiden selten rational, ob wir jemandem vertrauen und uns sicher fühlen sollen. Der Mensch verlässt sich auf Signale, die er automatisch verarbeitet. Manager fürchten Kontrollverlust projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 5 Arbeit rund um die Uhr: In manchen um den Globus verteilten Teams ist niemals Feierabend. Irgendwo arbeitet immer ein Teil des Teams. Foto: Paul Boncoeur - Fotolia.com PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 5 Beim virtuellen Zusammenarbeiten entfällt beispielsweise der Sichtkontakt, der Blick auf die Mimik und Gestik. Projektmanager und Projektmitarbeiter müssen lernen, andere Signale zu erkennen und zu lesen. Dieser Prozess ist wichtig und er muss unterstützt werden durch Trainings. Man sollte allerdings nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und virtuelle Projektarbeit ablehnen, weil diese Signale fehlen oder weil sich der Manager beim Vermissen der vertrauten Signale unwohl fühlt. Es wird zu dieser Frage wissenschaftlich viel geforscht, auch bei uns in Münster. Wir wollen wissen, wie sich Vertrauen in virtuellen Zusammenhängen entwickelt, was sich dadurch verändert und welche Signale wir brauchen. Haben wir dies verstanden, können wir technische Hilfen entwickeln, um diese Vertrauensprozesse zu unterstützen. Es kann auch Vorteile haben, wenn die vertrauten Signale fehlen … Richtig! Ein Beispiel: Manager können mit Menschen zusammenarbeiten, die für ihr Projekt wegen ihrer Kompetenz wichtig sind - die sie aber im persönlichen Kontakt unsympathisch finden. Auf Distanz spielen solche persönlichen Animositäten kaum eine Rolle. Die Beziehung und die Kommunikation wird also ein Stück weit sachbezogener. Andererseits werden einige Menschen die Freude vermissen, die sie im persönlichen, direkten Kontakt finden. Natürlich. Die Kommunikation bei virtueller Zusammenarbeit ist reduziert, auch dann, wenn man gelernt hat, zusätzliche Signale in der virtuellen Kommunikation zu lesen. Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Auch in der virtuellen Zusammenarbeit ist die persönliche Face-to-Face-Kommunikation nicht ganz verzichtbar. In einigen Situationen brauche ich die „normale“ nonverbale Kommunikation, da will ich in den Gesichtern meiner Gesprächspartner lesen und ihre Mimik beobachten. Zum Beispiel? Sollen schwierige Entscheidungen getroffen werden, empfiehlt sich die direkte Kommunikation. Also ein Treffen oder zumindest eine Videokonferenz. In solchen Situationen kommt es auf eine hohe Dichte der Informationen sowie auf die Gleichzeitigkeit der Informationen, die Synchronizität, an. Ein Chat wäre deshalb ungeeignet dafür. Anhand dieses Beispiels können Sie auch eines erkennen: Der Manager virtueller Projekte braucht Medienkompetenz. Was bedeutet Medienkompetenz? Die richtige Wahl und der richtige Umgang mit verschiedenen Kommunikationsformen. Der Trick besteht letztlich darin, dass ich mir im Klaren darüber bin, welche Informationen bei welcher Kommunikationsform fehlen. Und ich muss mir im Klaren darüber sein, was genau ich durch diese Kommunikation erreichen will. Sollen nur Informationen weitergegeben werden? Dann muss ich den anderen nicht sehen. Will ich nur Termine abstimmen? Dann sind asynchrone Medien beispielsweise per Mail sinnvoll und ökonomisch. Oder muss ich bei Entscheidungen oder Konfliktlösungen auch die nonverbalen Signale wahrnehmen? Virtuelle Kooperation heißt heute, auf eine Vielzahl von verschiedenen Formen der Kommunikation zuzugreifen. Dies macht die Kommunikation flexibel und effizient - solange der Manager die richtige Form wählt. Wie können Projektmanager diese Medienkompetenz schulen? Es gibt mittlerweile gute Trainings, die genau diese Frage zum Thema haben. Verstanden! Und was kann der Projektmanager selbst für den ersten Einstieg in das Thema Medienkompetenz tun? Meine Empfehlung: Der Projektmanager überlegt sich, welche Art von Aufgaben er überhaupt hat und welche Abstimmungen und Besprechungen für diese Aufgaben benötigt werden. Kann er die Aufgaben stark modularisieren, indem er sie zwischen einzelnen Personen oder Direkte Kommunikation für Entscheidungen Medienkompetenz für Projektmanager 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 6 REPORT Nachtarbeit für Projektmanager: Aufgrund der Zeitverschiebung müssen viele Manager virtueller Projekte auch zu später Stunde noch an den Rechner, um sich mit Mitarbeitern etwa in Südamerika abzustimmen. „Diese Zusatzbelastungen müssen etwa bei Incentives oder der Anpassung der Arbeitszeit berücksichtigt werden“, sagt Prof. Guido Hertel. Foto: fotandy - Fotolia.com PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 6 Gruppen teilt, so können die Gruppen diese Aufgaben asynchron abstimmen, etwa per Mail. Dann die Frage: Geht es um gemeinsame Gestaltung? Muss das Team an verschiedenen Orten gemeinsam etwas entwickeln? Dafür braucht man in der Regel Tools für die Zusammenarbeit, beispielsweise Software, die das gemeinsame Zeichnen an einer Benutzeroberfläche ermöglicht. Das gemeinsame Bild kann von verschiedenen Standorten aus verändert werden. Solche Tools brauche ich für komplexere Abstimmungen. Am Anfang also über die Tätigkeit nachdenken und die damit verbundenen Kommunikationsaufgaben. Und dann die richtige Technik wählen. Dies wäre also die Strategie für Medienkompetenz? Genau! Heute bringen viele Softwarelösungen für virtuelles Projektmanagement die benötigten Kommunikationssysteme mit. Die Technik ist also vorhanden, man muss nur die Anwendungen richtig nutzen. Diese Softwaresysteme haben häufig den Vorteil, dass sie die Kommunikation auch dokumentieren. Chats werden aufgezeichnet und Mitteilungen gespeichert. Wenn Sie Mails versenden und darauf Antwort erhalten, wird der Dialog automatisch protokolliert. Ähnliches geschieht bei der Nutzung eines elektronischen Projektmanagementsystems. Diese Protokolle kann ich hinterher bei Rückfragen nutzen. Bei einem konventionellen Face-to-Face-Meeting müssen Teams einen Protokollführer bestimmen, der die Ergebnisse aufbereitet, festhält und verteilt. Am Ende ist das Protokoll häufig lückenhaft. Die automatische Dokumentation bei virtueller Zusammenarbeit kann also diese Tätigkeit zumindest teilweise ersetzen. Hierin liegt ein weiterer Vorteil virtueller Kooperation. Denn eine gute Dokumentation des Projekts fördert die Zusammenarbeit. Inwiefern? Aktuelle Studien zeigen, dass virtuelle Teams noch mehr Vertrauen benötigen als Teams, die Face to Face zusammenarbeiten. Nun der entscheidende Punkt: Die Bedeutung des Vertrauens wird deutlich geringer, wenn das Projekt optimal dokumentiert ist. Die Dokumentation macht die Prozesse für den Projektmanager und das Team nachvollziehbar. Manager und Mitarbeiter müssen sich weniger Sorgen machen, dass etwas schiefläuft. Sie können jederzeit den Status des Projekts nachprüfen. Das gibt ihnen Sicherheit. Vertrauen durch Transparenz Sie müssen also nicht dem Teamkollegen vertrauen, dass er pünktlich seine Arbeitsergebnisse liefert … … sie können es im System überprüfen. So können Manager die Dokumentation daraufhin überprüfen, ob es Hinweise auf Verzug gibt. Sie können dann ihre Mitarbeiter darauf ansprechen, dass sie mit ihren Arbeiten hinter dem Terminplan liegen. Bleiben wir bitte noch beim Thema Vertrauen. Das Gegenteil von Vertrauen ist bekanntlich Kontrolle. Vertrauen ist gut, heißt es, Kontrolle ist besser. Kann man virtuelle Projekte im herkömmlichen Sinne kontrollieren? Kontrolle funktioniert in virtuellen Projekten kaum. Mehr noch, Kontrolle ist kontraproduktiv und kann dem Projekt schaden. Kontrolle signalisiert den Mitarbeitern Misstrauen. Dies wiederum bewirkt bei Mitarbeitern Misstrauen. Kontrolle demotiviert also das Team - vor allem, wenn Mitarbeiter Kontrolle als unfair erleben, wenn sie nicht als partizipativ verstanden und eingeführt wird. Gestatten Sie einen Einwand: Kontrolle muss schon deshalb sein, damit nicht ein Einzelner die Teamarbeit für sich ausnutzt. Damit also nicht ein Mitarbeiter seine Kollegen für sich arbeiten lässt. Diese Gefahr kann durch klare Zielabstimmung und die gute Dokumentation des Arbeitsfortschritts vermindert werden. Die für alle zugängliche Dokumentation bewirkt, dass gar nicht so viel Vertrauen nötig ist. Man erkennt schnell, wer im Team nicht richtig mitzieht und seine Arbeit von den anderen machen lässt. An diesem Punkt erkennen Sie den Mechanismus: Weil transparent ist, ob ein Einzelner das Team ausnutzt, ist ein virtuelles Team weniger auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Ich bin noch nicht überzeugt. Der Projektmanager hat zwei Strategien, das nötige Vertrauen in einem Team aufzubauen. Ich investiere in vertrauensbildende Maßnahmen, etwa Teamtrainings. Oder: Ich reduziere das Risiko, dass Einzelne das Vertrauen missbrauchen und die Situation ausnutzen. Beide Strategien sollten Projektmanager im Blick haben. Wobei es häufig einfacher ist, das Risiko des Vertrauensbruchs zu reduzieren, als Vertrauen im Team dauerhaft aufrechtzuerhalten, insbesondere bei räumlich verteilten Teams. Mit ähnlicher Strategie geht man ja auch in ganz anderen Bereichen vor, etwa beim Online-Handel. Viele Online-Platt- Vom Online-Handel lernen Anzeige PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 7 formen reduzieren für ihre Kunden das Risiko, indem sie großzügige Rücknahmeregelungen bieten. Wem das Produkt nicht gefällt, der schickt es auf Kosten des Online-Händlers zurück. Damit ist das Risiko für den Käufer erheblich reduziert. Wir können daran erkennen: Die Online-Anbieter halten nicht an hergebrachten Vertrauensmechanismen fest, indem sie mühsam in ihr Image und ihre Vertrauenswürdigkeit investieren. Sie gehen kreativ mit dieser neuen Situation um. Dieser Punkt ist zentral auch für virtuelle Zusammenarbeit. Man sollte sich nicht darauf beschränken, im virtuellen Raum krampfhaft die altbekannte Welt aus Face-to-Face-Projekten wiederherzustellen. Diese neue Umwelt braucht und bietet auch neue Lösungsstrategien. Der Einwand mancher Projektmanager gegen virtuelle Arbeitsweise betrifft die Motivation. Teams, die an einem Ort arbeiten, motivieren sich gegenseitig. Man scherzt miteinander, geht gemeinsam essen, feiert Erfolge. Manche Teams treffen sich in der Freizeit. Auch hier sage ich: Mit den neuen Gegebenheiten muss man kreativ umgehen. Virtuelle Arbeit kann ebenso viel Spaß machen wie die herkömmliche Arbeitsweise. Beispielsweise können Mitarbeiter mit Kollegen zusammenarbeiten, die sie bereits von früheren Projekten her kennen - auch dann, wenn diese Kollegen zwischenzeitlich an anderen Standorten tätig sind. Ein Beispiel: Wissenschaftler sind bekanntlich viel auf der Walz, sie verbringen Monate und Jahre an Universitäten in verschiedenen Ländern. Dabei entstehen kollegiale Verhältnisse, sogar Freundschaften. Durch virtuelle Zusammenarbeit werden diese Kontakte aufrechterhalten. Die persönlichen Beziehungen werden fortgesetzt in gemeinsamen Projekten. Virtuelle Arbeitsweise ermög- Motivation durch weltweite Vernetzung licht also die Pflege von Beziehungen und erlaubt neue Konstellationen in der Zusammenarbeit. Auch dies kann Motivation fördern und persönliche Arbeitsqualität bedeuten. Gerade die jüngere Generation, die ja bereits mit einer Vielzahl virtueller Kommunikationstechnologien groß geworden ist, sieht darin große Chancen für sich. Projektmanager berichten aus ihrer Praxis, dass Konfliktmanagement in virtuellen Projekten schwierig sei - besonders dann, wenn Konflikte lange unentdeckt bleiben und dann eskalieren. Ich höre viel davon, dass Manager virtueller Projekte ein Frühwarnsystem für Konflikte aufbauen sollen. Wie kann dieses Frühwarnsystem gestaltet sein? Vor einiger Zeit haben wir in einem Projekt ein IT-Tool eingesetzt, in dem die Mitarbeiter jeweils am Ende einer Woche anonym einige Fragen zu ihrem Erleben beantworten. Wie geht es den Mitarbeitern? Wie zufrieden sind sie mit der Arbeit in der zurückliegenden Woche? Wie klar sind ihnen die Ziele? Wie ist das Vertrauen im Team? Wie motiviert fühlt sich der Einzelne? Neben Hinweisen auf Konflikte erhält der Projektmanager so viele weitere Informationen zum aktuellen Projektverlauf - mit vergleichsweise sehr geringem Aufwand. Vor allem aber sind diese Informationen viel zuverlässiger als die eher zufälligen Signale, die ein Projektmanager ansonsten während seiner Arbeit erhält und schlimmstenfalls sogar falsch interpretiert. Bei virtuellen Projekten könnte man Konflikte sogar früher erkennen als bei Face-to-Face-Zusammenarbeit? Potenziell, ja. Mehr noch: Man kann die erhobenen Feedback-Daten dem Team anonymisiert zugänglich machen und ihm zeigen, wo es gerade steht. Das Team sieht selbst, wo es gerade in der Zusammenarbeit „klemmt“. Es kann Entwicklungen erkennen und nachvollziehen. Zeigt sich beispielsweise, dass es an Motivation mangelt, so kann man darüber sprechen. Manche Teams kommen selbst auf Ideen, wie sie die Motivation wieder herstellen können. Es werden also die Selbststeuerungsmechanismen im Team mobilisiert. Dem Team muss aber auch klar sein, dass es sich bei der wöchentlichen Abfrage um wichtige Informationen handelt. Bei der Einführung dieser Abfrage muss der Projektmanager um Akzeptanz werben und die Hintergründe der Abfrage erläutern. Andersherum gefragt: Das „Bauchgefühl“ des Projektmanagers spielt bei der Konflikterkennung kaum noch eine Rolle? Nein, mit diesem Umkehrschluss würden Sie mich missverstehen. Das Gefühl ist ein wichtiges Element des Frühwarnsystems. Projektmanager sollen ihrem Gefühl trauen. Haben Projektmanager ein „komisches“ Gefühl beispielsweise bei einer Mail oder nach einer Videokonferenz, so sollten sie dem nachgehen und Mitarbeiter darauf gezielt ansprechen. Da dürfen sie sich nicht drücken. Das Risiko, dass der Manager zu häufig seinem Konflikte früh erkennen 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 8 REPORT Auch der Tablet-Computer gehört mittlerweile ins Arbeitsleben. Virtuelle Arbeitsweise wird von der Entwicklung neuer Kommunikationstechnologie getrieben. Diese Technologie und ihre Verbreitung machen die Zusammenarbeit in verteilten Teams erst möglich. Foto: Minerva Studio - Fotolia.com PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 8 Bauchgefühl nachgeht, halte ich für gering. Durch die Geste des Nachfragens prägt er ja auch die Kultur im Projekt. Sein Signal ist: Wir achten aufeinander, auch auf Distanz. Wir sind daran interessiert, dass die Zusammenarbeit reibungslos verläuft. Wir wollen rechtzeitig Probleme klären. Um diese Kultur zu etablieren, muss der Manager sie auch vorleben. Wir wissen, dass durch die räumliche Distanz die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihr Team und ihr Projekt verloren gehen kann. Wer von Hongkong oder Barcelona aus an einem Projekt in San Francisco mitwirkt, ist anders involviert als seine Kollegen vor Ort. Manchmal leben sich Projekt und Mitarbeiter durch die Trennung auseinander. Wie kann der Projektmanager dem vorbeugen? Das Problem liegt vielleicht nicht so sehr in der räumlichen Distanz. Es liegt darin, dass Leistungsträger zumeist in fünf oder mehr Projekten eingebunden sind. Diesen Leistungsträgern fällt es schwer, in allen Projekten gleichermaßen motiviert mitzuarbeiten. Die Projektmanager müssen sehen, dass sie diese Leute nicht überlasten. Darüber hinaus muss in virtuellen Projekten auch die Kompetenz der Mitarbeiter für Selbstmanagement gestärkt werden. Sie müssen selbst einschätzen lernen, was sie realistisch schaffen können und wo ihre Grenzen liegen. Beides spielt eine Rolle - sowohl die Fürsorge des Managers als auch die Selbstkompetenz des Mitarbeiters. Dies ist verstanden. Mir ging es bei meiner Frage um die räumliche Distanz zwischen Mitarbeitern in verteilt arbeitenden Teams. Wie können Projektmanager diese Distanz unter den Mitarbeitern überbrücken? Wir haben dafür ein Konzept unter dem Titel „Management by Interpendence“ entwickelt, also Management durch Schaffung gegenseitiger Verantwortlichkeiten im Team. Die Distanzen werden überbrückt durch gegenseitige Verantwortung der Mitarbeiter füreinander. Wir verflechten stärker die Aufgabenprozesse, beispielsweise über mehrere Standorte. Damit sorgen wir dafür, dass die Mitarbeiter zumindest am Anfang mehr kommunizieren müssen und sich dabei besser kennenlernen. Außerdem setzen wir für die verteilten Teams gemeinsame Ziele, also nicht Einzelziele für jeden Standort des Projekts, sondern gemeinsame Ziele für alle. Auch die Entlohnung wird an die Zusammenarbeit gekoppelt. Aufgaben, Ziele und Entlohnung - das sind die drei Ansatzpunkte für die Interdependenz? Ja. Aufgabe des Projektmanagers ist es, über die Distanz hinweg das gemeinsame Projekt erlebbar zu machen. So wird bei jedem Mitarbeiter letztlich der Sinn dafür geschärft, dass das Team zusammengehört, dass alle in einem Boot sitzen und sich gegenseitig unterstützen müssen. Damit können Projektmanager übrigens auch das Erleben von Gemeinsamkeit verbessern, die Bindung an das Projekt erhöhen und mehr Motivation für die Projektarbeit erzielen. Distanz zwischen Mitarbeitern überwinden Ein Projektmanager berichtete mir aus seiner Praxis, dass er bei international verteilten Projekten Mitarbeiter-Tandems bildet. Der Mitarbeiter aus Frankreich arbeitet mit dem Kollegen aus Chile zusammen. Sie besuchen sich gegenseitig und tragen für die gemeinsame Aufgabe Verantwortung. Ein sehr schönes Beispiel für diesen Ansatz! Gerade mit dieser Idee, gezielt Personen aneinander zu binden, überbrückt man Distanz. Die Rolle des Managers verändert sich in virtuellen Projekten, dies haben wir mehrfach angesprochen. Wie genau verändert sich diese Rolle? Der Projektmanager bekommt andere Aufgaben. Seine Aufgaben wandeln sich von aufgabenbezogener Führung hin zu der Aufgabe, den Mitarbeitern mehr Autonomie und Entwicklungsspielraum zu geben, sie zu motivieren und zu würdigen. Es handelt sich also um Coaching-Aufgaben im weitesten Sinne. Der Manager wird also entlastet etwa beim Delegieren von Aufgaben und bei der Nachverfolgung von Fortschritten. Die frei werdende Zeit … … nutzt er für Beziehungsmanagement oder Konfliktmanagement. Beispielsweise achtet er darauf, dass sich seine Mitarbeiter im virtuellen Projekt nicht selbst ausbeuten. Durch die ständige Erreichbarkeit werden Pausenzeiten und Erholungstage aufgezehrt. Der Manager muss darauf achten, dass Mitarbeiter Auszeiten vom Projekt bekommen und sich diese Auszeiten auch nehmen. So etwas stellt Manager vor ganz neue Aufgaben: weg von klassischer Steuerung und Kontrolle, hin zu sozialen Aufgaben. Und damit haben nicht wenige Manager erst mal Schwierigkeiten. Sie brauchen spezielle Kompetenzen. Offen gesagt: Nicht jeder, der eine beeindruckende Karriere in einer Fachdisziplin erreicht hat, ist auch für diese Aufgaben vorbereitet. Mit dem „Tandem“ zum Erfolg projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 9 Sollen schwierige Entscheidungen getroffen werden, so empfiehlt sich die direkte Kommunikation - eine Videokonferenz oder besser noch ein persönliches Treffen. Foto: apops - Fotolia.com PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 9 Welche Kompetenzen sind dafür erforderlich? Zu den Kompetenzen forschen wir noch viel. Ich kann also nur ein vorläufiges Bild zeichnen und erste Befunde nennen. Bitte! Bei virtuellen Arbeitsformen ist Vertrauensbereitschaft und Kreativität erforderlich. Manager müssen kreativ beispielsweise Prozesse entwickeln können. Erhöhte Anforderungen sehe ich auch an die soziale Kompetenz sowie an die Kommunikationsfähigkeit. Kommunikationsfähigkeit - was bedeutet dies konkret? Der Manager muss sich auch schriftlich gut ausdrücken können, etwa in E-Mails. Er muss sensitiv lesen können, also auch Untertöne und Botschaften zwischen den Textzeilen erkennen. Empfehlen Sie Managern, die in die virtuelle Projektwelt hineinwachsen wollen, ein Training oder ein Coaching? Ich würde gestuft vorgehen, zunächst ein gutes Training, dann ein begleitendes Coaching für spezielle Situationen. Hilfreich ist in jedem Fall der Austausch innerhalb der eigenen Organisation. Unternehmen können beispielsweise für ihre Manager virtueller Projekte regelmäßig Gesprächsrunden einrichten. Damit sind wir bei einer wichtigen Frage: Was können Unternehmen tun, um die virtuelle Projektarbeit zu verbessern und zu fördern? Der erste Schritt ist, dass die virtuelle Arbeit überhaupt gewürdigt wird. Dass das Unternehmen anerkennt: Ihre Projektmanager stehen bei virtuellen Projekten vor qualitativ neuen Herausforderungen. Dies ist ein wichtiges Signal an ihre Projektmanager. Viele Manager rutschen in virtuelle Projektarbeit hinein. Sie gehen davon aus, dass diese Aufgaben mit den bekannten Mitteln zu bearbeiten sind - und stehen plötzlich vor Problemen. Dann beginnen sie an sich zu zweifeln. Man muss aufpassen, Kommunikationsfähigkeit gefordert dass diese Leute nicht resignieren! Darüber hinaus muss der erhöhte Einsatz der Manager Würdigung finden. Angenommen, mit dem Team in Asien muss ich morgens um fünf Uhr telefonieren, mit dem Team in den USA abends um zehn Uhr. Dadurch entstehen viele Überstunden und Zusatzbelastungen. Diese Zusatzbelastungen müssen etwa bei Incentives oder der Anpassung der Arbeitszeit berücksichtigt werden. Blicken wir in die Zukunft: Wie wird es Ihrer Einschätzung nach mit der virtuellen Teamarbeit weitergehen? Wir reden über einen bestimmten Bereich - den des Wissensarbeiters. Dort wird das virtuelle Arbeiten mit Sicherheit zunehmen. Wir werden die elektronischen Medien künftig noch intelligenter nutzen. Wir lernen ja gerade noch, mit diesen Medien umzugehen. Wir werden verstehen, diese Medien besser in unseren Arbeitsalltag zu integrieren und davon auch persönlich profitieren - etwa bei der Work-Life-Balance. Jenseits der Wissensarbeit wird es selbstverständlich einen großen Bereich geben, in dem Personen weiterhin im direkten Kontakt miteinander arbeiten. Wann sind die Grenzen für virtuelle Zusammenarbeit erreicht? Bestimmte Grundbedürfnisse nach persönlichem Kontakt müssen doch im Mindestmaß erfüllt sein … Ich glaube, dass die Frage nicht richtig gestellt ist. Sie setzt voraus, dass wir uns mit unserem Computer immer weiter in unseren vier Wänden einschließen. Dieses Bild ist falsch. Wir nutzen die elektronischen Medien auch, um mehr bei unserer Familie oder bei unseren Freunden zu sein. Die jüngere Generation, die diese Medien wie selbstverständlich nutzt, ist extrem sozial. Vereinsamung in Beruf und Privatleben ist also nicht die Konsequenz der digitalen Medien? Im Gegenteil. Wir werden noch mehr und noch besser lernen, mit den durch diese Medien entstehenden Freiräumen, mit der Unabhängigkeit durch die Vernetzung umzugehen. Dies wird eine neue Lebensqualität schaffen. Trend zu mehr virtueller Zusammenarbeit 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 10 REPORT Auch virtuelle Projekte kommen ohne persönlichen Kontakt zwischen Teammitgliedern nicht aus. Nach Meinung vieler Experten sollte sich das Team zu Projektbeginn kennenlernen und Planungen besprechen. Foto: apops - Fotolia.com Praxistipp „Mitarbeiter-Tandem“: Bei internationalen, virtuellen Projekten arbeiten zwei Teammitglieder aus verschiedenen Ländern zusammen. Die Mitarbeiter eines Tandems besuchen sich gegenseitig und tragen für die gemeinsame Aufgabe Verantwortung. ■ Foto: Igor Mojzes - Fotolia.com Im Ze berate in ein Sie an FÜR PROJE PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 10
