PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Flughafen Frankfurt: Großprojekt Flugsteig A-Plus
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Gregor Oleniczak
Der Flughafen Frankfurt nimmt im internationalen Luftverkehr eine wichtige Rolle ein. Über die Hälfte der 58 Millionen Passagiere steigen in Frankfurt um. Für die damit verbundenen Anforderungen nach größeren Flugzeugpositionen und mehr Wartebereichen für Passagiere leistet der neue Flugsteig A-Plus einen entscheidenden Beitrag. Der Flugsteig A-Plus wurde im Oktober 2012 als erfolgreiches Großprojekt in Betrieb genommen, bietet eine Kapazitätserweiterung für circa 6 Mio. Passagiere und verfügt über sieben Gebäudepositionen, vier davon für die A380. Die geplanten Kosten in Höhe von ca. 700 Mio. EUR wurden eingehalten.
Um den Flugsteig termingemäß fertigzustellen und in Betrieb zu nehmen, mussten sechs Jahre zuvor entscheidende Projektstrukturen geschaffen werden. Der Praxisbeitrag soll das Risikomanagement aus kaufmännischer Sicht näher beleuchten: Wie wurde das Risikomanagement zu Projektbeginn als Prozess eingeführt, welche Herausforderungen waren damit verbunden, wie wurden die Meetings mit den Projektbeteiligten durchgeführt und welche Erfolge konnten durch konsequentes Handeln am Ende realisiert werden?
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Der Irrtum vom Wissen über Risikomanagement im Projekt Es kommt leider häufiger vor, als man denkt. Erst letztens wurde ein Manager wie folgt zitiert: „… während das gesamte Management in langwierigen Sitzungen das Budget für das kommende Jahr diskutiert, wird die Entscheidung über den Bau eines neuen Lagers mit einem Investitionsvolumen von mehreren Millionen Euro in wenigen Wochen getroffen. Das Management beschäftigt sich in weniger als drei Prozent seiner verfügbaren Zeit mit Risikomanagement.“ [1, S. 2]. Sich mit Risiken zu beschäftigen ist unangenehm. Sowohl Management als auch Mitarbeiter müssen verstehen lernen, was es bedeuten kann, wenn man kein Risikomanagement betreibt oder wenn man es nur unvollständig handhabt. Ein Projektleiter, der zu oberflächlich mit der Identifikation und Bewertung von Risiken umgeht, ist genauso abzulehnen wie ein Projektleiter, der jedem kleinsten Risiko penibel nachgeht. Den Prozess zum Risikomanagement zu definieren, zu organisieren und konsequent durchzuführen kann aufwendig sein, aber es kann weitaus mehr Geld kosten, wenn man auf ihn verzichtet. Die Studie kommt allerdings auch zu dem Ergebnis, dass es noch zu viele Unternehmen gibt, die kein Risikomanagement für ihre Projekte anwenden. Die Ursachen liegen offensichtlich im Mehraufwand für die Etablierung des Risikomanagements. In letzter Konsequenz fallen die zusätzlichen Kosten für das Risikomanagement viel geringer aus als die Kosten, die durch eine völlige Ignorierung von Risiken entstehen [1, S. 9]. Aufbau eines Risikomanagements im Projekt Die Risiken von Großprojekten werden häufig falsch eingeschätzt. Oft haben das Topmanagement und die Projektbeteiligten ein unterschiedliches Bild vom Risikomanagement. Man geht zunächst einmal vom gewöhnlichen Risikomanagement aus. Das bedeutet, dass der Techniker versucht seine Risiken in einem Bauprojekt dahingehend in den Griff zu bekommen, dass eine technische Lösung auf der Baustelle gefunden wird und dass beispielsweise statische oder auch logistische Probleme gelöst werden müssen. Aber es gibt ja auch noch die Beurteilung kaufmännischer Risiken: Was passiert, wenn die Vergabe teurer wird, als im Budget vorgesehen ist? Was passiert, wenn sich die Bauzeit verlängert? Dann kostet das in aller Regel mehr Geld, als vielleicht bisher im Projekt berücksichtigt worden ist. Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Risikomanagement bestehen durchaus aus mehreren Komponenprojekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 31 Gregor Oleniczak Flughafen Frankfurt: Großprojekt Flugsteig A-Plus Risikomanagement aus kaufmännischer Sicht - Ein Praxisbeitrag Der Flughafen Frankfurt nimmt im internationalen Luftverkehr eine wichtige Rolle ein. Über die Hälfte der 58 Millionen Passagiere steigen in Frankfurt um. Für die damit verbundenen Anforderungen nach größeren Flugzeugpositionen und mehr Wartebereichen für Passagiere leistet der neue Flugsteig A-Plus einen entscheidenden Beitrag. Der Flugsteig A-Plus wurde im Oktober 2012 als erfolgreiches Großprojekt in Betrieb genommen, bietet eine Kapazitätserweiterung für circa 6 Mio. Passagiere und verfügt über sieben Gebäudepositionen, vier davon für die A380. Die geplanten Kosten in Höhe von ca. 700 Mio. EUR wurden eingehalten. Um den Flugsteig termingemäß fertigzustellen und in Betrieb zu nehmen, mussten sechs Jahre zuvor entscheidende Projektstrukturen geschaffen werden. Der Praxisbeitrag soll das Risikomanagement aus kaufmännischer Sicht näher beleuchten: Wie wurde das Risikomanagement zu Projektbeginn als Prozess eingeführt, welche Herausforderungen waren damit verbunden, wie wurden die Meetings mit den Projektbeteiligten durchgeführt und welche Erfolge konnten durch konsequentes Handeln am Ende realisiert werden? Der Autor ist Kaufmännischer Programmleiter bei der Fraport AG und war von 2005 bis 2011 für die Kostensteuerung des Großprojekts Flugsteig A-Plus verantwortlich. Dieses Programm mit einem Kostenbudget von über 700 Mio. EUR wurde mit den geplanten Kosten realisiert. Der Autor schildert im Detail, welche Strukturierungsmaßnahmen und Prozesse notwendig waren, um die Risiken, die mit einem solchen komplexen Programm verbunden sind, in den Griff zu bekommen. Er geht dabei vor allem auf die konsequente Verknüpfung von Kostenkontrolle, Änderungsmanagement und Risikomanagement ein. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 31 ten. Oberstes Ziel beim Projekt A-Plus war zunächst, das Risikomanagement als Prozess zu definieren [3, S. 25]. Damit das Projekt nicht nur technisch, sondern auch kaufmännisch Erfolg versprechend werden konnte, wurde das Konzept zum Risikomanagement gemeinsam mit der Projektleitung ausgearbeitet. Erst danach wurden weitere Projektbeteiligte in den Prozess eingebunden. Mit dem Konzept des Risikomanagements aus kaufmännischer Sicht wurden folgende Ziele angestrebt: ❑ objektive Bewertung der Projektrisiken, ❑ regelmäßige Durchführung der Risikogespräche zwischen den Projektbeteiligten (Projektleiter, Projektkaufleute, Projektsteuerung und Generalplaner/ Objektüberwachung), ❑ realistische Einschätzung der Forderungen der Baufirmen, ❑ konsequente Fortschreibung der Kostenprognose, ❑ transparente Dokumentation, ❑ kontinuierliche Kommunikation an das Topmanagement. Die Projektorganisation Im Großprojekt Flugsteig A-Plus wurde das Gesamtprogramm von einem Technischen und einem Kaufmännischen Programmleiter verantwortet. Beide haben das Projekt zusammen nach dem Vier-Augen-Prinzip durch die Planung, die Realisierung und den Projektabschluss geführt. Die Leiter haben direkt an den Generalbevollmächtigten und den Vorstand berichtet. Das Großprojekt selbst wurde in zwei Bereiche organisatorisch aufgeteilt: den eigentlichen Flugsteig mit rund 800 Meter Länge sowie das Verbindungsbauwerk - auch Wurzel genannt - zum bestehenden Terminalgebäude. Für den Flugsteig und das Wurzelbauwerk wurde jeweils ein Projektleiter installiert, mit jeweiligen Projektsteuerungsteams und Objektüberwachung. Beiden Gebäudeteilen wurde eine Projektkoordination aufgesetzt, um die Schnittstellen möglichst reibungslos zu managen. Die Baufirmen wurden ebenfalls für die großen Gewerke wie Rohbau, Haustechnik und Natursteinarbeiten auf Flugsteig und Wurzel aufgeteilt. Das heißt es gab ein Rohbaupaket für den Flugsteig und eines für die Wurzel, Gleiches galt für die meisten übrigen Gewerke. Es gab aber auch übergeordnete Bauleistungen für beide Bauteile, beispielsweise für die Aufzüge, die Fahrsteige und die Baulogistik. Letzteres war durchaus sinnvoll, um die Just-in-time-Anlieferungen übergreifend zu steuern. Die kaufmännischen Funktionen, wie Vertrags- und Änderungsmanagement, Reporting/ Controlling, Rechnungsprüfung und Nachtragsmanagement, wurden als Querschnittsfunktion für beide Teams vorgehalten, um ebenso die Schnittstellen zu kompensieren und das Gesamtbudget zu steuern. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Beteiligten müssen klar festgelegt werden. Jeder Projektbeteiligte muss wissen, was seine Aufgaben und Pflichten sind. Werden die Festlegungen nicht getroffen, kann Chaos ausbrechen. Entscheidend hierbei ist der Zeitpunkt: Möglichst früh sollte die Festlegung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten getroffen werden. Klare Prozessabläufe sind ein Muss Die Prozessabläufe sind im Projekt klar zu definieren. Seien es die Prozesse zur Vergabe von Planungs- und Bauleistungen, die Rechnungsprüfung, das Änderungs- oder auch das Nachtragsmanagement. Die abgestimmten Prozesse zwischen den Projektbeteiligten sind Voraussetzung für einen effizienten und funktionierenden Ablauf. Sie unterstützen beispielsweise auch die Einhaltung von Prüffristen bei der Rechnungs- und Nachtragsbearbeitung. Eine zeitnahe Prüfung von Rechnungen und Nachträgen führt auf der Auftraggeberseite zu einem transparenten Überblick in der Abwicklung von kaufmännischen Vorgängen. Andererseits können durch eine zügige Abarbeitung die Zahlungen innerhalb der vorgesehenen Fristen vorgenommen werden, was auf der Auftragnehmerseite zu verstärkter Motivation im Handeln führt. Die Baufirmen können dann wiederum das Material und den Lohn zeitnaher bezahlen. Alle Abrechnungsvorgänge können somit insgesamt schneller reguliert werden. Genauso müssen bei Änderungen von Gegebenheiten im Zahlungslauf oder in Prüfverfahren von Zuständigkeiten Anpassungen in den Prozessen vorgenommen werden. Dies ist dann ebenso abzustimmen und zu kommunizieren. Es ist überhaupt sehr zweckmäßig, wenn 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 32 WISSEN Abb. 1: Vogelperspektive auf den neuen Flugsteig A-Plus Foto: Fraport AG Abb. 2: In letzter Konsequenz fallen die zusätzlichen Kosten für das Risikomanagement viel geringer aus als die Kosten, die durch eine völlige Ignorierung von Risiken entstehen. Abbildung: Gregor Oleniczak in Anlehnung an Fiedler [1] Geschätzte Kosten ohne Risikomanagement Projektkosten in T€ 0 20 40 60 80 100 120 140 Tatsächliche Kosten ohne Risikomanagement Geschätzte Kosten mit Risikomanagement Tatsächliche Kosten mit Risikomanagement Projektkosten in T€ PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 32 man mit der Projektleitung organisatorische und projektbezogene Fragestellungen eng und kontinuierlich abstimmt. Es gibt eine Reihe an Prozessen, die zu definieren, abzustimmen und zu etablieren sind: ❑ Rechnungsprüfung und Zahlungslauf von Planungs- und Baurechnungen ❑ Beauftragung von Planungsleistungen und Nachträgen ❑ Beauftragung von Bauleistungen und Nachträgen ❑ regelmäßige Risikogespräche ❑ Fortschreibung der Kostenprognose und Budgetanpassung ❑ Änderungsmanagement der Planungsphase ❑ Änderungsmanagement der Realisierungsphase Ausrichtung der Projektstruktur Die Projektstruktur des Gesamtprojekts A-Plus hat sich an unterschiedlichen Bedarfen orientiert. Die Einzelprojekte wurden einerseits nach den technischen und logistischen Erfordernissen des Bauablaufes zugeschnitten, mussten aber auch bilanzielle und gesetzliche Vorgaben erfüllen. Hierzu wurde das Gesamtprojekt A-Plus mit seinen Teilprojekten zunächst gemeinsam mit der Anlagenbuchhaltung vorbewertet. Die Anlagenbuchhaltung spielt hier eine sehr wichtige Rolle, weil von Beginn an mit den richtigen Projektstrukturen letztlich auch die bilanzielle Bewertung stimmen muss. Die Gespräche bei der Anlagenbuchhaltung haben wir zusammen mit den Technischen Projektleitern durchgeführt, um die inhaltlichen Vorgänge zu erläutern: Was wird da gebaut? Ist das eine Bestandsmehrung oder eine Minderung? Ist das eine Mussinvestition, weil behördliche Auflage, wie zum Beispiel Brandschutz, oder ist das eher eine erhaltende Maßnahme? Alle diese Fragen mussten für alle einzelnen Bauaktivitäten beantwortet werden. Für die Kommunikation mit dem Topmanagement wurde zunächst in Hochbau- und Tiefbaumaßnahmen unterschieden. Für die eigentliche Baumaßnahme von Flugsteig und dem Verbindungsbauwerk Wurzel wurde dann das Kernprojekt definiert mit der bereits erwähnten Unterstruktur Flugsteig, Wurzel, übergeordnete Bauleistungen sowie die Baunebenkosten. Für die Gepäckförderanlage und die Fluggastbrücken wurden ebenfalls eigenständige Projekte gebildet, die dann beim Schnittstellenmanagement berücksichtigt wurden. Es hat sich ebenso bewährt, die Änderungen in den Projektstrukturen gering zu halten und den Projektstrukturplan möglichst von Beginn an stabil aufzusetzen. Das ist besser, als immer wieder neue Ansätze zu finden und den Beteiligten, insbesondere Entscheidungsträgern, zu erklären, wo sich jetzt die einzelnen Baumaßnahmen befinden. Es ist sicherlich ein Erfolgsfaktor, auf einem stabilen Fundament aufzusetzen und restriktiv mit Änderungen in der Projektstruktur umzugehen. Einführung eines Änderungsmanagements Beim Bau des Flugsteigs A-Plus am Frankfurter Flughafen wurde ein stringentes Änderungsmanagement installiert. Der Projektauftrag wird im Projektverlauf um zusätzliche Anforderungen und Leistungen fortgeschrieben, sodass damit auch die zeitlichen Auswirkungen und die daraus entstehenden Mehrkosten dokumentiert werden. Im Projekt wurde für zusätzliche Anforderungen eine Entscheidungsfrist definiert. Nachdem vom Fachplaner die Entscheidungsvorlage ausgearbeitet und von der Projektleitung geprüft wurde, konnte sie dem Anforderer zur Freigabe vorgelegt werden. Dieser hatte genau zehn Arbeitstage Zeit, die Entscheidung zu treffen und die erforderlichen Unterschriften innerhalb seines Bereiches einzuholen. Damit konnten die wesentlichen Entscheidungen in dem Projekt eingebracht werden. projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 33 Abb. 3: Die schematische Darstellung zeigt den Neubau des Flugsteigs und das Verbindungsbauwerk Wurzel zum bestehenden Terminal 1. Das Team A war für den Flugsteig und Team B für das Wurzelbauwerk zuständig. Abbildung: Fraport AG Kaufm. Programmleitung Techn. Programmleitung Vertrags-/ Änderungsmanagement Projektkoordinator Projektleitung Flugsteig Team A: Flugsteig Team B: Wurzel Projektleitung Wurzel Projektsteuerung GP/ OÜ GP/ OÜ Bauunternehmen Flugsteig Bauunternehmen Wurzel Projektsteuerung Reporting/ Controlling Rechnungsprüfung Nachtragsmanagement Bauunternehmen übergeordnet Abb. 4: Die Aufteilung und Festlegung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Beteiligten sollte möglichst früh erfolgen. Sowohl Team A als auch Team B haben eindeutig zugeordnete Rollen (GP: Generalplaner/ OÜ: Objektüberwachung). PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 33 Die zusätzlichen Anforderungen zur Realisierung mussten damit innerhalb einer bestimmten Frist entschieden werden. Natürlich wurde die Summe der in einem Jahr zusätzlich entschiedenen Leistungen dem Projekt als zusätzliches Budget zur Verfügung gestellt. Mit seiner konsequenten Anwendung unterstützte das Änderungsmanagement so die Kostensteuerung, sodass bereits fest ausgeplante Budgets (Gegenstand des bisherigen Projektauftrages) für ungeplante und vor allem zusätzliche Leistungen nicht falsch verwendet wurden. Es wurden über 400 Entscheidungsvorlagen für zusätzliche Leistungen im Rahmen der Realisierung erstellt und zur Entscheidung geführt. Das Änderungsmanagement hat natürlich den Vorteil, dass man mit jeder genehmigten Entscheidungsvorlage durch gegenseitige Kenntnisnahme zwischen Anforderer und Realisierer Budgeterhöhungen im Zeitverlauf viel besser nachvollziehen kann. Die Dokumentation wird absolut transparent gehalten. Es wird zum Beispiel gefragt: Wurde die Änderung der WC-Anlage zusätzlich als Anforderung eingebracht oder war sie bereits als Grundanforderung in der Planung und damit auch im Budget enthalten gewesen? Wurde die Lüftung deswegen nochmals umgebaut, waren das die Mehrkosten, die dann im letzten Wirtschaftsplan beantragt und genehmigt wurden? Es lässt sich nicht vermeiden, solchen exemplarischen Fragen muss man sich immer wieder stellen. Somit ist die Dokumentation in Form genehmigter Entscheidungsvorlagen sehr hilfreich und sorgt für die notwendige Transparenz in der Projektdokumentation. Es ist ganz natürlich, dass man bei einem so großen Projekt über die lange Laufzeit und die vielen zu treffenden Entscheidungen schnell den Überblick verlieren kann. Aber das beschriebene und durchgeführte Änderungsmanagement hat beim A-Plus zu erheblicher Transparenz in den Entscheidungen beigetragen und überflüssige endlose Diskussionen vermieden. Anpassung von Entscheidungsfristen bei zunehmendem Projektfortschritt Der Anforderer hatte zunächst zehn Tage Zeit, die vorgelegte und ausgearbeitete Entscheidungsvorlage für zusätzliche Änderungen im Projekt zu prüfen und freizugeben. Eine Überschreitung der Frist wurde zunächst angemahnt und drei Tage später auch nicht mehr akzeptiert. Diese harte Regelung war wichtig, um Fristen nicht zu überschreiten. Denn während der Bauphase zu treffende Entscheidungen müssen schnell behandelt werden. Im Laufe der Zeit wurden von uns die Regeln sogar noch etwas verschärft. Wir haben die definierten Entscheidungsfristen in einem zweiten Schritt auf fünf Arbeitstage verkürzt. Das hat zwar zunächst nicht die harmonische Zusammenarbeit im Projekt gefördert, aber letztlich zu mehr Vernunft beigetragen, zusätzliche Leistungen nur noch in besonders wichtigen Fällen in das Projekt einzuspielen, sie andernfalls bis auf Weiteres zurückzustellen. Somit hatte das Projekt einfach mehr Zeit gewonnen, sich mit den Kernaufgaben und der Realisierung zu beschäftigen. Damit konnte das Risiko von zunehmendem Änderungsbedarf auf ein Minimum reduziert werden, sodass Termine und Kosten sicher im Zeitrahmen gehalten werden konnten. Wesentliche Voraussetzungen für ein Änderungsmanagement Beim Änderungsmanagement haben wir die Entscheidungsträger nochmals zu Projektbeginn inhaltlich vorbereiten müssen, wie Änderungen im Projekt dem Budget zugeordnet werden können. Die Projektänderungen sind bestimmten Ursachenkategorien und Sphären zuzuweisen. Was heißt das? Man kann grundsätzlich sagen, dass die Änderungen in einem Projekt konkret entweder der Anforderer- oder der Realisierersphäre zuzuordnen sind und entsprechend die Kostenträgerschaft vorgenommen wird. Der Anforderersphäre sind die nachstehenden Risiken und die daraus resultierenden Änderungen zuzuordnen: ❑ Bestelländerungsrisiken ❑ Genehmigungsrisiken ❑ Finanzierungsrisiken ❑ Baugrundrisiken ❑ Bestandsrisiken ❑ Marktrisiken ❑ Risiken aus höherer Gewalt Der Realisierersphäre sind die nachstehenden Risiken und die daraus resultierenden Änderungen zuzuordnen: ❑ Planungsrisiken ❑ Kostenermittlungsrisiken ❑ Vertragsrisiken Das Budget der Änderungsvorsorge ist für den Anforderer von Projektbeginn an einzurichten. Ebenso muss für den Realisierer ein sogenanntes UV-Budget (Unvorhergesehenen-Budget) mit mindestens 10 Prozent der Investitionssumme zur Verfügung gestellt werden. Entsprechend werden die aus den Risiken resultierenden Änderungen den Budgettöpfen der Anfordererbzw. Realisierersphäre zugeordnet. Deutlich wird das an folgendem Beispiel: Wird entgegen der ursprünglichen Nutzung entschieden, die Passagierführung durch den Duty-free-Bereich verlaufen zu lassen, sind das Änderungen des Projekts aufgrund von Entscheidungen, die in einem geänderten Anforderungsprogramm begründet sind. Sie liegen primär in der Initiative des Anforderers oder Nutzers. Deshalb sind sie der Anforderersphäre zuzuordnen. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 34 WISSEN Abb. 5: Blick auf die komplexe Baustelle mit rund 800 Meter Länge Foto: Fraport AG Proje Durchdachte So werden be Verfahren ein Prozesse auf Die CONTACT und zielsiche dank einer tra PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 05 Uhr Seite 34 Die richtige Budgetbildung Grundlegende Voraussetzung für ein funktionierendes Risikomanagement ist es, von Projektbeginn an dafür zu sorgen, dass die „richtigen“ Budgets im Projekt gebildet werden. Die Budgets für die geplanten Einzelaufträge müssen mit realistischen und auskömmlichen Vorsorgebeträgen für eventuell anfallende Nachtragsforderungen der Baufirmen kalkuliert werden. Das soll nicht bedeuten, dass man sich mit dem „Rundum-sorglos-Paket“ eindecken kann. Es erfordert Erfahrung und Augenmaß zugleich, solche realistischen Vorsorgebudgets zu bilden. Doch werden diese nicht berücksichtigt, fehlt spätestens für Nachtragsforderungen der Baufirmen das Geld zur Beauftragung. Im Projekt A-Plus wurde darüber hinaus für den Bauherrn ein Änderungsvorsorgebudget für zusätzliche Änderungen und Bauherrenrisiken (z. B. Genehmigungsrisiken, Finanzierungsrisiken, Baugrundrisiken, Risiken aus höherer Gewalt etc.) berücksichtigt, die während des Projekts hätten anfallen können. Ebenso wurde eine angemessene Risikovorsorge (UV- Budget) für den Realisierer eingeplant, um auch unvorhergesehene Maßnahmen, wie Planungsrisiken, Kostenermittlungsrisiken, Vertragsrisiken etc., in dem Projekt abdecken zu können. Den Budgettöpfen Änderungs- und Risikovorsorge haben wir unterschiedliche Verantwortlichkeiten zugeordnet. Die Änderungsvorsorge wurde vom Anforderervertreter und die Risikovorsorge vom Realisierer gesteuert. Die Budgetbildung sollte mit großer Sorgfalt vorgenommen werden. Dabei besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Prognoseschärfe und Projektstatus. Das heißt, Projekte in einem frühen Anfangsstadium (in Anforderung) weisen eine geringere Terminstabilität und eine geringere Kostenstabilität auf als Projekte in Planung oder als Projekte in Ausführung. Entscheidend für die Budgetbildung einer anstehenden Projektrealisierung ist es, dass das Bauprojekt einen Planungsfortschritt einer Entwurfsplanung hat, damit die Toleranzen und Schwankungsbreiten für die Kostengrundlagen nicht zu groß werden. Abb. 6: In frühen Planungsphasen sind höhere Budgetreserven zu bilden. Die Grafik zeigt die Schwankungsbreite der Termin- und Kostensituation in den unterschiedlichen Projektphasen. Projektmanagement. Prozessorientiert. Durchdachte Prozesse geben heute in den Unternehmen die Abläufe vor. So werden bewährte Best Practices genutzt, Verlässlichkeit geschaffen und Verfahren eingehalten. Project Office unterstützt Unternehmen dabei, diese Prozesse auf ihre Projekte umfassend abzubilden und sicher auszuführen. Die CONTACT Projektmanagementlösung ermöglicht die planungstreue und zielsichere Projektabwicklung über das gesamte Projektportfolio dank einer transparenten, proaktiven Projektsteuerung. www.contact-software.com www.contact-software.com Anzeige PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 06 Uhr Seite 35 Die Budgetbildung sollte auf der Grundlage der genehmigten Kostenberechnung auf der Basis der Entwurfsplanung erfolgen, damit die Schwankungsbreite für die Kostengrundlage nicht zu groß ist. Budgetbildung je Auftrag Es ist bei der Budgetbildung besonders darauf zu achten, dass eine Nachtragsvorsorge für jeden Auftrag im Projekt berücksichtigt wird. Dabei muss für die Größe der Nachtragsvorsorge in den einzelnen Gewerken unterschieden werden. Beim Rohbau geht man von einer Nachtragsvorsorge von 5-10 Prozent, bei der Haustechnik schon von 10-15 Prozent aus. Dies liegt daran, dass man die Komplexität nicht vollumfassend bis ins allerletzte Detail durchplanen kann. Durch Toleranzen bei der Ausführung entstehen Differenzen, die in der Folge dann kompensiert werden müssen. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, je genauer eine Planung ist, desto präziser sollte auch die Kostenermittlung sein, die die Grundlage für das Budget bildet. Kostensteuerung als Unterstützung des Risikomanagements Die Kostensteuerung unterstützt das Risikomanagement in der Form, dass Aufträge in einem Projekt nur dann vergeben werden können, wenn das Budget hierfür auch einkalkuliert worden ist. Dabei wurde sehr genau auf die Einhaltung dieses Prozesses bei der Vergabe der Bau- und Planungsleistungen geachtet. Bevor die Leistungsverzeichnisse auf dem Markt platziert und veröffentlicht werden konnten, wurden die Leistungsverzeichnisse mit den aktuellen Marktpreisen bewertet. Dabei wurde überprüft, wieweit die Vorbudgetierung zum aktuellen Auspreisungsergebnis passte. Wurde das Budget nicht eingehalten, konnte das Leistungsverzeichnis nicht auf den Markt gehen und musste überarbeitet werden, so lange, bis das Budget wieder passte. Diese Kontrolle war absolut notwendig, weil man sonst mehr Leistung beauftragt hätte, als man wirtschaftlich hätte vertreten können. Zuletzt wurde das Projektbudget jedes Einzelauftrages an das Submissions-/ Vergabeergebnis angepasst. Damit dieser Prozess auch von allen Projektbeteiligten eingehalten wurde, musste im Projekt A-Plus für jeden einzelnen Auftrag und Nachtrag jeweils ein Kostendeckungsnachweis erstellt werden, der die Auskömmlichkeit des Budgets bescheinigte. Sofern keine Budgetdeckung vorhanden war, konnte kein Deckungsnachweis erstellt werden und es wurde keine Vergabe freigegeben. Das gleiche Vorgehen wurde bei den Nachträgen vorgenommen. Das Reporting Für ein effektives Risikomanagement und eine vorausschauende Prognose sind verlässliche Zahlen ein absolutes Muss. Dafür ist es erforderlich, an der richtigen Stelle die gebotene Transparenz herzustellen. Es wäre fatal gewesen, aufs Geratewohl einfach einige Berichte zu generieren und diese dann zu verteilen. Dies hätte dazu geführt, dass die Beteiligten möglicherweise sehr umfangreiche Daten erhalten hätten, die nicht zielgerichtet sind und ggf. auch nicht die gewünschten Informationen liefern, die sie bei ihrer täglichen Arbeit benötigen. Die Berichte wurden daher in dem Projekt A-Plus mit der Projektleitung und dem Topmanagement abgestimmt, bevor sie in dem Projekt eingesetzt wurden. Es wurden verschiedene Verdichtungsstufen geschaffen, in die man nach Bedarf detaillierter einsteigen konnte. Das Reporting setzt grundsätzlich auf einer klaren Ausgangsbasis - nämlich dem Projektauftrag - auf. In ihm werden Budgets, Leistungsinhalte, Nachtragsvorsorgen, Termine, Risiko- und Änderungsvorsorge definiert. Die Kostenfortschreibungs- und Prognoseberichte sind so aufzubauen, dass alle Beteiligten ihren letzten Informationsstand den Berichten auch zuordnen können. Das heißt, die Berichte müssen nachvollziehbar sein und sollten in einem festgelegten, mit der Projektleitung vereinbarten Turnus generiert werden. Daher spricht man an dieser Stelle auch von dem „vernünftigen/ effektiven“ Reporting. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass quartalsweise eine sogenannte Hochrechnung mit der Geschäftsleitung besprochen wurde. Dabei musste vierteljährlich eine aktuelle Hochrechnung des Mittelabflusses für das laufende Jahr abgegeben werden. Das Unternehmen muss als Auftraggeber und Bauherr darüber informiert werden, wie viele Millionen in einem laufenden Geschäftsjahr zu disponieren sind und abfließen, was also die Firmen an Zahlungen (Cash-Out) erhalten. Um so etwas ermitteln zu können, müssen je Quartal einige Wochen vorher alle Aufträge betrachtet werden. Wie weit ist der technische Baufortschritt? Was wurde bereits im laufenden Jahr in Rechnung gestellt? Was wird noch zu erwarten sein? Dabei sind natürlich Verzögerungen oder aber auch Beschleunigungen im Bauablauf zu berücksichtigen. Regelmäßige Meetings und die richtige Einschätzung des Risikos Risiken zu managen bedeutet zunächst, Risiken zu identifizieren und schließlich zu bewerten. Da das Ganze kein einmaliger Vorgang, sondern ein laufender Prozess ist, müssen auch die Meetings mit dem Projektteam regelmäßig stattfinden. Die Meetings sind einer der zentralen Punkte, auf die beim Risikomanagement nicht verzichtet werden kann. Ohne eine Verwertung der aktuellen Informationen und persönlichen Einschätzungen der Projektleitung zu den Sachverhalten auf der Baustelle lässt sich eine reelle Bewertung der Kostenpositionen nur sehr schwer durchführen. Das Reporting mit seiner Kostenprognose wäre dann nur halb so viel wert. Um allerdings über verlässliche Einschätzungen und Erwartungen zu verfügen, muss einiges mehr getan werden. Für eine vollständige Risikobetrachtung müssen alle Einzelvorgänge aufgenommen und betrachtet werden. Gegen die Summe aller Einzelvorgänge lässt sich das Budget am besten steuern. Damit wird das höchste Maß an Auskömmlichkeit des Projektbudgets garantiert. Allerdings entsteht hier bereits - nach unterschiedlicher Auffassung der Akteure - ein erstes Risiko. Die Erfahrung zeigt, dass generell Vorbehalte bestehen, zunächst alle Risiken zu bewerten, zu nennen und einzuschätzen, weil das möglicherweise die Realisierung des Projekts infrage stellen würde: „Das können wir 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 36 WISSEN PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 06 Uhr Seite 36 nicht nennen“, „Das ist nicht gewünscht“, „Das wäre fatal und würde uns niemals die Zustimmung zur Realisierung bringen“. Beim Projekt Flugsteig A-Plus wurde dieser Weg verlassen und in eine offene Kommunikation mit dem Vorstand eingetreten. Erst wenn man von Anfang an auf einer transparenten Basis aufsetzt, besteht die Chance einer „vertrauensvollen“ Zusammenarbeit als Grundlage für ein professionelles Risikomanagement. Wer Fertigstellungstermine nennt und bisher nur 40 Prozent des Projekts betrachtet hat, handelt fahrlässig! Man muss das richtige Risikomaß haben, das heißt, die Bewertung sollte möglichst objektiv und vollständig erfolgen. Detailliertes Vorgehen Wer eine Risikoeinschätzung trifft, darf die andere Hälfte der Medaille nicht vergessen. Damit das nicht passiert und ein sogenanntes „Schein-Risikomanagement“ vermieden wird, wurden beim A-Plus die Entscheidungsträger in den Prozess nicht nur voll eingebunden, ihnen wurde auch erklärt, was passiert, wenn eben nur unvollständige Betrachtungsweisen vorgenommen werden. Werden Bauzeiten entgegen der ursprünglichen Planung verlassen, kann dies zu Verzögerungen führen. Dann ist eine Bauzeitenverlängerung bei allen relevanten Aufträgen zu berücksichtigen. Die Erarbeitung von Gegensteuerungsmaßnahmen sowie die Anordnung von Beschleunigungen werden in aller Regel zu Mehrkosten führen, die dann auch im Risikomanagement zu berücksichtigen sind. Dies ist auch der Grund, warum man bei einem solchen Projekt nicht nur das Budget für den Auftrag und die Nachträge, sondern auch für Unvorhergesehenes einplanen muss. Mit konsequenter und regelmäßiger Durchführung der Risikogespräche wurde unter allen Beteiligten eine Informationsplattform geschaffen, die dazu geführt hat, dass die richtigen Risiken identifiziert und seriös bewertet werden konnten. Im Projektteam wurden für jeden Einzelauftrag die Behinderungsmeldungen, die Mehrkostenanmeldungen und die Nachtragsforderungen besprochen und beurteilt. In den Folgesitzungen wurden diese Beurteilungen mit dem aktuellen Wissen fortgeschrieben. Beispiel: Der Nachtrag eines Lüftungsbauers wurde beispielsweise vor 14 Tagen noch mit Mehrkosten in Höhe von 500 TEUR angezeigt. Dieser kann nach Verhandlungen mit dem entsprechenden Bauunternehmen dann im günstigsten Fall nur noch 300.000 EUR betragen oder aber auch mehr. Diese Informationen müssen je Einzelauftrag im Rahmen der Kostensteuerung verarbeitet werden. Damit wird das Risikomanagement im Projekt auf den aktuellen Stand gebracht und vor allem während des Projektverlaufs aktuell gehalten. Hier wird sehr deutlich, dass eine regelmäßige und zugleich kontinuierliche Fortschreibung der Risiken notwendig ist. Das mag für den einzelnen Betrachter alles sehr aufwendig erscheinen, aber die Kostensteuerung muss immer gegen das aktuelle Budget eines Gewerkes bzw. Auftrages laufen. Wird das Budget durch Mehrkostensteigerungen überschritten, kann hier rechtzeitig und vor allem vorausschauend gezeigt werden, dass die entsprechenden Budgets nicht mehr auskömmlich sind und ggf. angepasst werden müssen. Gleiches gilt für Aufträge von Baufirmen, die zwischenzeitlich abgeschlossen wurden. Möglicherweise kann dann überschüssiges Budget zurückgeführt werden. Ich habe bei jedem Meeting gesagt: „Mir ist lieber, ich weiß frühzeitig von Risiken, um rechtzeitig geeignete Gegensteuerungsmaßnahmen einzuleiten.“ Wir haben bei A-Plus monatliche Risikogespräche zwischen der Projektleitung, den Projektkaufleuten, der Projektsteuerung sowie dem Generalplaner durchgeführt und etabliert. Ich sage bewusst etabliert, weil wir diese Risikogespräche zu Regelterminen in dem Projekt gemacht haben (siehe unten stehenden Kasten). Ausschlaggebend war vor allem, dass die Projektsteuerung zwischen den Risikogesprächen die Kosten stets durch Rechnungseingänge, Nachtragsprüfungen, zusätzliche Leistungen, Zahlungen etc. fortgeschrieben hatte. Der Bericht wurde turnusgemäß erstellt, zur laufenden Kostensteuerung außerhalb der Risikogespräche. Transparenz von Kosten und Leistung Aus den Risikogesprächen wurde vor allem der Projektleitung deutlich, wie sich die Kosten in dem Einzelauftrag gegenüber dem Budget entwickeln. Wenn man das projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 37 Je genauer so ein Meeting vorbereitet wird, desto reibungsloser läuft es ab: 1. Die Objektüberwachung wurde von uns im Vorfeld beauftragt, eine aktuelle und vollständige Aufstellung aller Behinderungsmeldungen, Mehrkostenanmeldungen und Nachtragsforderungen der Baufirmen vorzubereiten. 2. Die Projektsteuerung hatte anschließend diese Unterlagen überprüft und ein Reporting der Einzelaufträge erstellt, das dann Gegenstand der Gespräche wurde. 3. Jeder Einzelauftrag wurde durchgesprochen: Welche Behinderungsmeldungen, Mehrkostenanmeldungen und Nachtragsforderungen werden aktuell behandelt? Wie werden diese Forderungen aktuell eingeschätzt? Welche Einschätzung lag bereits in einem vorhergehenden Risikogespräch dem Einzelauftrag zugrunde? Welche Gegensteuerungsmaßnahmen wurden bereits angeordnet bzw. sind vorgesehen? 4. So wurde monatlich mit den Beteiligten sukzessive in jedem Einzelauftrag über die Einschätzung des Risikos diskutiert und schließlich eine Festlegung der noch zu erwartenden Kosten getroffen. 5. Das Gespräch wurde genau in Form eines Protokolls dokumentiert. Dabei wurde die Bewertung des Risikos, das letztlich in die Kostenprognose eines jeden Einzelauftrages einfließt, für die Projektleitung, die Projektsteuerung und den Generalplaner jeweils separat schriftlich festgehalten. 6. Wurde mit der Kostenprognose das Budget im Einzelauftrag überschritten, musste quartalsweise eine Anpassung des Auftragsbudgets aus Reserven an anderer Stelle vorgenommen werden. 7. Als Ziel wurde angestrebt, möglichst eine übereinstimmende Einschätzung der Kostenrisiken herbeizuführen. Wenn dies nicht gelang, musste das differenzierte Ergebnis der Parteien separat dokumentiert werden. 8. Im Anschuss an die Risikogespräche wurde der Protokollentwurf zur Freigabe an alle Beteiligten versandt und als Grundlage für das Folge- Risikogespräch herangezogen. 9. Danach wurden die Ergebnisse der Meetings in die Kostenprognose eingearbeitet, kongruent zum protokollierten Gesprächsergebnis. Wie lief so ein Risikogespräch ab? PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 06 Uhr Seite 37 für jeden Auftrag durchführt, erhält man einen transparenten Überblick der Gesamtkostensituation aller Aufträge gegenüber dem Projektbudget. Das ist letztlich die Grundlage, auf der die vollständige Risikobetrachtung für das Projekt aufsetzt und die auch dem Techniker eine elementare Information liefern kann. Darüber hinaus sind die Risiko-Meetings eine Plattform für einen regelmäßigen und verbindlichen Informationsaustausch unter den ausgewählten Projektbeteiligten. So ein Risiko-Meeting kann man auch manchmal als „klärende Ebene“ bezeichnen, in der zunächst teils unterschiedliche Auffassungen zur kaufmännischen Beurteilung einer technischen Maßnahme „harmonisiert“ werden. So konnte sich schließlich keiner der Projektbeteiligten aus der Verantwortung ziehen und trug so die Kostenprognose in dem Reporting gemeinsam mit. Durch die differenzierte Dokumentation der Risikoeinschätzung der Projektleitung, der Projektsteuerung und des Generalplaners wurde dabei den unterschiedlichen Einschätzungen der Kostenprognose im Detail Rechnung getragen. Es konnte beispielsweise vorkommen, dass die Projektleitung und die Projektsteuerung die Nachtragsforderungen eines Unternehmers höher einschätzten als der Generalplaner. Durch die Dokumentation im Risikoprotokoll wurde die Differenzierung transparent festgehalten. Allerdings wurde stets der höhere Kostenwert, also die höhere Risikoeinschätzung in die Kostenprognose aufgenommen. Damit wurde dem Ansatz eines konservativen Risikomanagements Rechnung getragen, das Phänomen von Groupthink konnte vermieden werden. Es war stets Aufgabe der kaufmännischen Programmleitung, bei den Meetings zum Risikogespräch dafür zu sorgen, dass die Risikobeurteilung zu jedem Auftrag vorgenommen wurde und eine eingeschränkte Betrachtungsweise zur Risikobeurteilung vermieden wurde. Dazu war es notwendig, sich nicht ausschließlich auf die Aussagen der Techniker zu stützen, sondern sich auch selbst als Kaufmann ein Bild auf der Baustelle zu verschaffen. Hierbei geht es nicht darum, die Aussagen der Technik auf den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, das kann und darf nicht die Aufgabe sein. Es geht vielmehr darum, sich selbst ein Bild von der Situation der Gegebenheiten vor Ort zu verschaffen. Wie komplex ist die Baustelle? Welche Schwierigkeiten gibt es vor Ort? Welche Abhängigkeiten können auftreten? Es ist daher erstrebenswert, den regelmäßigen Besuch auf der Baustelle vorzunehmen und mit der Bauleitung einen regelmäßigen Informationsaustausch zu pflegen. Schließlich erfährt man, wie gut die Selbsteinschätzung bisher gewesen ist und wie weit man diese noch ausbauen kann. Es ist nicht zuletzt von entscheidender Bedeutung, dass man auch in den Risikogesprächen lernt, den Dialogen der Techniker zu folgen, und diese verstehen lernt. Dafür ist eine ständige Auseinandersetzung mit der Technik und dem Bauwerk essenziell. Das wird von der Projektleitung geschätzt und fördert die Zusammenarbeit. Was können andere Branchen davon lernen? Die meisten Projektrisiken sind bis zu einem gewissen Grad kontrollierbar. Das Risikomanagement sollte als eine sog. „strukturierte“ Annäherung (Analyse, Bewertung, Kontrolle) verstanden werden [5, S. 1]. Wichtig sind vor allem eine einfache Anwendbarkeit sowie eine nachvollziehbare Dokumentation der Ergebnisse [2, S. 3]. Das Risikomanagement ist ein Prozess, den es in regelmäßigen Abständen durchzuführen gilt. Ursachen für ein fehlerhaftes Risikomanagement können begründet sein durch Mangel an Risikomanagementkenntnissen, falsche Annahmen und Bewertungsmaßstäbe, fehlerhaftes Monitoring oder auch ein falsches Reporting [6, S. 5]. Beim Projekt A-Plus wurde versucht, das Risikomanagement als Prozess in regelmäßigen Abständen kritisch zu hinterfragen. Nehmen die richtigen Personen an den Terminen teil? Werden verlässliche und korrekte Informationen behandelt? Werden die richtigen Bewertungsmaßstäbe für die Risikoeinschätzung angesetzt? Und viele Fragen mehr … Damit zeigt sich, dass nach einer Etablierung von Risikomanagementprozessen im Nachgang eine Optimierung immer wieder erforderlich werden kann, aber auch Erfolg versprechend ist. 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 38 WISSEN 1. Prozesse definieren und verabschieden 2. Projektstruktur und Projektorganisation aufbauen 3. Aufgaben und Rollen festlegen 4. Projektbeteiligte einbinden 5. Prozesse starten und etablieren 6. Projektauftrag definieren und Budgets planen 7. Vergaben mit Deckungsnachweis tätigen (Budgetdeckung) 8. Änderungen managen und Budgets fortschreiben 9. Nachträge steuern 10. Risiko-Meetings durchführen, Risiken bewerten 11. Kostenprognosen fortschreiben und ggf. Budgets anpassen Die Prozesse sind bei Bedarf anzupassen. Der regelmäßige Besuch auf der Baustelle ist sehr hilfreich, um sich ein persönliches Bild von der Komplexität zu verschaffen und dem Dialog der Techniker besser folgen zu können. 11-Punkte-Plan für ein kaufmännisches Risikomanagement Abb. 7: Der neue Marktplatz bietet den Passagieren vielfältigste Einzelhandels- und Gastronomie-Angebote. Foto: Fraport AG PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 06 Uhr Seite 38 Wer sich mit Risikomanagement auskennt, muss von seinen Vorteilen nicht erst überzeugt werden. Wer sich in einem Arbeitsumfeld bewegt, in dem Risikomanagement nicht bekannt ist, sollte zunächst für den Prozess werben. Dabei hilft es, den Beteiligten zu zeigen, mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist, wenn kein Risikomanagement im Projekt etabliert und praktiziert wird (siehe den nebenstehenden Kasten). Abschließende Bewertung Eine technische Projektleitung sieht zunächst das Ziel, das Projekt in der geplanten Zeit und mit der vorgesehenen Qualität zu realisieren. Sie ist bestrebt, die technischen Herausforderungen zu meistern, damit das Bauwerk am Ende so aussieht, wie es bestellt und geplant wurde. Das herkömmliche Risikomanagement zielt dabei vor allem auf eine technische Auseinandersetzung mit Projektrisiken ab. Wie bekomme ich beispielsweise die Konstruktion oder die Statik technisch gelöst? Ein Kaufmann sieht seine Ziele darin, den Techniker dabei zu unterstützen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Damit das nicht passiert, ist der Kaufmann allerdings auch auf die Informationen des Technikers angewiesen. Welche Umstände herrschen auf der Baustelle, welche schwierigen Situationen müssen gemeistert werden? Folgen daraus Mehrkosten, etwa wegen Baustillstand durch Wintereinbruch? Müssen Beschleunigungen angeordnet werden? Diese Informationen sind essenziell und müssen sich schließlich in einer vollständigen Kostenprognose eines Projekts wiederfinden. Das Risikomanagement aus kaufmännischer Sicht hat das Ziel, Risiken rechtzeitig zu erkennen und mit den entsprechenden Gegensteuerungsmaßnahmen richtig zu bewerten. Ferner besteht die Absicht, mögliche Projektrisiken im Rahmen der Kostenprognose zu berücksichtigen. Ein weiteres Ziel ist es, auskömmliche Budgets zu bilden und dafür zu sorgen, dass Prozesse geschaffen werden, die eine professionelle Kostensteuerung ermöglichen und die somit das Risikomanagement aus kaufmännischer Sicht nachhaltig unterstützen. Nicht zuletzt müssen während des Projektverlaufs die Änderungen zum Projektauftrag stringent und konsequent gesteuert werden. Wenn beide Parteien, Techniker und Kaufleute, eng und partnerschaftlich miteinander zusammenarbeiten, können sie voneinander profitieren. Die Kaufleute können von Technikern profitieren, wenn diese offen und fair kommunizieren und rechtzeitig auf technische Risiken hinweisen. Die Techniker können umgekehrt von den Projektkaufleuten profitieren, wenn diese für eine ordentliche kaufmännische Abwicklung des Projekts sorgen, das heißt für eine zuverlässige Berücksichtigung der technischen Risiken und damit adäquate Bewertung der Risiken in der Kostenprognose sorgen. Damit wird ein Gesamtüberblick der Kostensituation in dem Projekt für den Techniker ermöglicht. Ich kann aus eigener Erfahrung nur bestätigen, jeder Tag, jede Stunde und jede Minute, die wir uns mit Risikomanagement im Projekt beschäftigt haben, hat sich ausgezahlt! Die richtigen Informationen rechtzeitig an die Entscheidungsträger weiterzuleiten, ist eine wesentliche Notwendigkeit, um das Projekt gemeinsam mit dem Auftraggeber und dem Topmanagement zum Erfolg zu bringen. Fazit Werden die Strukturen für ein kaufmännisches Risikomanagement geschaffen, erscheint das Vorgehen zwar zunächst sehr komplex und aufwendig. Schafft man solche Strukturen aber nicht, geht der Überblick der Risiken im Projekt verloren bzw. der Überblick ist von Anfang an überhaupt nicht vorhanden. Nur wer den Steuerungsanspruch verfolgt, wird auch bestrebt sein, ein professionelles (zuvor beschriebenes) Risikomanagement durchzuführen. Für den Bauherrn zahlt sich das auf jeden Fall immer wieder aus. ■ Literatur [1] Fiedler, R.: Die Bedeutung des Risikomanagements für Projekte: Controlling von Projekten. Projektplanung, Projektsteuerung, Projektkontrolle. 3. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 48 ff. [2] Blasberg, U.: Risikomanagement in Projekten. In: Erfahrung, Innovation, Erfolg, 2004, S. 1, www.1155pm.de/ 1155PM_Fachartikel_Risikomanagement_in_Projekten.pdf [3] Wanner, R.: Risikomanagement für Projekte. Die wichtigsten Methoden und Werkzeuge für erfolgreiche Projekte. Norderstedt 2009 [4] Busch,Th./ Girmscheid, G.: Projektrisikomanagement in der Bauwirtschaft. 1. Aufl., Berlin 2008 [5] Sandoval-Wong, A./ Schwarz,. J.: Risikomanagement: Realität und Herausforderungen in der Bauindustrie - Unterstützung des Projekt- und Risikomanagements. Universität der Bundeswehr München, Institut für Baubetrieb, Neubiberg 2009 [6] Steeger, O./ Oleniczak, G.: Das Projektbudget mit kaufmännischen Tugenden führen. Großinvestition am Frankfurter Flughafen: Neue Flugsteige für den Airbus A380. In: projektMANAGEMENT aktuell , Vol. 23, 1/ 2012, S. 3-12 Schlagwörter Änderungsmanagement, Berichtswesen, Projektkostenkontrolle, Projektkostenplanung, Projektstrukturierung, Risikomanagement Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.3 Projektanforderungen und Ziele, 4.1.4 Risiken und Chancen, 4.1.9 Projektstrukturen, 4.1.13 Kosten und Finanzmittel, 4.1.15 Änderungen, 4.1.16 Überwachung und Steuerung, Berichtswesen Autor Gregor Oleniczak ist Kaufmännischer Programmleiter bei der Fraport AG und war von 2005 bis 2011 für die Kostensteuerung des Großprojekts Flugsteig A-Plus verantwortlich. Er hat seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei Merck, Finck & Co. Privatbankiers absolviert und im Anschluss sein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg als Diplom-Volkswirt abgeschlossen. Bei der Fraport AG hat er unterschiedliche Positionen durchlaufen. Anschrift E-Mail: G.Oleniczak@fraport.de projekt MA N A G E M E N T aktuell 3/ 2014 l 39 PM_3-2014_1-68: Inhalt 27.05.2014 13: 06 Uhr Seite 39